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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 11.01.2007
Aktenzeichen: 9 Verg 9/06
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 107
GWB § 111
1. Fehlen einem Angebot erforderliche Produktangaben zu Positionen des Leistungsverzeichnisses, so kann deren Inhalt selbst dann nicht ohne weiteres durch einen Rückgriff auf Angaben zu anderen Leistungspositionen ersetzt werden, wenn die Ausschreibungsbedingungen den Einsatz identischer Produkte grundsätzlich gestatten.

2. Nimmt an der Ausschreibung mindestens ein wertungstaugliches Angebot eines anderen Bieters teil, ist ein Nachprüfungsantrag unbegründet, falls das eigene Angebot des Antragstellers dem zwingenden Ausschluss vom Wettbewerb unterliegt. Denn ein Antrag, der lediglich darauf abzielt, die Rechtsposition eines Dritten zu verbessern und dem Antragsteller allenfalls die immaterielle Befriedigung verschafft, dass ein von der Vergabestelle vorgesehener Zuschlagsaspirant (ebenfalls) nicht zum Zuge kommt, verstößt gegen das Verbot unzulässiger Rechtsausübung auf der Ebene des materiellen Vergaberechts (im Anschluss an BGH 26.09.2006 - Az. X ZB 14/06).

3. Zum ordnungsgemäßen Rügevorbringen eines Nachprüfungsantrags gehört die Darlegung einer substantiierten, auf greifbaren Tatsachen basierenden Vergaberechtsverletzung, deren Korrektur dem Antragsteller die Chance auf Zuschlagserhalt abstrakt, notfalls in der Form einer Neuausschreibung, eröffnet. Akteneinsicht in die Vergabeakten nach § 111 GWB kann nicht schon zu dem Zweck gewährt werden, dem Antragsteller die Möglichkeit zu verschaffen, bislang lediglich hypothetisch - aufs Geratewohl - behauptete Vergaberechtsmängel erst aufzudecken und hierauf seinen Rügevortrag aufzubauen.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

9 Verg 9/06

In dem Vergabenachprüfungsverfahren

betreffend die Ausschreibung "Gesamtausbau FH Jena, 2. Bauabschnitt, Haus 4"; hier: Festeinbauten Labor und lose Labormöbel,

hat der Vergabesenat des Thüringer Oberlandesgerichts durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bettin, Richter am Oberlandesgericht Timmer und Richter am Oberlandesgericht Giebel

auf den Antrag der Antragstellerin vom 20.12.2006 nach Anhörung der Beschwerdegegner ohne mündliche Verhandlung am 11.01.2007 beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer des Freistaats Thüringen vom 08.12.2006 (Az.: 360-4003.20-036/06-J-S) bis zur Entscheidung des Senats über die sofortige Beschwerde zu verlängern (§ 118 Abs. 1 S. 3 GWB), wird zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung über die im Verfahren nach § 118 GWB entstandenen Mehrkosten bleibt der Hauptsacheentscheidung vorbehalten.

3. Der Antrag der Antragstellerin auf Akteneinsicht wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin bewirbt sich um den Zuschlag in einem nichtoffenen Vergabeverfahren, das die Vergabestelle teilweise auf Grundlage der VOB/A (betreffend die Festeinbauten Labor), teilweise der VOL/A (betreffend die Lieferung loser Labormöbel) ausgeschrieben hat. Der unter Einschluss aller Leistungsbestandteile zu vergebende, nicht nach Losen unterteilte Auftrag umfasst die Ausstattung der Häuser 4.1 und 4.2, für welche die Vergabestelle zwei gesonderte, in technischer Hinsicht jedoch jeweils identische Leistungsverzeichnisse angelegt und den Bewerbern zur Angebotsabgabe zugesandt hat. Darin waren für die einzelnen Leistungspositionen entsprechende Felder mit den vom Bieter angebotenen Produkten nach Fabrikat und Typenbezeichnung auszufüllen.

In dem Aufforderungsschreiben zur Angebotseinreichung wurde den Bietern aufgegeben, hinsichtlich der Festeinbauten Labor Haus 1 und Haus 2 "die Prüfzertifikate nach EN 14175-6" mit dem Angebot, spätestens jedoch bis 15.08.2006 vorzulegen. Die EN 14175-6 wurden erst am 01.08.2006, somit nach dem am 27.07.2006 durchgeführten Submissionstermin in Kraft gesetzt. Sie sehen in Punkt 9 die Erstellung eines im Einzelnen näher beschriebenen Prüfberichts über Inhalt und Ablauf einer Produktprüfung vor. In den Bewerbungsbedingungen war unter Punkt 7 eine Pflicht der Bieter statuiert, im Falle beabsichtigter Nachunternehmerleistungen entsprechende Verpflichtungserklärungen der vom Bieter herangezogenen Unternehmen "hinsichtlich der Eignung" beizufügen, dass ihm diese Mittel zur Verfügung stünden.

