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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 21.08.2007
Aktenzeichen: 9 W 258/07
Rechtsgebiete: ThürWaldG, GG


Vorschriften:

ThürWaldG § 17 Abs. 1 S. 1
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 1 S. 1
Die landesrechtliche Einführung eines gesetzlichen Vorkaufsrechtes unmittelbar - ohne vorgeschaltete (ggf. fremdnützige) Ausübungsbefugnis der öffentlichen Hand - zugunsten angrenzender privater Waldeigentümer ist weder mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG noch mit der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

9 W 258/07

In dem Notarbeschwerdeverfahren

betreffend die Amtstätigkeit des Notars ... als amtlich bestellten Vertreters für den Notar ...

hat der 9. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bettin, Richter am Oberlandesgericht Timmer und Richter am Oberlandesgericht Giebel

auf die weitere Beschwerde vom 29.05.2007 gegen den Beschluss des Landgerichts Erfurt vom 03.05.2007

ohne mündliche Verhandlung am 21.08.2007

beschlossen:

Tenor:

Das Verfahren wird gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1, S. 2 GG ausgesetzt. Die Sache wird dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zur Entscheidung der Frage vorgelegt, ob § 17 Abs. 1 S. 1 des Thüringer Waldgesetzes vom 6. August 1993 (GVBl. S. 470, 623) in der vom 20. Februar 2004 an geltenden Fassung (GVBl. S. 282) insoweit gegen Grundrechte (Art. 14 Abs. 1 S. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) verstößt, als er angrenzenden Privatwaldeigentümern ein Vorkaufsrecht an Waldgrundstücken zuerkennt.

Gründe:

Gegenstand der Vorlage ist die Frage, ob ein vom Freistaat Thüringen eingeführtes gesetzliches Vorkaufsrecht an Waldgrundstücken zugunsten privater Waldeigentümer (§ 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG) verfassungswidrig ist.

A)

Dem wegen der Einholung einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung derzeit ausgesetzten Beschwerdeverfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Beteiligte zu 1. hat am 11.04.2006 mit der Beteiligten zu 2. als Eigentümerin einen notariell beurkundeten Grundstückskaufvertrag vor dem Notar ... in Erfurt abgeschlossen. Kaufgegenstand waren sechs Grundstücke (Grundbuch ..., Blatt ..., Flurstücke Nr. 270, 333, 354, 590, 673 und 681) mit einer Gesamtgröße von 1,527 ha, bei denen es sich ausweislich der im Grundbuch angegebenen Wirtschaftsart und Lage um Waldflächen handelt; der Gesamtkaufpreis betrug 3.500,-- €. Gem. § 10 des Kaufvertrages beauftragten und ermächtigten die Vertragsparteien den beurkundenden Notar, alle erforderlichen Genehmigungen, auch rechtsgeschäftlicher Natur, Bestätigungen und Negativbescheinigungen einzuholen. Weiter wurde er beauftragt und bevollmächtigt, Erklärungen zur Durchführung des Rechtsgeschäfts abzugeben und entgegenzunehmen, Anträge auch geteilt und beschränkt zu stellen, zurückzunehmen, abzuändern und zu ergänzen sowie den grundbuchrechtlichen Vollzug des Vertrages zu überwachen, schließlich ggf. die Vorkaufsberechtigten gem. § 17 ThürWaldG zu ermitteln und die Mitteilungen vorzunehmen.

Die Beteiligten zu 3. sind Miteigentümer mehrerer Waldgrundstücke, darunter der Flurstücke Nr. 355, 672 und 682, welche an die verkauften Grundstücke angrenzen. Auf eine entsprechende Anfrage des Notars erklärten die Beteiligten zu 3. mit Schreiben vom 21.06.2006 diesem gegenüber, das ihnen aus § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG zustehende gesetzliche Vorkaufsrecht hinsichtlich der verkauften Grundstücke mit den Flurst.-Nr. 354, 673 und 681 ausüben zu wollen.

