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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 03.05.2001
Aktenzeichen: 6 W 123/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2048
BGB § 2052
BGB § 2050
Rechtliche Grundlage: BGB § 2048; BGB § 2052; BGB § 2050

Die tatrichterliche Auslegung von Willenserklärungen - auch von Testamenten - im Rechtsbeschwerdeverfahren ist nur eingeschränkt überprüfbar, nämlich darauf, ob sie nach den Denkgesetzen und den feststehenden Erfahrungssätzen möglich ist - sie muss nicht zwingend sein -, mit den gesetzlichen Auslegungsregeln in Einklang steht, dem klaren Sinn und Wortlaut der Erklärung nicht widerspricht und alle wesentlichen Tatsachen berücksichtigt sowie alle möglichen Auslegungsmöglichkeiten in Betracht zieht. Da eine Teilungsanordnung dinglich wirkt, gehört der solchermaßen Bedachte immer zu den Miterben. Dem Erblasserwillen, dass einer der Abkömmlinge im Hinblick auf zu Lebzeiten des Erblassers erfolgte Zuwendungen "am Nachlass nicht Teilnehme soll", wird wegen des dann eintretenden Pflichtteilsrechts die Annahme einer Enterbung nicht ohne weiteres gerecht. In Betracht zu ziehen ist auch die Einbeziehung des Abkömmling zu den Erben zusammen mit der Bestimmung einer Ausgleichungspflicht nach §§ 2052, 2050 Abs. 3 BGB, sofern eine solche Bestimmung dem Abkömmling zugegangen ist. Thür. OLG Beschl. v. 3. 5. 2001, 6 W 123/01

Thüringer Oberlandesgericht, 6. Zivilsenat, Beschluss vom 03.05.2001 - 6 W 123/01 -


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

6 W 123/01 4 T 343/00 (Landgericht Meiningen)

In dem Verfahren

betreffend die Erteilung eines Erbscheins nach der am......geborenen und am ....2000 verstorbenen .....

an dem beteiligt sind:

1. F. H.

- Beschwerdeführer, auch im Verfahren der weiteren Beschwerde -

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte Stephan Claus & Kollege, Marienstraße 2, 96465 Neustadt b.Coburg

2. C. S..............................

- Antragstellerin und Beschwerdegegnerin, auch im Verfahren der weiteren Beschwerde

3. B. H.............................

4. K. H...............................

5. J. H...............................

- weitere Beteiligte -

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h.c. Bauer, die Richterin am Amtsgericht Dr. Mittenberger-Huber und den Richter am Oberlandesgericht Bettin auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 vom 15./19.02.2001 gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Meiningen vom 30.01.2001

am 03.05.2001

beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Meiningen vom 30.01.2001 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde, an das Landgericht urückverwiesen.

Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 5.000 M festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 2 und 3 sind die Kinder der am .....2000 verstorbenen Erblasserin E. H. Die Beteiligten zu 1, 4 und 5 sind die gesetzlichen Erben des am 07.03.2000 verstorbenen weiteren Sohnes der Erblasserin Horst H.

Die Erblasserin errichtete am 04.07.1991 ein privatschriftliches Testament mit folgenden Wortlaut:

"Mein letzter Wille!

Hiermit beauftrage ich meine Tochter C. S. und meinen Sohn B. H., nach meinem Tode meinen Nachlass unter Geschwister zu verteilen. Auch meine Bankkonten auf der Kreissparkasse M.. Sohn Horst hat sein Erbteil erhalten (Grundstück T.str. ..in T.) Er nimmt am Nachlaß nicht teil.

E. H.

M., den ....1991."

Die Beteiligte zu 2 hat die Erteilung eines Erbscheins des Inhalts beantragt, dass sie und der Beteiligte zu 3 nach der verstorbenen Mutter Erben zu je 1/2 geworden sind. Mit Vorbescheid vom 23.10.2000 hat das Nachlassgericht angekündigt, es werde den beantragten Erbschein antragsgemäß erlassen, sofern nicht bis zum 21.11.2000 gegen den Vorbescheid Beschwerde erhoben wird. Es hat das Testament dahin ausgelegt, dass der vorverstorbene Sohn Horst seinen Erbteil bereits erhalten habe und der verbleibende Nachlass unter die Beteiligten zu 2 und 3 aufzuteilen sei. Ein Anhaltspunkt dafür, aus dem Erbstamm nach Horst H. solle noch jemand erben, sei dem Testament nicht zu entnehmen.

Das Landgericht hat die gegen den Vorbescheid gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Nach seiner Auslegung enthält das Testament keine Erbausschließung des vorverstorbenen Sohnes Horst. Vielmehr habe die Erblasserin 1991 mit dem Testament eine Regelung getroffen, die ihre drei leiblichen Kinder als gleichberechtigte Erben vorsehe und zugleich eine Teilungsanordnung gemäß § 2048 BGB enthalte. Während der Sohn Horst durch den notariellen Überlassungsvertrag vom 11.07.1997 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge die in dem Vertrag erwähnten Grundstücke erhalten habe, sollten die Beteiligten zu 2 und 3 den restlichen Nachlass, der im Wesentlichen aus dem Bankguthaben bei der Kreissparkasse M. bestanden habe, unter sich verteilen. An diesem restlichen Nachlass solle der bereits 1997 bedachte Sohn Horst nicht mehr teilnehmen.

Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1, die im Wesentlichen geltend macht, das Landgericht hätte nach seiner eigenen Begründung der Erstbeschwerde stattgeben müssen. Hätte nämlich die Erblasserin durch das Testament ihre drei Kinder zu gleichberechtigten Erben eingesetzt, wären an Stelle des vorverstorbenen Sohnes Horst die Beteiligten zu 1, 4 und 5 als dessen Abkömmlinge gemäß § 2069 BGB getreten.

Die anderen Beteiligten haben sich zu der weiteren Beschwerde innerhalb der vom Senat gesetzten Frist nicht geäußert.

II.

Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG an sich statthaft und auch sonst zulässig. Sie hat in der Sache vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung, weil die angefochtene Entscheidung des Landgerichts auf Gesetzesverletzungen beruht, §§ 27 FGG, 550 ZPO.

1. Zu Recht macht die weitere Beschwerde geltend, dass die Entscheidung des Landgerichts in sich widersprüchlich ist. Ausweislich seiner Begründung legt das Landgericht das privatschriftliche Testament der Erblasserin vom 04.07.1991 dahin aus, dass die Erblasserin ihre leiblichen Kinder - und damit auch den Sohn Horst - zu gleichberechtigten Erben eingesetzt und zugleich eine Teilungsanordnung gemäß § 2048 BGB getroffen habe. Von diesem Rechtsstandpunkt ausgehend hätte das Landgericht den angefochtenen Vorbescheid des Amtsgerichts aufheben müssen, weil eine Teilungsanordnung ebenso wie ein Vermächtnis keine dingliche Wirkung hat, sondern nur eine schuldrechtliche Verpflichtung der Miterben gegeneinander begründet. Bei einer Teilungsanordnung werden mithin alle Miterben in ihrer Gesamtheit als Miterbengemeinschaft Inhaber des Nachlasses (§§ 1922, 2032 BGB). Der in der Teilungsanordnung bedachte Erbe erhält den ihm zugeschriebenen Einzelgegenstand erst durch Vollzug der Auseinandersetzung (vgl. Staudinger/Werner, BGB, 13. Bearbeitung, § 2048 Rn. 3 m.w.N.). Nach der Testamentsauslegung des Landgerichts wären mithin die Beteiligten zu 2 und 3 Miterben zu je 1/3 und die Beteiligten zu 1, 4 und 5, die nach § 2069 BGB an die Stelle des Sohnes Horst getreten wären, Miterben zu je 1/9 geworden. Der Vollzug der Auseinandersetzung und der vom Landgericht angenommenen Teilungsanordnung ist nicht Gegenstand des Erbscheinsverfahrens, sondern bliebe den Miterben überlassen.

2. Darüber hinaus beruht auch die vom Landgericht vorgenommene Testamentsauslegung selbst auf Rechtsfehlern. Allerdings ist die tatrichterliche Auslegung von Willenserklärungen - auch von Testamenten - im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt überprüfbar, nämlich darauf, ob sie nach den Denkgesetzen und den feststehenden Erfahrungssätzen möglich ist - sie muss nicht zwingend sein -, mit den gesetzlichen Auslegungsregeln in Einklang steht, dem klaren Sinn und Wortlaut der Erklärung nicht widerspricht und alle wesentlichen Tatsachen berücksichtigt sowie alle möglichen Auslegungsmöglichkeiten in Betracht zieht (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Auflage, § 27 Rn. 48 m.w.N.). Rechtsfehler in diesem Sinne sind dem Landgericht dadurch unterlaufen, dass es nicht alle Auslegungsmöglichkeiten des Testaments in Betracht gezogen und den maßgebenden Sachverhalt nicht hinreichend erforscht hat (§ 12 FGG).

Das vorliegende Testament der Erblasserin vom 04.07.1991 lässt mehrere Auslegungsmöglichkeiten zu. In Betracht kommt zunächst die offensichtlich vom Amtsgericht angenommene Enterbung des möglicherweise im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vorab abgefundenen Sohnes Horst (vgl. hierzu MünchKommBGB/Dütz, 3. Auflage, § 2050 Rn. 31; Weimar, JR 1967, 97, 98). Soweit das Landgericht die Testamentsauslegung des Amtsgerichts dahin versteht, es nehme einen Ausschluss des Sohnes Horst von der Erbfolge nicht an, erscheint das unzutreffend, weil in diesem Fall das Ergebnis des Amtsgerichts - beabsichtigte Erbscheinserteilung für die Beteiligten zu 2 und 3 als Miterben zu je 1/2 - nicht verständlich wäre. Die Auslegung des Testaments in dieser Weise hätte indessen zur Folge, dass der Sohn Horst und nach ihm die Beteiligten zu 1, 4 und 5 pflichtteilsberechtigt geblieben wären. Ob die Erblasserin das gewollt hat, erscheint angesichts der Formulierung im Testament, der Sohn Horst solle am Nachlass nicht teilnehmen, weil er sein Erbteil bereits erhalten habe, zweifelhaft.

Als weitere Möglichkeit der Testamentsauslegung ist grundsätzlich die vom Landgericht in der Begründung seiner Entscheidung angenommene Erbeinsetzung aller drei Kinder zu gleichen Anteilen in Erwägung zu ziehen. Dabei liegt allerdings eine Teilungsanordnung nach dem Testamentswortlaut fern, weil weder eine Zuweisung von Einzelgegenständen vorliegt - die Übereignung des bzw. der Grundstücke an den Sohn Horst war lange vor der Testamentserrichtung vollzogen - noch eine sonstige Anordnung für die Auseinandersetzung ersichtlich ist. Naheliegend und vom Landgericht nicht in Betracht gezogen ist indes die Möglichkeit, dass die Erblasserin in Bezug auf die Zuwendung des Grundstücks an den Sohn Horst eine Anrechnungsbestimmung nach den §§ 2052, 2050 Abs. 3 BGB hat treffen wollen. Indessen muss eine solche Anordnung entweder vor oder gleichzeitig mit der Zuwendung dem Abkömmling zugehen, so dass dieser sie ausdrücklich oder stillschweigend annehmen oder die Zuwendung wegen der Ausgleichspflicht ablehnen kann (RGZ 67, 308). Ob im vorliegenden Fall eine derartige Anordnung erfolgt ist, muss gleichfalls durch Auslegung der Willenserklärungen der Beteiligten ermittelt werden. Ein Indiz hierfür könnte sein, wenn die damalige Zuwendung ausdrücklich oder im gegenseitigen Einverständnis im Wege vorweggenommener Erbfolge erfolgt wäre (vgl. MünchKommBGB/Dütz, a.a.O. m.w.N.).

Zu der Frage, worauf der Wille der Erblasserin bei der Testamentserrichtung im Jahre 1991 und bei der Grundstücksübereignung an den Sohn Horst im Jahre 1979 gerichtet war, sind weitere Ermittlungen möglich und erforderlich, die das Landgericht entgegen § 12 FGG unterlassen hat. Es bietet sich insbesondere an, den Grundstücksüberlassungsvertrag aus dem Jahre 1979 in seinem vollen Wortlaut beizuziehen, weil sich möglicherweise hieraus bereits Anhaltspunkte für den Willen den Erblasserin ergeben könnten. In Betracht ziehen müssen wird das Landgericht auch eine Anhörung der Beteiligten zu 2 und 3 zu dieser Frage. Der Senat kann die erforderlichen Feststellungen im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht selbst treffen, so dass es der Zurückverweisung der Sache an das Landgericht bedarf.

III.

Den Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde hat der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht nach den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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