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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 22.01.2001
Aktenzeichen: 6 W 812/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 888
1. Der Auskunftsanspruch ist als bloßer Hilfsanspruch dann nicht vollstreckbar, wenn der Gläubiger aufgrund der Auskunft oder Rechenschaftslegung keinesfalls etwas fordern könnte. Ein dahingehender Einwand, ist durch Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend zu machen.

2. Ob der Schuldner eines Auskunftsanspruchs den Gläubiger auf Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen verweisen kann, ist eine Frage des Umfangs und der Art der geschuldeten Auskunft, welche nicht im Vollstreckungsverfahren zu klären ist.

3. Wendet der Vollstreckungsschuldner die Unmöglichkeit der Erfüllung der geschuldeten Leistung ein, findet dieser gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung gerichtete Einwand nur Beachtung, wenn der Schuldner die Gründe dieser Unmöglichkeit substantiiert und nachprüfbar vorträgt.

4. Ist der Schuldner verurteilt, mittels Vorlage von Verträgen Auskunft zu erteilen, kann der Gläubiger nicht die Vorlage von Auftrags- und Lieferscheinen verlangen. Ein dahin gehender Anspruch muss dem Bestimmtheitsgrundsatz in der Zwangsvollstreckung entsprechend dergestalt gesondert tituliert sein, dass die vorzulegenden Belege bezeichnet sind.

Thüringer Oberlandesgericht, 6. Zivilsenat, Beschluss vom 22.01.2001 - 6 W 812/00


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

6 W 812/00 7 O 1063/98 (Landgericht Erfurt)

In der Zwangsvollstreckungssache

Rechtsanwalt Dr. W... als Gesamtvollstreckungsverwalter der K. E. mbH.i.GV, E.

- Vollstreckungsschuldner, Antragsgegner und Beschwerdeführer -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dithmar & Westhelle, Charlottenstr. 7, 99096 Erfurt

gegen

Landesbank H. -T., Girozentrale vertreten durch den Vorstand, E.

- Vollstreckungsgläubigerin, Antragstellerin und Beschwerdegegnerin -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Lersch & Partner, Dortmunder Straße 9, 99086 Erfurt

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h.c. Bauer sowie die Richter am Oberlandesgerichts Kramer und Bettin auf die sofortige Beschwerde des Vollstreckungsschuldners vom 11.12.2000 gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Erfurt vom 22.11.2000 am 22.01.2001

beschlossen:

Tenor:

1. Der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Erfurt vom 22.11.2000 wird abgeändert.

2. Gegen den Vollstreckungsschuldner wird zur Erzwingung der im vollstreckbaren Teilurteil des Landgerichts Erfurt vom 22.10.1998 erfolgten Verurteilung, nämlich hinsichtlich derjenigen Forderungen der Kraftverkehrsgesellschaft Erfurt mbH, die er in dem Zeitraum zwischen dem Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsver-fahrens bis zu dessen Eröffnung eingezogen hat, der Vollstreckungsgläubigerin die diesen Forderungen zugrunde liegenden Verträge vorzulegen, ein Zwangsgeld von 5.000 DM, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je weils 1.000 DM Zwangsgeld ein Tag Zwangshaft verhängt.

Die Vollstreckung dieser Zwangsmittel entfällt, wenn der Schuldner der obigen Verpflichtung bis zum 27.04.2001 nachkommt.

3. Im Übrigen werden der Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln nach § 888 ZPO abgewiesen und die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

4. Die Kosten beider Instanzen haben die Parteien jeweils zur Hälfte zu tragen.

5. Der Beschwerdewert wird auf 5.000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Durch das rechtskräftige Teilurteil des Landgerichts Erfurt vom 22.10.1998 wurde der Vollstreckungsschuldner verurteilt, der Vollstreckungsgläubigerin Auskunft darüber zu erteilen, welche Forderungen der Kraftverkehrsgesellschaft Erfurt mbH (im Folgenden Gemeinschuldnerin) in welcher Höhe er ab dem Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens bis zu dessen Eröffnung eingezogen hat, wann diese Forderungen begründet wurden sowie die den Forderungen zugrunde liegenden Verträge vorzulegen. Eine Vorlage der Verträge ist bislang unstreitig nicht erfolgt.

