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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 09.03.2006
Aktenzeichen: 6 W 693/05
Rechtsgebiete: EG, HGB, GmbHG


Vorschriften:

EG Art. 43
HGB § 13g Abs. 2
HGB § 13d
GmbHG § 8 Abs. 3
1. Bei einer an der 11. (Zweigniederlassungs-)Richtlinie orientierten Auslegung des nationalen Rechts darf die Eintragung einer Zweigniederlassung wegen des Fehlens einer Hauptniederlassung nicht verweigert werden (EuGH, NJW 1999, 2027 [Centros]; EuGH, NJW 2003, 3331 [Inspire Art]; Senat, Beschl. v. 09.09.2005, 6 W 302/05)

2. Die 11. (Zweigniederlassungs-)Richtlinie ist zwar im Hinblick auf Offenlegungspflichten abschließend; auch dürfen Verletzungen dieser Pflicht nicht mit besonderen Haftungssanktionen belegt werden (BGH, NJW 2005). Die Richtlinie hindert aber nicht an der Durchsetzung eines strafrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Tätigkeitsverbots iSv § 6 Abs. 2 S. 3 und 4 GmbHG.

3. Daraus, dass die Geschäftsführer (directors) einer englischen private limited company bei der Anmeldung einer inländischen Zweigniederlassung - anders als die Geschäftsführer einer deutschen GmbH - keine Versicherung abgeben müssen, dass in ihrer Person keine Bestellungshindernisse (nach deutschem und/oder englischen Recht) bestehen, weil in § 13g Abs. 2 S.2 HGB bewusst von einem Verweis auf § 8 Abs. 3 S. 1 GmbHG (iVm § 6 Abs. 2 S. 3 und 4 GmbHG) absieht, und dass daher das inländische Registergericht i.d.R. von einem Bestellhindernis keine Kenntnis hat, so dass die Zweigniederlassung meist auch dann eingetragen werden wird, wenn ein potenzieller director nach deutschem Recht nicht zum Geschäftsführer einer GmbH bestellt werden kann, folgt nicht, dass das Registergericht ein ihm sonstwie bekannt gewordenes Betätigungsverbot nicht bei der Entscheidung über das Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen berücksichtigen dürfte.

4. Auch wenn das für die Gesellschaft maßgebliche Recht keine besonderen Anforderungen an die Person des geschäftsführenden Organs stellt, kann wegen eines im Inland gegenüber gegen den alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer (director) der Gesellschaft verhängten Gewerbeverbots die Eintragung einer Zweigniederlassung verweigert werden. Organbestellung und Vertretungsregelung der ausländischen Kapitalgesellschaft als solche werden dadurch, dass die Zweigniederlassung nicht von einer Person nach inländischen Recht ungeeigneten Person geleitet werden darf, nur reflexartig mittelbar berührt (a.A. OLG Oldenburg, Beschluss vom 28.5.2001, GmbHR 2002, 29).

5. Bei der Eintragung der inländischen Zweigniederlassung einer ausländischen Kapitalgesellschaft hat das Registergericht auch die Interessen des inländischen Rechtsverkehrs und dabei den Schutz der Allgemeinheit vor geschäftlich unzuverlässigen Personen zu bedenken, weil es der Einheitlichkeit der Rechtordnung und zwingenden Gründen des Allgemeinwohls widerspräche, zunächst die Zweiniederlassung mit dem ungeeigneten Geschäftsführer zuzulassen, um dann sogleich auf deren Geschäftsbetrieb mittels Durchsetzung des Gewerbeverbots einzuwirken und die Zweigniederlassung handlungsunfähig zu machen.

6. Die disqualification des directors nach englischem Recht stellt im Vergleich zur Eintragungsversagung kein milderes Mittel zum Erreichen des Allgemeinwohls dar, weil dem inländische Registergericht für die disqualification order kein Prüfungsrecht zusteht und weil die disqualification des directors eine Geschäftsführertätigkeit insgesamt unterbindet und sich nicht nur auf das Arbeitegebiet der Zweigniederlassung beschränkt.

7. Offen bleibt, ob die Gründung einer Auslandsgesellschaft durch einen Hauptgesellschafter, dem im Inland die Ausübung eines Gewerbes und die Tätigkeit als GmbH-Geschäftsführer untersagt ist, zum Schein erfolgt und ob sie mit der Folge als Missbrauch der Niederlassungsfreiheit zu qualifizieren ist, dass der Gesellschaft die Rechtsfähigkeit abzusprechen wäre.

