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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 17.04.2002
Aktenzeichen: 6 W 166/02
Rechtsgebiete: GBO


Vorschriften:

GBO § 19
GBO § 22
GBO § 15
Eine neben der Vollzugsvollmacht von den Beteiligten dem Notar erteilte weitere Vollmacht ermächtigt diesen, die Löschung einer Auflassungsvormerkung bei nicht durchgeführtem Kaufvertrag zu bewilligen.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

6 W 166/02

In dem Verfahren

betreffend die Löschung einer den Eigentumsübergang an den im Grundbuch von .........Abt. I, lfd. Nr. 1, 2 eingetragenen Grundstücken, Flurstücke ...... sichernden Vormerkung,

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Bauer, den Richter am Oberlandesgericht Kramer, den Richter am Amtsgericht Hollandt auf die Beschwerde vom 05.03.2002 gegen den Beschluss des Landgerichts Mühlhausen vom 12.02.2002 am 17.04.2002

beschlossen:

Tenor:

1. Der Beschluss des Landgerichts Mühlhausen vom 12.02.2002 wird aufgehoben.

2. Das Amtsgericht - Grundbuchamt Sondershausen wird angewiesen, den Eintragungsantrag vom 02.08.2001 nicht aus den in der Zwischenverfügung vom 11.09.2001 genannten Bedenken gegen die Bewilligungsvollmacht des Notars Dr. Rothe zurückzuweisen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1) haben die verfahrensbetroffenen Grundstücke aus dem Vermögen der Treuhandanstalt/TLG Treuhandliegenschaftsgesellschaft aufgrund eines Kaufvertrages vom 22.11.1995 und einer Auflassung vom 05.06.1996 am 31.01.1997 erworben.

Mit notariellem Vertrag vom 03.02.1997 (URNr. 259/97 Dr. Rothe) haben die Beteiligten zu 1) die Grundstücke an J. H. aus A. verkauft und aufgelassen. In dieser Urkunde ist in Abschnitt III Nr. 2 bestimmt:

"Um den vertragsgemäßen Eigentumsübergang zu sichern, bewilligt der Veräußerer und beantragt der Erwerber die Eintragung einer Vormerkung. Der Erwerber bewilligt und beantragt schon jetzt wieder die Löschung der Vormerkung bei Eigentumsumschreibung ... ."

In Abschnitt VIII Nr. 2 ist bestimmt:

"Der Notar wird ermächtigt, den Vollzug dieser Urkunde umfassend zu betreiben. ... Zudem ist der Notar ermächtigt, die Beteiligten im Grundbuchverfahren uneingeschränkt zu vertreten. Er darf insbesondere Bewilligungen, Anträge und Rangbestimmungen abgeben, klarstellen und zurücknehmen. ..."

Am 16.04.1997 hat Notar Dr. Rothe zu URNr. 660/97 eine Vereinbarung zwischen J. H. als Ersterwerber, der Beteiligten zu 2) als Zweiterwerberin und den Beteiligten zu 1) als Veräußerer beurkundet, wonach die Beteiligte zu 2) sämtliche Rechte und Pflichten aus dem am 03.02.1997 beurkundeten Rechtsgeschäft übernimmt. Die Urkunde vom 16.04.1997 vermerkt:

"Diese Urkunde (= URNr. 259/97 vom 03.02.1997) lag bei Beurkundung in Urschrift vor, sie ist den Beteiligten bekannt, sie verzichten auf nochmalige Verlesung sowie auf Beifügen einer beglaubigten Abschrift.

Auf sie wird Bezug genommen.

Der Vertrag ist noch nicht vollzogen, der Kaufpreis ist noch nicht entrichtet."

In Abschnitt IV Nr. 2 b der Urkunde vom 16.04.1997 ist bestimmt:

"Um den ... Eigentumsübergang zu sichern, bewilligt der Veräußerer und beantragt der Zweiterwerber die Eintragung einer Vormerkung ... . Der Zweiterwerber bewilligt und beantragt schon jetzt wieder die Löschung der Vormerkung bei Eigentumstreibung ... ."

In Nr. V der Urkunde werden "insbesondere die dem Notar erteilten Vollzugsvollmachten von allen Beteiligten nochmals ausdrücklich bestätigt".

Die Auflassungsvormerkungen zugunsten der Beteiligten zu 2) ist am 15.09.1997 unter der laufenden Nr. I in Abt. II des Grundbuchs von ........ eingetragen worden. Die Eigentumsumschreibung auf die Beteiligte zu 2) ist nicht beantragt worden.

Am 07.08.2001 hat Notar Dr. Rothe dem Grundbuchamt eine Eigenurkunde vom 02.08.2001 zum Vollzug vorgelegt. Darin erklärt der Notar:

"Aufgrund der mir in den Urkunden URNr. R 259/97 vom 03.02.1997 und URNr. R 660/97 vom16.04.1997 erteilten umfassenden Vollzugsvollmacht bewillige und beantrage ich hiermit namens der Beteiligten die Löschung der Belastung II/1 im Grundbuch von ........."

Der Rechtspfleger des Grundbuchamtes hat mit Zwischenverfügung vom 11.09.2001 dem Notar Dr. Rothe die Vorlage einer Löschungsbewilligung der Beteiligten zu 2) aufgegeben, weil der Notar selbst zu einer solchen Erklärung keine Vollmacht habe. Gegen die Zwischenverfügung hat der Notar am 01.10.2001 beim Grundbuchamt "Erinnerung" eingelegt. Der Rechtspfleger hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Akten dem Landgericht vorgelegt. Dieses hat mit Beschluss vom 12.02.2002 die Beschwerde zurückgewiesen. Nach Ansicht des Landgerichts liegt eine wirksame Löschungsbewilligung mangels Vollmacht des die Bewilligung erklärenden Notars nicht vor.

Gegen den Beschluss vom 12.02.2002 richtet sich die weitere Beschwerde. Sie macht geltend, die Entscheidung des Beschwerdegerichts leide darin an einem Rechtsfehler, dass sie den Umfang der dem Notar erteilten Vollmacht zu eng bestimme. Die Vollzugsvollmacht sei um eine besondere, unbeschränkte Vollmacht ergänzt, welche im Fall des Scheiterns des Kaufgeschäfts eine zügige und möglichst komplikationslose Rückabwicklung auch von vertragsbezogenen Grundbucheintragungen ermöglichen soll.

II.

Die weitere Beschwerde begegnet in verfahrensrechtlicher Hinsicht keinen Bedenken. Das Rechtsmittel ist auch begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht darin auf einer Verletzung des Gesetzes, dass das Landgericht dem Umfang der dem Notar Dr. Rothe erteilten Vollmacht unzutreffend bestimmt und dadurch das Vorliegen der Antragsvollziehungsvoraussetzungen unzutreffend verneint hat.

1. Der der Beschwerdeentscheidung anhaftende Mangel liegt nicht ausschließlich im Bereich der Tatsachenfeststellung. Es geht hier nicht um die Ermittlung eines individuellen Beteiligtenwillens sondern um die Feststellung der objektiven Tragweite der in der Notarurkunde enthaltenen Vollmachterteilung. Insoweit besteht für eine Beschränkung der Nachprüfungsbefugnis des Rechtsbeschwerdegerichts kein hinreichender Grund (vgl. Bauer/von Oefele/Budde, GBO, § 78 Rn. 26).

2. Die Zwischenverfügung vom 11.09.2001 ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht unbedenklich. Das Grundbuchamt geht von einer mangels ausreichender Vollmacht noch nicht vollziehbaren Eintragungsbewilligung aus. Es ist dies ein grundbuchverfahrensrechtlicher Mangel, der mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Antragsstellung behebbar ist (vgl. Bauer/von Oefele, a.a.O., AT I, Rn. 173).

3. Das vom Grundbuchamt angenommene Eintragungshindernis besteht nicht. Die Löschungsbewilligung vom 02.08.2001 ist vollziehbar.

a) Die Löschung der am 15.09.1997 zugunsten der Beteiligten zu 2) eingetragenen Vormerkung ist nicht von der Beteiligten zu 2) als Löschungsbetroffene selbst bewilligt. Zwar hat die Beteiligte zu 2) in der Urkunde vom 16.04.1997 eine Löschungsbewilligung inbezug auf die hier befragliche Auflassungsvermerkung erklärt. Diese Bewilligung ist jedoch in ihrer Vollziehbarkeit davon abhängig gemacht, dass die vormerkungsberechtigte Beteiligte zu 2) als Grundstückseigentümerin eingetragen ist, so dass die Vormerkung infolge Erfüllung des gesicherten Anspruchs gegenstandslos geworden ist. Dieser Fall ist hier nicht gegeben.

b) Die Löschungsbewilligung ist jedoch wirksam durch Notar Dr. Rothe als Vertreter der Beteiligten zu 2) erklärt worden.