Mit Schreiben vom 19.07.2006 teilte die Vergabestelle nachträglich in Ergänzung zu den bereits übersandten Leistungsverzeichnissen allen Bietern mit, dass für die Sicherheits- und Gasflaschenschränke "aktuelle Zertifikate gemäß EN 14470-1 und -2 dem Angebot beizulegen bzw. bei Errichtung vorzulegen" (Unterstreichung im Original) seien.

Die Antragstellerin hat die im Leistungsverzeichnis für das Haus 4.1 enthaltene Produktabfrageliste ausgefüllt, eine solche hinsichtlich des Hauses 4.2 hingegen ihrem Angebot nicht beigefügt. Sie hat darin auch nicht erklärt, dass die für Haus 4.1 gemachten Angaben für das Haus 4.2 Gültigkeit haben sollten.

Die Beigeladene hat Nachweise (datierend vom 25.07.2006) über die nach EN 14175-6 abgelegten Produktprüfungen vorgelegt, ohne entsprechende Prüfberichte zur Dokumentation des Prüfungsablaufs und -inhalts beizufügen. Hinsichtlich einiger Positionen des Leistungsverzeichnisses hat sie in den zur Produktabfrage vorgesehenen Feldern zwar die jeweiligen Fabrikate, nicht jedoch die Typenbezeichnungen eingetragen, sondern nur einen Stempelaufdruck "laut Beschrieb" angebracht.

Im Submissionstermin am 27.07.2006 lagen fünf Angebote vor, von denen die Vergabestelle zwei - hier nicht mehr beteiligter Bieter - aus formalen Gründen aus dem Wettbewerb ausschloss. Auch das Angebot der Antragstellerin hält die Vergabestelle für nicht wertungstauglich, weil Produktangaben zum Haus 4.2 fehlten. Sie beabsichtigt, dem Angebot der Beigeladenen als dem wirtschaftlicheren gegenüber dem ebenfalls noch im Wettbewerb verbliebenen Angebot der (am Nachprüfungsverfahren nicht beteiligten) Firma W. den Zuschlag zu erteilen.

Die Antragstellerin nimmt vergaberechtlichen Primärrechtsschutz in Anspruch. Sie wehrt sich gegen den Ausschluss ihres eigenen Angebots, das sie für ausschreibungskonform hält. Dem Angebot sei ohne weiteres zu entnehmen, dass die von ihr im Leistungsverzeichnis betreffend das Haus 4.1 gemachten Produktangaben aufgrund der identischen Ausstattung auch für das Haus 4.2 Gültigkeit hätten. Hierzu habe es weder der Vorlage eines gesondert ausgefüllten Produktabfrageblatts noch eines entsprechenden ausdrücklichen Hinweises bedurft. Es sei pure Willkür der Vergabestelle, wenn diese zwei Leistungsverzeichnisse erstellt habe, obwohl damit kein zusätzlicher Erkenntnisgewinn verbunden gewesen sei. Zugleich tritt die Antragstellerin einer Wertung des Angebots der Beigeladenen entgegen. Das stützt sie zum einen darauf, dass diese versäumt habe, die in den Ausschreibungsbedingungen verlangten Prüfberichte nach EN 14175-6 vorzulegen. Zum anderen moniert sie deren unvollständige Typenangaben in der Produktabfrageliste.

Hinsichtlich des Angebots der nicht am Nachprüfungsverfahren beteiligten Firma W. macht die Antragstellerin ebenfalls vermeintliche Vergaberechtsmängel geltend. Es sei davon auszugehen, dass es dieser nicht gelungen sei, die erforderlichen Prüfzertifikate innerhalb der kurzen Frist zwischen Inkrafttreten der EN 14174-6 am 01.08.2006 und dem Abgabetermin zum 15.08.2006 zu beschaffen. Im Übrigen sei branchenbekannt, dass die Firma W. regelmäßig Subunternehmer einsetze. Daraus ergäben sich berechtigte Zweifel, ob diese die in den Bewerbungsbedingungen geforderte Verpflichtungserklärung abgegeben habe. Schließlich bestünden Zweifel daran, dass die Firma W. die erforderlichen Prüfzertifikate für die Sicherheitswerkbänke vorgelegt habe, weil die mündliche Verhandlung vor der Vergabekammer gezeigt habe, dass die Vergabestelle insoweit - ausschreibungswidrig - bloße Prospekte als Nachweis akzeptiert habe.

