Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 06.06.2007
Aktenzeichen: 9 Verg 3/07
Rechtsgebiete: GWB, VOF


Vorschriften:

GWB § 97 Abs. 2
GWB § 97 Abs. 3
VOF § 4 Abs. 2
VOF § 4 Abs. 5
1. Im Ansatz steht es der Vergabestelle frei, nach ihren Vorstellungen Inhalt und Umfang der auszuschreibenden Leistung zu bestimmen. Verbietet sich bei funktionaler Betrachtung der mit dem Beschaffungsvorhaben verfolgten Ziele und Zwecke eine Zerlegung des Auftrags in Teil- bzw. Fachlose, ist für eine einzelfallorientierte Berücksichtigung mittelständischer Interessen im Sinne des § 97 Abs. 3 GWB ("... angemessen zu berücksichtigen") kein Raum.

2. Kommt es der Vergabestelle bei der Ausschreibung von Beratungsdienstleistungen zur Planung und fachbegleitenden Durchführung eines PPP-Projekts (Public-Private-Partnership) gerade auf ein interdisziplinäres Projektmanagement des Bewerbers an, wird eine losweise Ausschreibung nach rechtlichen, technischen und betriebswirtschaftlichen Beratungssegmenten dem Ziel einer Integration der einzelnen Sparten nicht gerecht.

3. Lässt der nach den Ausschreibungsbedingungen einheitlich zu vergebende Auftrag eine Teilung zu, ist fallbezogen abzuwägen, ob die Vergabestelle aufgrund besonderer Umstände - namentlich zur Vermeidung von Nachteilen wirtschaftlicher oder technischer Art - von einer losweisen Vergabe absehen darf oder ob insoweit dem Interesse kleiner und mittelständischer Unternehmen an einer qualitativ oder quantitativ begrenzten Bewerbung (vgl. §§ 97 Abs. 3 GWB, § 4 Abs. 5 VOF) - auch unter dem Aspekt der Gleichbehandlung (§§ 97 Abs. 2 GWB, 4 Abs. 2 VOF) - der Vorzug gebührt.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

9 Verg 3/07

Verkündet am 06.06.2007

In dem Vergabeprüfungsverfahren

betreffend die Ausschreibung "Dienstleistungen für Unternehmen in den Bereichen Architektur, Ingenieurwesen, Bauten, Rechts- und Wirtschaftsfragen sowie in anderen Fachbereichen",

hat der Vergabesenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bettin, Richterin am Oberlandesgericht Zoller und Richter am Oberlandesgericht Giebel

auf die mündliche Verhandlung vom 21.05.2007

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer des Freistaats Thüringen vom 16.02.2007 (Az.: 360-4003.20-402/2007-001-UH) wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die notwendigen Kosten der Vergabestelle - auch soweit sie durch die Zuziehung von Rechtsanwälten entstanden sind - zu erstatten.

3. Der Beschwerdewert wird auf 24.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Vergabestelle schrieb im September 2006 europaweit einen - nicht in Lose unterteilten - VOF-Dienstleistungsauftrag aus, der unterschiedliche Elemente eines Beratungsvertrages zum Gegenstand hatte. Gesucht war laut Vergabebekanntmachung ein "Projektmanager für Beratungsleistungen im technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Bereich einschließlich Durchführung, Kontrolle und Abrechnung eines PPP-Projektes Schulen im ...-Kreis". Erläuternd hierzu hieß es in der Vergabebekanntmachung, dass der Projektmanager Wirtschaftlichkeitsberechnungen durchzuführen, Ausschreibungsunterlagen zur Planung, Finanzierung, Sanierung und Bewirtschaftung der Schulen zu erarbeiten habe und sowohl das Vergabeverfahren durchzuführen als auch das gesamte Projekt zu begleiten, zu kontrollieren und abzurechnen habe. Von den Bewerbern wurde überdies der Abschluss einer angemessenen Berufshaftpflichtversicherung für alle Teilleistungen verlangt. Im Falle der Vergabe an eine Bietergemeinschaft war eine gesamtschuldnerische Haftung der Mitglieder gefordert.