Die Vollstreckungsgläubigerin hat beantragt, gegen den Vollstreckungsschuldner zur Erzwingung der auferlegten Handlungen ein Zwangsgeld nach § 888 ZPO festzusetzen. Sie hat im Wesentlichen vorgebracht, der Vollstreckungsschuldner habe nicht zu allen aufgelisteten Forderungen den Zahlungsgrund angegeben und meint, er habe auch die den Forderungen zugrunde liegenden Verträge bzw., soweit schriftliche Verträge nicht vorhanden seien, die von der Gemeinschuldnerin ausgefüllten Auftragszettel und Lieferscheine vorzulegen.

Der Vollstreckungsschuldner hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Er hat geltend gemacht, bereits am 07.06.2000 umfassend Auskunft erteilt zu haben. Zur Angabe eines Zahlungsgrundes sei er nach dem vollstreckbaren Titel nicht verpflichtet; teilweise sei ihm das auch nicht möglich. Nach dem Titel sei er auch nicht verpflichtet, Auftragszettel oder Lieferscheine vorzulegen. Die Vorlage schriftlicher Verträge, soweit solche überhaupt abgeschlossen worden seien, erfordere einen erheblichen Aufwand an Zeit und Kosten und sei aus diesem Grund bisher noch nicht erfolgt. Schließlich stehe der Vollstreckungsgläubigerin ein Zahlungsanspruch schon dem Grunde nach nicht zu.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in erster Instanz nimmt der Senat Bezug auf die beiderseitigen Schriftsätze.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht gegen den Vollstreckungsschuldner ein Zwangsgeld von 10.000 DM, ersatzweise für je 1.000 DM einen Tag Zwangshaft verhängt und ausgesprochen, dass die Verpflichtung des Vollstreckungsschuldners umfasse:

a) eine Angabe zu Zahlungsgrund jedes einzelnen Zahlungseingangs;

b) die Vorlage der den Forderungen zugrunde liegenden Verträge, Auftrags- und Lieferscheine.

Wegen der Begründung nimmt der Senat Bezug auf die angefochtene Entscheidung des Landgerichts.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Vollstreckungsschuldners, der sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Neu im Beschwerdeverfahren macht er geltend, bei der titulierten Auskunfts- und Vorlagepflicht handele es sich nicht um eine unvertretbare, sondern um eine vertretbare Handlung. Jedenfalls nunmehr sei er seiner Auskunftspflicht dadurch nachgekommen, dass er der Vollstreckungsgläubigerin die Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen der Gemeinschuldnerin gestattet habe. Die vom Landgericht als fehlend beanstandeten Zahlungsgründe für die einzelnen Zahlungseingänge habe er ermittelt und eine entsprechende Auskunft erteilt. Der Vollstreckungsschuldner bestreitet im Übrigen mit Nichtwissen, dass überhaupt schriftliche Verträge abgeschlossen wurden.

Die Vollstreckungsgläubigerin beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Beschwerdeverfahren nimmt der Senat Bezug auf die beiderseitigen Schriftsätze.

II.

Die nach den §§ 793 Abs. 1, 577 ZPO an sich statthafte und auch sonst zulässige sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache nur teilweise Erfolg.

1. Zutreffend hat das Landgericht den Auskunftsanspruch sowie den Anspruch auf Vorlage von Belegen als unvertretbare Handlungen angesehen, die nach § 888 ZPO zu vollstrecken sind. Das entspricht soweit ersichtlich einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, der sich der Senat anschließt (vgl. OLG Celle, MDR 1998, 923; OLG Hamm, NJW-RR 1988, 1087; Zöller/Stöber, ZPO, 22. Auflage, § 888 Rn. 3 m.w.N.).

