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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 21.06.2006
Aktenzeichen: 9 W 168/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1 S. 1
1. Beabsichtigt die erstattungsberechtigte Partei die prozessbegleitende Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens, obliegt ihr nach dem Grundsatz von Treu und Glauben, den voraussichtlichen Kostenrahmen (Stundensätze, Zeitaufwand) hierfür gegenüber dem Gegner vorab offenzulegen, um diesem im Bewusstsein des Kostenrisikos die Disposition hinsichtlich der weiteren Prozessführung zu ermöglichen.

2. Liegt bereits die Honorarabrechnung eines Gerichtssachverständigen vor, braucht die erstattungspflichtige Partei - in Ermangelung näherer Anhaltspunkte - mit zusätzlichen Kosten eines prozessbegleitenden Privatgutachtens in einer den Aufwand des gerichtlichen Gutachtens deutlich übersteigenden Größenordnung nicht zu rechnen. Die Geltendmachung des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs unterliegt den durch die Inanspruchnahme dieses Vertrauens gezogenen Grenzen.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

9 W 168/06 In dem Kostenfestsetzungsverfahren

hat der 9. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bettin, Richterin am Oberlandesgericht Zoller und Richter am Oberlandesgericht Giebel

ohne mündliche Verhandlung am 21.06.2006

beschlossen:

Tenor:

1. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Erfurt vom 03.11.2005 (Az. 9 O 3017/99) wird abgeändert.

Die vom Kläger aufgrund des Urteils des Landgerichts Erfurt vom 22.08.2000 und des Urteils des Thüringer Oberlandesgerichts vom 13.04.2005 an die Beklagte zu erstattenden Kosten werden auf 31.314,37 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.08.2005 festgesetzt.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Kläger zu 28 % und die Beklagte zu 72 %.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 47.062,50 € festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde ist statthaft, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, und auch sonst zulässig, §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 569 ZPO. In der Sache hat sie überwiegend Erfolg. Die für ein prozessbegleitend eingeholtes privates Sachverständigengutachten geltend gemachten Aufwendungen der Beklagten sind nur in Höhe von 13.000,-- € zu erstatten.

I.

Im Berufungsrechtszug vor dem Thüringer Oberlandesgericht hat der damals zuständige 7. Zivilsenat zur Klärung streitiger Sachfragen (Ursachen einer Bauablaufsverzögerung) ein Sachverständigengutachten (Prof. Dr. P.) eingeholt. Mit Beschluss vom 26.01.2004 hat er den Stundensatz des Sachverständigen auf 61,35 € festgesetzt und vom Kläger einen Kostenvorschuss in Höhe von insgesamt 9.000,-- € erhoben. Am 25.05.2004 hat der Sachverständige P. das Gutachten vorgelegt und hierfür eine Vergütung in Höhe von 8.660,56 € in Rechnung gestellt.

Nach Erhalt des Gutachtens hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 27.07.2004 angezeigt, zu ihrer Unterstützung einen eigenen Sachverständigen zuziehen und "äußerst umfangreich" Stellung zu den Feststellungen des Gerichtssachverständigen nehmen zu wollen. Ergänzend hat sie am 24.08.2004 darauf hingewiesen, dass insoweit "mindestens der gleiche Aufwand notwendig" sein werde wie seitens des Gerichtssachverständigen. Mit Schriftsatz vom 14.10.2004 hat die Beklagte schließlich Ausgangspunkt, Schlussfolgerungen und Resultate des gerichtlich eingeholten Gutachtens sowohl im Ganzen als auch im Detail angegriffen, wobei sie sich auf die Ausführungen des von ihr bestellten Sachverständigen Z. stützte.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Aufwendungen der Beklagten für das vorgenannte Privatgutachten Z. dem Grund nach zu erstatten sind, da es sich um notwendige Kosten "des Rechtsstreits" im Sinne des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO handelte. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist allein die Höhe der geltend gemachten Vergütung von 47.062,50 € netto. Der erstattungspflichtige Kläger moniert insoweit sowohl den angeblichen Zeitaufwand von 474 Stunden als auch die hierfür veranschlagten Stundensätze von 145,-- € für den Sachverständigen Z. persönlich bzw. in Höhe von 65,-- € für Hilfskräfte im Rahmen von Schreibarbeiten, Dateneingabe am PC u.a.m.. Der Kläger verweist auf die erhebliche Diskrepanz zu dem vom gerichtlich bestellten Sachverständigen benötigten Zeitaufwand (120 Stunden) und dessen nach ZSEG berechneten Stundensätze. Es gehe nicht an, dass die Vergütung des Gerichtssachverständigen um mehr als das Fünffache überschritten werde.