In einer internen Aktennotiz der Vergabestelle vom 21.08.2006 heißt es:

"Aus § 97 Abs. 3 GWB kann nicht hergeleitet werden, dass ein Anspruch auf Losvergabe schon dann gegeben ist, wenn eine Losaufteilung technisch möglich ist. Eine Losaufteilung in einen technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Bereich wäre vorliegend möglich. Ein Abweichen von der Losvergabe ist dann gerechtfertigt, wenn diese im konkreten Einzelfall in hohem Maße unwirtschaftlich wäre, z.B. weil die gemeinsame Nutzung von Betriebseinrichtungen sowie die höheren Kosten durch Bauverzögerungen für eine Gesamtvergabe sprechen. Hier wäre die Vergabe in Lose ökonomisch unvernünftig, weil die Leistung als Gesamtheit vergeben werden sollte, da die Projektsteuerung die verschiedenen Leistungen aus dem technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Bereich aufeinander abzustimmen hat. Es besteht bei einer Aufteilung in Losen zudem die Gefahr, dass die Aufgabe nicht richtig und zufriedenstellend für den Kreis erfüllt wird."

Die Antragstellerin nimmt nicht am Ausschreibungsverfahren teil, beanstandet aber die Art der Ausschreibung, die sie an einer Bewerbung gehindert habe. Insoweit hat sie mit Schreiben vom 09.10.2006 gegenüber der Vergabestelle die in der Vergabebekanntmachung enthaltene Bestimmung, wonach die genannten Beratungsleistungen nicht losweise vergeben werden sollten (Ziff. II.1.8 der Bekanntmachung), als vergaberechtswidrig gerügt.

Nachdem die Vergabestelle mitgeteilt hatte, dass sie keinen Vergaberechtsverstoß erkennen könne, hat die Antragstellerin ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Hinsichtlich der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Die Antragstellerin hält mit der sofortigen Beschwerde an ihrer Rüge fest, wonach die nicht nach Losen unterteilte Ausschreibung vergaberechtswidrig sei und sie in ihren Rechten verletze. Sie begründet dies im wesentlichen damit, dass es ihr als Rechtsanwaltskanzlei aus rechtlichen (insbesondere standesrechtlichen) und tatsächlichen Gründen nicht möglich sei, die verlangten technischen und betriebswirtschaftlichen Beratungsleistungen zu erbringen, auch weil sie entsprechenden Versicherungsschutz auf dem Markt nicht erlangen könne. Sie sei daher in diskriminierender Weise von einer Wettbewerbsteilnahme ausgeschlossen. Es sei ihr überdies nicht zumutbar, als Teil einer Bietergemeinschaft aufzutreten und sich gemeinsam mit fachlich spezialisierten Beratungsunternehmen zu bewerben. Eine solche Bedingung begründe einen sachlich nicht zu rechtfertigenden "Konsortialzwang". Generell habe die Vergabestelle durch die Form der Ausschreibung Mittelstandsinteressen bzw. das Gebot der Chancengleichheit kleinerer und mittlerer Unternehmen missachtet. Auch der in der Vergabebekanntmachung geforderte Berufshaftpflichtversicherungsschutz für alle Teilleistungen sei unzulässig. Zudem seien die Gründe für den Verzicht auf eine losweise Vergabe nicht hinreichend dokumentiert.

Die Antragstellerin beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses der Vergabekammer die Vergabestelle zu verpflichten, die Ausschreibungsbedingungen so zu ändern, dass es der Antragstellerin ermöglicht werde, sich am Vergabeverfahren zu beteiligen,

hilfsweise, das Vergabeverfahren insgesamt aufzuheben und neu durchzuführen bzw. die Vergabestelle hierzu anzuweisen.

Die Vergabestelle beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Der Nachprüfungsantrag sei schon unzulässig, weil die Antragstellerin ein Interesse am Auftrag (vgl. § 107 Abs. 2 GWB) insofern nicht hinreichend deutlich gemacht habe, als sie keine Bewerbung eingereicht habe. In materieller Hinsicht könne die Antragstellerin aus der lediglich programmatisch zu verstehenden Mittelstandsschutzbestimmung des § 97 Abs. 3 GWB keinen subjektiven Bieterschutz herleiten. Im Übrigen sei es der Antragstellerin ohne weiteres als Einzelunternehmen zumutbar, sich an einer Bietergemeinschaft zu beteiligen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 116, 117 GWB zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

