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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 05.12.2002
Aktenzeichen: 6 W 663/02
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1836c
BGB § 1836d
BGB § 1836e
BGB § 1908i
FGG § 56
1. In den Fällen, in denen die Mittellosigkeit des Betroffenen allein wegen ihm zustehender Unterhaltsansprüche verneint wird, das Vormundschaftsgericht ist nicht zur Prüfung verpflichtet, ob derartige Ansprüche auch tatsächlich realisiert werden können (BayObLG, NJW-RR 2002, S. 943). Vielmehr ist es sachgerecht und zulässig, bei der Behandlung von Unterhaltsansprüchen im Rahmen des Verfahrens nach § 56 g FGG die Festsetzung des Rückgriffsbetrages gegen den Betroffenen ohne nähere Prüfung des tatsächlichen Bestehens eines solchen Anspruches auszusprechen.

2. Wie § 1836c Satz 1 Nr. 1 BGB ergibt ist zur Feststellung des Forderungsübergangs nach §§ 1836c, 1836e i.V.m. § 56 FGG durch einen geeigneten Zusatz kenntlich zu machen, dass der Titel nur die Grundlage für die Pfändung möglicher Unterhaltsansprüche zur Einziehung und Überweisung sein soll, denn, wie § 1836d Nr. 2 BGB ergibt, ist ein Betreuter, der dem Grunde nach unterhaltsberechtigt ist, nicht verpflichtet, zum Zwecke der Entschädigungszahlungen an den Betreuer seine Unterhaltsansprüche einzuklagen. Hier tritt die Staatskasse ein, deren Inanspruchnahme nicht voraussetzt, dass der Betreute zur Zahlung der Betreuerkosten vollends außerstande ist.

3. § 1836e BGB knüpft ausschließlich an die Befriedigung der Ansprüche des Betroffenen durch die Staatskasse an. Dabei kommt dem Betreuten nicht die von § 1836d BGB fingierte Mittellosigkeit zustatten. Vom Betreuten wird damit nichts Unzumutbares erwartet, insbesondere muss er die ihm angerechneten Unterhaltsansprüche nicht selbst realisieren. Diese Aufgabe nimmt ihm die Staatskasse ab, nachdem sie die auf Grund des übergangenen Anspruches vom Betreuten zu leistenden Zahlungen unter Einbeziehung der ausstehenden Unterhaltsschuld nach § 56 g Abs. 1 Satz 1 FGG festgesetzt hat. Dieser Titel ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 b JBeitrO vollstreckbar. Mit seiner Hilfe wird eine Pfändung und Überweisung des Unterhaltsanspruches erreicht (§ 6 Nr. 1 JBeitrO i.V.m. § 829 ff. ZPO), wobei gemäß § 1836e BGB die Vorschrift des § 850b ZPO dem Zugriff nicht entgegensteht.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

6 W 663/02

In dem Verfahren

betreffend die Feststellung des Übergangs von Ansprüchen des Betreuten auf die Staatskasse,

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichtes in Jena durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. h. c. Bauer, den Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Werner und die Richterin am Amtsgericht Petry auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen vom 02. November 2002 gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichtes Mühlhausen vom 14. Oktober 2002

am 05. Dezember 2002

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Gegenstandswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 11.491,25 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 24.08.1999 hat das Amtsgericht Eisenach für den Betroffenen erstmals eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen

- Vermögenssorge,

- Vertretung gegenüber Behörden, Ämtern und Versicherungen,

- Gesundheitssorge,

- Wohnungsangelegenheiten,

- Aufenthaltsbestimmung

angeordnet, die am 13.12.2000 um den Aufgabenkreis Unterbringung erweitert wurde. Als Betreuer wurde Uwe Wildenhain aus Mühlhausen bestellt. Die Betreuung wurde mit Beschluss vom 18.12.2001 bis 18.12.2006 unter Beibehaltung des Betreuers verlängert. Im Zeitraum von August 1999 bis einschließlich Mai 2002 zahlte die Staatskasse insgesamt 11.491,25 € Betreuervergütung. Mit Beschluss vom 06.06.2002 stellte das Amtsgericht fest, dass wegen dieser Vergütungsleistung Ansprüche gemäß §§ 1908i, 1836 e, 1836 c BGB i.V.m. 56 g FGG auf die Staatskasse übergegangen sind. Dabei ging das Amtsgericht davon aus, dass dem Betroffenen Unterhaltsansprüche gegen seine als Berufsbetreuerin arbeitende Mutter zustehen.

Die dagegen erhobene sofortige Beschwerde vom 18.07.2002 blieb ohne Erfolg.

Das Landgericht hatte die sofortige Beschwerde im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, dass entgegen der Ansicht des Betroffenen in den Fällen, in denen allein wegen möglicher Unterhaltsansprüche des Betroffenen eine Leistungsfähigkeit gegeben sein kann, das Vormundschaftsgericht grundsätzlich nicht zur Prüfung verpflichtet ist, ob der Unterhaltsanspruch auch tatsächlich besteht. Auf die Gründe der Entscheidung des Landgerichts wird verwiesen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betroffene mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde. Er vertritt weiterhin die Ansicht, dass die Feststellung des gesetzlichen Forderungsüberganges rechtswidrig erfolgt sei, da die Voraussetzungen des § 1836 e BGB nach seiner Auffassung nicht vorlagen.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach §§ 56 g Abs. 5 Satz 2, 27 Abs. 1, 29 FGG statthaft und vom Landgericht zugelassen (§ 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG).