Dagegen hält die Beklagte das an den Sachverständigen Z. gezahlte Honorar im Verhältnis zum Streitwert der Klage (rund 980.000,-- €) für angemessen. Weder die Auswahl eines geeigneten Sachverständigen noch die Vereinbarung eines Stundensatzes unterlägen der Beschränkung hinsichtlich eines durch das ZSEG vorgegebenen Kostenrahmens, da kein kompetenter Gutachter bereit sei, zu den Konditionen des ZSEG privat tätig zu werden.

Das Gutachten des vom Gericht bestellten Sachverständigen P. sei unbrauchbar gewesen. Allerdings sei die Schuld hierfür nicht beim Gutachter, sondern beim Prozessgericht zu suchen, weil es maßgebliches Vorbringen der Beklagten ignoriert und versäumt habe, dem Sachverständigen einen hinreichend aufbereiteten Untersuchungssachverhalt an die Hand zu geben. Im Ergebnis sei daher der von der Beklagte bestellte private Sachverständige gezwungen gewesen, den tatsächlichen Sachverhalt anhand der Bauakten völlig neu zu ermitteln und darauf aufbauend seine Feststellungen zu treffen. Das erkläre den erheblichen Zeitaufwand, der dem Zeitaufwand des Gerichtsgutachtens nicht gleich gestellt werden könne.

Der Rechtspfleger des Landgerichts Erfurt hat ohne inhaltliche Prüfung den von der Beklagten angemeldeten Betrag (47.062,50 €) festgesetzt. Auch nach vorläufiger Zurückverweisung der Sache durch den Senat zur Nachholung einer Begründung hat er eine solche abgelehnt und sich auf den Standpunkt gestellt, er sehe sich fachlich nicht imstande, die Angemessenheit eines privaten Sachverständigenhonorars zu beurteilen. Da eine "willkürliche" Absetzung nicht statthaft sei, seien die angemeldeten Kosten ohne weiteres in voller Höhe zu erstatten.

II.

Obwohl eine tragfähige Begründung seitens des Rechtspflegers für die Festsetzung der Gutachterkosten in voller Höhe nach wie vor fehlt, sieht der Senat aus Gründen der Verfahrensökonomie von einer erneuten Zurückverweisung ab.

Die sofortige Beschwerde ist überwiegend begründet. Die Kosten des prozessbegleitenden Privatgutachtens sind nach den Grundsätzen der prozessualen Kostenerstattung nur in einem Umfang von 13.000,-- € erstattungsfähig.

1. Erstattungsfähig sind die Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung dann, wenn sie notwendig waren, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Insoweit unterliegt der Erstattungsberechtigte nach dem auch das Prozess- und Kostenrecht beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB (vgl. BGHZ 31, 77, 83; OLG München MDR 2005, 57) dem Gebot einer sparsamen, im Gegensatz zu einer optimalen Prozessführung, d.h. er hat die Kosten so niedrig zu halten, wie sie sich bei einer die Belange der Partei voll wahrenden, dennoch aber möglichst wirtschaftlichen Prozessführung ergeben (vgl. Münchener Kommentar-Belz, ZPO, 2. Aufl., § 91 Rn. 18 mit Nachw.). Die Maxime der Kostenschonung ergibt sich zudem unter dem Aspekt der Schadensminderung iSv. § 254 Abs. 2 S. 1 BGB analog (vgl. OLG Köln BauR 2004, 1671), wonach der Erstattungsberechtigte zum Erreichen seiner Prozessziele einen möglichst ressourcensparenden Mitteleinsatz zu wählen hat.