Die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 S. 2 GWB scheitert entgegen der Beschwerdeerwiderung nicht schon daran, dass die Antragstellerin keine Bewerbung abgegeben hat und somit formal betrachtet am Ausschreibungsverfahren nicht teilnimmt. Denn sie rügt die aus ihrer Sicht vergaberechtlich unzulässige Art und Weise der Ausschreibung (Gesamtvergabe gemischter Beratungsleistungen statt einer losweisen Ausschreibung des Teilbereichs Rechtsberatung), die sie gerade an einer Teilnahme gehindert habe, weil sie sich zu einer Erbringung der verlangten wirtschaftlichen und technischen Beratung außer Stande sehe. In derartigen Fällen ist ein Unternehmen nicht gehalten, einen aus seiner Sicht sinnlosen Teilnahmeantrag zu stellen (vgl. OLG Düsseldorf NZBau 2004, 688, 689). Vielmehr dokumentiert der Antragsteller das in § 107 Abs. 2 S. 2 GWB vorausgesetzte Interesse am Auftragserhalt bereits durch die Erhebung einer auf die Unzulässigkeit der Ausschreibung gerichteten vergaberechtlichen Rüge gegenüber der Vergabestelle bzw. durch die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.; VK Sachsen Beschl. vom 07.02.2003 - Az. 1/SVK/007-03, juris).

2. Der Nachprüfungsantrag ist nicht begründet.

Eine Verletzung der Antragstellerin in eigenen Rechten (§ 97 Abs. 7 GWB) ist nicht gegeben. Die von der Vergabestelle gewählte Form der Ausschreibung verstößt insbesondere weder gegen vergaberechtliche Mittelstandsschutzregeln (§§ 97 Abs. 3 GWB i.V.m. § 4 Abs. 5 VOF) noch gegen das Gleichbehandlungsgebot (§ 97 Abs. 2 GWB i.V.m. § 4 Abs. 2 VOF).

a) Im Ansatz steht es jeder Vergabestelle frei, die auszuschreibende Leistung nach ihren individuellen Vorstellungen zu bestimmen und nur in dieser - den autonom bestimmten Zwecken entsprechenden - Gestalt dem Wettbewerb zu öffnen (vgl. Senat Beschl. vom 26.6.2006, Az. 9 Verg 2/06, "Anna Amalia" = VergabeR 2007, 220, 221 = NZBau 2006, 735, 736). Sie befindet deshalb grundsätzlich alleine darüber, welchen Umfang die zu vergebende Leistung im Einzelnen haben soll und ob ggf. mehrere Leistungsuntereinheiten gebildet werden, die gesondert zu vergeben und vertraglich abzuwickeln sind.

Vergaberechtliche Belange sind allerdings insofern berührt, als ein Marktzugang auch für kleine und mittelständische Unternehmen - nicht zuletzt unter dem Aspekt einer Gleichbehandlung nach §§ 97 Abs. 2 GWB, 4 Abs. 2 VOF - eröffnet und so die Zahl der Anbieter erhöht und der Wettbewerb gestärkt werden soll. § 97 Abs. 3 GWB bestimmt deshalb ausdrücklich, dass "mittelständische Interessen" vornehmlich durch Teilung der Aufträge in Fach- und Teillose (zur Abgrenzung dieser Begriffe näher Senat VergabeR 2003, 683, 684) angemessen zu berücksichtigen seien. Mit ähnlicher Zielrichtung verlangt § 4 Abs. 5 VOF die "angemessene Beteiligung" kleinerer Büroorganisationen und Berufungsanfänger. Dem liegt ersichtlich die Erwägung zugrunde, dass die Bewältigung quantitativ oder qualitativ komplexer Leistungseinheiten kleinen Unternehmen mangels entsprechender Kapazitäten häufig nicht möglich ist und sie daher von vornherein chancenlos bei der Auftragsvergabe wären, wenn deren Gegenstand die ungeteilte Gesamtleistung wäre. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeerwiderung enthält § 97 Abs. 3 GWB keinen unverbindlichen Programmsatz, sondern ein unmittelbares Gebot an den öffentlichen Auftraggeber, das mit einem subjektiven Bieterrecht korrespondiert (vgl. OLG Düsseldorf NZBau 2004, 688, 689; Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 2. Aufl. § 97 Rn. 13; Kulartz/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, § 97 Rn. 57ff. mit Nachw.).

