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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 14.11.2001
Aktenzeichen: 6 W 488/01
Rechtsgebiete: FGG, BGB, BVormVG


Vorschriften:

FGG § 56g
BGB § 1836a
BGB § 1836b
BVormVG § 1 Abs. 1 S. 2
1. Die gesonderte Feststellung einzelner Berechnungselemente des Vergütungsanspruchs sieht § 56 g FGG nicht vor, weil die Vergütungsfestsetzung regelmäßig die Ermittlung und Festlegung des dem Betreuer zustehenden Stundensatzes umfasst.

2. Eine Fachschulausbildung ist regelmäßig als eine einer abgeschlossenen Lehre vergleichbare Ausbildung im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BVormVG anzusehen.

3. Eine in der DDR absolvierte Fachschulausbildung zum Ingenieur-Pädagogen hat einem Absolventen besondere für die Führung einer Betreuung i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 2 BtVormVG nutzbare Fachkenntnisse verschaffen können.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

6 W 488/01

In dem Verfahren

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h.c. Bauer, sowie die Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Werner und Bettin auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 vom 01.08.2001 gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Meiningen vom 20.06.2001

am 14.11.2001

beschlossen:

Tenor:

1.

Der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Meiningen wird ersatzlos aufgehoben, soweit das Landgericht festgestellt hat, dem Beteiligten zu 1 stehe ein Stundensatz von 40,50 DM zu.

2.

Im übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde zurückgewiesen.

3.

Die Staatskasse hat dem Beteiligten zu 1 dessen notwendige außer gerichtliche Kosten für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde zu erstatten.

4.

Der Beschwerdewert wird auf 1215,- DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1 ist gerichtlich bestellter Berufsbetreuer des Betroffenen für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung,Gesundheitssorge, Vermögenssorge betreffend die Geltendmachung der Ansprüche auf Altersversorgung und Sozialhilfe sowie Umgang mit Behörden und Ämtern.

Der Beteiligte zu 1 hat in der DDR eine Fachschulausbildung zum Ingenieur- Pädagogen (Lehrkraft für den berufspraktischen Unterricht) absolviert; die Schwerpunkte dieser Ausbildung lagen bei den Fächern Pädagogik, Psychologie, sozialistisches Recht und sozialistische Betriebswirtschaftslehre. Nach einer Bescheinigung des Kultusministeriums des Freistaats Thüringen vom 26.03.2001 befähigt diese Ausbildung den Beteiligten zu 1 zur Lehrtätigkeit an beruflichen Schulen im Freistaat Thüringen im fachpraktischen Unterricht.

Der Rechtspfleger des Amtsgerichts hat dem Beteiligten zu 1 für den Zeitraum vom 01.01.1999 bis zum 31.03.2001 eine monatliche Pauschalvergütung nach § 1836 b Nr. 1 BGB nach einem Stundensatz von 31,50 DM zuzüglich Mehrwertsteuer auf der Basis von 4,3 Stunden monatlich zugebilligt. In der insgesamt auf 215,- DM festgesetzten Monatspauschale ist außerdem noch Aufwendungsersatz in Höhe von 50,- DM nebst hierauf entfallender Mehrwertsteuer enthalten.

Auf die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Landgericht festgestellt, dem Beteiligten zu 1 stehe ein Stundensatz von 40,50 DM zu. Es hat die Monatspauschale entsprechend auf 260,- DM erhöht (Vergütung: 4,3 Stunden x 40,50 DM; Aufwendungsersatz 50,- DM sowie Mehrwertsteuer 35,86 DM) und Verrechnungsbestimmungen mit Vorschüssen getroffen. Auf die Begründung der Entscheidung des Landgerichts nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Das Landgericht hat die weitere Beschwerde zugelassen.

Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2, der lediglich den vom Landgericht angenommenen Stundensatz angreift. Auf die Begründung des Rechtsmittels nimmt der Senat Bezug.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 56 g Abs. 5 S. 2, 27 ff. FGG an sich statthaft und auch sonst zulässig. In der Sache bleibt sie im Ergebnis ohne Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung des Landgerichts nicht auf Gesetzesverletzungen beruht, §§ 27 FGG, 550 ZPO.