a) Die in Rechtsprechung und Schrifttum zur Höhe erstattungsfähiger Privatgutachterkosten vertretenen Auffassungen vermitteln kein einheitliches Bild. Während überwiegend die Erstattungsfähigkeit meist von der "Angemessenheit" der Kosten abhängig gemacht wird (vgl. OLG Zweibrücken JurBüro 1985, 1874; OLG Bamberg JurBüro 1975, 941; OLG Hamm VersR 1969, 1122; 1123; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 91 Rn. 13 "Privatgutachten"; Zimmermann, ZPO, 7. Aufl., § 91 Rn. 25), erklären andere einen dem ZSEG bzw. JVEG entsprechenden Vergütungsrahmen - wenngleich deren Vorschriften nicht unmittelbar anwendbar sein sollen (vgl. OLG Koblenz JurBüro 1996, 90, 91) - zumindest zur "Richtschnur" (vgl. OLG Koblenz JurBüro 1996, 90, 91; JurBüro 1988, 1184; JurBüro 1976, 95; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 91 Rn. 102; Saenger/Gierl, ZPO, § 91 Rn. 20; so auch Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 91, Rn. 86 mit Rspr.-Nachw. für den Fall einer erheblichen Überschreitung der JVEG-Vergütung). Vereinzelt wird stattdessen die Überprüfung der Angemessenheit auf den Gesichtspunkt des mitwirkenden Verschuldens beschränkt, nämlich darauf, ob der Auftraggeber für ihn erkennbar eine überhöhte Vergütung vereinbart bzw. es unterlassen habe, sich gegen solche zur Wehr zu setzen (vgl. OLG München JurBüro 1987, 897, 898); oder es wird die Angemessenheit im Verhältnis zum Streitwert der Klage beurteilt (vgl. OLG Frankfurt IBR 2003, 177, das eine Sachverständigenentschädigung von 46.000,-- € bei einem Streitwert von 4,5 Mio. € für angemessen erklärt).

b) Offen bleiben kann vorliegend die Frage, welcher Zeitaufwand im Einzelnen für die Erstellung des privaten Gutachtens erforderlich war. Auch auf die Frage, ob die Vergütung des Sachverständigen sich in einem durch die Entschädigungssätze des ZSEG (JVEG) vorgezeichneten Rahmen zu bewegen hat, kommt es im Ergebnis nicht entscheidend an, wenngleich der Senat zur Annahme einer solchen Begrenzung neigt. Dem steht insbesondere nicht die Behauptung der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 16.06.2006 entgegen, wonach selbst die von den Gerichten bestellten Sachverständigen angesichts der als verfassungswidrig (!) angesehenen niedrigen Vergütungssätze des JVEG gewissermaßen auf der Grundlage des § 407 ZPO "zwangsverpflichtet" werden müssten (sofern sie sich nicht sogar durch das Vorschützen zeitlicher Überlastung einer Beauftragung entzögen), während in ganz Deutschland sich kein kompetenter Sachverständiger finden lasse, der bereit sei, zu solchen Konditionen privat tätig zu werden. Diese Behauptung hält der Senat für realitätsfremd. Abgesehen von der seit Jahren im Bauwesen allseits bekannten knappen Auftragslage und der mangelnden Auslastung aller in diesem Bereich gewerblich tätigen Beteiligten verträgt sich hiermit nicht, dass nach den Erfahrungen des Senats die Gerichte sogar häufig von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen angeschrieben werden, die sich für weitere gutachterliche Tätigkeiten in Gerichtsverfahren andienen. Es leuchtet daher schon im Ansatz nicht ein, warum es der Beklagten nicht möglich oder zumutbar gewesen sein soll, einen Sachverständigen ausfindig zu machen, der in Anbetracht des harten Konkurrenzdrucks einer Vergütungsvereinbarung auf der Basis des ZSEG zugestimmt hätte, zumal dieses immerhin die nach dem verlautbarten Willen des Gesetzgebers tätigkeitsangemessenen Vergütungssätze ausweist. Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang geübte Polemik, die das JVEG als eine Art gesetzliches Dumpingsystem desavouiert, hält der Senat für verfehlt.

