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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 17.12.2001
Aktenzeichen: 6 W 695/01
Rechtsgebiete: InsO, ZPO
Vorschriften:
InsO § 89 Abs. 3 | |
InsO § 93 | |
ZPO § 766 | |
ZPO § 793 |
2. § 93 InsO gilt auch für die BGB-Gesellschaft mit der Folge, dass allein der Insolvenzverwalter der Gesellschaft gegen die persönlich haftenden Gesellschafter titulierte Gesellschaftsverbindlichkeiten betreiben und der Zwangsvollstreckung eines Vollstreckungsgläubigers entgegentreten kann.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss
In der Zwangsvollstreckungssache
hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h.c. Bauer sowie die Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Werner und Bettin auf die sofortige weitere Beschwerde des Vollstreckungsgläubigers vom 06.11.2001 gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Gera vom 17.10.2001
am 17.12.2001
beschlossen:
Tenor:
1. Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde hat der Vollstreckungsgläubiger zu tragen.
Gründe:
I.
Der Vollstreckungsgläubiger hat gegen die Vollstreckungsschuldnerin auf Grund des vollstreckbaren Vergleichs und des vollstreckbaren Kostenfestsetzungsbeschlusses aus dem Verfahren 7 O ........ des Landgerichts Gera einen Restzahlungsanspruch in Höhe von 10.122,71 DM nebst Zinsen. Dem lag ein Schadensersatzanspruch zu Grunde, den der Vollstreckungsgläubiger aus einem Kaufvertrag mit der Vollstreckungsschuldnerin als Gesellschafterin der Hotel S. GbR S. und ihrem Mitgesellschafter herleitete.
Zu dem vom Gerichtsvollzieher anberaumten Termin zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung am 23.07.2001 erschien die Vollstreckungsschuldnerin nicht. Daraufhin erließ das Amtsgerichts auf Antrag des Vollstreckungsgläubigers am 09.08.2001 Haftbefehl gegen die Vollstreckungsschuldnerin. Am 04.09.2001 eröffnete das Amtsgericht Gera das Insolvenzverfahren über die Hotel S. GbR, Gesellschafter H.J. V. und R. V., S., wegen Zahlungsfähigkeit.
Die Vollstreckungsschuldnerin hat im Hinblick auf das eröffnete Insolvenzverfahren mit der Begründung, Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen seien nunmehr unzulässig, "Vollstreckungserinnerung" gegen den Haftbefehl eingelegt.
Das Landgericht hat den Rechtsbehelf in das seiner Auffassung nach zulässige Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde umgedeutet und den Haftbefehl als nach § 89 Abs. 1 InsO unzulässige Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahme aufgehoben. Auf die Begründung der Entscheidung des Landgerichts nimmt der Senat Bezug.
Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Zwangsvollstreckungsgläubigers, der die Zuständigkeit des Landgerichts rügt und im Übrigen die Auffassung vertritt, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Hotel S. GbR stehe der Einzelzwangsvollstreckung in das Privatvermögen der Gesellschafter nicht entgegen.
Die Vollstreckungsschuldnerin verteidigt die angefochtene Entscheidung des Landgerichts. Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen nimmt der Senat Bezug auf ihre Schriftsätze.
II.
Die nach den §§ 793 Abs. 2, 568 Abs. 2 S. 2, 577 ZPO an sich statthafte und auch sonst zulässige sofortige weitere Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat den Haftbefehl gegen die Vollstreckungsschuldnerin zu Recht aufgehoben.
1. Der Erlass eines Haftbefehls gegen den Schuldner, der zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht erscheint oder die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ohne Grund verweigert, ist nach nunmehr soweit ersichtlich einhelliger Auffassung mit sofortiger Beschwerde anfechtbar, weil es sich hierbei um eine Entscheidung, nicht aber um eine mit der Erinnerung gemäß § 766 ZPO angreifbare Zwangsvollstreckungsmaßnahme handelt (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 22. Auflage, § 901 Rn. 13 m.w.N.). Die vom Landgericht vorgenommene Umdeutung des fehlerhaft als Erinnerung bezeichneten Rechtsbehelfs ist mithin nicht zu beanstanden.
