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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 14.09.2004
Aktenzeichen: 6 W 417/04
Rechtsgebiete: GmbHG, BGB


Vorschriften:

GmbHG § 51a
BGB § 242
1. Bei der Ausübung des Auskunfts- und Einsichtsrechts gem. § 51 a GmbHG ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.

2. Die Geschäftsführung ist nicht verpflichtet, die Gesellschafter regelmäßig ungefragt zu unterrichten. Eine Pflicht zur unaufgeforderten, automatischen und präventiven Information kennt § 51 a GmbHG nicht. Ein solcher Anspruch kann sich allenfalls dann ergeben, wenn die Gesellschaft ein regelmäßiges Berichtssystem eingeführt hat.

3. Der Gesellschafter muss das schonendste Mittel zur Erfüllung seines Informationsbedürfnisses wählen. Er kann gehalten sein, an einer zeitnah stattfindenden Gesellschafterversammlung teilzunehmen, wenn diese Form der Auskunftserteilung für die GmbH - organisatorisch betrachtet - ein milderes Mittel gegenüber der Einsichtnahme ist.

4. Das gesellschaftsrechtliche Informationsrecht ist ein einheitliches Recht, das nicht in ein Auskunfts- und ein Einsichtsrecht aufgespaltet werden darf . Auskunft und Einsichtnahme sind lediglich unterschiedliche Informationsmittel; das Auskunftsverlangen kann durch Einsichtgewährung und ein Einsichtverlangen durch Auskunftserteilung erfüllt werden. Der Gesellschafter hat nicht das Recht zu bestimmen, ob Auskunft oder Einsichtnahme gewährt werden soll. Das aus den Umständen des Einzelfalls objektiv zu bestimmende Informationsinteresse bestimmt, welches der Unterrichtungsmittel einem Gesellschafter jeweils zur Verfügung steht.

5. Darf der Gesellschafter Grund zum Zweifel an der richtigen und vollständigen Erfüllung seines Informationsanspruches haben, kann er über die erteilte Auskunft hinaus Einsicht in die betreffenden Unterlagen fordern.

6. Ein Gesellschafter, welcher an der Gesellschafterversammlung nicht teilnimmt und nachträglich der Geschäftsführung ständig neue Fragen stellt, verhält sich rechtsmissbräuchlich.

7. Der Begriff der "Angelegenheit der Gesellschaft" ist weit und umfassend zu verstehen und umfasst auch die Frage nach der Möglichkeit der Rückführung von Gesellschaftsdarlehen und die Höhe der Geschäftsführervergütung. Ein Informationsrecht ist erst dann nicht gegeben, wenn rein private Umstände Gegenstand der Auskunft sind. Darlehen, welche ein Gesellschafter seiner GmbH, fallen in den Bereich der Innenbeziehungen und stellen eine Angelegenheit der Gesellschaft dar.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

6 W 417/04

In Sachen

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Präsidenten des Thüringer Oberlandesgerichts Dr. Bauer und die Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Bayer und Pippert ohne mündliche Verhandlung

am 14.09.2004

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Mühlhausen vom 01.07.2004 - HKO 34/04 - auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Antrag auf Auskunftserteilung gemäß § 51 b GmbHG wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Gründe:

I. Der Antragsteller ist Gesellschafter der Antragsgegnerin und begehrt Prozesskostenhilfe für einen Antrag auf Auskunftserteilung gemäß § 51 b GmbHG.

Insbesondere begehrt er:

a) Dem Antragsteller ist Einsicht in die Dokumentation der Maßnahmen und Wirkungen zur Beseitigung des Fehlbetrages aus dem Jahresabschluss des Jahres 2002 und der aktuellen betriebswirtschaftlichen Auswertung zu gewähren.

b) Wie ist die aktuelle wirtschaftliche Situation der GmbH gemäß der letzten betriebswirtschaftlichen Auswertung vom 30.09.2003? Dem Antragsteller ist fortlaufend Einsicht in die betriebswirtschaftliche Auswertung zu gewähren.

c) Dem Antragsteller ist Einsicht in die Buchungsbelege bezüglich der in der Bilanz 2002 ausgewiesenen Rückführung der Darlehen des Antragstellers und der Frau Christine Jöcks zu gewähren.

d) Dem Antragsteller ist bezüglich der aktuellen Auftragslage der Antragsgegnerin Einsicht in die Auftragsbücher zu gewähren.

e) Wie hoch sind die Geschäftsführungsgehälter? Dem Antragsteller ist Einsicht in die Anstellungsverträge zu gewähren.

f) Wie ist die Mitarbeiterschaft strukturiert, wer hat welche Funktion und wer erhält wieviel Lohn? Dem Antragsteller ist Einsicht in die Arbeitsverträge und die Lohnlisten zu gewähren.

II. Die sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags auf Prozesskostenhilfe ist nach § 127 Abs.2 S.2 ZPO zulässig, aber unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung verneint.

1. Zutreffend weist allerdings der Beschwerdeführer darauf hin, dass das Auskunfts- und Einsichtsrecht des GmbH-Gesellschafters grundsätzlich umfassend ist. Indes besteht weitgehend Einigkeit, dass die im Wortlaut sehr weite Vorschrift des § 51 a GmbHG bestimmten Beschränkungen unterworfen ist (ausf. K.Schmidt in Scholz, GmbHG, 9.Aufl, § 51 a Rz 8 m.w.N.). Die Methode der Begrenzung ist umstritten. Während etwa der Bundesgerichtshof eine Schranke lediglich in einer nicht zweckentsprechenden Wahrnehmung des Informationsrechts erblickt, sehen Lutter/Hommelhoff eine Grenze nur im allgemeinen Missbrauchsverbot (vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16.Aufl. 2004, § 51 a Rz 2); andere Autoren wollen die konkreten Informationsansprüche durch das Erfordernis des Informationsbedürfnisses beschränken (so etwa K.Schmidt aaO, § 51 a Rz 8; Zöllner in: Baumbach/Hueck, § 51 a Rz 20).

Der Senat braucht zu dieser Streitfrage nicht abschließend Stellung zu nehmen, da ein Anspruch des Beschwerdeführers in jedem Fall ausscheidet. Denn es ist unstreitig, dass bei der Ausübung des Auskunfts- und Einsichtsrechts gemäß § 51 a GmbHG der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist (vgl. nur Hüffer in: Hachenburg, GmbHG, § 51 a Rz 62; BayObLG GmbHR 1989, 201). Dem Landgericht ist somit darin zuzustimmen, dass der Gesellschafter das schonendste Mittel zur Erfüllung seines Informationsbedürfnisses wählen muss. Der Gesellschafter kann folglich im konkreten Einzelfall gezwungen sein, an einer zeitnah stattzufindenden Gesellschafterversammlung teilzunehmen, wenn diese Form der Auskunftserteilung für die GmbH - organisatorisch betrachtet - ein milderes Mittel gegenüber der Einsichtnahme ist.

Zudem ist das Informationsrecht ein einheitliches Recht, das nicht in ein Auskunfts- und ein Einsichtsrecht aufgespalten werden darf (vgl. K.Schmidt aaO, § 51 a Rz 10; Roth/Altmeppen, § 51 a Rz 9; OLG Düsseldorf, GmbHR 1991, 18; KG GmbHR 1988, 221). Auskunft und Einsichtnahme sind lediglich unterschiedliche Informationsmittel. Ob der Gesellschafter das eine oder das andere verlangen kann, bestimmt sich nach seinem Informationsinteresse. Folglich kann das Auskunftsverlangen auch durch Einsichtgewährung und ein Einsichtverlangen auch durch Auskunftserteilung erfüllt werden, wenn hierdurch das Informationsinteresse befriedigt wird (vgl. K.Schmidt aaO, § 51 a Rz 21 ff.). Demgemäß kann dem Beschwerdeführer nicht in seinen Ausführungen gefolgt werden, wonach die erteilten Auskünfte nicht zur Erfüllung seines Einsichtnahmerechts ausreichten. Der Gesellschafter hat gerade nicht das Recht zu bestimmen, ob Auskunft oder Einsichtnahme gewährt werden soll (ebenso Grunewald, ZHR 146 [1982], 223). Nicht (subjektiv) der Gesellschafter, sondern (objektiv) sein Informationsbegehren entscheidet darüber, wie die Information zu erteilen ist. Allein wenn der Gesellschafter Grund zum Zweifel an der richtigen und vollständigen -Erfüllung- seines Informationsanspruches hat, kann über die erteilte Auskunft hinaus Einsicht in die betreffenden Unterlagen gefordert werden (so auch Lutter/Hommelhoff, aaO, § 51 a Rz 7 a.E.)