c) Doch nötigt der Streitfall nicht dazu, dem weiter nachzugehen. Denn nach Ansicht des Senats ist der Frage der Erstattungsfähigkeit einer im Einzelfall angemessenen Vergütung die Prüfung des kostenrechtlichen Transparenzgebots vorgelagert, die jedenfalls für die hier vorliegende Konstellation eines zur Widerlegung eines bereits vorliegenden Gerichtsgutachtens bestellten Sachverständigen zum Tragen kommt.

aa) Eine elementare Funktion des Kostenrechts liegt in der Festschreibung eines gesetzlich fixierten Gebühren- und Vergütungssystems (Gerichtsgebühren nach GKG, Anwaltsgebühren nach RVG, Zeugen- und Sachverständigenentschädigung nach JVEG) und damit in der Sicherstellung einer entsprechenden Kostentransparenz. Diese ist als notwendige Ergänzung zum Grundsatz der Parteiherrschaft (Dispositionsmaxime) anzusehen, wonach es allein in der Hand der Partei liegt, welche prozessleitenden Anträge sie stellt und welche Maßnahmen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung sie vornimmt. Da sie das Kostenrisiko im Misserfolgsfall trägt, bedarf sie dringend der Planungs- und Rechtssicherheit, um zumindest annähernd die Größenordnung der in Rede stehenden Kosten abschätzen zu können. So darf sich zum Beispiel eine Partei darauf verlassen, dass sie dem Gegner im Unterliegensfall nur die gesetzlichen Regelgebühren eines Rechtsanwalts, nicht aber etwa nach Maßgabe des § 4 RVG individuell vereinbarte höhere Gebührensätze zu erstatten hat (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 91 Rn. 158). In vergleichbarer Weise dient ein vom Gericht zur Entschädigung eines Sachverständigen angeforderter Auslagenvorschuss nicht zuletzt auch dazu, der Partei den anfallenden Kostenaufwand vor Augen zu führen und ihr noch vor Beweiserhebung zu ermöglichen, im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Betrachtung (insbesondere unter Berücksichtigung des Streitwerts) ggf. eine Sachfrage unstreitig zu stellen und damit weitere Kosten zu vermeiden.

Das Kostenrecht schützt die Parteien somit vor unabsehbaren Kostenfolgen und ermöglicht ihnen, ihr Prozessverhalten daran auszurichten. Dieser Schutz darf nach Auffassung des Senats nicht dadurch unterlaufen werden, dass eine Partei auf eigene Faust außerprozessuale Aufwendungen in einer das gesetzliche Kostenrecht weit übersteigenden Größenordnung tätigt, ohne dabei der Gegenseite zumindest vorab Kenntnis und somit Gelegenheit zu einer Änderung ihrer Prozessplanung zu geben. Hätte der Kläger gewusst, dass auf ihn im Unterliegensfall zu dem gesetzlich zu erstattenden Gesamtbetrag von rund 18.000,-- € zusätzliche Gutachterkosten von 47.000,-- € hinzukämen, erscheint - abstrakt betrachtet - nicht ausgeschlossen, dass er bei einer Chancen-Risiko-Analyse möglicherweise anders disponiert und eine Klagrücknahme in Betracht gezogen oder zumindest einen Teil der streitigen Sachfragen unstreitig gestellt hätte, um den Untersuchungsaufwand zu verringern. Jedenfalls wäre es unbillig und systemwidrig, ihn mit der vollen Kostenfolge erst nach Prozessausgang zu überraschen. Das gilt insbesondere dann, wenn bereits - wie hier - die Abrechnung eines Gerichtsgutachtens und damit eine konkrete Berechnungsgrundlage (die Honorarrechnung des Gerichtssachverständigen von 8.660,56 € basierte auf einem Stundensatz von 61,35 € und einem Zeitaufwand von 120 Stunden) für die Abschätzung eines weiteren Prozesskostenrisikos zur Verfügung stand.

