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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 22.01.2004
Aktenzeichen: 6 W 737/03
Rechtsgebiete: BGB, BVormVG, AEVO
Vorschriften:
BGB § 1836a | |
BVormVG § 1 Abs. 1 S. 2 | |
AEVO § 2 |
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss
In dem Verfahren
betreffend die Festsetzung der Betreuervergütung für die Führung der Betreuung von H. B., .........
hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h.c. Bauer, den Richter am Amtsgericht a.w.a.R Giebel und den Richter am Amtsgericht Dr. Herrmann auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin vom 03.12.2003 gegen den Beschluss des Landgerichts Mühlhausen vom 15.10.2003
am 22.01.2004
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des weiteren Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf 486,36 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Mit Beschluss vom 11.1.2000 bestellte das Amtsgericht Nordhausen die Beteiligte zu 1) zur Betreuerin der Betroffenen. Ihr wurden die Aufgabenkreise Sorge für die Gesundheit, für die Vertretung vor Behörden und in rechtlichen Angelegenheiten sowie die Vermögenssorge übertragen. Hierbei wurde festgelegt, dass die Betreuerin ihre Aufgaben im Rahmen ihrer Berufsausübung wahrnimmt.
Die Beteiligte zu 1) absolvierte von 1962 bis 1965 eine Berufsausbildung zur Industrieschneiderin und von 1975 bis 1977 eine Facharbeiterausbildung zur Dreherin. Anschließend nahm sie von 1977 bis 1979 an einer Qualifizierung zur Lehrausbilderin teil. Im Rahmen einer berufsbegleitenden Weiterbildung im Betreuungswesen von 1996 bis 1998 mit einem Umfang von 200 Unterrichtsstunden erwarb sie das Betreuer-Zertifikat. Schließlich besuchte sie im Jahr 2002 beim Wissenschaftlichen Seminardienst Nordrhein-Westfalen den Lehrgang "Berufs- und arbeitspädagogische Qualifikation" mit einem Umfang von 150 Unterrichtsstunden und erlangte nach ca. 200 Stunden Selbststudium zur Prüfungsvorbereitung die Erlaubnis zur Ausbildung nach der Ausbilder-Eignerverordnung (AEVO). Die hierzu erforderliche berufs- und arbeitspädagogische Eignung umfasst nach § 2 AEVO die Qualifikation zum selbständigen Planen, Durchführen und Kontrollieren in näher beschriebenen Handlungsfeldern. Zum näheren Inhalt der Handlungsfelder verweist der Senat auf § 2 der Verordnung vom 16.2.1999 (BGBl. I S. 157).
Mit Schreiben vom 10.6.2003 hat die Beteiligte zu 1) beim Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - Nordhausen beantragt, die Pauschalvergütung ihrer Betreuertätigkeit auf der Grundlage eines Stundensatzes von 20,70 € gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 des Gesetzes über die Vergütung von Berufsvormündern (BVormVG) festzusetzen. Zur Begründung des erhöhten Stundensatzes hat sie sich auf die Qualifikation, die sie anlässlich ihrer Ausbildung für die Erlaubnis zur Ausbildung nach der AEVO erworben habe, berufen.
Das Amtsgericht hat dem Antrag mit Beschluss vom 12.6.2003 statt gegeben. Gegen die Festsetzung des erhöhten Stundensatzes hat sich der Bezirksrevisor des Landgerichts Mühlhausen mit der sofortigen Beschwerde gewandt.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 15.10.2003 den Beschluss des Amtsgerichts Nordhausen abgeändert und die monatliche Vergütungspauschale auf der Grundlage eines Stundensatzes von 16,20 € festgesetzt. Es war der Ansicht, dass die Ausbildung der Beteiligten zu 1) ihr keine für die Führung der Betreuung nutzbaren Fachkenntnisse vermittelt habe. Insbesondere stellten die von ihr besuchten Weiterbildungskurse keine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BVormVG dar. Insoweit wird auf die Gründe der landgerichtlichen Entscheidung verwiesen.
Gegen den Beschluss des Landgerichts richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1). Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf die Begründung des Rechtsmittels vom 8.1.2004.
II.
Die nach den §§ 56g Abs. 3, 27 FGG statthafte und auch sonst zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Gesetzesverletzung beruht (§§ 27 FGG, 546 ZPO).
Das Rechtsmittel ist nicht begründet, weil die Beteiligte zu 1) die Voraussetzungen für einen erhöhten Stundensatz nach § 1836a BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 2 BVormVG nicht erfüllt.