Doch selbst dann, wenn das Angebot der Firma W. wertungstauglich sei, habe die Antragstellerin einen Anspruch auf Gleichbehandlung, wonach die Vergabeprüfungsinstanzen eine Zuschlagserteilung auf das in jedem Fall auszuschließende Angebot der Beigeladenen zu untersagen hätten.

Zudem seien die Ausschreibungsbedingungen insofern widersprüchlich und von niemandem zu erfüllen, als "Prüfzertifikate nach EN 14175-6" nicht existierten, da dort vielmehr die Vorlage eines Prüfberichtes vorgeschrieben sei. Das gebiete die Aufhebung der Ausschreibung.

Die Beigeladene hält den Nachprüfungsantrag schon für unzulässig, da die Antragstellerin den Rügeobliegenheiten des § 107 Abs. 3 GWB nicht bzw. nicht hinreichend entsprochen habe. Jedenfalls sei der Antrag unbegründet, weil das Angebot der Beigeladenen ausschreibungskonform sei. Sie habe die bei zutreffender Auslegung der Ausschreibungsbedingungen erforderlichen Nachweise beigebracht. Im Übrigen komme in der vorliegenden Konstellation - Existenz eines mangelfreien Angebots eines Drittbieters - ohnehin kein Eingriff seitens der Vergabeprüfungsinstanzen in Betracht.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag im wesentlichen mit der Begründung als unbegründet zurückgewiesen, dass zwar sowohl das Angebot der Antragstellerin als auch das der Beigeladenen auszuschließen seien, Mängel hinsichtlich des Angebots der Firma W. hingegen nicht erkennbar seien und daher die vom BGH anerkannte Ausnahmekonstellation - Wertungsuntauglichkeit sämtlicher Angebote - nicht gegeben sei. Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Mit dem Rechtsmittel hält die Antragstellerin an ihrem erstinstanzlichen Rechtsschutzbegehren aus den genannten Gründen fest.

Sie beantragt in der Hauptsache,

die Vergabestelle zu verpflichten, die Wertung unter Berücksichtigung des Angebots der Antragstellerin zu wiederholen,

die Vergabestelle zu verpflichten, das Angebot der Beigeladenen auszuschließen,

hilfsweise, der Vergabestelle zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen,

hilfsweise, die Vergabekammer wegen schwerwiegender Vergabefehler zu verpflichten, die Ausschreibung aufzuheben.

Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB beantragt sie,

die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu verlängern.

Gleichzeitig beantragt sie Akteneinsicht in die Vergabeakten.

Die Beigeladene beantragt,

den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde zurückzuweisen,

und in der Hauptsache,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung aus den genannten Erwägungen. Ergänzend weist sie darauf hin, dass ihr Angebot entgegen den Feststellungen der Vergabekammer mangelfrei sei und sie insbesondere vollständige Produktangaben gemacht habe. Soweit sie in einigen Positionen des Leistungsverzeichnisses anstelle von Typenbezeichnungen den Stempelaufdruck "laut Beschrieb" angebracht habe, handle es sich um Fabrikate, die vom Hersteller nur in einer einzigen Ausführung und ohne besondere Typbezeichnung vertrieben würden.

Die Vergabestelle hat im Beschwerdeverfahren bislang keinen Antrag gestellt.

Hinsichtlich der Begründungen im Einzelnen nimmt der Senat auf die zwischen den Verfahrensbeteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug.

II.

Der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde ist zurückzuweisen. Das in der Hauptsache form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Rechtsmittel hat nach Aktenlage keine Aussicht auf Erfolg (§ 118 Abs. 2 S. 1 GWB). Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag zurecht als unbegründet zurückgewiesen.

1. Das Angebot der Antragstellerin ist wegen unvollständiger Angaben nicht wertungstauglich und unterliegt daher gem. §§ 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 2, 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A dem zwingenden Ausschluss vom Wettbewerb.