8. Wegen der divergierenden Rechtsprechung des OLG Oldenburg bedarf es der Entscheidung des GBH gem. § 28 Abs. 2 FGG.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

6 W 693/05

In dem Verfahren

betreffend die Eintragung einer Zweigniederlassung in das Handelsregister

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h.c. Bauer, den Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Bayer und die Richterin am Oberlandesgericht Reichertz auf die weitere Beschwerde vom 6.12.2005 gegen den Beschluss der Kammer für Handlessachen des Landgerichts Mühlhausen vom 3.11.2005

am 9.03.2006

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird gemäß § 28 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

Gründe:

I

Die Beteiligte ist aufgrund Gesellschaftsvertrags vom 19.11.2004 gegründet und im Registrar of Companies für England unter der Nummer Company No. ... eingetragen. Der Geschäftszweck der Beteiligten ist mit "Hochbau" bestimmt. Als ihr Geschäftsführer (director) ist P. I. benannt. P. I. ist rechtskräftig untersagt, die Ausübung des "Maurerhandwerks" und "jede andere selbständige Gewerbeausübung sowie jede Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbebetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person - ausgenommen die Tätigkeit als handwerklich-technischer Betriebsleiter in einem Arbeitnehmerverhältnis" (Bescheid des Thüringer Landesverwaltungsamts vom 29.03.2000).

Am 11.01.2005 hat die Beteiligte die Eintragung einer Zweigniederlassung in Deutschland beim Handelsregister des Amtsgerichts Mühlhausen angemeldet. Als Geschäftsgrundstück der Zeigniederlassung ist das Anwesen ...in N. angegeben.

Das Amtsgericht Mühlhausen hat mit Beschluss vom 18.05.2005 die Anmeldung zurückgewiesen. Nach Ansicht des Registergerichts findet § 13 g HGB auch auf die Eintragung der Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft Anwendung. Hier sei dem gesetzlichen Vertreter der Beteiligten die Ausübung des von der Beteiligten ausgeübten Gewerbes in Deutschland untersagt. Es sei davon auszugehen, dass Herr I. diese Gewerbeuntersagung mittels der Zweiniederlassungseintragung unterlaufen wolle. Der hiergegen eingelegten Beschwerde hat das Registergericht nicht abgeholfen (Beschluss v. 22.06.2005). Das Landgericht hat die Beschwerde im Wesentlichen aus den Gründen der amtsgerichtlichen Entscheidung zurückgewiesen. Hiergegen hat die Beteiligte "Beschwerde" eingelegt. Sie macht geltend, die angefochtene Entscheidung leide aus den vom OLG Oldenburg in einem Beschluss vom 28. Mai 2001, 5 W 71/01 angeführten Gründen an einer Verletzung des Gesetzes: § 13g HGB könne im Geltungsbereich des § 8 HGB nicht entsprechend angewendet werden.

II

1. Das als weitere Beschwerde nach § 27 FGG aufzufassende Rechtsmittel ist als solches statthaft und auch im übrigen zulässig. Die Vorinstanzen haben die Beteiligte zutreffend als existent und in Deutschland rechts- und verfahrenshandlungsfähig angesehen. Die an keine Frist gebundene weitere Beschwerde ist statthaft (§ 27 FGG) und formgerecht eingelegt (§ 29 Abs. 1 S. 1 und 2 FGG). Die Beschwerdeführerin ist als im Registrar of Companies for England and Wales eingetragene Private Limited Company auch dann rechtsfähig - und damit am Verfahren beteiligungsfähig -, wenn sich ihr tatsächlicher (Verwaltungs-)Sitz im Inland befindet (BGHZ 154, 185; BGH, NJW 2005, 1648, 1649; Bayer, BB 2003, 2357, 2363; Lieder, DZWIR 2005, 399, 404). Die Befugnis zur Einlegung der weiteren Beschwerde ergibt sich schon daraus, dass die Erstbeschwerde zurückgewiesen wurde.

2. Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht wurde der Beschwerdeführerin die Eintragung ihrer inländischen Zweigniederlassung in das Handelsregister mit der Begründung verweigert, dass die Eintragungsvoraussetzungen nicht gegeben seien, weil der angemeldete Geschäftsführer P.I. nicht befugt sei, als gesetzlicher Vertreter einer juristischen Person in der Bundesrepublik Deutschland tätig zu werden.

a) Die Eintragung einer inländischen Zweigniederlassung eines Einzelkaufmanns oder einer juristischen Person mit Satzungssitz oder Hauptniederlassung im Ausland in das inländische Handelsregister wird in § 13 d HGB geregelt. Für Zweigniederlassungen von GmbH mit Sitz im Ausland gelten nach § 13e Abs. 1 HGB ergänzend § 13e Abs. 2-5 HGB und § 13 g HGB. Als Private Limited Company englischen Rechts handelt es sich bei der Beschwerdeführerin um eine GmbH mit Sitz im Ausland iSv § 13e Abs. 1 HGB; dies folgt aus der Nennung dieser Rechtsform in Art. 1 der 12. (Einpersonen-GmbH-)Richtlinie, die auch für die Auslegung der 11. (Zweigniederlassungs-)Richtlinie herangezogen werden kann (Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004 § 12 Rn. 11; Kindler, NJW 1993, 3301, 3304; KG, GmbHR 2004, 116, 117).

b) Handelt es sich um eine Gesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat des EG-Vertrages, so sind die §§ 13 d ff HGB europarechtskonform im Lichte der Grundfreiheiten des EG-Vertrages sowie der hier einschlägigen 11. (Zweigniederlassungs-)Richtlinie auszulegen und anzuwenden (vgl. OLG Zweibrücken, ZIP 2003, 849). Diese europarechtskonforme Auslegung hat insbesondere zur Folge, dass die Eintragung einer Zweigniederlassung nicht mit dem Argument verweigert werden darf, dieser stehe nach deutschem Recht schon begrifflich das Fehlen einer Hauptniederlassung entgegen. Vielmehr umfasst der Begriff der Zweigniederlassung nach der Rechtsprechung des EuGH auch solche Niederlassungen, bei denen es sich faktisch um die Hauptniederlassung handelt (das belegen die Sachverhalte von EuGH, NJW 1999, 2027 [Centros] und EuGH, NJW 2003, 3331 [Inspire Art]; Senat, Beschl. v. 09.09.2005, 6 W 302/05; OLG Zweibrücken, ZIP 2003, 849, 850; Lieder, DZWIR 2005, 399, 401 m.w.N.; ausf. Wachter ZNotP 2005, 122, 124; vgl. noch Lutter/Bayer, aaO., § 12 Rn. 15 a.E.).

c) Der Eintragung steht jedoch entgegen, dass dem angemeldeten Geschäftsführer P. I. durch bestandskräftigen Bescheid des Thüringer Landesverwaltungsamts vom 29.3.2000 im Inland jede selbständige Gewerbeausübung sowie jede Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person untersagt worden ist. Dieses Verbot umfasst auch - wie bereits die Vorinstanzen zutreffenden festgestellt haben - die Tätigkeit als Leiter einer inländischen Zweigniederlassung der Beschwerdeführerin.

aa) Zwar müssen die Geschäftsführer (directors) einer englischen private limited company bei der Anmeldung einer inländischen Zweigniederlassung - anders als die Geschäftsführer einer deutschen GmbH - keine Versicherung abgeben, dass in ihrer Person keine Bestellungshindernisse (nach deutschem und/oder englischen Recht) bestehen. Dies folgt daraus, dass in § 13g Abs. 2 S.2 HGB nicht auf § 8 Abs. 3 S. 1 GmbHG (iVm § 6 Abs. 2 S. 3 und 4 GmbHG) verwiesen wird (Lutter/Bayer, aaO., § 8 Rn. 14; Hachenburg/Ulmer, GmbHG 8. Aufl. 1992, § 8 Rn. 33; Rowedder/Schmidt-Leithoff, 4. Aufl. 2002, § 8 Rn. 27).

