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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 22.05.2000
Aktenzeichen: 6 W 331/00
Rechtsgebiete: GG, ZPO
Vorschriften:
GG Art. 1 | |
ZPO § 765a | |
ZPO § 850c |
6 W 331/00
Rechtliche Grundlage:
GG Art. 1 ZPO § 765a ZPO § 850c
1. Die Vollstreckunggseinstellung wegen Selbstmordgefahr nach § 765a ZPO mit der Auflage angeordnet werden, dass der Vollstreckunggschuldner eine erfolgversprechende Behandlungsmöglichkeit wahrnimmt und dass er die Notwendigkeit weiterer Behandlung in halbjährlichem Abstand durch eine Bescheinigung des Sozialpsychiatrischen Dienstes nachweist.
2. Nach allgemeiner Auffassung kann die Vollstreckungseinstellung auch mit Zahlungsauflagen an den Schuldner verbunden werden. Die Vorschrift des § 850c BGB ist dabei allenfalls entsprechend anwendbar.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss
6 W 331/00 7 a T 183/99 (Landgericht Erfurt)
In dem Zwangsversteigerungsverfahren betreffend die im Grundbuch von M., Blatt, Flur 1, Flurstücke xx und xxeingetragenen Grundstücke an dem beteiligt sind 1. A. H.
- eingetragene Grundstückseigentümerin, Vollstreckungsschuldnerin, Beschwerdegegnerin und Beschwerdeführerin im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde - Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt Georg v. Buttlar, Helenenstr. 12, 99867 Gotha
2. H-P H.
- Vollstreckungsgläubiger, Beschwerdeführer und Beschwerdegegner im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde - Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Götz & Kollegen, Otto-Suhr-Allee 115, 10585 Berlin 3. B. L.,
weitere Beteiligte -
hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h.c. Bauer sowie die Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Werner und Bettin auf die sofortige weitere Beschwerde der Vollstreckungsschuldnerin vom 03.05.2000 gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Erfurt vom 31.03.2000
am 22.05.2000
beschlossen:
Tenor:
1. Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen. 2. Die Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde hat die Vollstreckungsschuldnerin zu tragen. 3. Der Beschwerdewert wird auf bis zu 1.800 DM festgesetzt.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat das laufende Zwangsversteigerungsverfahren nach Ein- holung eines Gutachtens über den Gesundheitszustand der Vollstreckungsschuldnerin mit Beschluss vom 08.11.1999 bis zum 07.11.2001 wegen akuter Suizidgefährdung der Vollstreckungsschuldnerin einstweilen eingestellt.
Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Vollstreckungsgläubigers hat das Landgericht zwar hinsichtlich der einstweiligen Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens selbst zurückgewiesen, zugleich aber angeordnet, dass die Vollstreckungsschuldnerin sich in fachärztliche Behandlung zu begeben und dem Vollstreckungsgericht durch Vorlage entsprechender Bescheinigungen des Sozialpsychiatrischen Dienstes zum 31.05.2000, 30.11.2000 und 31.05.2001 den Fortbestand des Einstellungsgrundes nachzuweisen hat. Das Landgericht hat der Vollstreckungsschuldnerin darüber hinaus im Tenor seiner Entscheidung aufgegeben, auf die zu vollstreckende Forderung monatliche Zahlungen in Höhe von 200,00 DM für die Zeit vom 01.04. bis 31.10.2000 und danach solche in Höhe von 400,00 DM monatlich zu leisten. In den Entscheidungsgründen (Bl. 7 des Beschlusses des Landgerichts) hält das Landgericht hingegen Zahlungen in Höhe von 300,00 DM bzw. 600,00 DM für angemessen. Hinsichtlich der Festlegung der Höhe zu leistenden Zahlungen ist das Landgericht ausweislich der Entscheidungsgründe von einer monatlichen Altersrente der Vollstreckungsschuldnerin in Höhe von 1.706,19 DM ausgegangen, die jedoch aufgrund einer Pfändung bis Oktober 2000 nur in Höhe von monatlich 1.349,95 DM ausgezahlt wird. Darüber hinaus hat das Landgericht monatliche Mieteinnahmen in Höhe von 483,00 DM, die jährlich Garagenmiete in Höhe von 900,00 DM und die Aufwendungen der Vollstreckungsschuldnerin zur Tilgung eines Kredits in Höhe von jährlich 1.650,00 DM berücksichtigt. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts.
Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Vollstreckungsschuldnerin, die hinsichtlich der Höhe der festgelegten Zahlungsraten einen Widerspruch zwischen dem Tenor und den Entscheidungsgründen rügt und im Übrigen meint, die vom Landgericht festgelegten Ratenzahlungen seien ihr nicht zuzumuten. Insbesondere habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass die Vollstreckungsgläubigerin ausweislich der im Erstbeschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 03.03.2000 (vgl. Bl. 30 ff Bd. II d.A.) vorgelegten Aufstellung im Jahre 1999 Aufwendungen für das Grundstück getätigt habe, die die Mieteinnahmen überstiegen. Damit sei auch in Zukunft zu rechnen. Für die Tilgung der Verbindlichkeiten in Höhe von monatlich 137,50 DM stehe aus diesem Grund nur ihre Rente zur Verfügung, so dass der Vollstreckungsschuldnerin für die Zeit von April bis Oktober 2000 nur ein unter der Pfändungsfreigrenze des § 850 c Abs. 1 ZPO liegendes Einkommen verbleibe, während ihr Einkommen für die Zeit danach nur knapp oberhalb der Pfändungsfreigrenze liege.
Darüber hinaus wendet sich die Vollstreckungsschuldnerin auch gegen die Verpflichtung, die Fortdauer der Suizidgefährdung halbjährlich durch Bescheinigungen bestätigen zu lassen.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 96 ZVG, 793 Abs. 2, 568 Abs. 2 ZPO an sich statthaft und auch sonst zulässig. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts enthält für die Vollstreckungsschuldnerin einen neuen selbständigen Beschwerdegrund im Sinne des § 568 Abs. 2 S. 2 ZPO, weil das Landgericht anders als das Amtsgericht die einstweilige Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens mit Auflagen verbunden hat, die die Vollstreckungsschuldnerin belasten.
In der Sache hat die sofortige weitere Beschwerde indessen keinen Erfolg, weil die vom Landgericht angeordneten Auflagen nicht zu beanstanden sind. Sie beruhen auf einer umfassenden Interessenabwägung im Sinne des § 765 a Abs. 1 ZPO, die der Senat teilt und die er sich zur Vermeidung von Wiederholungen zu eigen macht. Das Vorbringen der sofortigen weiteren Beschwerde rechtfertigt weder eine Aufhebung der Anordnungen des Landgerichts noch eine Herabsetzung der zu zahlenden Raten. Dabei geht der Senat davon aus, dass maßgebend die Ratenhöhe ist, die das Landgericht im Tenor seiner Entscheidung ausgesprochen hat. Eine Berichtigung der Gründe wegen offensichtlichen Schreibfehlers gemäß § 319 ZPO bleibt dem Landgericht überlassen.
1. Die Anordnung des Landgerichts, die Vollstreckungsschuldnerin müsse sich einer fachärztlichen Behandlung unterziehen und habe die Voraussetzungen für den Fortbestand des Einstellungsgrundes in halbjährlichen Abständen gegenüber dem Gericht durch Vorlage entsprechender Bescheinigungen des Sozialpsychiatrischen Dienstes nachzuweisen, beruht ersichtlich auf der Aussage des Gutachters, aus medizinischer Sicht bestehe für die Vollstreckungsschuldnerin eine Behandlungsmöglichkeit. Gegen diese gutachterliche Feststellung wendet sich die Vollstreckungsgläubigerin nicht; auch sonst sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Gutachten insoweit nicht zuträfe. Damit trägt die entsprechende Anordnung des Landgerichts der Erwägung Rechnung, dass die Einstellung nach § 765 a ZPO den Titel nicht dauerhaft beseitigen darf und im Zwangsversteigerungsverfahren in der Regel eine Frist von 6 Monaten angemessen ist (vgl. Zöller/Stöber, ZVG, 16. Auflage, Einleitung Rn. 56. 2). Dafür spricht, dass sich auch die Voraussetzungen des § 765 a ZPO in der Regel nur für eine gewisse Zeit im Voraus übersehen lassen, weil sich die Verhältnisse ändern könnten. Nachdem das Amtsgericht die Einstellung der Zwangsversteigerung für die vergleichsweise lange Frist von zwei Jahren verfügt hatte, trägt die vom Landgericht angeordnete Überprüfung des Gesundheitszustandes der Vollstreckungsschuldnerin in halbjährlichen Abständen dem Schutzbedürfnis des Gläubigers an einer Befriedigung seiner Forderung in absehbarer Zeit angemessen Rechnung. Es ist auch nicht ersichtlich, dass diese Anordnung die Vollstreckungsschuldnerin unzumutbar beeinträchtigen würde, zumal sie sich ohnehin in fachärztliche Behandlung begeben muss.