Der Beschwerdeführer hat die sofortige weitere Beschwerde auch form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung des Landgerichtes nicht auf einer Gesetzesverletzung beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht festgestellt, dass im Zeitraum von August 1999 bis einschließlich Mai 2002 insgesamt 11.491,25 € von der Staatskasse an den Betreuer gezahlt worden sind und dieser Betrag nach §§ 1908 i Abs. 1, 1836 e Abs. 1 BGB gegen den Betroffenen festgesetzt werden konnte, weil der Anspruch des Betreuers gegen den Betroffenen auf die Staatskasse übergegangen ist.

In den Fällen, in denen die Mittellosigkeit des Betroffenen allein wegen ihm zustehender Unterhaltsansprüche verneint wird, ist das Vormundschaftsgericht nicht zur Prüfung verpflichtet, ob derartige Ansprüche auch tatsächlich realisiert werden können (BayObLG, NJW-RR 2002, S. 943). Vielmehr ist es sachgerecht und zulässig, bei der Behandlung von Unterhaltsansprüchen im Rahmen des Verfahrens nach § 56 g FGG die Festsetzung des Rückgriffsbetrages gegen den Betroffenen ohne nähere Prüfung des tatsächlichen Bestehens eines solchen Anspruches auszusprechen. Durch einen geeigneten Zusatz ist dabei kenntlich zu machen, dass der Titel nur die Grundlage für die Pfändung möglicher Unterhaltsansprüche zur Einziehung und Überweisung sein soll. Dies folgt daraus, dass nach Einführung des § 1836 c Satz 1 Nr. 1 durch das Betreuungsrechtsänderungsgesetz auch Unterhaltsansprüche des Betreuten bei der Betreuerentschädigung grundsätzlich als Einkommen des Betreuten zu berücksichtigen sind. Gleichwohl bestimmt die ebenfalls neu eingeführte Vorschrift des § 1836 d Nr. 2 BGB, dass der Betroffene als mittellos anzusehen ist, wenn die Unterhaltsansprüche nur im Wege gerichtlicher Geltendmachung aufbringbar sind. Folglich ist ein Betreuter, der dem Grunde nach unterhaltsberechtigt ist, nicht verpflichtet, zum Zwecke der Entschädigungszahlungen an den Betreuer seine Unterhaltsansprüche einzuklagen. Hier tritt die Staatskasse ein, deren Inanspruchnahme nicht voraussetzt, dass der Betreute zur Zahlung der Betreuerkosten vollends außerstande ist. Er muss - wie § 1836 d klarstellt - nur als mittellos gelten.

Zur Absicherung der Staatskasse wiederum steht ihr der Rückgriff gemäß § 1836 e BGB zu. Dieser knüpft ausschließlich an die Befriedigung der Ansprüche des Betroffenen durch die Staatskasse an. Dabei kommt dem Betreuten hier nicht die von § 1836 d BGB fingierte Mittellosigkeit zustatten (Wagenitz/Engers, FamRZ 1998, S. 1278). Vom Betreuten wird damit nichts Unzumutbares erwartet, insbesondere muss er die ihm angerechneten Unterhaltsansprüche nicht selbst realisieren. Diese Aufgabe nimmt ihm die Staatskasse ab, nachdem sie die auf Grund des übergangenen Anspruches vom Betreuten zu leistenden Zahlungen unter Einbeziehung der ausstehenden Unterhaltsschuld nach § 56 g Abs. 1 Satz 1 FGG festgesetzt hat. Dieser Titel ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 b JBeitrO vollstreckbar. Mit seiner Hilfe wird eine Pfändung und Überweisung des Unterhaltsanspruches erreicht (§ 6 Nr. 1 JBeitrO i.V.m. § 829 ff. ZPO), wobei gemäß § 1836 e BGB die Vorschrift des § 850 b ZPO dem Zugriff nicht entgegensteht. Erweist sich in diesem Verfahren der Dritt- (= Unterhalts-) Schuldner auch weiterhin nicht zahlungsbereit, muss die Staatskasse ihn auf Zahlung verklagen. Im Ergebnis werden dadurch Aufwand und Risiko der Durchsetzung des Unterhaltsanspruches auf die Staatskasse verlagert.

Diese Vorgehensweise entspricht der Absicht des Gesetzgebers, der Staatskasse eine einfache und praxisgerechte Möglichkeit (vgl. BRatsDrucks. 13/7158, Seite 49) zur Einziehung etwaiger Unterhaltsansprüche an die Hand zu geben. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers obliegt es daher dem Vormundschaftsgericht nicht, eine eingehende Prüfung der Unterhaltsansprüche bereits im betreuungsrechtlichen Festsetzungsverfahren, womöglich in 3 Instanzen, durchzuführen.

Zutreffend hat das Landgericht, ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen, entschieden, dass der Betroffene, soweit die Staatskasse den Betreuer befriedigt hat, zur Deckung dieses Betrages Zahlungen an die Staatskasse zu leisten hat, soweit ein Unterhaltsanspruch gegen seine Mutter besteht.

Den Gegenstandswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde hat der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht gem. § 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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