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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 26.11.2002
Aktenzeichen: 6 W 541/02
Rechtsgebiete: GBO


Vorschriften:

GBO § 30
GBO § 13
GBO § 29
1. Das im Aufgebotsverfahren ergangene Urteil bewirkt nur die Unrichtigkeit des Grundbuchs ein, indem das dort ausgewiesene Eigentum nicht mehr besteht, so dass das Grundstück herrenlos geworden ist.

2. Mit dem Verweis auf eine rechtsbegründende Eintragung des bisherigen Eigenbesitzers versteht § 927 Abs. 2 BGB die Grundbucheintragung als zweiten Teil des mit dem Aufgebotsantrag eingeleiteten Eigentumserwerbsverfahrens nach § 927 BGB und verbindet so das Aufgebotsverfahren und das Grundbuchverfahren, ohne dieses in besonderer Weise, etwa als Amtsverfahren auszugestalten.

3. Diese Verbindung entfaltet verfahrensrechtliche Wirkung. Indem § 927 Abs. 2 BGB davon ausgeht, dass - anders als bei der gemäß § 928 Abs. 1 BGB ins Grundbuch einzutragenden Eigentumsaufgabe - beim Eigentumserwerb des Eigenbesitzers § 927 BGB die Eigentümereintragung ohne Voreintragung des Rechtszustands der Herrenlosigkeit erfolgt, modifiziert er § 39 GBO. Ferner ordnet die Verbindung von Eigentümerausschluss und Eigentumserwerb in § 927 BGB das Antragsrecht nach § 13 GBO dem Betreiber des Aufgebotsverfahrens zu und determiniert dieses auf den Vollzug des mit dem Ausschlussurteil vorbereiteten Eigentumsübergangs hin. Damit verlegt § 927 Abs. 2 BGB die Begründung des Aneignungswillens in das Angebotsverfahren mit der Folge, dass eine zusätzliche Verlautbarung dieses Willens für den das Ausschlussverfahren betreibenden Eigenbesitzer sich - auch mit Blick auf §§ 22, 20 GBO - erübrigt.

4. Da der Eigentumserwerbswillen des Antragstellers sich aus dem Ausschlussurteil ergibt, kann das Grundbuchamt ihn mit der gleichen Sicherheit, die eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde vermittelt, aus dem ihm zusammen mit dem Eigentumserwerbsantrag vorzulegenden Urteilsausfertigung feststellen.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

6 W 541/02 = Schmalkalden Bl. 957

In dem Verfahren

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Bauer sowie die Richter des Oberlandesgerichts Kramer und Pippert auf die weitere Beschwerde vom 04.10.2002 gegen den Beschluss des Landgerichts Meiningen vom 13.08.2002

am 26.11.2002

beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Landgerichts Meiningen vom 13.08.2002 und die Zwischenverfügung des Rechtspflegers des Grundbuchamtes Schmalkalden vom 07.05.2002 werden aufgehoben.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, die beantragte Eintragung nicht aus den der aufgehobenen Zwischenverfügung zugrunde liegenden Erwägungen zu versagen.

Gründe:

I.

Die Beteiligte ist als Miteigentümerin zu 1/2 der betroffenen Grundstücke im Grundbuch eingetragen. Als weitere Miteigentümer zu unterschiedlichen, insgesamt 1/2 ergebenden Bruchteilen sind sieben Personen eingetragen; einer dieser Miteigentumsanteile (zu 5/16) ist seit 28.11.1933 mit einer Sicherungshypothek belastet.

Die Beteiligte hat das Grundstück in Eigenbesitz. Sie hat gegen die Berechtigten der anderen sieben Miteigentumsanteile beim Amtsgericht Sch. ein Aufgebotsverfahren mit dem Ziel des Ausschlusses der Rechte betrieben. Dieses Verfahren hat am 20.03.2002 damit geendet, dass die Miteigentümer mit ihren Rechten ausgeschlossen wurden.