Dem Angebot der Antragstellerin lag das mit den Verdingungsunterlagen übersandte Formblatt mit den Produktabfragen für das Haus 4.2 unstreitig nicht bei. Damit fehlte es an der erforderlichen Erklärung, welche Produkte im dortigen Bereich Verwendung finden sollten. Entgegen der in der Beschwerdebegründung vertretenen Auffassung ist dieser Mangel nicht ohne weiteres anhand eines Rückschlusses aus den zu Haus 4.1 gemachten Produktangaben zu beheben. Denn trotz der identischen technischen Ausstattung ist aus dem objektiven Empfängerhorizont der Vergabestelle, der für die Auslegung des Angebots maßgebend ist, ein eindeutig artikulierter Bindungswille der Antragstellerin insoweit nicht erkennbar. Die Verwendung identischer Produkte war den Bietern freigestellt, aber nicht vorgeschrieben. Denn an keiner Stelle der Verdingungsunterlagen findet sich ein Hinweis, dass eine hausübergreifende Produktidentität erforderlich sei. Die stillschweigende Erstreckung der zum einen Haus gemachten Angaben auf die Ausstattung des anderen Hauses im Angebot der Antragstellerin stellt damit nur eine unter mehreren denkbaren Auslegungsvarianten im Rahmen einer rechtsgeschäftlichen Auslegung nach §§ 133, 157 BGB dar. Eine andere wäre, dass die Antragstellerin sich im Falle des Zuschlagserhalts möglicherweise gerade auf ihr Schweigen in diesem Punkt berufen und verlangen könnte, den Inhalt nach ihrem Ermessen gestalten zu dürfen (vgl. § 315 BGB). In Betracht käme auch die Annahme einer Vertragslücke, die unbeschadet der Einigung der Parteien im Übrigen eine gesonderte Nachverhandlung über die offenen Fragen notwendig machen würde. Selbst wenn man auf der rechtsgeschäftlichen Ebene - unter Berücksichtigung des jeweiligen Für und Wider aufgrund eines Abwägungsprozesses - im Ergebnis möglicherweise der erstgenannten Auslegungsvariante den Vorzug einräumen wollte, reicht das in vergaberechtlicher Hinsicht nicht aus. Das Argument der Beschwerdebegründung, dass die Vorlage eines gesonderten Formblatts für die Vergabestelle keinen "zusätzlichen Erkenntnisgewinn" bedeutet hätte, greift zu kurz. Die Vollständigkeit der Bieterangaben zu Preisen und Produkten soll im Stadium der Angebotsabgabe nicht nur den Leistungsinhalt spezifizieren und die Vergleichbarkeit der Angebote gewährleisten, sondern auch und gerade Vertragssicherheit für den Fall des Zuschlagserhalts schaffen, um der Gefahr späterer Auslegungsdifferenzen vorzubeugen. Der Auftraggeber hat ein berechtigtes Interesse daran, sich nicht nachträglich mit dem Auftragnehmer wegen offener oder nicht eindeutig geklärter Fragen zu Inhalt und Modalitäten der Leistung auseinandersetzen zu müssen. Mit diesem Maßstab, von dem gegenüber einzelnen Bietern abzuweichen schon unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht zu tolerieren wäre, setzt der Senat sich nicht in Widerspruch zu der von der Antragstellerin zitierten Rechtsprechung des OLG Dresden (Beschl. vom 18.10.2001 - Az. WVerg 8/01), weil auch in jener Entscheidung vorausgesetzt wird, dass die Angaben des Angebotes eindeutig sein müssen. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt.

Im Übrigen verfängt der Vorwurf der Antragstellerin nicht, die Vergabestelle habe die Bieter trotz identischer Ausstattung der Häuser 4.1 und 4.2 mit "bürokratischen Forderungen" überzogen und aus "purer Willkür" zwei gesonderte Leistungsverzeichnisse angelegt und damit doppelten Schreibaufwand für die Bieter verursacht. Denn ein doppelter Aufwand konnte schon durch die einfache - ausdrückliche - Erklärung vermieden werden, dass die im Formblatt zu einem Haus angebotenen Produkte auch für die Ausstattung des anderen Hauses Gültigkeit haben sollten.

Aufgrund fehlender Angaben ist das Angebot gem. §§ 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 2, 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A zwingend auszuschließen, ohne dass der Vergabestelle insoweit ein Ermessensspielraum zustünde.

2. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand ist das Angebot der Beigeladenen ausschreibungskonform und damit wertungsfähig.

a) Die in der Beschwerdeschrift erhobene Rüge, die von der Beigeladenen eingereichten Prüfnachweise entsprächen nicht den Ausschreibungsvorgaben, kommt nicht zum Tragen.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass die in den Verdingungsunterlagen in Bezug genommenen EN 14175-6 die Vorlage eines Prüfberichtes und nicht lediglich eines Prüfzertifikates vorsehen, ergibt sich daraus kein zum Ausschluss führender Mangel. Denn die Ausschreibungsbedingungen waren insofern mehrdeutig formuliert, als nach Punkt 5.2 des Aufforderungsschreibens die "Prüfzertifikate nach EN 14175-6" mit dem Angebot, spätestens bis zum 15.08.2006 vorzulegen waren. Es ist unklar, ob die dem Wortlaut nach festgelegte Beibringung eines Zertifikats - mithin die bloße Bescheinigung einer Produkttauglichkeit - oder aber durch Bezugnahme, wie in EN 14175-6 vorgesehen, ein erläuternder Prüfbericht über Inhalt und Ablauf der Prüfung verlangt war. Dabei handelte es sich jedoch entgegen der Auffassung der Beschwerdebegründung keineswegs um eine objektiv unmögliche, von keinem Bieter zu erbringende Leistungsanforderung. Die Antragstellerin verkennt, dass zwischen beiden denkbaren Varianten keine Alternativität, sondern das Verhältnis eines Mehr oder Weniger bestand. Denn die Vorlage eines Prüfberichtes schloss ein Zertifikat im Sinne einer einfachen Tauglichkeitsbescheinigung ohne weiteres ein. Folglich hätte jedenfalls ein Angebot, dem ein Prüfbericht beigegeben war, in jeder Hinsicht den Anforderungen entsprochen.

Der Klärung bedarf nur, wie mit einem Angebot zu verfahren ist, das - wie das der Beigeladenen - lediglich die Mindestanforderung in Gestalt eines einfachen Zertifikates erfüllt. Grundsätzlich gilt, dass die Verdingungsunterlagen vom Horizont des Bieters aus auszulegen sind. Verbleiben hierbei Zweifel, muss eine Auslegung wegen der für den Bieter damit verbundenen Nachteile restriktiv erfolgen (vgl. OLG Brandenburg VergabeR 2006, 554, 558). Ist daher eine Klausel objektiv mehrdeutig gefasst und lässt sowohl die Deutung im Sinne einer Maximal- als auch einer Minimalanforderung zu, ist - mit gleicher Wirkung für alle Bieter - von der Geltung der Mindestanforderung auszugehen (vgl. OLG Brandenburg a.a.O.). Danach war die Vorlage eines Zertifikates ausreichend.

b) Unter Berücksichtigung des wechselseitigen Beteiligtenvorbringens schadet dem Angebot der Beigeladenen auch nicht, dass sie teilweise statt der in den Leistungsverzeichnissen verlangten Typenbezeichnungen lediglich die Fabrikate angegeben und mit Stempelaufdruck auf deren "Beschrieb" verwiesen hat. Denn die Beigeladene hat hierzu in der Beschwerdeerwiderung substantiiert vorgetragen, dass es sich bei den betreffenden Leistungspositionen um solche Fabrikate handle, die vom Hersteller überhaupt nur in einer einzigen und typenmäßig nicht näher benannten Ausführung (unter dem Fabrikatsnamen) vertrieben würden. Da die Antragstellerin dieser Behauptung in ihrer Replik vom 09.01.2007 nicht entgegen getreten ist, sondern lediglich pauschal geltend gemacht hat, dass die Beigeladene die Produktliste nicht ordnungsgemäß ausgefüllt habe bzw. unzulässigerweise Lücken in der Produktabfrage zu Haus 4.1 durch Produktangaben zu Haus 4.2 zu schließen versucht habe, sieht der Senat keinen Anlass, die Richtigkeit des Vorbringens der Beigeladenen in Zweifel zu ziehen. Danach ist zu unterstellen, dass es sich bei ihren Produktangaben um die marktgängigen Bezeichnungen handelte, die geeignet waren, den Vertragsgegenstand zu individualisieren und als verbindliche Grundlage eines Auftrages zu dienen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass entgegen der Annahme der Antragstellerin die Beigeladene an keiner Stelle der von ihr eingereichten Leistungsverzeichnisse Felder unausgefüllt gelassen und durch Produktangaben des anderen Hauses zu ersetzen versucht hat. Sämtliche Leistungspositionen weisen eigene Eintragungen auf, wenn auch der Stempelvermerk teilweise auf den "Beschrieb" verweist.