Daraufhin hat der Notar als amtlich bestellter Notarvertreter mit Vorbescheid vom 15.01.2007 dem Beteiligten zu 1. seine Absicht mitgeteilt, hinsichtlich der drei verkauften Grundstücke mit den Flurst.-Nr. 354, 673 und 681 die grundbuchrechtliche Eigentumsumschreibung nicht weiter betreiben und stattdessen die Auflassung zwischen der Beteiligten zu 2. - als Grundstückseigentümerin - und den Beteiligten zu 3. als Vorkaufsberechtigten beurkunden zu wollen. Aus seiner Sicht sei das Vorkaufsrecht wirksam ausgeübt worden.

Die gegen diesen Vorbescheid gem. §§ 15 BNotO, 53 BeurkG eingelegte Beschwerde hat das Landgericht Erfurt als unbegründet zurückgewiesen. Das Vorkaufsrecht sei durch Vermittlung des Notars wirksam ausgeübt worden. Dabei könne offen bleiben, ob eine Empfangsvollmacht des Notars hinsichtlich der Ausübungserklärung des Vorkaufsrechts dem Kaufvertrag zu entnehmen sei. Dieser habe jedenfalls das die Ausübungserklärung enthaltende Schreiben der Beteiligten zu 3. zeitnah beiden Kaufvertragsparteien zugeleitet. Insoweit sei der Zugang an den in § 464 Abs. 1 S. 1 BGB vorgesehenen Adressaten, nämlich an die Beteiligte zu 2. als Vorkaufsverpflichteter, erfolgt.

Eine Verfassungswidrigkeit des § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG hat das Landgericht verneint. Die Vorschrift diene insoweit öffentlichen Interessen, als sie geeignet sei, größere zusammenhängende Waldflächen zu schaffen und damit eine wirtschaftlich sinnvolle Waldbewirtschaftung zu fördern. Soweit sich aus der Einräumung des Vorkaufsrechtes Nachteile für einen veräußerungswilligen Grundstückseigentümer bzw. einen erwerbswilligen Kaufinteressenten ergäben, seien sie erforderlich und verhältnismäßig. Hinsichtlich der für die Entscheidung des Landgerichts im Einzelnen maßgebenden Gründe wird auf den angefochtenen Beschluss vom 03.05.2007 Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1., mit der er im wesentlichen rügt, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft die Verfassungswidrigkeit des § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG verkannt habe. Er macht sich insoweit den Begründungsgang eines Gutachtens des Deutschen Notarinstituts vom 03.09.1998 sowie eines privaten Rechtsgutachtens des Prof. Bernhard Stüer vom 15.09.2006 zu eigen, auf deren Inhalte der Senat jeweils Bezug nimmt.

Der Senat hat im Rahmen der weiteren Beschwerde die Beteiligten zu 2. und 3. angehört. Die Beteiligte zu 2., die sich im Erstbeschwerdeverfahren der Rechtsauffassung des Beteiligten zu 1. angeschlossen hatte, hat keine Stellungnahme abgegeben. Die Beteiligten zu 3. haben mit Schreiben vom 08.07.2007 nochmals ihre Absicht, das Vorkaufsrecht zu realisieren, bestätigt.

B)

Die gem. §§ 15 Abs. 2 BNotO, 53 BeurkG, 27, 29 Abs. 1 FGG statthafte, nicht fristgebundene weitere Beschwerde ist formgerecht eingelegt worden. Ob sie begründet ist, hängt von der in der Beschlussformel zur Überprüfung gestellten Frage ab.

1. Die verfassungsrechtliche Problematik einmal ausgeblendet, lässt die landgerichtliche Entscheidung keinen Rechtsfehler erkennen (§§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG, 546 ZPO).