Mit einem am 03.04.2002 beim Grundbuchamt Sch. eingegangenen Antrag hat die Beteiligte unter Vorlage einer mit Rechtskraftvermerk versehenen Ausfertigung des Urteils vom 20.03.2002 "die Löschung der alten Eintragung aus dem Blatt ..." begehrt. Mit Zwischenverfügung vom 07.05.2002 hat der Rechtspfleger des Grundbuchamtes Schmalkalden von der Beteiligten die Vorlage einer Aneignungserklärung in der Form des § 29 GBO gefordert. Am 13.05.2002 hat die Beteiligte, nunmehr durch ihren Verfahrensbevollmächtigten, ihren Antrag vom 03.04.2002 ergänzt und begehrt, sie (auch) als Eigentümerin der Anteile der durch das Amtsgericht Schmalkalden ausgeschlossenen Eigentümer einzutragen. Die Vorlage einer Aneignungserklärung bzw. eines Eintragungsantrages in der Form des § 29 Abs. 1 GBO hat die Beteiligte abgelehnt.

Am 28.05.2002 hat die Beteiligte gegen die Zwischenverfügung vom 07.05.2002 Beschwerde eingelegt. Das Grundbuchamt hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen. Das Landgericht Meiningen hat mit Beschluss vom 13.08.2002 die Beschwerde zurückgewiesen. Das Landgericht hält die Zwischenverfügung für berechtigt, weil auch im Fall des § 927 Abs. 2 BGB das Grundbuchamt das Vorliegen eines Aneignungswillens in Form einer einseitigen Willenserklärung nach materiellem Recht hätte feststellen müssen. Des weiteren folge aus §§ 20, 22 GBO, dass eine Eigentümereintragung nicht ohne die Zustimmung des Einzutragenden erfolgen darf. Die insoweit notwendigen Feststellungen seien dem Grundbuchamt nur bei Wahrung der in § 29 GBO vorgeschriebenen Form möglich. Diese Form sei gemäß § 30 2. Hs. GBO auch dann zu wahren, wenn der Aneignungswille zusammen mit dem Eintragungsantrag zum Ausdruck kommen soll.

Gegen diesen Beschluss macht die weitere Beschwerde vom 04.10.2002 geltend, dass die die landgerichtliche Entscheidung tragenden Gründe für eine Aneignung nach vorheriger Eigentumsaufgabe (§ 928 BGB) zutreffen mögen. Mit § 30 1. Hs. GBO unvereinbar sei jedoch, für den Eigentumseintragungsantrag die Form des § 29 Abs. 1 S. 1 GBO zu fordern, wenn der Antragsteller diejenige Person sei, welche das Ausschlussurteil erwirkt hat.

II.

1.

Die weitere Beschwerde ist an sich statthaft. Das Rechtsmittel ist auch sonst zulässig. Die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten ergibt sich aus der Erfolglosigkeit der Erstbeschwerde.

2.

Die weitere Beschwerde ist begründet. Der Beschluss des Landgerichts Meiningen vom 13.08.2002 verletzt §§ 30 GBO, 927 Abs. 2 BGB.

a) Die beantragte Eintragung steht in der Konsequenz des von der Beteiligten betriebenen Aufgebotsverfahrens, welches mit dem Ausschluss der sieben im Grundbuch noch mit eingetragenen Miteigentümern von ihren Rechten geendet hat. Zwar bewirkt dieser Ausschluss noch keinen Rechtsübergang auf den Eigenbesitzer, welcher das Aufgebotsverfahren betrieben hat. Es tritt mit Verkündung und gemäß § 957 Abs. 1 ZPO gleichzeitig eintretender Rechtskraft des Ausschlussurteils zunächst nur die Unrichtigkeit des Grundbuchs ein, indem das dort ausgewiesene Eigentum nicht mehr besteht, so dass das Grundstück herrenlos geworden ist. Dem gemäß hatte der zunächst von der Beteiligten persönlich gestellte Antrag nur die Grundbuchberichtigung angesprochen. Insoweit ist die Zwischenverfügung vom 05.07.2002 bereits deswegen fehlerhaft, weil sie sich nicht auf den Berichtigungsantrag, sondern auf einen zunächst nicht gestellten Antrag nach § 927 Abs. 2 BGB bezieht.

