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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 05.07.2001
Aktenzeichen: 6 W 396/01
Rechtsgebiete: AsylVerfG, AuslG, AuslaG
Vorschriften:
AsylVerfG § 14 Ab. 4 | |
AsylVerfG § 13 Abs. 3 | |
AuslG § 57 Abs. 2 | |
AuslaG § 55 |
Thüringer Oberlandesgericht, 6. Zivilsenat, Beschluss vom 05.07.2001 - 6 W 396/01
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss
6 W 396/01 7 T 294/01 (Landgericht Erfurt)
In dem Verfahren
betreffend die Anordnung von Haft zur Sicherung der Abschiebung
hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h.c. Bauer, die Richterin am Amtsgericht Dr. Mittenberger-Huber und den Richter am Oberlandesgericht Bettin auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen vom 12.06.2001 gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Erfurt vom 21.05.2001
am 05.07.2001
beschlossen:
Tenor:
Der Beschluss der Zivilkammer des Landgerichts Erfurt vom 21.05.2001 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde an das Landgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Der Betroffene ist türkischer Staatsangehöriger. Er reiste zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt - nach seinen Angaben etwa zehn Tage vor dem 26.04.2001 - ohne Pass und versteckt in einem LKW in das Bundesgebiet ein, wo er am 26.04.2001 festgenommen wurde. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 26.04.2001 wurde gegen den Betroffenen Abschiebehaft für die Dauer von 12 Wochen festgesetzt. In seiner richterlichen Anhörung erklärte er, dass er einen Asylantrag stellen wolle. Den förmlichen Asylantrag stellte er durch Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 30.04.2001 aus der Abschiebehaft heraus. Seine gegen die Anordnung der Abschiebehaft gerichtete sofortige Beschwerde blieb ohne Erfolg. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen.
II.
Die nach den §§ 3, 7 Abs. 1 und 2 FEVG, 27 FGG an sich statthafte und auch sonst zulässige sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache vorläufigen Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Erstbeschwerdeentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht auf einer Gesetzesverletzung (§§ 27 FGG, 550 ZPO), weil seine bisherigen Feststellungen die Aufrechterhaltung der Abschiebehaft nach Stellung des förmlichen Asylantrags durch den Betroffenen nicht tragen.
1. Entgegen der Auffassung der sofortigen weiteren Beschwerde war die Anordnung der Abschiebehaft nicht von vornherein unzulässig, nachdem der Betroffene, wie sich aus dem Protokoll seiner richterlichen Anhörung vom 26.04.2001 ergibt, formlos um politisches Asyl nachgesucht hatte. Allerdings ist einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet grundsätzlich gestattet (§ 55 Abs. 1 S. 1 AsylVerfG). Der Betroffene war jedoch unerlaubt auf dem Landweg und damit - weil die Bundesrepublik ausschließlich an sogenannte sichere Drittstaaten grenzt (vgl. Anlage I zu § 26 a AsylVerfG) - zwangsläufig aus einem sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik eingereist. Gemäß § 55 Abs. 1 S. 3 AsylVerfG erwarb er deshalb die Aufenthaltsgestattung erst mit der Stellung des förmlichen Asylantrags (vgl. OLG Karlsruhe, NVwZ 2000, Beilage Nr. 9, 111, 112; Hailbronner, Ausländerrecht, § 55 AyslVerfG Rn. 13 m.w.N.). Ein solcher förmlicher Asylantrag wurde von dem Betroffenen nach den verfahrensfehlerfrei getroffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des Landgerichts erst mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 30.04.2001 gestellt, als er sich bereits in Abschiebehaft befand.