Die Voraussetzungen, unter denen den Beteiligten zu 3. nach § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG ein gesetzliches Vorkaufsrecht zusteht, liegen unstreitig vor, wie auch von der weiteren Beschwerde nicht in Zweifel gezogen wird. Soweit darin (unter Bezugnahme auf die Begründung der Erstbeschwerde) moniert wird, dass das Vorkaufsrecht nicht wirksam ausgeübt worden sei, folgt der Senat der Auffassung des Landgerichts. Nach Aktenlage spricht mit Blick auf die umfassenden Ermächtigungsregelungen in § 10 des Kaufvertrages bereits viel dafür, dass der beurkundende Notar von den Vertragsparteien bevollmächtigt war, die Ausübungserklärung eines Vorkaufsberechtigten entgegen zu nehmen. Jedenfalls ist die schriftliche Erklärung der Beteiligten zu 3., von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen zu wollen, beiden Vertragsparteien innerhalb der 2-Monats-Frist des § 17 Abs. 1 S. 5 ThürWaldG, binnen derer das Vorkaufsrecht auszuüben war, zugeleitet worden. Da § 17 ThürWaldG offen lässt, wem gegenüber das Vorkaufsrecht auszuüben ist - Abs. 5 S. 2 verweist insoweit gerade nicht auf den einschlägigen § 464 Abs. 1 S. 1 BGB -, hier aber die Erklärung allen hierfür in Betracht kommenden Beteiligten (Grundstücksveräußerer, Käufer, Notar) rechtzeitig zugegangen ist, bestehen an der wirksamen Ausübung des Vorkaufsrechts keine Zweifel.

2. Der Frage der Verfassungswidrigkeit des § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG kommt entscheidungserhebliche Bedeutung im Sinne des verfassungsrechtlichen Justizgewährungsanspruchs zu, der eine Anrufung des Bundesverfassungsgerichts nur dann rechtfertigt, wenn im Ausgangsverfahren bei Ungültigkeit der Norm anders zu entscheiden ist als bei deren Gültigkeit (vgl. BVerfGE 105, 61, 67; 86, 71, 76f.; 78, 165, 178).

Sind - wie hier - die auf eine Auflassung gerichteten Willenserklärungen notariell beurkundet worden, die beim Grundbuchamt einzureichen sind, so soll gem. § 53 1. Halbs. BeurkG der Notar dies veranlassen, sobald die Urkunde eingereicht werden kann. Zurecht wird allgemein angenommen, dass diese "Soll-Vorschrift" den Notar ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Vollzugsreife zu einer solchen Tätigkeit ohne Einräumung eines Ermessens verpflichtet; kommt er seiner Vollzugspflicht nicht nach, steht den Beteiligten die Beschwerde nach § 15 BNotO zu (vgl. Huhn/v. Schuckmann, BeurkG, 4. Aufl., § 53 Rn. 11, 13).

Ob Vollzugsreife eingetreten ist, richtet sich danach, ob alle Eintragungsvoraussetzungen erfüllt sind, insbesondere ob die erforderlichen Eintragungsunterlagen in vorgeschriebener Form vollständig vorliegen. Hierzu zählen u.a. Genehmigungen, Unbedenklichkeitsbescheinigungen des Finanzamts und anderer Behörden sowie Negativatteste über das Nichtbestehen oder die Nichtausübung von Vorkaufsrechten (vgl. Eylmann/Vaasen, BeurkG, 2. Aufl., § 53 Rn. 7; Huhn/v. Schuckmann a.a.O. Rn. 15).

Der beurkundende Notar hat mit Blick auf das gesetzliche Vorkaufsrecht der Beteiligten zu 3. mangels des danach erforderlichen Negativattests eine Vollzugsreife verneint. Dieses Vollzugshindernis entfiele jedoch, sollte § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG - wie es der Senat für geboten hält - für verfassungswidrig erklärt werden. In diesem Fall wäre im Rahmen des Beschwerdeverfahrens der ergangene Vorbescheid aufzuheben und der Notar anzuweisen, die Einreichung der Eintragungsunterlagen beim Grundbuchamt nicht länger mit der Begründung zu versagen, das Vorkaufsrecht sei wirksam ausgeübt worden. Zugleich wäre er anzuweisen, von der beabsichtigten Beurkundung einer Auflassung zwischen der Grundstückseigentümerin und den Vorkaufsberechtigten Abstand zu nehmen. Insoweit hängt von der Gültigkeit der zur Überprüfung gestellten Rechtsvorschrift die Entscheidung des Senats ab (vgl. § 80 Abs. 2 BVerfGG).