An ihre Grenzen stoßen der Mittelstandsschutz und der Grundsatz der Chancengleichheit kleinerer Unternehmen jedoch insofern, als der öffentliche Auftraggeber zumindest solche eigenen Interessen nicht zu opfern braucht, die er nur in Gestalt einer Gesamtvergabe zu erreichen vermag. Den Gegenstand der Leistung bestimmt, wie gesagt, ausschließlich die Vergabestelle. Eine Zerlegung in einzelne Teil- oder Fachlose kommt somit nicht in Betracht, wenn diese in ihrer Summe den mit dem Beschaffungsprojekt verfolgten (übergeordneten) Zwecken nicht mehr entsprechen.

Unabhängig davon darf die Vergabestelle von einer Teilung der Leistung auch dort Abstand nehmen, wo eine solche zwar möglich wäre, aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen des Einzelfalls aber mit erheblichen Nachteilen, z.B. einem beträchtlichen Mehraufwand für sie verbunden wäre (vgl. OLG Düsseldorf VergabeR 2005, 107, 109f.; Byok/Jaeger, GWB, 2. Aufl., § 97 Rn. 158; Kulartz/Kus/Portz, § 97 Rn. 69ff. mit Nachw.). Insoweit bedarf es allerdings einer sorgfältigen Interessenabwägung hinsichtlich der mit einer Losvergabe einhergehenden Nachteile gegenüber dem Schutz kleinerer Unternehmen.

b) Für die den Vergabeprüfungsinstanzen zugewiesene rechtliche Überprüfung resultiert daraus das Erfordernis einer zweistufigen Prüfung. Zunächst ist danach abzugrenzen, ob das der Ausschreibung zugrunde gelegte Leistungsprofil der Gestaltungsfreiheit der Vergabestelle unterfällt oder ob innerhalb dieses Dispositionsrahmens eine weitere (von der Vergabestelle unterlassene) Zerlegung in Teil- bzw. Fachlose möglich wäre und damit die mittelstandsschützenden Anforderungen des § 97 Abs. 3, Abs. 2 GWB bzw. der Gleichbehandlungsgedanke zum Tragen kommen. Maßgebend für diese Abgrenzung sind die mit dem Beschaffungsprojekt verfolgten Ziele und Zwecke im Rahmen einer funktionalen Betrachtung (vgl. Senat NZBau 2006, 735, 736 "Anna Amalia"). Ergibt sie, dass die benötigte Leistung auch in Form einer Losvergabe erbracht werden könnte, so ist auf der Stufe der dann erforderlich werdenden Einzelfallabwägung zu untersuchen, ob die Vergabestelle sich ggf. auf besondere - namentlich wirtschaftliche oder technische - Gründe stützen kann, wonach sie zur Vermeidung erheblicher Nachteile dennoch von einer losweisen Vergabe absehen durfte.

c) Angewendet auf den Streitfall ergeben sich bereits auf der ersten Prüfungsstufe zwingende Gründe, nach denen die Vergabestelle darauf angewiesen war, die auszuschreibende Dienstleistung im Paket, d.h. ungeteilt zu vergeben. Mittelstandsinteressen oder Gleichbehandlungsaspekte kommen damit von vornherein nicht zum Tragen, ohne dass es hierzu einer einzelfallgestützten Interessenabwägung bedarf.

aa) Die Vergabestelle will mit der vorliegenden Ausschreibung ein sog. PPP-Projekt (Public-Private-Partnership) initiieren, planen und umsetzen. Das eigentliche PPP-Projekt soll die Planung, Finanzierung, Sanierung und Bewirtschaftung von rund 20 Schulen im ...-Kreis beinhalten. In der jetzigen Vorplanungsphase geht es indes primär darum, die geeignete Form des späteren PPP-Projekts zu entwickeln. "Public-Private-Partnership" bezeichnet, allgemein gesprochen, eine vertiefte Zusammenarbeit zwischen Organisationseinheiten der öffentlichen Hand und privaten Organisationseinheiten (vgl. Kulartz/Kus/Portz, § 99 Rn. 276). Die Art und Weise der Kooperation ist dabei in der Praxis äußerst vielgestaltig. Es gibt kein einheitliches Leitmodell, charakteristisch ist vielmehr eine weitgehende Offenheit und Flexibilität der organisatorischen und beschaffungsrechtlichen Rahmenbedingungen (eingehend Kulartz/Kus/Portz a.a.O. Rn. 277ff.). Ist Teil eines PPP-Projekts beispielsweise - wie hier - die Errichtung, Sanierung und Bewirtschaftung von Gebäuden, so kommen hierfür unterschiedliche Betreibermodelle in Betracht (z.B. Inhabermodell, Erwerbermodell, Leasingmodell, Vermietungsmodell, Contractingmodell, Konzessionsmodell usw.), an die jeweils besondere rechtliche, finanzielle und betriebswirtschaftliche Folgen geknüpft sind.