Dieser fehlende Verweis beruht nicht auf einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers; vielmehr ergibt sich aus den Materialien zur Neufassung der gesetzlichen Regelung im Rahmen der Umsetzung der 11. (Zweigniederlassungs-)Richtlinie durch Gesetz vom 22.7.1993 (BGBl 1993, 1282 ff) der eindeutige Wille, von einem solchen Anmeldeerfordernis abzusehen und damit der bis dahin anderslautenden h.M. (vgl. BayObLG, WM 1986, 1557, 1559 m. zust. Anm. Bokelmann, EWiR 1986, 1113, 1114; OLG Düsseldorf, GmbHR 1993, 98; a.A. Rowedder, GmbHG, 1. Aufl., 1985, § 12 Rn 44; ausf. Kaiser, AG 1991, 18 f.) bewusst entgegen zu treten (BR-Drucks. 690/92 S. 49, 53; Seibert, GmbHR 1992, 738, 741). Hierbei ging der Gesetzgeber von der Überlegung aus, dass diese Vorschrift "nicht für Vorstandsmitglieder ausländischer GmbH paßt" (BR-Drucks. 690/92, S. 49). Begründet wird dies damit, dass sich die Bestellung dieser Vorstandsmitglieder nach dem jeweiligen ausländischen Recht beurteilen und deshalb von den ausländischen Organmitgliedern keine Versicherung darüber verlangt werden kann, dass keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung entgegenstehen (BR-Drucks. 690/92 S. 49 f.).

Im Regelfall erhält das inländische Registergericht somit von einem Bestellhindernis keine Kenntnis und wird daher eine Eintragung der Zweigniederlassung auch dann vornehmen, wenn ein potenzieller director nach deutschem Recht nicht zum Geschäftsführer einer GmbH bestellt werden kann (so zutreffend Wachter ZNotP 2005, 122, 130). Dieser Rechtszustand ist unbefriedigend, als (Fehl-)Entscheidung des Gesetzgebers aber hinzunehmen; allerdings ist dringend eine gesetzliche Korrektur zu empfehlen.

bb) Fraglich ist indes, ob diese fehlende Verpflichtung zur Abgabe einer Versicherung iSv § 8 Abs. 3 iVm § 6 Abs. 2 S. 3 und 4 GmbHG zugleich bedeutet, dass ein im Inland ausgesprochenes (bestandskräftiges) Gewerbeausübungsverbot dann unbeachtlich ist, wenn der Verbotsadressat nicht als Geschäftsführer einer GmbH, sondern als Leiter der inländischen Zweigniederlassung einer ausländischen Kapitalgesellschaft bestellt werden soll. Diese Problematik ist umstritten und noch nicht höchstrichterlich geklärt.

(1) Das OLG Oldenburg hat in seinem Beschluß vom 28.5.2001 - 5 W 71/01 (GmbHR 2002, 29) die Auffassung vertreten, dass die Eintragung einer Zweigniederlassung nicht wegen der gegenüber dem alleinvertretungsberechtigten director einer ausländischen Gesellschaft ausgesprochenen Gewerbeverbots verweigert werden dürfe. Auch Personen, die im Inland gem. § 6 Abs. 2 S. 3 und 4 GmbHG nicht als Geschäftsführer eingesetzt werden könnten, dürften als Direktoren einer ausländischen Gesellschaft die Zweigniederlassung im Inland weiterbetreiben. Dabei beschränkt sich der Senat jedoch darauf, ohne zusätzliche eigene Argumentation die Gesetzesbegründung (BR-Drucks. 690/92, S. 52 f.) wörtlich zu wiederholen; im übrigen wird auf Kindler (NJW 1993, 3301, 3305) sowie auf Lutter (in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Aufl. 2000, § 12 Rn 22) verwiesen, wobei letzterer allerdings ergänzend bemerkt, dass "dies keine gute Lösung" sei. Im Schrifttum wird diese Auffassung etwa von Wachter, ZNotP 2005, 122, 130 f. und Just, EWiR 2006, 17, 18 vertreten.

(2) Den gegenteiligen Standpunkt haben nicht nur die Vorinstanzen im streitgegenständlichen Verfahren, sondern ebenso bereits die Vorinstanzen zu OLG Oldenburg (vgl. aa), nämlich das AG Westerstede (RIW 2001, 67, 68) und das LG Oldenburg (28.3.2001 - 12 T 1294/00), sowie das AG Limburg a.d. Lahn (GewArch 2005, 28, 29) und obiter auch das OVG Münster (BB 2005, 2259, 2260) eingenommen; im Schrifttum folgen dieser Auffassung insbesondere Altmeppen (in Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2005, § 6 Rn 9 a.E.) sowie Seifert (RIW 2001, 68, 69).