C)

§ 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG hält nach Auffassung des Senats den verfassungsrechtlichen Prüfmaßstäben des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG (Eigentumsgarantie) und des Art. 2 Abs. 1 GG (Allgemeine Handlungsfreiheit) nicht stand.

I.

§ 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG in seiner geltenden Fassung hat folgenden Inhalt:

"Den angrenzenden Privatwaldeigentümern, den Gemeinden und dem Land steht das Vorkaufsrecht an Waldgrundstücken in dieser Reihenfolge zu."

1. Ihrem materiellen Gehalt nach verleiht die Vorschrift - vorrangig einem Privaten - die Gestaltungsmacht, durch Ausübung des gem. § 17 Abs. 1 S. 5 ThürWaldG fristgebundenen und gem. § 17 Abs. 3 ThürWaldG vom Nichtvorliegen besonderer Ausschlussmerkmale abhängigen Vorkaufsrechts die Wirkungen eines fremden Rechtsgeschäfts in der eigenen Person eintreten zu lassen. Der Kaufvertrag kommt mit dem Vorkaufsberechtigten anstelle des Käufers und zwar zu den mit dem Grundstücksveräußerer vereinbarten Bedingungen zustande (§ 17 Abs. 5 S. 2 ThürWaldG i.V.m. § 464 Abs. 2 BGB). Nur wenn das Vorkaufsrecht nicht fristgemäß ausgeübt wird und damit verfällt (§ 17 Abs. 1 S. 6 ThürWaldG, 469 Abs. 2 S. 2 BGB), bleibt es bei der von den Vertragsparteien bestimmten schuldrechtlichen Personenbeziehung. Das Vorkaufsrecht ist in seiner vorliegenden Ausprägung - wie insbesondere dem Fehlen einer Verweisung auf §§ 1098ff. BGB entnommen werden kann (vgl. § 17 Abs. 5 ThürWaldG) - lediglich obligatorischer Natur (so auch Staudinger-Mayer, EGBGB, Neubearb. 2005, Art. 119 Rn. 100). Realisiert sich der Eigentumserwerb des Vorkaufsberechtigten, insbesondere aufgrund des Fehlens einer dinglichen Sicherung des Vorkaufsrechts, nicht, so können ihm allerdings Schadensersatzansprüche nach Maßgabe der einschlägigen privatrechtlichen Regeln zustehen.

2. § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG soll nach der amtlichen Begründung der Vorlage vom 16.2.1993 zum Gesetz zur Erhaltung, zum Schutz und zur Bewirtschaftung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft (LT-Drucks. 1/1965) dazu beitragen, durch Vergrößerung der Bewirtschaftungsflächen ("Arrondierung") effektivere forstwirtschaftliche Strukturen zu schaffen und zugleich Bodenspekulationen entgegenzuwirken. Die vollständige Begründung lautete wie folgt:

"Die Besitzverhältnisse nach Auflösung des LPG-Waldes lassen befürchten, daß eine größere Zahl von Kleinwaldbesitzern ihren Waldbesitz oder Teile davon veräußern werden. Um die Gelegenheit zu günstigen Wirtschaftsgrößen bei gleichzeitiger Arrondierung zu nutzen und Bodenspekulationen vorzubeugen, wird den benachbarten Waldbesitzern ein Vorkaufsrecht bei Waldverkäufen eingeräumt. Erst, wenn dieses nicht ausgeübt wird, kann die Gemeinde und nach ihr das Land Thüringen das Vorkaufsrecht wahrnehmen. Die vorhandene Waldbesitzverteilung zwischen Privateigentümern und öffentlicher Hand soll im Grundsatz nicht wesentlich verändert werden. Dem steht nicht entgegen, daß Waldflächen, deren Besitzer nicht feststellbar sind, vom Staat treuhänderisch bewirtschaftet werden. Diese Vorschrift dient der Erhaltung des Waldes und seiner Funktionsfähigkeit."