bb) In diesem Zusammenhang darf nach Ansicht des Senats nicht unberücksichtigt bleiben, dass Gegenstand des Festsetzungsverfahrens nach §§ 103ff. ZPO der prozessuale Kostenerstattungsanspruch ist, der sich grundsätzlich auf die innerhalb des vor Gericht ausgetragenen Rechtsstreits angefallenen Kosten beschränkt (vgl. § 91 Abs. 1 S. 1: Kosten "des" Rechtsstreits). Zwar bezieht die Rechtsprechung unter gewissen Voraussetzungen - zutreffend - auch außergerichtlich entstandene Aufwendungen, wie die Kosten eines vorgerichtlich oder prozessbegleitend eingeholten Privatgutachtens in die Festsetzung ein. Das beruht aber nur auf Erwägungen der Prozesswirtschaftlichkeit (vgl. BGH NJW-RR 2006, 501, 502), um dem Erstattungsberechtigten eine weitere, auf materiellrechtliches Recht gestützte Klage zu ersparen. Doch darf dies nach Ansicht des Senats nicht dazu führen, für solche ohnehin nur ausnahmsweise "wie" prozessuale Kosten behandelte Aufwendungen das kostenrechtliche Transparenzgebot außer Kraft zu setzen.

cc) Nach Auffassung des Senats trifft daher den Erstattungsberechtigten in einer Konstellation der vorliegenden Art eine Obliegenheit aus Treu und Glauben, § 242 BGB, bzw. aus dem Gesichtspunkt der Schadensminderung, § 254 Abs. 2 S.1 BGB, wonach der Kostenrahmen eines außergerichtlich einzuholenden Gutachtens dem Gegner vorab mitzuteilen ist. Verletzt die Partei diese Obliegenheit, braucht der Gegner allenfalls mit zusätzlichen Kosten in der Größenordnung eines vorhandenen Gerichtsgutachtens (einschließlich eines gewissen Toleranzspielraums) zu rechnen. Ein weitergehender Ausgleich der durch das Privatgutachten entstandenen Kosten kann dann jedenfalls nicht als Teil des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs im vereinfachten Verfahren nach §§ 103ff. ZPO, sondern allenfalls nach Maßgabe eines materiellen - im Klagewege zu verfolgenden - Kostenerstattungsanspruchs (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, Vor § 91 Rn. 34ff. mit Rspr.-Nachw.) geltend gemacht werden.

dd) Wendet man diese Regeln auf den Streitfall an, brauchte der Kläger nur mit zusätzlichen außerprozessualen Kosten in einer Größenordnung von bis zu 13.000,-- € zu rechnen.

Die Beklagte hat nichts dazu vorgetragen, dass sie den Kläger zu irgendeinem Zeitpunkt des Rechtsstreits auf das voraussichtliche Kostenvolumen des privaten Gutachterauftrags aufmerksam gemacht hat. Weder ihrer Ankündigung vom 27.07.2004, einen weiteren Sachverständigen beizuziehen, noch dem Hinweis vom 24.08.2004, dass für die Erstellung des Gutachtens "mindestens der gleiche Aufwand notwendig" sein werde wie seitens des Gerichtssachverständigen, lassen sich Anhaltspunkte entnehmen, die auch nur annäherungsweise eine Bestimmung des zeitlichen Umfangs oder der Höhe eines vereinbarten Stundensatzes zuließen.