Da die Vergabestelle bislang über Inhalt und Organisationsform des künftigen PPP-Projekts offensichtlich noch keine nähere Vorstellungen hat, jedenfalls noch keine Gewissheit hierüber besteht, benötigt sie im derzeitigen Stadium Sachverstand, wie ihn ein modernes Projekt-Management erfordert. Namentlich wird sie zu prüfen haben, ob bzw. welche Vorgaben inhaltlicher Art (etwa im Sinne der o.g. Betreibermodelle) an die Bewerber des künftigen PPP-Projekts bereits in die Ausschreibung aufgenommen werden sollen oder ob stattdessen die Rahmenbedingungen zunächst offen gehalten und die Bewerber zur Einreichung eigener Vorschläge angehalten werden sollen. Entscheidet sich die Vergabestelle für die zweite Variante, benötigt sie in einer späteren Phase Sachverstand zur qualitativen Bewertung der eingereichten Bewerbungen und der darin angebotenen Betreiberlösungen.

Diesen (externen) Sachverstand möchte die Vergabestelle in Form einer Dienstleistung am Markt beschaffen, die auf einer umfassenden Beratung in rechtlicher, wirtschaftlicher und technischer Hinsicht gründet. Dabei dient die mit der Ausschreibung gewünschte Leistung dem eigentlichen Zweck, einen Experten ausfindig zu machen, der die wesentlichen "Schnittstellen" des Projekts aufzeigt und die unterschiedlichen rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Optionen (etwa der o.g. Betreibermodelle) gerade in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit bewertet und analysiert. Insoweit erschöpft sich die Gesamtleistung nicht darin, die einzelnen Beratungsleistungen additiv, d.h. isoliert nach Sparten nebeneinander abzufordern. Vielmehr benötigt die Vergabestelle den fachübergreifenden Blickwinkel, um die geeignete PPP-Projektform wählen zu können. Eben diesen ihr zu verschaffen, ist die spezifische Aufgabe eines "Projektmanagers", der Detailkenntnisse oder Erfahrungen bezüglich der einzelnen Sparten des Projekts nicht zwingend in eigener Person vereinigen muss, sondern im Bedarfsfall seinerseits versierte Spezialisten hinzuziehen kann, sofern er nur seine eigentliche Integrationsaufgabe wahrnimmt.

Der Vergabestelle wäre folglich nicht damit gedient, einzelne Beratungsdienstleistungen losweise auszuschreiben und (beispielsweise) einen Rechtsanwalt, einen Bauingenieur und einen Wirtschaftsprüfer nebeneinander zu beauftragen. Zwangsläufig müsste sie dann einen eigenen Projektleiter stellen, der den angesprochenen interdisziplinären Managementaufwand leistet. Doch abgesehen davon, dass es nicht Aufgabe des Vergaberechts ist, zu prüfen, ob ein öffentlicher Auftraggeber eine Aufgabe mit eigenen Ressourcen, insbesondere mit eigenen Mitarbeitern (besser) lösen könnte (vgl. OLG München VergabeR 2006, 914, 921), gibt es jedenfalls keinen vergaberechtlichen oder sonstigen öffentlich- oder privatrechtlichen Grundsatz, der einer Vergabestelle solches vorschreibt. Sie ist vielmehr ohne weiteres berechtigt, externen Sachverstand unbeschränkt einzukaufen, solange die eigentlichen Beschaffungsentscheidungen von ihr selbst getroffen werden. Bei komplexen und nach unterschiedlichen Sparten eng verflochtenen Konstellationen, wie sie die Planung und Durchführung eines PPP-Projekts nun einmal auszeichnet, darf die Vergabestelle daher auch und gerade den damit verbundenen Koordinierungsaufwand auf Dritte delegieren. Eine losweise Ausschreibung des Teilbereichs "Rechtsberatung", wie sie der Antragstellerin vorschwebt, hätte daher bei funktionaler Betrachtung eine andere als die von der Vergabestelle gewollte Leistung zum Inhalt.