(3) Weitergehend nehmen Lutter/Bayer (aaO., § 12 Rn. 22 a.E.) in einer solchen Konstellation sogar einen Missbrauch der Niederlassungsfreiheit an und wollen einer ausländischen Kapitalgesellschaft, die ihren tatsächlichen (Verwaltungs-)Sitz im Inland hat (sog. Scheinauslandsgesellschaft), unter Hinweis auf EuGH NJW 1999, 2027, 2028 (Centros) und EuGH, NJW 2003, 3331, 3334 (Inspire Art) die Anerkennung verweigern (ebenso tendenziell und obiter OLG Zweibrücken ZIP 2003, 849, 851; KG, GmbHR 2004, 116, 119; vgl. auch Knapp, DNotZ 2003, 85, 89; Rehberg in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 7 Rn. 51; zweifelnd allerdings Wachter, ZNotP 2005, 122, 130 f.).

cc) Nach Abwägung aller Gesichtspunkte schließt sich der Senat im Ergebnis der Auffassung der Vorinstanzen an. Das Ergebnis der Gegenmeinung, wonach eine Person, die aufgrund eines im Inland wirksamen Verbots nicht zum Geschäftsführer einer GmbH bestellt werden kann, dennoch als (wirksam bestellter) director einer englischen private limited company über eine eingetragene Zweigniederlassung im Inland Geschäfte betreiben darf, ist untragbar und mit dem Prinzip der Einheit der Rechtsordnung unvereinbar (so bereits zur früheren Rechtslage zutreffend BayObLG, WM 1986, 1557).

(1) Weder der fehlende Verweis in § 13g Abs. 2 S. 2 HGB auf § 8 Abs. 3 GmbHG noch die Ausführungen in der Gesetzesbegründung stehen diesem allein sachgerechten Ergebnis entgegen.

Wer als vertretungsberechtigter Geschäftsführer einer ausländischen Kapitalgesellschaft bestellt werden kann, bestimmt sich generell nach dem maßgeblichen Gesellschaftsstatut, im Falle der Beschwerdeführerin somit nach englischem Recht. An die Person des directors einer Private Limited Company englischen Rechts stellt das Gesetz keine besonderen Anforderungen. Wer allerdings aufgrund eines gerichtlichen Beschlusses (disqualification order) als ungeeignet angesehen wurde, kommt als director nicht in Betracht (ausf. Wachter, ZNotP 2005, 122, 130; Fleischer, WM 2004, 157, 160 f.). Davon abgesehen, dass dem deutschen Handelsregister der Zweigniederlassung insofern kein Prüfungsrecht zusteht (so zutreffend Wachter, ZNotP 2005, 122, 130), ist hier nicht ersichtlich, dass der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin in England disqualifiziert worden wäre.

Diese Grundsätze gelten indes nicht für die Eintragung der inländischen Zweigniederlassung einer ausländischen Kapitalgesellschaft. Hier stehen vielmehr die Interessen des inländischen Rechtsverkehrs im Vordergrund, genauer der Schutz der Allgemeinheit vor der geschäftlichen Tätigkeit von Personen, die nicht die nötige Gewähr dafür bieten, dass sie die Geschäfte der Zweigniederlassung nach Maßgabe der einschlägigen Vorschriften ordnungsgemäß führen. Die Organbestellung und Vertretungsregelung der ausländischen Kapitalgesellschaft als solche werden nur reflexartig dadurch berührt, dass die inländische Zweigniederlassung nicht von einer Person geleitet werden darf, die nach Maßgabe des inländischen Gewerberechts hierfür nicht geeignet ist und der deshalb diese Tätigkeit verboten wurde (vgl. auch Seifert, RIW 2001, 68, 69).

Nicht zuletzt erfordert das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung, dass das gegen den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin ausgesprochene Tätigkeitsverbot auch im registerrechtlichen Verfahren zu beachten ist. Würde man anders entscheiden und die Eintragung der Zweigniederlassung der Beschwerdeführerin zulassen, dann könnte die Situation eintreten, dass im Falle einer Durchsetzung der Gewerbeuntersagung durch die zuständige Behörde gem. § 35 GewO (dazu jüngst OVG Münster, BB 2005, 2259, 2260 m. zust. Anm. Just, EWiR 2006, 17, 18) die eingetragene Zweigniederlassung de facto handlungsunfähig würde, weil der zur Leitung der Zweigniederlassung allein berechtigte Geschäftsführer P. I. nicht mehr tätig sein dürfte. Es ist nicht sachgerecht, diesen nicht unwahrscheinlichen Zustand (vgl. nochmals OVG Münster, BB 2005, 2259) sehenden Auges in Kauf zu nehmen; vielmehr sind die Konsequenzen des Tätigkeitsverbots bereits bei der Eintragung der Zweigniederlassung zu berücksichtigen.