2. Ob die Abschiebehaft trotz der Stellung des Asylantrags und der damit verbundenen Aufenthaltsgestattung aufrechterhalten werden durfte, richtet sich mithin nach § 14 Abs. 4 AsylVerfG, wovon auch das Landgericht im Ansatz richtig ausgeht. Unzutreffend hat das Landgericht hingegen § 14 Abs. 4 Nr. 3 AsylVerfG angewandt, weil gegen den Betroffenen nicht Vorbereitungshaft nach § 57 Abs. 1 AuslG, sondern vielmehr Sicherungshaft nach § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AuslG angeordnet wurde. Nach dem Wortlaut der letzteren Regelung steht in diesem Fall die Asylantragstellung der Aufrechterhaltung von Abschiebehaft nur dann nicht entgegen, wenn der Betroffene sich nach der unerlaubten Einreise länger als einen Monat ohne Aufenthaltsgenehmigung im Bundesgebiet aufgehalten hätte. Das ist nach den Feststellungen des Landgerichts nicht der Fall. Allerdings ist das Bayerische Oberste Landesgericht der Auffassung, ein Asylantrag stehe der Aufrechterhaltung von Abschiebehaft nach § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AuslG unabhängig von der Aufenthaltsdauer des Ausländers im Bundesgebiet dann nicht entgegen, wenn der Ausländer nicht gemäß § 13 Abs. 3 S. 2 AsylVerfG unverzüglich nach der Einreise um Asyl nachgesucht hat (vgl. BayObLG NVwZ 2001, Beilage I, 48; BayObLGZ 1999, 97). Dem gegenüber vertreten das Oberlandesgericht Karlsruhe (NVwZ 2000, a.a.O.) und das Oberlandesgericht Düsseldorf (NVwZ 2000, Beilage I, 47 f.) die Auffassung, dass der eindeutige Wortlaut von § 14 Abs. 4 Nr. 4 AsylVerfG der Auslegung durch das Bayerische Oberste Landesgericht entgegensteht. Auf entsprechende Vorlagebeschlüsse des Oberlandesgerichts Düsseldorf und des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat der Bundesgerichtshof die Rechtsfrage jeweils offen gelassen (Beschlüsse vom 10.02.2000, V ZB 5/00 und vom 28.02.2001, V ZB 8/01). Einer Vorlage des Senats an den Bundesgerichtshof und einer Stellungnahme zu dieser Rechtsfrage bedarf es im vorliegenden Verfahren schon deshalb nicht, weil die angefochtene Entscheidung des Landgerichts keine Feststellungen zur Unverzüglichkeit des Asylantrags enthält und der Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren diese Feststellungen auch nicht selbst treffen kann. Abgesehen davon kommt es auf diese Rechtsfrage auch aus anderen Gründen für die Sachentscheidung derzeit nicht an.
3. Nach § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 AsylVerfG steht die Stellung des Asylantrags nämlich auch bei einem kürzeren als einmonatigen unerlaubten Aufenthalts des Ausländers der Aufrechterhaltung von Abschiebehaft nicht entgegen, wenn die Haftanordnung auf einen der Haftgründe des § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 bis 5 AuslG gestützt werden kann. Nach den bisherigen Feststellungen ist der Betroffene ohne Pass versteckt in einem LKW in das Bundesgebiet eingereist. Seine Angaben in der richterlichen Anhörung am 26.04.2001 deuten zudem daraufhin, dass er sich zur illegalen Einreise in die Bundesrepublik möglicherweise einer Schleuserorganisation bedient hat. Derartige Umstände können im Einzelfall den Schluss zulassen, dass sich der Betroffene der Abschiebung entziehen will (§ 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AuslG). Da dieser Haftgrund im bisherigen Verfahren keine Rolle gespielt hat, ist dem Betroffenen hierzu rechtliches Gehör zu gewähren; gegebenenfalls hat das Landgericht hierzu weitere Feststellungen zu treffen, die dem Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren verwehrt sind.
III.
Nachdem der endgültige Ausgang des Verfahrens nicht feststeht, hat der Senat dem Landgericht auch die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde übertragen.
Ende der Entscheidung
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