Danach liegen dem Nachprüfungsantrag keine Rügegründe zugrunde, die einen Ausschluss des Angebots der Beigeladenen rechtfertigen.

3. Im Ergebnis der summarischen Prüfung nach § 118 Abs. 1 GWB hat der Nachprüfungsantrag darüber hinaus - unabhängig von der Frage der Ausschreibungskonformität des Angebots der Beigeladenen - auch deshalb keinen Erfolg, weil das Angebot der im Wettbewerb verbliebenen (am Nachprüfungsverfahren nicht beteiligten) Drittbieterin, der Firma W., nach Aktenlage ebenfalls als mangelfrei zu gelten hat. In einer solchen Konstellation ist ein Eingriff seitens der Vergabeprüfungsinstanzen in das Ausschreibungsverfahren nach bisher einhelliger Auffassung der Vergabesenate, die der Senat teilt, ausgeschlossen.

a) Die von der Antragstellerin angestellten Mutmaßungen, wonach das Angebot der Drittbieterin fehlerhaft sein könnte, gehen ins Leere.

aa) Soweit sie meint, dass es der Drittbieterin - wie auch allen übrigen Bietern - schon deshalb nicht gelungen sein könne, "Prüfzertifikate nach EN 14175-6" beizubringen, weil solche gar nicht existierten und daher von einer Unvollständigkeit der Nachweise auszugehen sei, nimmt der Senat Bezug auf die obigen Ausführungen. Hiernach ist die Annahme verfehlt, in den Verdingungsunterlagen sei eine objektiv unmögliche, von keinem Bieter zu erfüllende Bedingung gesetzt worden. Vielmehr war bei der gebotenen - bieterfreundlichen - Auslegung der Verdingungsunterlagen die Vorlage eines Prüfberichts gerade entbehrlich und der Nachweis im Sinne einer einfachen Tauglichkeitsbescheinung ausreichend. Auch aus dem Umstand, dass den Bietern hierzu nur wenig Zeit zwischen dem Inkrafttreten der EN 14175-6 am 01.08.2006 und der Frist zur Abgabe der Prüfnachweise am 15.08.2006 zur Verfügung stand, kann ein Hindernis im Sinne überobligationsmäßiger Anstrengungen oder gar eine Unmöglichkeit nicht abgeleitet werden. Denn die Bieter brauchten das förmliche Inkrafttreten der EN 14175-6 gar nicht abzuwarten, um einen den darin festgelegten Kriterien entsprechenden Nachweis zu beschaffen. Die einschlägigen Prüfungskriterien müssen vielmehr bereits im Zeitpunkt der Angebotsaufforderung bekannt gewesen sein, da andernfalls die Vergabestelle nicht bereits bei Erstellung der Verdingungsunterlagen auf die EN 14175-6 hätte Bezug nehmen können. Anhaltspunkte dafür, warum der Drittbieterin - ebenso wie der Beigeladenen - die Beibringung einfacher Prüfzertifikate nicht möglich gewesen sein soll, sind nicht ersichtlich und werden auch in der Beschwerdebegründung nicht aufgezeigt.

bb) Auch die Behauptung der Antragstellerin, es sei "branchenbekannt", dass die Drittbieterin regelmäßig Subunternehmer einsetze, bietet für sich genommen keine Grundlage für den ins Blaue hinein geäußerten Verdacht, diese könne die Abgabe der nach den Bewerbungsbedingungen vorgeschriebenen Verpflichtungserklärung möglicherweise versäumt haben.

Die weiter geäußerte Vermutung, auch die hinsichtlich der Sicherheits- und Gasflaschenschränke erforderlichen Prüfzertifikate seien nicht bzw. nicht in der richtigen Form beigebracht, ist schon deshalb ohne Substanz, weil es sich hierbei um kein die Angebotswertung bestimmendes Kriterium handelt. Denn nach der ausdrücklichen Formulierung in den Ausschreibungsbedingungen (Schreiben der Vergabestelle an die Bieter vom 19.07.2006) war es ausreichend, dass die Bieter diese Zertifikate erst bei Errichtung, also im Stadium der Vertragserfüllung vorlegten. Ein etwaiges Fehlen der Nachweise ist mithin im Zeitraum vor der Zuschlagsentscheidung unbeachtlich.