b) Die Zwischenverfügung ist aber auch nicht nachträglich dadurch zutreffend geworden, dass die Beteiligte ihren ersten Eintragungsantrag ergänzt hat und nun als Eigentümerin der aufgebotenen Miteigentumsanteile eingetragen werden will. Der so angestrebte Eigentumserwerb vollzieht sich nach erfolgreichem Aufgebot gemäß § 927 Abs. 2 BGB. Dach erlangt derjenige, welcher das Ausschlussurteil erlangt hat, das Eigentum dadurch, dass er sich als Eigentümer in das Grundbuch eintragen lässt. Mit diesem Verweis auf eine rechtsbegründende Eintragung des bisherigen Eigenbesitzers versteht § 927 Abs. 2 BGB die Grundbucheintragung als zweiten Teil des mit dem Aufgebotsantrag eingeleiteten Eigentumserwerbsverfahrens nach § 927 BGB und verbindet so das Aufgebotsverfahren und das Grundbuchverfahren, ohne dieses in besonderer Weise, etwa als Amtsverfahren auszugestalten. Diese Verbindung entfaltet verfahrensrechtliche Wirkung. Indem § 927 Abs. 2 BGB davon ausgeht, dass - anders als bei der gemäß § 928 Abs. 1 BGB ins Grundbuch einzutragenden Eigentumsaufgabe - beim Eigentumserwerb des Eigenbesitzers § 927 BGB die Eigentümereintragung ohne Voreintragung des Rechtszustands der Herrenlosigkeit erfolgt, modifiziert er § 39 GBO. Ferner ordnet die Verbindung von Eigentümerausschluss und Eigentumserwerb in § 927 BGB das Antragsrecht nach § 13 GBO dem Betreiber des Aufgebotsverfahrens zu und determiniert dieses auf den Vollzug des mit dem Ausschlussurteil vorbereiteten Eigentumsübergangs hin. Damit verlegt § 927 Abs. 2 BGB die Begründung des Aneignungswillens in das Angebotsverfahren mit der Folge, dass eine zusätzliche Verlautbarung dieses Willens für den das Ausschlussverfahren betreibenden Eigenbesitzer sich - auch mit Blick auf §§ 22, 20 GBO - erübrigt (Münchner Kommentar - BGB/Kanzleiter, § 927 Rn. 7; Palandt/Bassenge, BGB, 61. Aufl., § 927 Rn. 5; Saenger, MDR 2001, 134, 135). Soweit im Schrifttum auch für den auf § 927 Abs. 2 gestützten Antrag über die Wahrung der Form des § 29 Abs. 1 S. 1 GBO gefordert wird (vgl. Schaub in Bauer/v. Oefele, GBO, § 30 Rn. 19; Demharter, GBO 24. Aufl., Anhang zu § 44 Rn. 6), wird dies mit dem gemischten verfahrensrechtlich-materiellrechtlichen Gehalt des Eigenbesitzer-Antrags begründet. Dabei wird indes verkannt, dass § 927 Abs. 2 BGB von einem eigenständigen materiellen Gehalt des Eintragungsantrages jedenfalls dort nicht mehr ausgeht, wo Antragsteller und Betreiber des Aufgebotsverfahrens personengleich sind. Da der Eigentumserwerbswillen des Antragstellers sich aus dem Ausschlussurteil ergibt, kann das Grundbuchamt ihn mit der gleichen Sicherheit, die eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde vermittelt, aus dem ihm zusammen mit dem Eigentumserwerbsantrag vorzulegenden Urteilsausfertigung feststellen.

Soweit das OLG Schleswig für einen auf § 928 Abs. 2 BGB gestützten Antrag die Wahrung der Form des § 29 GBO fordert, betrifft diese Entscheidung einen anderen Ausgangssachverhalt, so dass eine Divergenz nicht besteht und die Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 79 Abs. 2 GBO nicht erforderlich ist.

c) Das Grundbuchamt kann den Eintragungsantrag daher nicht aus den Gründen seiner Zwischenverfügung vom 07.05.2002 aufhalten. Ob die sonstigen Voraussetzungen des Eintragungsvollzugs vorliegen, ist in diesem Beschwerdeverfahren nicht zu entscheiden, weil dessen Gegenstand sich auf das in der Zwischenverfügung verlautbarte Eintragungshindernis beschränkt. Das Grundbuchamt sollte hinsichtlich des durch den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten ergänzten Eintragungsantrages beachten, dass - soweit erkennbar - ein Rechtsgrund für die Buchung eines weiteren Miteigentumsanteils nur im Hinblick auf den mit einer Sicherungshypothek belasteten Anteil besteht (vg. Palandt/Bassenge, a.a.O. § 1008 Rn. 2, § 1014 Rn. 3), so dass insoweit es angezeigt sein kann, die Beteiligte zu einer Präzisierung ihres Antrages aufzufordern.

Ende der Entscheidung

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