1. Allerdings hat der Senat den Feststellungsausspruch des Landgerichts aufgehoben. § 56 g FGG sieht die Festsetzung der vom Betreuer zu beanspruchenden Vergütung, nicht aber die gesonderte Feststellung betreffend einzelne Berechnungselemente des Vergütungsanspruchs vor. Hierfür besteht auch kein Rechtsschutzbedürfnis, weil die Vergütungsfestsetzung regelmäßig die Ermittlung und Festlegung des dem Betreuer zustehenden Stundensatzes umfasst.

2. Ist der Betreute wie hier mittellos, kann der Berufsbetreuer Vergütung aus der Staatskasse verlangen (§§ 1908 i Abs. 1, 1836 a BGB), und zwar für jede Stunde der für die Führung der Betreuung aufgewandten und erforderlichen Zeit den seiner Qualifikation entsprechenden, vom Gesetzgeber in einer typisierten dreistufigen Skala verbindlich festgelegten Betrag (§ 1836 a BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 BVormVG). Macht das Vormundschaftsgericht wie hier - von den Beteiligten unbeanstandet - von der Möglichkeit Gebrauch, dem Betreuer gem. § 1836 b Nr.1 BGB einen festen Geldbetrag als Vergütung zuzubilligen, ist zu dessen Bemessung die voraussichtlich erforderliche Zeit mit dem jeweiligen Stundensatz des § 1 Abs. 1 BVormVG zu multiplizieren. Dabei setzt die Zuerkennung der erhöhten Stundensätze von - in den neuen Bundesländern - 40,50 DM bzw. 54 DM voraus, dass der Berufsbetreuer über Fachkenntnisse bzw. besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind und die durch eine abgeschlossene Lehre bzw. eine abgeschlossene Hochschulausbildung oder durch eine diesen Ausbildungen vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben worden (§ 1 Abs. 1 S. 2 BVormVG). Besondere Kenntnisse oder Fachkenntnisse sind solche, die über ein bestimmtes Grundwissen deutlich hinausgehen, wobei dieses Grundwissen je nach Bildungsstand oder Ausbildung unterschiedlich sein kann. Für die Führung der Betreuung nutzbar sind solche Fachkenntnisse dann, wenn sie den Betreuer befähigen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen und somit eine erhöhte Leistung zu erbringen. Dabei ist es nicht nötig, dass die Kenntnisse das gesamte Anforderungsprofil der Betreuung abdecken, vielmehr reichen Kenntnisse zur Bewältigung eines bestimmten Aufgabenkreises aus (vgl. Senat FGPrax 2000, 110; BayObLG FGPrax 2000, 22, 23 m.w.N.). Da es sich bei der Betreuung ihrem Wesen nach um rechtliche Betreuung (§ 1901 Abs. 1 BGB) handelt, kommt insbesondere rechtlichen Kenntnissen eine besondere Bedeutung zu; betreuungsrelevant sind aber auch Kenntnisse in den Bereichen Medizin, Psychologie, Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Soziologie und Wirtschaft (vgl. OLG Zweibrücken FGPrax 2001, 21; BayObLG, a.a.O.; Senat, a.a.O.). Die Auffassung des Beteiligten zu 2, der offensichtlich ausschließlich auf Rechtskenntnisse abstellen will, findet im Gesetz keine Stütze und widerspricht auch der soweit ersichtlich einhelligen Auffassung in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte. Ihr folgt auch der Senat nicht.

Erforderlich ist es weiter, dass die abgeschlossene Ausbildung in ihrem Kernbereich auf die Vermittlung betreuungsrelevanten Fachwissens ausgerichtet ist, wie etwa bei den Studiengängen Rechtswissenschaft, Medizin, Psychologie, Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Soziologie oder Betriebswirtschaft (vgl. Senat, a.a.O.; BayObLG, a.a.O.; OLG Zweibrücken, a.a.O.).

3. Von diesen Grundsätzen ist das Landgericht ausgegangen und dabei ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gekommen, dass der Vergütungsanspruch des Beteiligten zu 1 nach dem Stundensatz des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BvormVG von 40,50 DM (in den neuen Bundesländern) zu bemessen ist.

Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, unter denen ihm gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 BVormVG eine erhöhte Vergütung zu bewilligen ist, obliegt der Beurteilung des Tatrichters, die im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde nur darauf überprüft werden kann, ob der Tatrichter einen unbestimmten Rechtsbegriff verkannt hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zu Stande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen oder gegen Denkgesetze bzw. Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. Senat, a.a.O.; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Auflage, § 27 Rn. 42 jeweils m.w.N.). Solche Rechtsfehler sind dem Landgericht nicht unterlaufen.

Nach seinen verfahrensfehlerfrei getroffenen und damit für den Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren bindenden Feststellungen hat der Beteiligte zu 1 eine Fachschulausbildung zum Ingenieur-Pädagogen absolviert. Schwerpunkte dieses Studiums waren die Fächer Pädagogik, Psychologie, sozialistisches Recht und Betriebswirtschaft, in denen der Beteiligte zu 1 auch erfolgreich eine Abschlussprüfung absolviert hat.

Die daraus abgeleitete Folgerung, der Berufsbetreuer verfüge über für die Führung einer Betreuung nutzbare besondere Fachkenntnisse, ist ebenfalls aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Es entspricht vielmehr der soweit ersichtlich einhelligen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, dass sich dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes eine Beschränkung der gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 BVormVG erhöhten Vergütungsstufen auf bestimmte Berufsgruppen nicht entnehmen lässt. Durch eine abgeschlossene Ausbildung in den betreuungsrelevanten Fächern Psychologie und Pädagogik können Fachkenntnisse erworben sein, die eine Erhöhung der Vergütung rechtfertigen. Eine solche Ausbildung vermittelt soziale Kompetenzen und zwischenmenschliche Kommunikationsfähigkeit, die bei der Erfüllung von Betreuungsaufgaben von allgemeinem Vorteil sein können (vgl. OLG Zweibrücken, a.a.O.; OLG Dresden, FamRZ 2000, 1310). Wurden diese Kenntnisse wie hier in einer Ausbildung zum Ingenieur-Pädagogen vermittelt, handelt es sich auch nicht mehr um Kenntnisse, die nur bei Gelegenheit eines Studiums vermittelt wurden, das im Kern auf ein anderes Fachgebiet ausgerichtet ist.

Soweit der Beteiligte zu 2 aus Reformüberlegungen des Gesetzgebers (vgl. den Entwurf eines Eckpunktepapiers zur Strukturreform des Betreuungsrechts der interfraktionellen Arbeitsgruppe Strukturreform des Betreuungsrechts vom 23.10.2000) eine andere Beurteilung ableiten will, folgt der Senat dem nicht. Abgesehen davon, dass schon fraglich ist, ob und in welchem Umfang derartige Reformbestrebungen Bedeutung für die Auslegung des geltenden Rechts haben, ergeben sich aus diesem Eckpunktepapier auch keinerlei Ansatzpunkte für die vom Beteiligten zu 2 vertretene Auffassung.

Es begegnet schließlich auch keinen rechtlichen Bedenken, eine Fachschulausbildung regelmäßig als eine einer abgeschlossenen Lehre vergleichbare Ausbildung im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BVormVG anzusehen. Eine entsprechende Einstufung von Berufsbetreuern mit abgeschlossener Fachschulausbildung wurde in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, die eine Gleichstellung mit einer Hochschulausbildung einhellig ablehnen, soweit ersichtlich nie beanstandet (vgl. OLG Schleswig OLG-Report 2000, 316; OLG Dresden FamRZ 2000, 316; BayObLG Rpfleger 2000, 392; BayObLG-Report 2000, 35).

III.

Der Senat hat nach § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG angeordnet, dem Beteiligten zu 1 die außergerichtlichen Kosten im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde aus der Staatskasse zu erstatten, weil der Beteiligte zu 2, der am Verfahren formell beteiligt ist, diese Kosten durch ein unbegründetes Rechtsmittel verursacht hat. Den Wert des Beschwerdegegenstands hat der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht festgesetzt.

IV.

Der Senat nimmt das vorliegende Verfahren erneut zum Anlass, darauf hinzuweisen, dass die Festsetzung pauschalen Aufwendungsersatzes für Berufsbetreuer wie sie auch hier durch die Instanzgerichte erfolgte, rechtswidrig ist (vgl. Senat FGPrax 2001,158).

Ende der Entscheidung

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