b) Der Antragstellerin steht entgegen der in der Beschwerdeschrift vertretenen Auffassung in der gegebenen Konstellation - Vorliegen eines ausschreibungskonformen Drittangebots - kein subjektiver Anspruch im Sinne der §§ 114 Abs. 1 S.1, 97 Abs. 7 GWB zu, wonach die Vergabeprüfungsinstanzen in das Ausschreibungsverfahren einzugreifen und die beabsichtigte Zuschlagserteilung zu korrigieren hätten. Denn da eine substantiierte Rüge eines Vergaberechtsverstoßes hinsichtlich der Wertung des Angebots der Drittbieterin nicht erhoben ist, könnte die Antragstellerin aufgrund ihres (derzeitigen) Vorbringens allenfalls eine Zuschlagserteilung zugunsten letzterer erwirken. Eine rein drittschützende Funktion widerspräche aber dem im Kern auf subjektive Individualinteressen des Bieters angelegten Primärrechtsschutz der §§ 97ff. GWB, wie insbesondere § 107 Abs. 2 S. 2 GWB zu entnehmen ist (vgl. Senat VergabeR 2003, 472, 473).

Zwar geht der Senat mittlerweile in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ein Nachprüfungsantrag nicht schon deshalb unzulässig ist, weil das eigene Angebot des Antragstellers zwingend aus dem Wettbewerb auszuschließen ist (ausführl. hierzu Senat VergabeR 2005, 492, 494). Der Weg zu den Vergabeprüfungsinstanzen ist vielmehr schon dann eröffnet, wenn der Bieter schlüssig behauptet, im Ausschreibungsverfahren in seinen Rechten verletzt worden zu sein und dass er ohne die Rechtsverletzung eine Zuschlagschance gehabt hätte. Die Wertungsfähigkeit des Angebots ist in diesem Kontext ohne Belang (vgl. Senat a.a.O.; BGH VergabeR 2004, 473, 476; ZfBR 2007, 86, 87). Doch lässt dies andererseits nicht das Erfordernis entfallen, im Rahmen der Begründetheit zu prüfen, ob das Rechtsschutzbegehren in materiellrechtlicher Hinsicht darauf abzielt, eigene vermögensrechtliche Interessen wahrzunehmen oder ausschließlich der Begünstigung eines Dritten bzw. immateriellen Interessen dient. Die Geltendmachung einer Vergaberechtsverletzung, deren Korrektur lediglich die Rechtsposition eines Dritten verbessert und dem Antragsteller allenfalls die immaterielle Befriedigung verschafft, dass auch der von der Vergabestelle vorgesehene Zuschlagsaspirant nicht zum Zuge kommt, stellt eine Form unzulässiger Rechtsausübung - auf der Ebene des materiellen Vergaberechts - dar, die einem Bieter nach dem die gesamte Rechtsordnung beherrschenden Wertungsgedanken des § 242 BGB versagt ist. Ein unter Missachtung dieses Grundsatzes eingelegter Nachprüfungsantrag ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

c) Der Senat setzt sich mit dieser Auffassung nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH oder eines anderen Oberlandesgerichts. Der BGH hat in seinem Beschluss vom 26.09.2006 (Az. X ZB 14/06 = ZfBR 2007, 86ff.) einen Anspruch auf Gleichbehandlung eines selbst (zurecht) aus dem Wettbewerb ausgeschlossenen Bieters für den Fall bejaht, dass alle übrigen Angebote gleichfalls dem zwingenden Ausschluss unterliegen. Dabei war insbesondere die Erwägung maßgebend, dass ein Antragsteller mit dem Nachprüfungsantrag insofern berechtigte - vermögenswerte - Interessen wahrnehme, als ihm bei einer etwaigen Aufhebung der Ausschreibung und Neuausschreibung weiterhin die Chance des Zuschlagserhalts verbleibe (vgl. BGH ZfBR 2007, 86, 91 rechte Spalte unten). Die Frage hingegen, ob ein aus dem Gleichbehandlungsgebot des Vergaberechts abzuleitender Individualrechtsschutz auch dafür zur Verfügung steht, dass der Antragsteller lediglich die Belastung eines anderen Bieters bzw. den Wegfall der diesem in Aussicht gestellten Begünstigung oder die eigene immaterielle Genugtuung erstrebt, hat der BGH ausdrücklich offen gelassen (vgl. BGH a.a.O., S. 92 linke Spalte oben). Abweichende Entscheidungen anderer Vergabesenate, wonach einem Nachprüfungsantrag in der vorliegenden Konstellation statt gegeben worden wäre, sind soweit ersichtlich nicht ergangen und werden auch von der sofortigen Beschwerde nicht aufgezeigt.