bb) Zur Verdeutlichung mag die Abgrenzung zu einem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Sachverhalt dienen (OLG Düsseldorf Beschl. vom 8.9.2004, Az. Verg 38/04 = VergabeR 2005, 107ff.). Dort ging es im weiteren Sinne ebenfalls um Managementdienstleistungen, nämlich um die Ausschreibung eines "infrastrukturellen Gebäudemanagements", wobei das OLG Düsseldorf (aus Gründen des Einzelfalls) die losweise Vergabe mehrerer unter einem einheitlichen Los zusammengefasster Dienstleistungen für geboten hielt. Im Gegensatz zum Streitfall waren jedoch andere Aufgabenbereiche gefordert. Zu vergeben waren nämlich Reinigungsdienste, Hausmeister- bzw. Wartungsdienste sowie Gebäudebewachung und Empfangsdienstleistung. Diese Sachbereiche weisen keine dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbaren Verflechtungen auf. Es liegt auf der Hand, dass ein Unternehmen, das die Bewachung eines Gebäudes oder den Empfang von Besuchern übernimmt, nicht zwangsläufig auch die Reinigung oder Wartung des Gebäudes durchführen muss. Insoweit besteht die "Schnittstellenproblematik" eines Gebäudemanagements allenfalls darin, dass im Falle einer losweisen Vergabe an verschiedene Unternehmen die tatsächliche (zeitliche und räumliche) Zusammenarbeit mehrerer Vertragspartner zu koordinieren sind, ggf. auch Überschneidungen in Fragen der Gewährleistungshaftung auftreten können und so für die Vergabestelle ein gewisser Mehraufwand gegenüber der Gesamtvergabe an ein einziges Unternehmen entsteht. Ein solcher (begrenzter) Mehraufwand allein berechtigt nach herrschender Auffassung (vgl. Kulartz/Kus/Portz, § 97 Rn. 68; Kapellmann/Messerschmidt, VOB/A, § 4 Rn. 44; Voppel/Osenbrück/Bubert, VOF, § 4 Rn. 36) die Vergabestelle regelmäßig noch nicht, von einer losweisen Vergabe abzusehen. Anders verhält es sich aber dann, wenn eine Aufteilung in Lose nicht nur einen quantitativen Mehraufwand auslöst, sondern - wie hier - die Durchführung des Projekts in qualitativer Hinsicht von fachübergreifenden Managementdienstleistungen abhängt.

cc) Am Ergebnis ändert nichts, dass die Vergabestelle in ihrer Aktennotiz vom 21.08.2006 selbst davon ausging, eine Losaufteilung in einen technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Bereich sei "möglich". Dieser Satz muss im Kontext des weiteren Aktenvermerks gelesen werden. Darin heißt es ausdrücklich, dass die Projektsteuerung die verschiedenen "Leistungen aus dem technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Bereich aufeinander abzustimmen" habe. In der Sache geht es der Vergabestelle somit eindeutig darum, ein spartenübergreifendes Projektmanagement zu beauftragen. Mit dem Hinweis, eine Losaufteilung sei möglich, ist offensichtlich nur die gedankliche Unterscheidung zwischen den unterschiedlichen Teildisziplinen gemeint. Jedenfalls stellt der gesamte Vermerk nur eine für den Senat unverbindliche Äußerung einer Rechtsansicht der Vergabestelle dar. Denn darin wird gerade nicht im Sinne des oben dargestellten (zweistufigen) Prüfungsverfahrens zwischen einer - funktional am Beschaffungszweck orientierten (nicht nur gedanklichen) - Möglichkeit einer Losaufteilung und einer einzelfallgestützten Interessenabwägung unterschieden.

Nach allem vermag die Vergabestelle die dem Beschaffungsvorhaben zugrunde gelegten Ziele nur in Form der gewählten Gesamtausschreibung zu erreichen.

d) Eine Vergaberechtsverletzung hinsichtlich der in der Vergabebekanntmachung enthaltenen Forderung nach einer lückenlosen - alle Teilleistungen abdeckenden - Berufshaftpflichtversicherung ist nicht ersichtlich. Abgesehen davon, dass in diesem Punkt Bedenken an der Einhaltung der Rügeobliegenheiten des § 107 Abs. 3 S. 1 GWB bestehen, weil die Antragstellerin diesen bereits aus der Ausschreibung ersichtlichen (vermeintlichen) Mangel nicht unverzüglich in ihrem Schreiben vom 09.10.2006 gegenüber der Vergabestelle, sondern erst im Nachprüfungsverfahren gerügt hat, fehlt es jedenfalls in materieller Hinsicht an einem Vergaberechtsverstoß. Der Auftraggeber ist berechtigt, umfassenden Berufshaftpflichtversicherungsschutz für die zu vergebende Leistung zu verlangen.