Zutreffend hat das Landgericht auch seine Zuständigkeit zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Vollstreckungsschuldnerin angenommen, §§ 568 Abs. 1 ZPO, 72 GVG. Die Sondervorschriften des § 89 Abs. 3 S. 1 InsO, wonach über Einwendungen, die auf Grund des Absatzes 1 oder 2 gegen die Zulässigkeit einer Zwangsvollstreckung erhoben werden, das Insolvenzgericht entscheidet, gilt nach Auffassung des Senats nicht, wenn es wie hier um die Anfechtung von Entscheidungen in der Zwangsvollstreckung mit der sofortigen Beschwerde nach den §§ 793 Abs. 1, 567 ff. ZPO geht. Bereits der Wortlaut der Vorschrift deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber - wegen der größeren Sachnähe des Insolvenzgerichts - (nur) die Entscheidungen über die Rechtsbehelfe des § 766 ZPO vom Amtsgerichts als Vollstreckungsgericht (§ 764 ZPO) auf das Amtsgericht als Insolvenzgericht (§ 2 InsO) übertragen wollte. Demgegenüber ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Gesetzesbegründung, dass mit § 89 Abs. 3 InsO darüber hinaus auch in den allgemeinen zivilprozessualen Rechtsmittelzug, nach dem ausnahmslos über Rechtsmittel ein im Rechtsmittelzuge übergeordnetes Gericht zu entscheiden hat, eingegriffen werden sollte (vgl. Eickmann, InsO, 2. Auflage, § 89 Rn. 9; a. A. Kübler/Prütting, InsO, § 89 Rn. 36).
2. Auch in der Sache erfolgte die Aufhebung des Haftbefehls nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Hotel S. GbR S. zu Recht, §§ 93, 89 Abs. 1 InsO.
Nach § 93 InsO kann, wenn das Insolvenzverfahren wie hier über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit eröffnet wird, die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Die Vorschrift gilt nach allgemeiner Auffassung auch für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Feststellung des Landgerichts, dass es sich bei der titulierten Forderung um eine Verbindlichkeit der Hotel S. GbR handelt, haben die Beteiligten nicht beanstandet; sie steht im Übrigen in Übereinstimmung mit dem Akteninhalt.
Aus § 93 InsO ergibt sich nicht ausdrücklich, was mit bereits anhängigen Prozessen und vorhandenen Titeln der Vollstreckungsgläubiger gegen die persönlich haftenden Gesellschafter bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschieht, wenn auch die Vorschrift nicht zwischen titulierten und nichttitulierten Forderungen unterscheidet. Ziel der Regelung ist es, eine gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger auch dann zu verwirklichen, wenn bei Gesellschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit wegen der Existenz persönlich haftender Gesellschafter weitere gegen diese gerichtete eigenständige Ansprüche in das Privatvermögen bestehen. Schnelle Zugriffe einzelner Gläubiger der Gesellschaft auf das Privatvermögen der Gesellschafter sollen im Interesse aller Gläubiger verhindert werden. Der Zweck dieser Vorschrift wird nur erreicht, wenn allein der Insolvenzverwalter, nicht aber die einzelnen Vollstreckungsgläubiger die Zwangsvollstreckung auch aus bereits bestehenden Titeln gegen die Gesellschafter betreiben kann. Daraus hat die Rechtsprechung gefolgert, dass der Insolvenzverwalter bestehende Titel der Gläubiger gegen persönlich haftende Gesellschafter in entsprechender Anwendung von § 727 ZPO i.V.m. § 93 InsO auf sich umschreiben lassen kann (vgl. OLG Dresden, OLG-NL 2001, 166).
3. Die Kostenentscheidung für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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