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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 22.03.2000
Aktenzeichen: 6 W 804/99
Rechtsgebiete: PStG, BGB
Vorschriften:
PStG § 45 | |
BGB § 1310 | |
BGB § 1314 |
6 W 804/99
Rechtliche Grundlage:
PStG § 45; BGB §§ 1310, 1314
Der Standesbeamte darf auch nach der zum 1. 7. 1998 in Kraft getretenen Neuregelung des Eherechts gem. § 45 Abs. 2 S. 1 EheG die Entscheidung des Amtsrichters herbeiführen, in denen er bezweifelt, ob die einzugehende Ehe eine Scheinehe ist; auf die Offenkundigkeit des Sachverhalts kommt es für die Vorlage nicht an.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss
6 W 804/99 7 T 120/99 (Landgericht Erfurt)
In dem Verfahren
betreffend die Ablehnung der Mitwirkung an der Eheschließung,
an dem beteiligt sind:
1. I. P., geb. am... in G., Straße 5, G.
2. H. S., geb. am... in wohnhaft Übergangswohnheim P.
- Betroffene, Beschwerdeführer und Beschwerdegegner im Verfahren der weiteren weiteren Beschwerde - Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt Strick, Hohenstaufenring 55, 50674 Köln
3. Thüringer Landesverwaltungsamt, Weimarplatz 4, 99423 Weimar, gesetzlich vertreten durch seinen Präsidenten
- standesamtliche Aufsichtsbehörde und Beschwerdeführerin im Verfahren der weiteren Beschwerde -
hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h.c. Bauer sowie die Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Werner und Bettin auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 vom 20.12.1999 gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Erfurt vom 22.11.1999
am 22.03.2000
beschlossen:
Tenor:
Die weitere Beschwerde wird dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
Gründe:
I.
Die Beteiligte zu 1, eine deutsche Staatsangehörige und der Beteiligte zu 2, ein ausreisepflichtiger abgelehnter Asylbewerber indischer Staatsangehörigkeit, beabsichtigten, miteinander die Ehe vor dem Standesamt in Gotha einzugehen. Mit Schreiben vom 29.06.1999 legte der Standesbeamte die Sache nach § 45 Abs. 2 PStG dem Amtsgericht Gotha mit der Bitte um Entscheidung vor, ob er die beantragte Amtshandlung, nämlich die Eheschließung zwischen den Beteiligten zu 1 und 2, vorzunehmen habe. Er habe erhebliche Zweifel, dass die künftigen Ehegatten ernsthaft die Aufnahme einer ehelichen Lebensgemeinschaft beabsichtigten und vermute, die Eheschließung solle ausschließlich dazu dienen, dem Beteiligten zu 2 ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland zu verschaffen.
Das Amtsgericht Gotha hat die Sache an das nach § 50 Abs. 1 und 2 PStG zuständige Amtsgericht Erfurt abgegeben, das es dem Standesbeamten mit Beschluss vom 20.07.1999 untersagte, an der beabsichtigten Eheschließung der Beteiligten zu 1 und 2 mitzuwirken. Auf deren Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 22.11.1999 die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben und den Standesbeamten angewiesen, seine Mitwirkung an der Eheschließung zwischen den Beteiligten zu 1 und 2 nicht mit der Begründung zu verweigern, dass nur eine Scheinehe beabsichtigt sei. Das Landgericht hält die Vorlage des Standesbeamten nach § 45 Abs. 2 PStG für zulässig, vermochte sich aber trotz verschiedener Anhaltspunkte nicht davon zu überzeugen, die beabsichtigte Eheschließung solle ausschließlich dem Zweck dienen, dem Beteiligten zu 2 die Aufenthaltserlaubnis in der Bundesrepublik zu verschaffen.
Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Aufsichtsbehörde, auf deren Begründung vom 25.01.2000 der Senat Bezug nimmt.
II.
Der Senat möchte auf die nach den §§ 49 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, 48 PStG, 19, 20, 27, 29 FGG zulässigen Rechtsmittel - entgegen der Auffassung des Landgerichts handelt es sich auch bei der Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 um eine einfache Beschwerde, weil das Amtsgericht den Standesbeamten gerade nicht zur Vornahme einer Amtshandlung im Sinne des § 49 Abs. 1 S. 1 PStG angehalten hat - über die Vorlage des Standesbeamten gemäß § 45 Abs. 2 PStG in der Sache selbst entscheiden. Er sieht sich darin jedoch durch den auf weitere Beschwerde ergangenen Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 02.11.1998 - 3 Wx 390/98 (FGPrax 1999, 23 = FamRZ 1999, 225) gehindert. Er legt die Sache daher gemäß § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vor.