2. Das Landgericht hat gegen den Vollstreckungsschuldner zu Recht Zwangsmittel festgesetzt, weil er seiner vollstreckbaren Verpflichtung aus dem Teilurteil des Landgerichts insoweit nicht nachgekommen ist, als er die den eingezogenen Forderungen zugrunde liegenden Verträge der Vollstreckungsgläubigerin vorzulegen hat.

a) Dem kann der Vollstreckungsschuldner nicht entgegenhalten, dieser Anspruch bestehe deshalb nicht, weil der Vollstreckungsgläubigerin, die bereits überbezahlt sei, ein Zahlungsanspruch gegen ihn nicht zustehe. Dieser Einwand betrifft nämlich den Bestand des titulierten Anspruchs selbst, weil ein Auskunftsanspruch als bloßer Hilfsanspruch nach allgemeiner Auffassung dann nicht besteht, wenn feststeht, dass der Gläubiger aufgrund der Auskunft oder Rechenschaftlegung keinesfalls etwas fordern könnte (vgl. BGHZ 108, 393, 399; Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Auflage, § 261 Rn. 24 m.w.N.). Solche Einwände, die im Ergebnis auf eine Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit des im Erkenntnisverfahrens geschaffenen Titels hinauslaufen, sind im Vollstreckungsverfahren ohne Belang; der Vollstreckungsschuldner kann sie, wenn sie nachträglich eingetreten sind, durch Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend zu machen.

b) Das gilt auch für das Vorbringen des Vollstreckungsschuldners im Beschwerdeverfahren, er habe den Anspruch dadurch erfüllt, dass er der Vollstreckungsgläubigerin die Einsicht in die Geschäftsunterlagen der Gemeinschuldnerin gestattet habe. Ob der Schuldner eines Auskunftsanspruchs den Gläubiger auf Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen verweisen kann, ist eine im Rahmen des § 242 BGB nach Zumutbarkeitskriterien zu beantwortende Frage des Umfangs und der Art der geschuldeten Auskunft (vgl. BGHZ 70, 86, 91; LG Baden-Baden, ZIP 1989, 1003). Diese Fragen sind ebenfalls im Erkenntnisverfahren zu klären und dürfen nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden, weil der Vollstreckungstitel den vollstreckbaren Anspruch nach Art und Umfang der Handlung inhaltlich bestimmt ausweisen muss (vgl. Zöller/Stöber, a.a.O., § 704 Rn. 4 m.w.N.). Vorliegend hat das Landgericht den Vollstreckungsschuldner zur Vorlage der Verträge, nicht zur Gewährung von Einsicht in die Geschäftsunterlagen verurteilt.

c) Im Ansatz zutreffend macht der Vollstreckungsschuldner geltend, Zwangsmittel nach § 888 ZPO dürften nur festgesetzt werden, wenn keine begründeten Zweifel daran bestehen, dass der Schuldner die geschuldete Leistung im Zeitpunkt der Verhängung des Zwangsmittels noch erbringen kann. Indessen kann der Vollstreckungsschuldner die Vollstreckbarkeit des Vollstreckungstitels nicht mit der pauschalen Behauptung unterlaufen, dass ihm die Handlungsvornahme unmöglich sei. Er muss vielmehr, weil es dem Gläubiger regelmäßig nicht möglich ist, Einzelheiten aus der Sphäre des Schuldners darzulegen, substantiiert und nachprüfbar vorbringen, dass und aus welchen Gründen die Vornahme der geschuldeten Handlung unmöglich ist (vgl. OLG Hamm, a.a.O.; OLG Celle, a.a.O. jeweils m.w.N.). Es liegt auf der Hand, dass der Vollstreckungsschuldner dieser Darlegungslast nicht dadurch nachgekommen ist, dass er im Beschwerdeverfahren pauschal mit Nichtwissen bestreitet, dass hinsichtlich der Forderungen überhaupt schriftliche Verträge existieren. Im Übrigen macht er nicht Unmöglichkeit der geschuldeten Leistung geltend, sondern vielmehr einen erheblichen Aufwand an Zeit und Kosten. Dabei handelt es sich indessen um die Frage, ob und in welchem Umfang dem Vollstreckungsschuldner die Auskunftserteilung im Rahmen des § 242 BGB zumutbar ist, die im Erkenntnisverfahren zu klären ist. Entgegen der Auffassung der sofortigen Beschwerde hat auch der Vollstreckungsgläubiger nicht eingeräumt, das schriftliche Verträge nicht existieren; er hat lediglich vorgetragen, dass nicht hinsichtlich aller Aufträge schriftliche Verträge existieren.

3. Soweit das Landgericht den Vollstreckungsschuldner auch für verpflichtet gehalten hat, Auftragsscheine und Lieferscheine vorzulegen, kann seine Entscheidung keinen Bestand haben, weil insoweit ein vollstreckbarer Titel nicht vorliegt.

Der Anspruch auf Vorlage von Belegen muss, um dem Bestimmtheitsgrundsatz in der Zwangsvollstreckung Rechnung zu tragen, gesondert tituliert, die Belege müssen im Einzelnen bezeichnet sein (vgl. Zöller/Stöber, a.a.O., § 888 Rn. 3 m.w.N.). Im vorliegenden Fall verpflichtet das Teilurteil des Landgerichts den Vollstreckungsschuldner lediglich zur Vorlage von Verträgen; die Vorlage von Auftrags- und Lieferscheinen hat die Vollstreckungsgläubigerin im Erkenntnisverfahren nicht beantragt, so dass sie auch im Titel nicht enthalten sind. Die Auslegung des Landgerichts, von dem Begriff Verträge seien auch solche Auftrags- und Lieferscheine erfasst, geht fehl. Allerdings muss der wahre Sinn der Urteilsformel, wenn ihre Fassung zu Zweifeln Anlass gibt, durch Auslegung festgestellt werden, wobei lediglich die Heranziehung der Urteilsgründe statthaft und geboten ist (vgl. Zöller/Stöber, a.a.O., § 888 Rn. 5 m.w.N.). Indessen ergibt sich aus den Urteilsgründen im vorliegenden Fall nicht, dass das Landgericht im Erkenntnisverfahren den Begriff Vertrag anders als nach dem üblichen juristischen Sprachgebrauch - übereinstimmende Willenserklärungen, die wegen der ausgeurteilten Vorlage in Schriftform vorliegen müssen - verstanden hat. Dem gegenüber handelt es sich bei den von der Vollstreckungsgläubigerin nunmehr verlangten Auftragszetteln und Lieferscheinen um Schriftstücke, die die Gemeinschuldnerin nach dem Vorbringen der Vollstreckungsgläubigerin selbst für ihre Fahrer bzw. als Nachweis für Lieferungen ausgestellt hat, also gerade nicht um vertragliche Erklärungen. Wenn die Vollstreckungsgläubigerin die Vorlage solcher Unterlagen für erforderlich oder wünschenswert gehalten hätte, hätte sie entsprechende Anträge im Erkenntnisverfahren stellen müssen.

4. Soweit das Landgericht den Vollstreckungsschuldner - naheliegend - für verpflichtet gehalten hat, hinsichtlich jedes Zahlungseingangs den Zahlungsgrund mitzuteilen, hat der Vollstreckungsschuldner im Beschwerdeverfahren vollständige Erfüllung behauptet. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist der Erfüllungseinwand auch im Verfahren nach § 888 ZPO zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschluss vom 17.5.2000, 6 W 243/00); die Vollstreckungsgläubigerin ist diesem Vorbringen in ihrer Beschwerdeerwiderung nicht entgegengetreten.

III.

Da die Festsetzung von Zwangsmitteln danach lediglich noch wegen der Vorlage schriftlicher Verträge gerechtfertigt ist, hat der Senat das vom Landgericht verhängte Zwangsgeld angemessen herabgesetzt und durch eine Fristsetzung - der Vollstreckungsschuldner hat selbst erklärt, dass die Überprüfung der Unterlagen etwa drei Monate in Anspruch nehmen werde - eine letzte Gelegenheit eingeräumt, den Anspruch auf Vorlage schriftlicher Verträge zu erfüllen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 891 Abs. 2 S. 2, 92 Abs. 1, 97 ZPO.

Den Beschwerdewert hat der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht nach den §§ 12 Abs. 1 GKG, 3 ZPO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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