(2) Die hier vertretene Auffassung verstößt auch weder gegen die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG noch gegen die 11. (Zweigniederlassungs-)Richtlinie.

Zwar stellt die Weigerung, die inländische Zweigniederlassung einer wirksam errichteten ausländischen Kapitalgesellschaft in das Handelsregister einzutragen, einen Eingriff in die gem. Art. 43, 48 EG geschützte Niederlassungsfreiheit der Beschwerdeführerin dar (EuGH, NJW 2003, 3331, 3333). Dieser Eingriff ist jedoch auch nach den strengen Maßstäben der EuGH-Rechtsprechung dann gerechtfertigt, wenn die in Rede stehende nationale Maßnahme nicht diskriminierend wirkt, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses erfolgt sowie zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich ist (EuGH, NJW 2003, 3331, 3334; 1999, 2027, 2029; 1996, 579, 581).

Die Eintragungsverweigerung beeinträchtigt die Niederlassungsfreiheit zunächst nicht in diskriminierender Weise. Denn die Versagung der Eintragung einer Zweigniederlassung wirkt in der vorliegenden Konstellation unterschiedslos in gleicher Weise auf inländische wie auch auf ausländische Gesellschaften.

Der vorliegende Eingriff ist auch durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt. Als solche kommen anerkanntermaßen in Betracht: der Schutz der Interessen der Gesellschaftsgläubiger, der Minderheitsgesellschafter, der Arbeitnehmer, des Fiskus' (EuGH, NJW 2002, 3614, 3617) sowie sämtliche sonstige schutzwürdigen Belange, die der EuGH in seiner Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit bislang gebilligt hat (Eidenmüller in Eidenmüller, aaO., § 3 Rn. 23; vgl. im Einzelnen Streinz/Müller-Graff, EUV/EGV, 2003, Art. 43 Rn. 76). Auch die Lauterkeit des Handelsverkehrs (EuGH, Slg. 1997, I-6843, Rn. 18 ff.; Eidenmüller in Eidenmüller, aaO., § 3 Rn. 23) und die Zuverlässigkeit besonderer Personengruppen (EuGH, Slg. 1988, 111 Rn. 29) kommen als zwingende Erfordernisse des Gemeinwohls in Betracht.

Die verfügte Gewerbeausübungsversagung zielt vorliegend darauf ab, den Rechtsverkehr vor Personen zu schützen, von denen eine ordnungsgemäße Geschäftsausübung nicht zu erwarten ist, weil den Betroffenen die Zuverlässigkeit zum Betrieb eines Gewerbes bzw. zur Leitung eines Gewerbebetriebes fehlt. Dabei handelt es sich um schutzwürdige Belange, die eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen können.

Die beabsichtigte Eintragungsversagung ist auch geeignet, den Schutz des Rechtsverkehrs zu erreichen. Soweit der Senat die beantragte Eintragung der Beschwerdeführerin ablehnt, wird verhindert, dass Herr I. als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden tätig wird. Die beabsichtigte Sicherung der vorstehend bezeichneten schutzwürdigen Belange würde damit tatsächlich erreicht.

Schließlich ist die Maßname dann erforderlich, wenn es im Vergleich hierzu kein milderes Mittel gibt, das die Niederlassungsfreiheit weniger beeinträchtigen würde. Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob die von dem inländischen Verbot bezweckten Schutzinteressen nicht schon durch das Gründungsrecht der ausländischen Kapitalgesellschaft ausreichend gewährleistet werden. So stellt sich hier die Frage, ob nicht eine disqualification des directors nach englischem Recht im Vergleich zur Eintragungsversagung ein milderes Mittel darstellt. Das ist jedoch bereits deshalb zweifelhaft, weil dem deutschen Handelsregister der Zweigniederlassung im Bezug auf das Vorliegen einer disqualification order kein Prüfungsrecht zusteht (Wachter, ZNotP 2005, 122, 130). Auch geht eine disqualification des directors deutlich über die Verweigerung der Handelsregistereintragung einer Zweigniederlassung im Inland hinaus. Sie hätte nämlich zur Folge, dass der Betroffene nicht nur in Deutschland, sondern auch in England keine Limited betreiben dürfte. Demgegenüber lässt die Eintragungsversagung der Zweigniederlassung die Qualifikation des directors in Bezug auf das englische Recht unberührt. Er ist auch weiterhin in der Lage, die englische Limited zu leiten. Die Folgen, die sich aus der hier vertretenen Auffassung ergeben, werden zudem dadurch abgemildert, dass die Eintragung einer inländischen Zweigniederlassung einer ausländischen Kapitalgesellschaft im Falle, dass der (einzige) Geschäftsführer aufgrund eines Tätigkeitsverbots iSv § 6 Abs. 2 S. 3 und 4 GmbHG nicht zur Leitung der Zweigniederlassung berechtigt ist, schon dann erfolgen kann, wenn ein Vertreter nach § 13e Abs. 2 S. 4 Nr. 3 HGB angemeldet wird, der die Befugnis hat, die inländische Zweigniederlassung umfassend in allen ihren Angelegenheiten zu vertreten.