1. Nach der zum 01.07.1998 in Kraft getretenen Neuregelung des Eheschließungsrechts muss der Standesbeamte seine Mitwirkung an der Eheschließung verweigern, wenn offenkundig ist, dass die Ehe aufhebbar wäre, z.B. wenn die Ehegatten sich bei der Eheschließung darüber einig waren, dass sie keine Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft begründen wollten, es sich bei der Ehe also nur um eine Scheinehe handeln würde (§§ 1310 Abs. 1 S. 2, 1314 Abs. 2 Nr. 5, 1353 Abs. 1 BGB). Aus dieser Gesetzesformulierung wurde in der Literatur teilweise geschlussfolgert, dass in solchen Fällen Vorlagen des Standesbeamten an das Amtsgericht nach § 45 Abs. 2 PStG gar nicht mehr (vgl. Gaaz, StAZ 1998, 241, 244), allenfalls aber noch in solchen Fällen zulässig wären, in denen der Standesbeamte konkrete Nachforschungsmaßnahmen nach § 5 Abs. 4 PStG vornehmen wolle und sich nicht sicher sei, ob er damit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße (vgl. Hepting, FamRZ 1998, 713, 721). Dem hat sich das Oberlandesgericht Düsseldorf im Wesentlichen mit der Begründung angeschlossen, Vorlagen nach § 45 Abs. 2 PStG hinsichtlich der Mitwirkung des Standesbeamten bei der Eheschließung seien grundsätzlich schon deswegen ausgeschlossen, weil lediglich die Offenkundigkeit einer beabsichtigten Scheinehe zur Ablehnung des Standesbeamten führe, nicht aber bloße Zweifel (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.). Der Senat müsste, wenn er dieser Rechtsauffassung folgen würde, die Vorlage des Standesbeamten unter Aufhebung der Entscheidungen des Amts- und des Landgerichts als unzulässig zurückweisen.
2. Der Senat teilt die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf nicht und hält Vorlagen des Standesbeamten nach § 45 Abs. 2 PStG hinsichtlich seiner Mitwirkung an der Eheschließung beim Verdacht sogenannter Scheinehen auch nach der Änderung des Eheschließungsrechts zum 01.07.1998 in vollem Umfang für zulässig.
Die Vorschrift des § 45 Abs. 2 PStG wurde im Zuge der Neuregelung des Eheschließungsrechts im Gegensatz zu anderen Vorschriften dieses Gesetzes (vgl. z.B. §§ 3, 4, 5, 5 a, 6, 7, 7 a, 8 PStG) nicht geändert. Von ihrem Wortlaut her umfasst sie sämtliche Amtshandlungen des Standesbeamten, mithin auch die Mitwirkung an der Eheschließung.
Auch Sinn und Zweck der Vorschrift rechtfertigen es, sie auch in denjenigen Fällen, in denen der Standesbeamte Zweifel darüber hat, ob er seine Mitwirkung an der Eheschließung verweigern muss, weil offenkundig eine Scheinehe beabsichtigt ist, weiterhin anzuwenden.
§ 45 Abs. 2 wurde durch das 2. Personenstandsänderungsgesetz vom 18.05.1957 in das Personenstandsgesetz eingefügt, um dem Standesbeamten sein Prüfungsverfahren zu erleichtern (vgl. BayObLG, StAZ 1976, 135; Otto, FamRZ 1999, 791 - Entscheidungsanmerkung zum Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 02.11.1998). Dieser Zweck ist durch die Neuregelung des § 1310 Abs. 1 S. 2 BGB nicht entfallen; auch nach Ausschöpfung der ihm nach § 5 Abs. 4 PStG zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts sind Zweifel des Standesbeamten an der Offenkundigkeit der Aufhebbarkeit der Ehe nach § 1314 Abs. 2 BGB nicht ausgeschlossen. Das zeigt gerade der vorliegende Fall, in dem Amtsgericht und Landgericht hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten haben. Derartige Zweifel müssen nach Auffassung des Senats auch dem Standesbeamten zugestanden werden. Es entspricht im Übrigen allgemeiner Auffassung, dass die Zulässigkeit der Vorlage nach § 45 Abs. 2 PStG nicht davon abhängt, ob die Zweifel des Standesbeamten mehr oder weniger berechtigt oder sogar offensichtlich unbegründet sind (vgl. Otto, a.a.O., m.w.N.). Schließlich soll § 45 Abs. 2 PStG auch der Beschleunigung des Prüfungsverfahrens des Standesbeamten dienen und damit den Beteiligten und der Aufsichtsbehörde die Anrufung des Gerichts nach § 45 Abs. 1 PStG ersparen (vgl. BayObLG, a.a.O.; Otto, a.a.O.). Auch an dieser Zwecksetzung hat sich durch die Neuregelung des Eheschließungsrechts nichts geändert (vgl. Palandt/Brudermüller, 59. Aufl., § 1310 Rn. 8). Ergänzend weist der Senat noch darauf hin, dass das Vorlageverfahren nach § 45 Abs. 2 PStG auch deshalb in Fällen wie dem Vorliegenden nach wie vor seinen Sinn hat, weil dem Gericht im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit andere Möglichkeiten zur Sachaufklärung zur Verfügung stehen, als sie der Standesbeamte nach § 5 Abs. 4 PStG hat. Anders als der Standesbeamte kann das Gericht nämlich nach seinem pflichtgemäßen Ermessen auch eine förmliche Beweisaufnahme in entsprechender Anwendung der Bestimmungen der Zivilprozessordnung durchführen (§§ 12, 15 FGG).
Ende der Entscheidung
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