Die sofortige Beschwerde hat danach keine Aussicht auf Erfolg; der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB war zurückzuweisen.

4. Die Entscheidung über die durch den Antrag nach § 118 GWB verursachten Mehrkosten trifft der Senat in ständiger Rechtsprechung mit der Hauptsacheentscheidung.

III.

Die Voraussetzungen für die beantragte Akteneinsicht der Antragstellerin sind derzeit nicht gegeben.

a) Der Umfang des Akteneinsichtsrechts ergibt sich aus der Abwägung zwischen dem Geheimhaltungsinteresse der konkurrierenden Bieter (§ 111 Abs. 2 GWB ) und dem Rechtsschutzinteresse des Akteneinsicht begehrenden Bieters unter Berücksichtigung des Transparenzgebots im Vergabeverfahren und des Anspruchs der Beteiligten auf rechtliches Gehör (vgl. Senat NZBau 2002, 294). Es besteht nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum nur in dem Umfang, wie es zur Durchsetzung der subjektiven Rechte des jeweiligen Verfahrensbeteiligten erforderlich ist und wird daher von vornherein durch den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens begrenzt (vgl. Senat a.a.O.; VergabeR 2003, 248; OLG Düsseldorf NZBau 2002, 578; OLG Naumburg NJOZ 2003, 3395; Kulartz/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, § 111 Rn. 9; Düsterdiek NZBau 2004, 605, 606 jeweils mit weit. Nachw.). Den entscheidungsrelevanten Sachverhalt bestimmt der Antragsteller selbst durch seine auf die Behauptung einer konkreten Vergaberechtsverletzung bezogenen Rüge, d.h. es kommt auf die "Themen" an, die er in seiner Antragsschrift oder bei später erlangten Kenntnissen im Nachprüfungsverfahren schriftsätzlich benennt (vgl. Kulartz/Kus/Portz a.a.O. Rn. 11). Erst mit deren Kenntnis vermögen die Vergabeprüfungsinstanzen eine Abwägung, wie sie § 111 GWB vorschreibt, überhaupt vorzunehmen. Der Umfang der einer Akteneinsicht zugänglichen Aktenbestandteile ist damit deckungsgleich mit dem in § 107 Abs. 3 GWB vorausgesetzten Rügegegenstand; nicht (rechtzeitig) Gerügtes ist nicht entscheidungsrelevant und vermag folglich kein Akteneinsichtsrecht zu begründen (vgl. Kulartz/Kus/Portz a.a.O.). Daher verkennt die Antragstellerin schon im Ansatz die Rollenverteilung im Vergabeprüfungsverfahren, wenn sie in ihrem Schriftsatz vom 09.01.2007 lediglich "allgemein bestreitet", dass das Angebot der Drittbieterin mangelfrei sei. Zu einem ordnungsgemäßen Rügevortrag gehört die aktive Darlegung einer substantiierten, auf konkreten Tatsachen basierenden - nicht nur aufs Geratewohl geäußerten - Vergaberechtsverletzung, deren Vorliegen dem Antragsteller die Zuschlagschance offen hält und die anhand der beantragten Akteneinsicht erhärtet werden soll. Ein passives Bestreiten ist nicht ausreichend.

b) Eine Einsichtnahme der Antragstellerin in die Angebote der Beigeladenen und der Firma W. ist nach diesen Regeln nicht veranlasst. Insbesondere kann sich die Antragstellerin nicht darauf berufen, zu einem substantiierteren Vorbringen hinsichtlich eines auf die Wertung des Angebots der Drittbieterin bezogenen Vergaberechtsverstoßes mangels Akteneinsicht nicht in der Lage zu sein. Andernfalls wäre der Antragstellerin in Umkehrung der vorgenannten Grundsätze allein deshalb - ins Blaue hinein - Akteneinsicht zu gewähren, um ihr eine Aufdeckung hypothetischer Vergaberechtsmängel erst zu ermöglichen, die sie anschließend zum Gegenstand einer Rüge machen könnte. Mit einem derart weitgefassten Akteneinsichtsrecht wäre der in § 111 GWB vorgesehene Abwägungsvorbehalt ausgehebelt, weil die bloße abstrakte Möglichkeit einer (weiteren) Vergaberechtsverletzung nie auszuschließen wäre.

Ende der Entscheidung

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