Notar Dr. Rothe hat erkennbar als Stellvertreter der Beteiligten zu 2) die Löschung bewilligt. Er hat hierzu auch Vertretungsmacht. Die Vollmacht ergibt sich aus einer Zusammenschau des Inhalts der Notarurkunde vom 16.04.1997 mit dem der Notarurkunde vom 03.02.1997. Der insoweit maßgebliche Abschnitt VIII der Urkunde vom 03.02.1997 enthält zunächst nur die sog. Vollzugsvollmacht. Diese ist eng auszulegen und auf die Durchführung eines beurkundeten Geschäfts ihn zur Grundbucheintragung als dem das Geschäft vollendenden Element begrenzt (vgl. OLG Hamm NJW-RR 2001, 376).

Zu der bloßen Vollzugsvollmacht tritt jedoch gemäß dem Inhalt der in Abschnitt VIII der Urkunde vom 03.02.1997 beurkundeten Erklärungen der Beteiligten zu 2) eine weitere Vollmacht, denn "zudem" wird der Notar zur uneingeschränkten Vertretung der Beteiligten im Grundbuchverfahren ermächtigt. Diese Vollmacht ist im Außenverhältnis wirksam. Es steht den Beteiligten frei, den Urkundsnotar gelegentlich eines Beurkundungsvorganges zu Rechtshandlungen zu ermächtigen, die nicht unmittelbar die rechtliche Vollendung des beurkundeten Geschäftswillens herbeiführen. Ob eine neben einer Vollzugsvollmacht "uneingeschränkt" erteilte Vertretungsmacht jedwedes Vertreterhandeln trägt oder ob sie auch ohne besondere Bestimmung dort ihre Grenzen findet, wo eine Rechtshandlung zu dem beurkundeten Ausgangsrechtsgeschäft keinen Bezug mehr hat, kann hier offen bleiben. Die Löschung einer Auflassungsvormerkung vor Eigentumsübergang steht mit dem beurkundeten Kaufvertrag jedenfalls in enger Verbindung, weil eine Bewilligungsvollmacht, indem sie den Eigentümer des Unrichtgkeitsnachweises enthebt, die Grundbuchberichtigung dort erleichtert, wo die Vormerkung infolge des Erlöschens des gesicherten Anspruchs vor der Vertragserfüllung gegenstandslos geworden ist.

Mit diesem, auch eine Löschungsbewilligung vor Vertragsdurchführung umfassenden Inhalt ist die Bestimmung in Abschnitt VIII der Urkunde vom 03.02.1997 nach Abschnitt V der Urkunde vom 16.04.1997 übernommen worden. Dort ist zwar von "Vollzugsvollmachten" die Rede. Damit ist jedoch weder der Inhalt des Abschnitts VIII der Urkunde vom 03.02.1997 durch die Beteiligten authentisch im Sinne des angefochtenen Beschlusses festgelegt worden, noch haben die Vertragsbeteiligten den Umfang der am 16.04.1997 beurkundeten Vollmachtserklärungen gegenüber der Vollmachterteilung vom 03.02.1997 eingrenzen wollen. Dieses ergibt sich zweifelsfrei aus dem Einleitungsteil der Urkunde Nr. 660/97 wie auch aus den anderen Passagen dieser Urkunde sowie aus dem Gesamtzusammenhang der Erklärungen. Auch bei dem am 16.04.1997 beurkundeten Vorgang ging es darum, für ein aus dem DDR-Volkseigentum stammendes Erholungsobjekt erheblicher Größe (Gesamtfläche der Grundstücke: 46.727,00 m2) nach gescheiterten Versuchen, einen geeigneten Investor zu verpflichten. Das Risiko, daß auch der mit der Beteiligten zu 2) abgeschlossene Kaufvertrag vorzeitig scheitern kann, war bereits bei Vertragsabschluss deutlich, so daß auch vor den am 16.04.1997 beurkundeten Vertrag neben der reinen Vollzugsvollmacht im eigentlichen Sinn eine Rückabwicklungsvollmacht nahe lag und gewollt ist.

c) Die Löschungsbewilligungsvollmacht für Notar Dr. Rothe ist in diesem Umfang dem Grundbuchamt und auch in Form des § 29 Abs. 1 GBO nachgewiesen. Indem bei der Beurkundung am 16.04.1997 inbezug auf die am 03.02.1997 erstellte Urkunde die Voraussetzungen des § 13a BeurkG gewahrt sind, stehen aufgrund öffentlicher Urkunde die Erklärungen fest, aus denen die Löschungsbewilligungsvollmacht des Notars Dr. Rothe sich ergibt. Demgemäß kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben.

Ende der Entscheidung

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