2. Angewendet auf den vorliegenden Fall bedeutet dies hinsichtlich des Begehrens zu a), dass das Informationsinteresse des Beschwerdeführers durch die erteilten Auskünfte hinreichend befriedigt wurde. Unter TOP 2 erfolgte auf der Gesellschafterversammlung eine ausführliche Erörterung der wirtschaftlichen Situation der Beschwerdegegnerin einschließlich möglicher Maßnahmen zur Behebung des Jahresfehlbetrages. Aus TOP 4 des Protokolls zur Gesellschafterversammlung, das dem Beschwerdeführer unstreitig nachträglich übersandt wurde, ist ersichtlich, dass die Gesellschaft zur Beseitigung des Fehlbetrages um eine zusätzliche Vermietung von Teilen ihres Anlagevermögens bemüht ist. Diese Auskünfte dürften ausreichend sein, um das Informationsbegehren des Beschwerdeführers zu befriedigen.

Ein Einsichtnahmerecht in die aktuelle betriebswirtschaftliche Auswertung ist mit deren Erörterung auf der Gesellschafterversammlung vom 23.10.2003 erloschen. Der Verzicht auf eine Teilnahme an der Gesellschafterversammlung und die nachträgliche - klageweise -Geltendmachung ständig neuer Fragen stellen sich darüber hinaus als rechtsmissbräuchlich dar (dazu K.Schmidt aaO, § 51 a Rz 36).

Hinsichtlich des Begehrens zu b) und d) gilt Gleiches. Diese Fragestellungen wurden auf der Gesellschafterversammlung unter TOP 2 ausführlich erläutert. Das Informationsbegehren des Beschwerdeführers hat sich spätestens mit Zusendung des Protokolls der Gesellschafterversammlung und des Schriftsatzes des Prozessvertreters der Beschwerdegegnerin, in welchem er ausführlich zu allen Fragen Stellung nimmt, erledigt. Ein weitergehendes Einsichtsrecht, insbesondere auf fortlaufende Zusendung der BWA's, besteht nicht. Es ist nicht Sache der Gesellschafter, darüber zu entscheiden, wann und wie ihr Informationsbegehren erfüllt wird. Entsteht im Einzelfall ein Informationsbedürfnis, so ist es Sache des Gesellschafters, dieses gegenüber der Gesellschaft geltend zu machen. Es besteht indes kein Anspruch darauf, von der Gesellschaft regelmäßig ungefragt unterrichtet zu werden. Eine Pflicht zur unaufgeforderten, automatischen und präventiven Information kennt § 51 a GmbHG nicht (vgl. hierzu Michalski, § 51 a Rz 136). Ein solcher Anspruch kann sich allenfalls dann ergeben, wenn die Gesellschaft ein regelmäßiges Berichtssystem eingeführt hat. Eine solche Vorgehensweise wurde von der Gesellschafterversammlung unter TOP 6 indes negativ beschieden.