e) Anhaltspunkte für eine Diskriminierung der Antragstellerin liegen nicht vor. Es ist schon nicht nachvollziehbar, inwiefern Gründe des Standesrechts - wovon die Beschwerdebegründung ausgeht - einer Bewerbung entgegenstehen sollten, selbst wenn diese über den Bereich rechtlicher Beratung hinausreicht. Nach der Rechtsprechung ist ein Rechtsanwalt grundsätzlich nicht gehindert, eine zweite berufliche Tätigkeit auszuüben (vgl. BVerfG NJW 1995, 951; Kleine-Cosack, BRAO, 4. Aufl., § 7 Rn. 31). Unklar ist auch, warum die Antragstellerin in der Beschwerdebegründung meint, ihr sei eine Erbringung der wirtschaftlichen Beratungsleistung nach der für Wirtschaftprüfer geltenden WiPro verwehrt. Mit diesem Ansatz verkennt sie, dass die Qualifikation eines Wirtschaftsprüfers in den Ausschreibungsbedingungen gar nicht vorausgesetzt ist und die darin u.a. verlangten "Wirtschaftlichkeitsberechnungen" ohne weiteres auch von jeder anderen fachlich ausgewiesenen Person erstellt werden können.

Fraglich in dieser Hinsicht könnte allenfalls sein, ob die Form der Ausschreibung möglicherweise die Teilnahme anderer am Auftrag interessierter "Projektmanager" verhindert, soweit diesen das Rechtsberatungsgesetz eine rechtliche Beratung verbietet. Ein solcher Einwand ist aber zumindest der Antragstellerin versagt, da sie solchen Schranken nicht unterliegt.

Jedenfalls bedarf die Frage, ob der Antragstellerin durch die Zusammenfassung der rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Beratungsleistungen eine Teilnahme verwehrt oder erschwert wird oder ihr stattdessen ggf. eine Bewerbung als Mitglied einer Bietergemeinschaft "zumutbar" ist, keiner näheren Prüfung. Gleiches gilt hinsichtlich einer nach den Ausschreibungsbedingungen wohl ebenfalls zulässigen Bewerbung der Antragstellerin dergestalt, dass sie selbst die Projektleitung übernimmt und im Verhältnis zur Vergabestelle vertraglich für die rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Teilbereiche einsteht, intern aber ihrerseits gesonderten Sachverstand eines Dritten für solche Disziplinen beizieht, die sie selbst nicht bearbeiten kann oder möchte, und sich diesem Drittem gegenüber entsprechend haftungsrechtlich (einschließlich eines durch diesen zu gewährleistenden Berufshaftpflichtversicherungsschutzes) absichert. Nach Ansicht des Senats wäre für derartige Abwägungen nach Zumutbarkeitsgesichtspunkten allenfalls auf der oben beschriebenen zweiten Prüfungsstufe, nicht aber in der gegebenen Konstellation Raum, wonach schon der Leistungszweck einer losweisen Vergabe entgegensteht.

f) Eine Verletzung der in § 18 VOF geregelten Dokumentationspflicht kommt nicht in Betracht. Mögen die Vergabeakten keine hinreichenden Anhaltspunkte bieten, um eine einzelfallorientierte Interessenabwägung vornehmen zu können, so kommt es hierauf aus den dargelegten Gründen nicht an. Bereits der in der Vergabebekanntmachung verlautbarten Leistungsbeschreibung, im Übrigen auch der erwähnten Aktennotiz vom21.08.2006 ist mit hinreichender Deutlichkeit das Ziel der Vergabestelle zu entnehmen, sich externen Sachverstands im Sinne eines fachübergreifenden - als solchen nicht weiter teilbaren - Projektmanagements zu bedienen.

Die sofortige Beschwerde war danach als unbegründet zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren trifft der Senat in ständiger Rechtsprechung in entsprechender Anwendung der § 91ff. ZPO. Im vorliegenden Fall beruht sie auf § 97 Abs. 1 ZPO. Den Beschwerdewert hat der Senat unter Berücksichtigung des von der Vergabestelle für das Vorhaben geschätzten Bruttoauftragswertes in Höhe von 480.000 € nach § 50 Abs. 2 GKG festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück