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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 11.01.2005
Aktenzeichen: 8 U 436/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 280 Abs. 1 Satz 1
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 291
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 U 436/04

verkündet am: 11.01.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Krueger, den Richter am Oberlandesgericht Linsmeier und die Richterin am Landgericht Friebertshäuser

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. Dezember 2004 für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 27.04.2004, AktZ. 2 O 1230/03, wie folgt abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 50.010 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 18.11.2003 zu zahlen.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt vom Beklagten Schadenersatz aus Haftung wegen falscher Anlagenberatung. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen und des streitigen Sachvortrags der Parteien wird auf das angefochtene Urteil des Landgerichts Meiningen vom 27.04.2004, AktZ. 2 O 1230/03, Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 50.010,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 18.11.2003 (Tag nach Klagezustellung) zu bezahlen.

Der Beklagte hat beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen A, R, K, R, G und W. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 24.02.2004 Bezug genommen.

Die Parteien haben des Weiteren zugestimmt, dass ein Schreiben des Insolvenzverwalters Rechtsanwalt D vom 18.02.2004 zu Beweiszwecken verwertet wird.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 27.04.2004 abgewiesen.

Hinsichtlich der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das - ihr am 30.04.2004 zugestellte - Urteil des Landgerichts Meiningen vom 27.04.2004 hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 18.05.2004, eingegangen am 19.05.2004, Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 14.07.2004 - mit Schriftsatz vom 06.07.2004, eingegangen am 07.07.2004, begründet.

Die Klägerin trägt vor:

Auf Grund fehlender Feststellungen sei nicht nachvollziehbar, wovon sich das Landgericht eine Überzeugung gebildet habe.

Das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, dass der Beklagte als Vertreter der Firma ... aufgetreten sei. Es habe insoweit auf die Kenntnis von Vorstandsmitgliedern abgestellt, die am Vertragsabschluss gar nicht beteiligt gewesen seien. Maßgeblich sei die Kenntnis der Vorstandsmitglieder R und K, denen gegenüber der Beklagte seine Vertreterstellung nicht offenbart habe. Auch den übrigen Vorstandsmitgliedern sei die Vertreterstellung nicht bekannt gewesen. Der Beklagte habe sich viel mehr als selbstständiger Finanzberater ausgewiesen. Die Visitenkarte habe er nicht übergeben.

Der Beklagte habe das Sicherheitsbedürfnis der Klägerin gekannt.

Er habe in erster Instanz nicht bestritten gehabt, die Gerlach-Berichte gekannt zu haben.

Selbst wenn er diese nicht gekannt haben würde, würde er verpflichtet gewesen sein, diese Wissenslücke zu offenbaren. Dies habe er unterlassen.

Die Feststellung, dass sich im Insolvenzverfahren eine "durchaus namhafte Quote" ergebe, sei ungenügend.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Meiningen vom 27.04.2004, AktZ. 2 O 1230/03, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 50.010,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 18.11.2003 (Tag nach Klagezustellung) zu bezahlen,

hilfsweise, den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt vor:

Das Urteil des Landgerichts sei richtig.

Die Zeugen R und K hätten als Vertreter des Vorstands der Klägerin gehandelt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung hat Erfolg.

Sie ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511 Abs. 1, 2 Nr. 1, 517, 519, 520 ZPO).

Sie ist auch in der Sache begründet. Denn die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Zwischen den Parteien ist ein Anlageberatervertrag zustande gekommen. Denn ausweislich der Zeugenaussagen und der Protokolle über die Vorstandssitzungen vom 24.09.2002 und 10.10.2002 hat der Beklagte der Klägerin verschiedene Kapitalanlagemodelle unterbreitet und sie hierzu beraten. Dadurch ist konkludent ein Anlageberatervertrag zustande gekommen.

Der Beklagte hat nicht bewiesen, hierbei im Namen der Firma ... gehandelt zu haben. Er beruft sich auf ein Vertretergeschäft und muss daher dieses beweisen. Dieser Beweis ist ihm nicht gelungen. Vielmehr haben sämtliche Zeugen bekundet, dass er sich nicht als Vertreter der Firma ... vorgestellt habe. Die Zeugen P, K, R und G haben bestätigt, dass er sich als selbstständiger Finanzkaufmann vorgestellt habe. Der Beklagte hat im Übrigen nur vorgetragen, dass die Firma ... sein Kooperationspartner sei. Daraus ergibt sich noch nicht, dass diese Firma der Vertretene gewesen ist.

Der Beklagte hat auch seine Pflichten zur Aufklärung über die Geldanlage verletzt. An sich liegt eine solche Pflichtverletzung bei einem Rat zur Anlage eines Tagesgeldkontos nicht nahe. Es handelt sich hierbei um keine Geldanlage des grauen Kapitalmarkts, sondern um eine zu den Spareinlagen zählende Geldanlage.

Bei einem konservativen Anleger ohne Fachwissen darf der Anlageberater aber nur solche Geldanlagen empfehlen, bei denen alle Risiken weitgehend ausgeschlossen sind (Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl. 2005, § 280 RdNr. 49 unter Hinweis auf OLG Nürnberg, ZIP 1998, 380). Es genügt somit nicht, dass die Risiken als geringfügig anzusehen sind, sie müssen vielmehr weitgehend ausgeschlossen sein.

Die Klägerin legte besonderen Wert auf eine absolut sichere Geldanlage. Dies ergibt sich aus den Protokollen über die Vorstandssitzungen vom 24.09.2002 und 10.10.2002, an denen der Beklagte teilgenommen hat. Danach haben die Vorstandsmitglieder der Klägerin gegenüber den vorgeschlagenen risikobehafteten Geldanlagen erhebliche Bedenken geäußert, so dass man am Ende nur noch über den Vorschlag der Geldanlage auf einem Tagesgeldkonto diskutiert hat. Selbst für eine Entscheidung hierüber hat sich der Vorstand noch Bedenkzeit ausbedungen und hierüber erst in einer zweiten Sitzung entschieden. Deutlicher kann ein Geldanleger sein Sicherheitsbedürfnis eigentlich nicht zum Ausdruck bringen. Auch sämtliche Zeugen haben bestätigt, dass die Klägerin eine sehr sichere Geldanlage gewünscht habe. Dies ist glaubhaft, weil sich die Klägerin letztlich nur für eine Spareinlage entschieden hat.

Für den Anlageberater (Beklagten) ergab sich aus dem Sicherheitsbedürfnis der Klägerin, dass er äußerste Vorsicht walten lassen musste, um seiner Pflicht nachzukommen, die Risiken weitgehend auszuschließen. Hierzu musste er auch die Bonität der BFI-Bank überprüfen oder aber - falls er dazu nicht in der Lage war - dies deutlich zum Ausdruck bringen (Palandt/ Heinrichs, BGB, 64. Aufl. 2005, § 280 RdNr. 50). Keinesfalls durfte er die Aussage treffen, die die Zeugen bestätigt haben, wonach eine Bank nicht in Konkurs fallen könne. Denn die Erfahrung lehrt, dass bei kleineren Banken in der Vergangenheit durchaus Insolvenzen vorgekommen sind (siehe z.B. Herstatt-Bank Köln, Schmidtbank Hof [Konkurs abgewendet durch Auffanggesellschaft], Bankhaus Partin). Im Internet sind unter der Datenverbindung "www.termingeld-vergleich.de" sogar über 100 Bankpleiten seit 1950 aufgelistet.

Im vorliegenden Fall hätte der Beklagte die Klägerin auch auf das in den Gerlach-Reporten genannte Risiko hinweisen müssen. Denn zum einen handelte es sich bei dem Gerlach-Report um eine auf dem Kapitalmarkt führende Informationszeitschrift (OLG München, OLGR 2003, 254). Zum anderen hatte die Klägerin ein hohes Sicherheitsbedürfnis kundgetan. Zum dritten handelte es sich bei der BFI-Bank um eine Junge Bank" beziehungsweise "Kleinbank", die von den Schwankungen des Kapitalmarktes stärker betroffen war, als eine Großbank. Die anerkannten Großbanken bestehen seit Jahrzehnten und haben sich bewährt. Solche Erfahrungen bestanden bei der BFI-Bank nicht.

Sie existierte erst seit einigen Jahren und zählte zu einer Kategorie von Banken, bei der es in der Vergangenheit mehrfach zu Zusammenbrüchen gekommen ist. Letztlich hat sich dieses Risiko bei der BFI-Bank auch tatsächlich realisiert. Kleinbanken sind den Schwankungen des Marktes auf Grund ihrer geringen Eigenkapitalausstattung stärker ausgesetzt, als Großbanken. Daher muss der Anlageberater insoweit besondere Vorsicht walten lassen. Der Beklagte hat die Klägerin einerseits nicht darauf hingewiesen, dass er die Bonität der BFI-Bank geprüft habe. Er hat sie andererseits auch nicht darauf aufmerksam gemacht, dass er dazu nicht in der Lage sei. Wenn auch eine Warnung im Einzelfall unberechtigt sein kann, so muss es der Anlageberater doch dem vorsichtsbewussten Kunden überlassen, zu entscheiden, ob er sie beachtet oder nicht. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn die Warnung nicht zweifelsfrei unberechtigt ist. Damit der Kunde dies entscheiden kann, muss er über die Warnung erst einmal in Kenntnis gesetzt werden, was die ureigenste Aufgabe des Anlageberaters ist. Es ist anzunehmen, dass die Klägerin, angesichts der Vorsicht, die die Vorstandsmitglieder an den Tag gelegt haben, sich auf eine Geschäftsbeziehung mit der BFI- Bank nicht eingelassen hätte, wenn sie gewusst hätte, dass in den Gerlach-Reporten bei dieser Bank zur Vorsicht geraten wird. Zwar ergibt sich aus den Gerlach-Reporten nicht, dass die BFI Bank vor der Insolvenz stand. Bei einem so vorsichtigen Vorstand, wie ihn die Klägerin hat, hätte aber bereits eine Mahnung zur Vorsicht ausgereicht, um von einer Geschäftsbeziehung Abstand zu nehmen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass in dem Gerlach-Report vom 12.07.2002 (Anlagenhefter gelb, Bl. 13 f.) gerade auf Risiken für Kleinsparer hingewiesen worden ist (Anlagenhefter gelb, Bl. 14). Soweit sich der Beklagte darauf beruft, dass er die weitere Fachzeitschrift "kapitalmarkt intern" gelesen habe, was insoweit ausreichend gewesen sei, kann er sich damit nicht entlasten. Denn es ist nicht ersichtlich, dass sich diese Zeitschrift überhaupt mit der BFI-Bank befasst hat und welcher Rat dort erteilt worden ist. Dazu hat der Beklagte nichts dargelegt.

Der Beklagte war verpflichtet, insoweit Nachforschungen anzustellen. Er hätte sich angesichts des besonderen Sicherheitsbedürfnisses der Klägerin Kenntnis von den Gerlach-Reporten verschaffen müssen (BGHZ 123, 126 ff.; OLG Koblenz, OLGR 2001, 230 ff.; OLG Karlsruhe, OLGR 2001, 11 f.). Denn diese werden gerade für die Anlageberater veröffentlicht. Der Beklagte behauptet nicht, sich von den Gerlach-Reporten Kenntnis verschafft zu haben. Unstreitig hat er die Klägerin auch nicht auf die Risikowarnung in den Gerlach-Reporten hingewiesen.

Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass das Mitglied der Klägerin, Herr P, Mitarbeiter einer Sparkasse gewesen sei und daher die Klägerin sich dessen Fachkenntnisse zurechnen lassen müsse bzw. bei diesem Mitglied Geldanlage-Informationen habe einholen können. Denn die Klägerin hat gerade den Beklagten als Anlageberater hinzugezogen und sich auf dessen Fachkenntnisse verlassen. Außerdem hat der Beklagte gar nicht dargelegt, ob Herr P über Fachkenntnisse im Bereich Vermögensanlagen verfügt hat.

Soweit der Insolvenzverwalter mitgeteilt hat, dass die Klägerin eine "namhafte Quote" zu erwarten habe, ist dies nicht nachvollziehbar. Laut seinem Insolvenzgutachten vom 15.07.2003 ist die BFI Bank mit ca. 100 Millionen EUR überschuldet. Von einer Quote ist in diesem Gutachten nicht die Rede. Es ist auch nirgends angegeben, wie hoch diese Quote sein soll.

Die Höhe der Klageforderung ist unstreitig und auch richtig berechnet worden.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB.

Nebenentscheidungen:

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 269 Abs. 3 Satz 2, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Soweit die Klägerin die Klage teilweise zurückgenommen hat, geschah dies vor der mündlichen Antragstellung, so dass durch den zurückgenommenen Teilbetrag nur geringfügig höhere Kosten verursacht worden sind.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 2, 709 S. 2 ZPO.

Die Nichtzulassung der Revision folgt aus § 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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