Der Einwand des Beschwerdeführers, das Landgericht habe hinsichtlich des Begehrens zu c) in der Geltendmachung eines Einsichtsrechts in die Buchungsbelege bezüglich der in der Bilanz ausgewiesenen Darlehen fälschlicherweise eine Wahrnehmung persönlicher Interessen gesehen, ist allerdings zutreffend. Dem Landgericht kann insoweit nicht gefolgt werden, als es bei der Frage nach der Möglichkeit der Rückführung der Darlehen eine -Angelegenheit der Gesellschaft- ablehnt. Der Begriff der -Angelegenheit der Gesellschaft- ist weit und umfassend zu verstehen (Hüffer aaO, § 51 a Rz 21 m.w.N.; Lutter/Hommelhoff aaO, § 51a Rz 8). Ein Informationsrecht ist lediglich dann nicht gegeben, wenn rein private Umstände Gegenstand der Auskunft sein sollen. Darlehen, welche ein Gesellschafter seiner GmbH gewährt, fallen dagegen in den Bereich der Innenbeziehungen und stellen eine Angelegenheit der Gesellschaft dar (OLG Hamm GmbHR 1988, 218).

Das folglich an sich bestehende Informationsrecht ist jedoch mit Zusendung des Schriftsatzes der RAe Neuss pp. vom 28.10.2003 an den Beschwerdeführer erloschen. In diesem Schreiben erläutert die Beschwerdegegnerin ausführlich, dass aufgrund ihrer derzeitigen finanziellen Situation die Kapitalerhaltungsvorschriften eine vorzeitige Rückführung der Darlehen nicht zulassen würden. Zudem hat der Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Einsicht in die Bilanz der Beschwerdegegnerin, aus deren Buchungskonto 1705 sich die Kontoentwicklung seiner Darlehen ergibt. Ein darüber hinausgehendes Einsichtsrecht ist abzulehnen.

Bezüglich des Begehrens zu e) gilt Folgendes: Das Informationsinteresse des Beschwerdeführers wurde hinreichend durch die schriftliche Auskunft vom 28.10.2003 befriedigt. Dem Landgericht ist allerdings nicht darin zu folgen, dass auf einzelne Informationen zur Höhe der Geschäftsführervergütung kein Anspruch besteht (so auch Lutter/Hommelhoff aaO, § 51 a Rz 9; jedoch streitig). Jedoch ist zu berücksichtigen, dass dem Beschwerdeführer bereits mehrfach die begehrte Auskunft erteilt worden ist. Zwar beruft er sich darauf, dass die Vergütung Veränderungen unterworfen sein könne. Dies ist zwar im Grundsatz richtig, jedoch hat die Beschwerdegegnerin im Schriftsatz vom 28.10.2003 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Nettoauszahlungsbeträge seit 1999 unverändert geblieben sind. Damit ist dem Informationsbedürfnis des Beschwerdeführers Genüge getan. Ein weitergehendes Einsichtsrecht in die Anstellungsverträge ist daher abzulehnen.

Bezüglich des Begehrens zu f) gilt Gleiches. Das Informationsinteresse ist durch die erteilten Auskünfte hinreichend befriedigt worden. Aus dem Anhang des Jahresabschlusses, welcher im Vorfeld der Gesellschafterversammlung vom 23.10.2003 an den Beschwerdeführer übersandt wurde, ist ersichtlich, welche Gesamtkosten für die Bezüge der Mitarbeiter der Beschwerdegegnerin angefallen sind. Einen Anspruch auf die Nennung der einzelnen Gehälter besteht nicht. Anderes könnte man allein bei Mitarbeitern, die aufgrund herausragender fachlicher Kompetenzen eine exponierte Stellung in der Gesellschaft innehaben, annehmen. Hierbei muss dem Auskunftsrecht indes eine Ausübungsschranke, welche sich aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ableiten lässt (Hüffer aaO, § 51a Rz 61), gesetzt werden, um mögliche Abwerbungsversuche durch Wettbewerber zu verhindern. Im Übrigen ist auf der Gesellschafterversammlung am 23.10.2003 ein ausführlicher Bericht über die Entwicklung und Struktur der Mitarbeiterzahl erstattet worden. Das Informationsrecht des Beschwerdeführers ist mit Zusendung des Protokolls dieser Versammlung durch Erfüllung erloschen.

III. Da die sofortige Beschwerde erfolglos ist, trägt der Beschwerdeführer gemäß § 127 Abs.4 ZPO iVm § 49 GKG, KV 1956 die Gerichtskosten.

Ende der Entscheidung

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