2.Nach allgemeiner Auffassung kann die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 765 a ZPO mit Auflagen an beide Parteien, auch mit Zahlungsauflagen an den Schuldner verbunden werden (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, § 765 a Rn. 15 m.w.N.). Das zieht im Grundsatz auch die sofortige weitere Beschwerde nicht in Zweifel.
Soweit sie meint, bei der Festlegung der monatlichen Ratenzahlung habe das Landgericht die wirtschaftlichen Verhältnisse der Vollstreckungsschuldnerin, insbesondere die in der mit dem Schriftsatz vom 03.03.2000 zusammengestellten Ausgaben nicht hinreichend berücksichtigt, vermag das im Ergebnis eine andere Entscheidung nicht zu rechtfertigen. Selbst wenn nämlich die Mieteinnahmen in Höhe von insgesamt 558,00 DM monatlich (483,00 DM plus 75,00 DM monatliche Garagenmiete) wegen der gegenüberstehenden Aufwendungen für das Gebäude nicht als zusätzliches Einkommen neben der Rente der Vollstreckungsschuldnerin bewertet werden würden, läge ihr verbleibendes Einkommen nach der eigenen Rechnung der sofortigen weiteren Beschwerde für die Zeit nach Oktober 2000 etwas oberhalb und für die Zeit davor geringfügig unterhalb der Pfändungsfreigrenzen des § 850 c ZPO. Die Vorschrift des § 850 c BGB ist vorliegend aber allenfalls entsprechend anwendbar, weil es nicht um eine direkte Pfändung in Arbeitseinkommen geht; im Übrigen sind dem Gesetz Fälle der Herabsetzung der Pfändungsfreigrenze nicht unbekannt.. Eine unzumutbare Belastung der Vollstreckungsschuldnerin ist schon aus diesem Grunde nicht ersichtlich. Darüber hinaus handelt es sich bei den geltend gemachten Aufwendungen in der Zusammenstellung im Schriftsatz vom 03.03.2000 zum Teil um solche, die, soweit sie die Mietwohnung betreffen, üblicherweise im Mietvertrag auf den Mieter umgelegt werden. Hierzu fehlt jeder Vortrag der Vollstreckungsschuldnerin. Ein Teil der dort geltend gemachten Kosten, etwa für Trinkwasser, Gasversorgung, Abwasser oder Straßenreinigung, betrifft, soweit sie auf die Wohnung der Vollstreckungsschuldnerin selbst entfallen, allgemeine Lebenshaltungskosten, die sie auch im Falle einer Pfändung von Arbeitseinkommen aus dem Pfändungsfreibetrag nach § 850 c ZPO zu bestreiten hätte. Schließlich ist bei der Abwägung, ob die festgelegten Raten für die Vollstreckungsschuldnerin unzumutbar sind, auch zu berücksichtigen, dass sie in ihrem eigenen Haus wohnt und deshalb zwar Aufwendungen für das Haus, aber keine Miete zu zahlen hat.
III.
Die Kostenentscheidung für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; den Beschwerdewert hat der Senat nach den §§ 3 ZPO, 12 Abs. 1 GKG festgesetzt. Die Abweichung gegenüber der Wertfestsetzung des Landgerichts beruht darauf, dass Gegenstand des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde nicht die Einstellung der Zwangsversteigerung insgesamt, sondern lediglich die dieVollstreckungsschuldnerin beschwerenden Anordnungen des Landgerichts waren.
Ende der Entscheidung
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