Wie die Beteiligte zu 1) selbst einräumt, haben ihr die abgeschlossenen Berufsausbildungen zur Industrieschneiderin und zur Dreherin keine Kenntnisse vermittelt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sein könnten. Es handelt sich hierbei um technische Ausbildungsgänge. Für die Betreuung nutzbare Fachkenntnisse sind jedoch nur solche, die ihrer Art nach betreuungsrelevant sind und den Betreuer befähigen, seine Aufgaben zum Wohle des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen und somit eine erhöhte Leistung zu bringen (vgl. BayObLG BtPrax 2000, 81). Wesentlich ist, dass die Ausbildung den Absolventen (auch) soziale Kompetenzen und die Fähigkeit zur Kommunikation im sozialen Raum verschafft (vgl. Senat, Beschluss vom 18.12.2003, 6 W 653/03). Dies ist in der Rechtsprechung z.B. bei Kenntnissen auf dem Gebiet des Rechts, der Betriebswirtschaft, Pädagogik, Medizin, Psychologie, Sozialarbeit und der Soziologie bejaht worden. Ein solcher Bezug fehlt technischen oder handwerklichen Berufen.
Im übrigen folgt der Senat der Auffassung des Landgerichts, auch der Besuch der von der Beteiligten zu 1) beschriebenen Fortbildungen führe zu keiner Erhöhung der Vergütung.
Wegen der Weiterbildungen als solche kann sich die Beteiligte zu 1) nicht auf § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BVormVG berufen, weil es hierzu jeweils bereits an einer abgeschlossenen Lehre oder einer vergleichbaren abgeschlossenen Ausbildung im Sinne der Vorschrift fehlt. Unstreitig handelt es sich nicht um eigenständige Berufsausbildungen. Die Fortbildungen sind mit einer solchen auch nicht zu vergleichen. Zu Recht verweist das Landgericht in diesem Zusammenhang auf den hierfür zu geringen zeitlichen Umfang der Fortbildungskurse, die 200 Stunden nicht überschritten. Hinsichtlich der Einzelheiten verweist der Senat insoweit auf die Ausführungen in den Gründen der angefochtenen Entscheidung.
Durch nachträgliche berufsbezogene Fortbildungen, ein betreuungsrelevanter Ausbildungsinhalt in der Fortbildung unterstellt, kann einer Berufsausbildung aber auch nicht im Nachgang die Eigenschaft einer betreuungsrelevanten Ausbildung zukommen. Ausbildungsergänzende Fächer haben vielmehr grundsätzlich unberücksichtigt zu bleiben. Das in ihnen vermittelte Wissen wird in aller Regel inhaltlich auf das Hauptfach ausgerichtet und auf diese Weise eingegrenzt sein. Mit Sinn und Zweck der mit § 1 Abs. 1 S. 2 BVormVG getroffenen Vergütungsregelung ist nicht zu vereinbaren, einen erhöhten Stundensatz schon deshalb zu gewähren, weil der Betreuer während seines Berufslebens, wie in aller Regel von ihm erwartet, sein Wissen über das ursprünglich Ausbildungsziel hinaus erweitern konnte. Dies gilt insbesondere für die erlangte Eignung, selbst in dem erlernten Beruf ausbilden zu können.
Der Sachverhalt der beruflichen Weiterbildung ist vergleichbar mit dem der Nebenfächer mit betreuungsrelevanten Inhalt, die sich nach gefestigter Rechtsprechung auf die Beurteilung, ob eine Berufsausbildung die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 2 BVormVG erfüllt, nicht auswirken, weil lediglich maßgeblich ist, dass die abgeschlossene Ausbildung in ihrem Kernbereich auf die Vermittlung betreuungsrelevanten Fachwissens ausgerichtet ist (Senat, Beschluss vom 18.12.2003, 6 W 653/03; Beschluss vom 28.04.2003, 6 W 158/03, NJ 2003, 379; Beschluss vom 18.11.2002, 6 W 533/02; Beschluss vom 11.3.2002, 6 W 54/02, OLG-NL 2002, 189; Beschluss vom 14.11.2001, 6 W 488/01; Beschluss vom 3.3.2000, 6 W 114/00; BayObLG NJW-RR 2000, 1314, 1315). Der Kernbereich erfährt durch die berufsbezogene Fortbildung grundsätzlich keine Erweiterung von erheblicher Bedeutung.
Schließlich sind die in § 2 AEVO für die berufs- und arbeitspädagogische Eignung vorausgesetzten Fähigkeiten auch nicht betreuungsrelevant. Im Wesentlichen beziehen sich die dort beschriebenen Handlungsfelder auf verwaltungstechnische Fragen bezogen auf Ausbildung und Prüfung, sowie auf die Förderung des Lernprozesses der jungen Auszubildenden. Beides steht mit den im Rahmen einer Betreuung verlangten Fertigkeiten in keinem näheren Zusammenhang.
Die Entscheidung über die Gerichtskosten beruht auf § 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO. Den Beschwerdewert hat der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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