Soweit die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 16.06.2006 (Bd. VI Bl. 1060, 1067f.) darauf verweist, ein solcher Hinweis sei schon deshalb nicht angebracht gewesen, weil es eine "offenkundige Tatsache" sei, dass Privatgutachten zu anderen Konditionen erstellt zu werden pflegen als Gerichtsgutachten, so greift dies zu kurz. Abgesehen davon, dass sich dem Senat nicht erschließt, welche Bedeutung in diesem Kontext der von der Beklagten herangezogenen Bestimmung des § 6 Nr. 1 VOB/B zukommen soll, da die dort geregelte Anzeigepflicht einer Baubehinderung keinen Bezug zum oben erläuterten kostenrechtlichen Transparenzgebot aufweist, verkennt die Beklagte an dieser Stelle das eigentliche Problem. Es sind keinerlei Gründe ersichtlich, welche die Beklagte daran hinderten, den mit dem Sachverständigen Z. vereinbarten Stundensatz gegenüber dem Kläger offenzulegen. Auch hinsichtlich der zeitlichen Beanspruchung kann sich die Beklagte nicht pauschal darauf berufen, dass nicht einmal der Sachverständige Z. vor Durchsicht der Bauakten den Umfang seiner Tätigkeit habe abschätzen können. In dieser Hinsicht kann nichts anderes gelten als für die Tätigkeit eines Gerichtssachverständigen. Auch dieser hat vor Erstellung des Gutachtens eine Einschätzung des voraussichtlichen Aufwands zu treffen, die u.a. Grundlage eines Kostenvorschusses ist. Stellt er im Laufe der Bearbeitung fest, dass die Klärung der ihm gestellten Fragen einen die Ausgangsschätzung (erheblich) übersteigenden Aufwand erfordert, so hat er vor einer Fortführung der Untersuchung von sich aus dem Auftraggeber Anzeige zu machen (vgl. § 407a Abs. 3 S. 2 ZPO). Diese Grundsätze sind nach Auffassung des Senats sinngemäß anwendbar, da die Beklagte die Privatgutachterkosten gerade in Form der prozessualen Kostenerstattung geltend macht. Im Übrigen war der Sachverständige ohnehin der Beklagten als Auftraggeberin schuldrechtlich zu einer entsprechenden Auskunft hinsichtlich des ursprünglichen Umfangs bzw. sich später erweiternden Bearbeitungsaufwands verpflichtet und diese somit ohne weiteres imstande, diese Informationen zu beschaffen und an den Kläger weiterzugeben. Jedenfalls kann keine Rede davon sein, dass der Kläger von sich aus irgendwelche Schlüsse auf die das Kostenvolumen des Privatgutachtens bestimmenden Größen habe ziehen können oder müssen.

Da dem Kläger keine anderen Kostenschätzungsgrundlage als die Honorarrechnung des Gerichtssachverständigen zur Verfügung stand, brauchte er nach dem Verständnis des Senats allenfalls mit zusätzlichen Kosten in einer Größenordnung von maximal 150 % des Gerichtsgutachtens zu rechnen.

2. Obgleich die sofortige Beschwerde die Festsetzung der Privatgutachterkosten der vollen Höhe nach angreift (vgl. Beschwerdeschrift vom 28.11.2005, Bd. V Bl. 904), hat der Senat aus den genannten Gründen mit Blick auf das Schätzungsermessen des § 287 ZPO einen Gesamtbetrag von 13.000,-- € als erstattungsfähig festgesetzt, ohne dass insoweit eine weitere Beweiserhebung veranlasst war. Im Übrigen hat auch der Beschwerdeführer in seinem Schriftsatz vom 16.05.2006 gegen die Festsetzung dieses Betrags keine Bedenken erhoben.

Im Umfang des festgesetzten Betrages war die Beschwerde zurückzuweisen. Hinsichtlich des Restbetrages ist die Beklagte auf die Geltendmachung eines materiellen Kostenerstattungsanspruchs und damit auf den Klageweg zu verweisen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Den Wert des Beschwerdeverfahrens hat der Senat nach dem mit dem Rechtsmittel verfolgten Kosteninteresse festgesetzt.

4. Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen, da - soweit ersichtlich - die Frage, welchen Voraussetzungen die Bestimmung der Höhe erstattungsfähiger Privatgutachterkosten unterliegt, bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist.

Ende der Entscheidung

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