Auch eine spätere Gewerbeuntersagungsverfügung nach § 35 GewO kommt nicht als milderes Mittel in Betracht. Denn dies könnte im Ergebnis dazu führen, dass die eingetragene Zweigniederlassung faktisch handlungsunfähig würde. Die Konsequenzen des Tätigkeitsverbots sind bereits bei der Eintragung der Zweigniederlassung zu berücksichtigen.

(2) Auch die 11. (Zweigniederlassungs-)Richtlinie steht diesem Ergebnis nicht entgegen: Sie ist zwar im Hinblick auf Offenlegungspflichten abschließend (vgl. Art. 2 Abs. 1: "lediglich"); auch dürfen Verletzungen dieser Pflicht nach BGH, NJW 2005, 1648 nicht mit Haftungssanktionen belegt werden, die sich am Recht der Vor-GmbH orientieren (so auch Lieder, DZWIR 2005, 399, 400 ff.; a.A. Leible/Hoffmann, RIW 2005, 544 ff.; vgl. auch Lutter/Bayer, aaO., § 11 Rn. 22, § 12 Rn. 16). Doch ebenso wenig wie z.B. weitergehende öffentlich-rechtliche Informationspflichten ausgeschlossen sind (so ausdrücklich die der Richtlinie vorangestellten Erwägungsgründe), steht die 11. (Zweigniederlassungs-)Richtlinie der Durchsetzung eines strafrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Tätigkeitsverbots iSv § 6 Abs. 2 S. 3 und 4 GmbHG entgegen, wobei es dahin stehen kann, ob diese gesetzliche Regelung analog auf den Leiter der inländischen Zweigniederlassung einer ausländischen Kapitalgesellschaft erstreckt werden kann oder ob sich das Tätigkeitsverbot unmittelbar aus der Wirkung des bestandskräftigen Hoheitsakts (hier Bescheid des Thüringer Landesverwaltungsamts vom 29. 3. 2000) ergibt.

cc) Der Senat lässt (vorläufig) die Frage dahin stehen, ob bereits der Umstand, dass eine Scheinauslandsgesellschaft von einer Person als Hauptgesellschafter errichtet wird, der im Inland die Ausübung eines Gewerbes und die Tätigkeit als GmbH-Geschäftsführer untersagt ist, als Missbrauch der Niederlassungsfreiheit zu qualifizieren ist mit der Folge, dass bereits der Scheinauslandsgesellschaft als solche die Anerkennung und damit die Rechtsfähigkeit abzusprechen wäre. Denn ob die Beschwerdeführerin als Scheinauslandsgesellschaft zu qualifizieren ist, ergibt sich nicht mit letzter Sicherheit aus den Verfahrensakten.

3. In dem von ihm beabsichtigen Sinn kann der Senat nicht entscheiden, ohne von der vorstehend genannten Entscheidung des OLG Oldenburg (GmbHR 2002, 29) abzuweichen. Daher ist die streitgegenständliche Rechtsfrage, ob die Eintragung der inländischen Zweigniederlassung der Beschwerdeführerin in das Handelsregister mit der Begründung verweigert werden kann, dass die Eintragungsvoraussetzungen nicht gegeben sind, weil der angemeldete Geschäftsführer P. I. nicht befugt sei, als gesetzlicher Vertreter einer juristischen Person in der Bundesrepublik Deutschland tätig zu werden, gem. § 28 Abs. 2 FGG dem BGH vorzulegen.

Ende der Entscheidung

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