Die der Norm zugrunde gelegte Vorstellung, die Ausübung des Vorkaufsrechts trage zu einer Bodenarrondierung bzw. "günstigen Wirtschaftsgrößen" bei, berührt sich insoweit mit Intentionen des bundesrechtlichen Grundstücksverkehrsgesetzes, als auch dieses (auf dem Wege eines Genehmigungsvorbehalts, § 2 GrdstVG) insbesondere einer unwirtschaftlichen Verkleinerung oder Aufteilung land- bzw. forstwirtschaftlich genutzten Bodens entgegenwirken (vgl. § 9 GrdstVG) und damit eine effiziente und nachhaltige Waldbewirtschaftung gewährleisten soll. Doch zielt § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG über einen bloßen Bestandsschutz hinaus, indem nicht nur die Zersplitterung vorhandener Wirtschaftsflächen verhindert, sondern ein Anreiz zur Vereinigung des veräußerten Grundstücks mit Grund und Boden des Vorkaufsberechtigten gegeben und damit sogar eine Verbesserung bestehender Strukturen erzielt werden soll.

3. § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG war bereits zweimal Gegenstand von Gesetzesnovellen (LT-Drucks. 2/3644 vom 20.4.1999 und LT-Drucks. 3/3440 vom 1.7.2003), in deren Zuge der Wortlaut jeweils abgeändert wurde. Im hier interessierenden Kontext ist darauf hinzuweisen, dass ausweislich der Vorlage vom 1.7.2003 zum Gesetz zur Änderung jagd-, wald-, fischerei- und naturschutzrechtlicher Vorschriften (LT-Drucks. 3/3440) die ersatzlose Streichung der Norm geplant war. Ausschlaggebend hierfür waren in erster Linie Bedenken der Landesregierung wegen des Aufwands und der Schwierigkeit der Normanwendung in der Verwaltungspraxis, aber auch verfassungsrechtliche Aspekte im Hinblick auf die mit dem Vorkaufsrecht verbundenen Einschränkungen der Vertragsfreiheit, wie die amtliche Begründung belegt:

"Angesichts der Tatsache, dass gesetzliche Vorkaufsrechte erhebliche Einschränkungen der Vertragsfreiheit zur Folge haben, die nur dann zu rechtfertigen sind, wenn mit diesem Instrumentarium überragende, auf das Gemeinwohl orientierte Zielsetzungen verbunden sind, sollte künftig hierauf verzichtet werden. Der mit dem derzeit bestehenden Vorkaufsrecht im Zusammenhang stehende Aufwand kann zukünftig eingespart werden, wodurch eine erhebliche Entlastung sowohl beim Bürger als auch bei der Verwaltung entsteht."

Zu der vorgesehenen Streichung des § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG kam es dann allerdings nicht. Im Verlauf der parlamentarischen Befassung wurde lediglich der Gesetzestext dahingehend korrigiert, dass das Wort "benachbarten" durch das Wort "angrenzenden" ersetzt wurde. Da diese Änderung erst im parlamentarischen Verfahren zustande kam, existiert hierzu keine amtliche Begründung.

II.

Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Kompetenz des Landesgesetzgebers, ein landesspezifisches gesetzliches Vorkaufsrecht einzuführen, bestehen nicht. Sie ergibt sich aus Art. 70, Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG i.V.m. Art. 119 Nr. 1 EGBGB. Nach Art. 119 Nr. 1 EGBGB bleiben landesgesetzliche Vorschriften im Bereich des bürgerlichen Rechts unberührt, welche die Veräußerung eines Grundstücks beschränken. Heute ist allgemein anerkannt, dass diese Bestimmung den Landesgesetzgeber ermächtigt, gesetzliche Vorkaufsrechte - unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben - einzuführen (vgl. RG RGZ 112, 72, 78ff.; BGH WM 1969, 1039, 1040; Soergel-Hartmann, EGBGB, 12. Aufl., Art. 119 Rn. 1; Staudinger-Mayer, EGBGB, Art. 119 Rn. 10 mit Nachw. zur älteren Gegenauff.).

III.

Die Einführung eines gesetzlichen Vorkaufsrechts zugunsten privater Dritter berührt die verfassungsrechtlich geschützten Interessen eines veräußerungswilligen Eigentümers und eines erwerbswilligen Käufers gleichermaßen. Nach Auffassung des Senats ist § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG weder mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG noch mit der in Art. 2 Abs. 1 GG verankerten allgemeinen Handlungsfreiheit vereinbar.

1. § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG erfüllt nicht die Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG an Inhalt und Schranken einer eigentumsgestaltenden Norm.

a) Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG schützt den Bestand des Eigentums in der Hand des Eigentümers (vgl. Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl., Art. 14 Rn. 2), hier also den Waldeigentumsbestand im Zeitpunkt des Inkrafttretens des ThürWaldG.

aa) Will ein Eigentümer - wie hier die Beteiligte zu 2. - sein Grundstück veräußern, so ist er durch das Vorkaufsrecht des § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG in seiner Rechtsposition betroffen. Er wird in seiner privatrechtlichen Vertragsfreiheit (vgl. § 311 Abs. 1 BGB) insoweit beschränkt, als er für den Fall der Ausübung des Vorkaufsrechts einen Wechsel des Käufers hinzunehmen hat. Abgesehen vom immateriellen Nachteil, die Person des Erwerbers nicht autonom bestimmen zu können, wird die Veräußerung des Grundstückseigentums häufig zumindest faktisch erschwert und damit in materieller Hinsicht beeinträchtigt, weil die letztlich ungewisse Realisierung der Eigentumsübertragung zwischen den Vertragsparteien - abstrakt gesehen - die Chancen schmälert, überhaupt einen Kaufinteressenten zu finden, bzw. den am Markt erzielbaren Kaufpreis mindert. Zurecht ist daher anerkannt, dass ein gesetzliches Vorkaufsrecht das Grundstückseigentum, also eine bestandsgeschützte Rechtsposition im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, belastet (vgl. BVerfG NJW 2000, 1486, 1487; BGH NJW 1989, 37, 38; BVerwG NVwZ 1996, 500; Staudinger-Mayer, Art. 119 EGBGB Rn. 11, Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Loseblattausg. 2005, § 24 Rn. 84 jeweils mit weit. Nachw.). Dabei handelt es sich zwar nicht um eine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG, doch sind die ein gesetzliches Vorkaufsrecht konstituierenden Vorschriften als inhalts- und schrankenbestimmende Gesetze im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG anzusehen (vgl. BGH NJW 1989, 37, 38; BVerwG NVwZ-RR 1996, 500; Staudinger-Mayer a.a.O.).

Die genannten Nachteile treffen den Grundstückseigentümer nach dem Verständnis des Senats grundsätzlich unabhängig davon, ob das Vorkaufsrecht dinglicher oder - wie hier - obligatorischer Natur ist. Unterschiede ergeben sich allenfalls insoweit, als aufgrund fehlender dinglicher Sicherung je nach Lage der Dinge anstelle einer Realisierung des Vorkaufsrechts der Grundstücksveräußerer als Vorkaufsverpflichteter (§ 463 BGB) Schadensersatzansprüchen des Vorkaufsberechtigten ausgesetzt sein kann.

bb) Obgleich auch der Käufer durch das Vorkaufsrecht eines Dritten in seiner Erwerbsposition beeinträchtigt ist, wird er nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der herrschenden Auffassung im Schrifttum insoweit nicht durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützt (vgl. BVerfGE 30, 292, 335; Di Fabio in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Rn. 103, Papier in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 223f. jeweils mit weit. Nachw., auch zur Gegenauff.). Der Senat hält diesen Ansatz für zutreffend, weil der spezifische Grundrechtsschutz des Eigentums andernfalls seine Konturen verlöre und gegenüber der in Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit nicht mehr sinnvoll abzugrenzen wäre.

Ist hiernach durch die Einführung des § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG jedenfalls das Eigentumsrecht des Veräußerers hinsichtlich der genannten grundrechtsrelevanten Aspekten betroffen, so hat die Regelung des "Ob" und "Wie" des Vorkaufsrechts den Anforderungen eines schranken- und inhaltsbestimmenden Gesetzes im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zu entsprechen.

b) Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG sind auf die Normierung objektiv-rechtlicher Vorschriften gerichtet, die den Gehalt des Eigentums vom Inkrafttreten des Gesetzes an für die Zukunft in allgemeiner Form festlegen (vgl. BVerfGE 72, 66, 76; 58, 137, 144f). Sie haben stets den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. BVerfGE 92, 262, 273; 75, 78, 97f.). Zwar ist dem Gesetzgeber insoweit ein erheblicher Beurteilungs- und Prognosespielraum eröffnet (vgl. BVerfGE 53, 257, 293), doch muss jede Inhalts- und Schrankenbestimmung objektiv geeignet sein, den legislatorisch vorgegebenen Zweck zu erreichen bzw. zumindest zu fördern (vgl. BVerfGE 70, 278, 286). Darüber hinaus muss sie angemessen in einer Weise sein, dass die Interessen des Eigentümers mit Belangen des Gemeinwohls (Art. 14 Abs. 2 GG), in dessen Interesse das Eigentumsrecht eingeschränkt werden soll, in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen sind (vgl. BVerfGE 110, 1, 28; 100, 226, 240; 98, 17, 37).

Beide Kriterien sind vorliegend - jeweils für sich genommen - nicht erfüllt.

aa) Die Gesetzesbegründung zugrunde gelegt, erweist sich § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG in seiner derzeitigen Fassung selbst bei Anlegung eines großzügigen Beurteilungs- und Prognosespielraums als ungeeignet zur Erreichung oder auch nur zur Förderung der darin verlautbarten Ziele.

Entgegen der Erwartung des Gesetzgebers spricht nichts dafür, dass die Vorschrift zu einer Arrondierung forstwirtschaftlich genutzter Flächen und damit zu einer Verbesserung vorhandener Strukturen etwas beitragen könnte. Ob ein solcher Effekt eintritt, hängt nicht von der Ausübung des Vorkaufsrechts, sondern vielmehr von Umständen des Einzelfalls ab, deren Vorliegen oder Nichtvorliegen das Gesetz nicht berücksichtigt. Dass die Erreichung des Normzwecks letztlich dem Zufall anheim gegeben ist, mögen folgende Anwendungsbeispiele verdeutlichen: Wird ein einzelnes Waldgrundstück isoliert veräußert, mag zwar im Falle des Anschlusses an ein Grundstück eines vorkaufsberechtigten Anrainers die Wirtschaftsfläche vergrößert werden. Werden hingegen mehrere zusammenhängende - im Rechtssinne selbstständige - Grundstücke veräußert, denen in ihrer Gesamtheit bereits eine "günstige Wirtschaftgröße" im Sinne der Gesetzesmotive zu attestieren ist, erfüllen aber nur ein einziges oder einzelne dieser Grundstücke das in § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG vorausgesetzte Anrainerkriterium, so wird durch die Ausübung des auf diese begrenzten Vorkaufsrechtes eine Wirtschaftseinheit zerschlagen und gesonderte - verkleinerte - Teilgrößen geschaffen. Ebenso verhält es sich, wenn ein Vorkaufsberechtigter etwa wegen begrenzter finanzieller Ressourcen, in Verfolgung eines auf seine individuellen Belange zugeschnittenen Bewirtschaftungskonzepts oder aus sonstigen Gründen ein ihm an mehreren zur Veräußerung stehender Grundstücke zustehendes Vorkaufsrecht nur hinsichtlich eines einzigen oder einzelner ausübt, die daraufhin aus der Gesamtfläche herausgetrennt werden. In allen diesen Fällen wird das Ziel einer Flächenarrondierung nicht nur nicht erreicht in dem Sinne, dass der Status quo keine Verbesserung erfährt. Vielmehr führt eine Anwendung des § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG sogar zu einem das Gesetzesanliegen konterkarierenden Effekt, indem gegebene Bewirtschaftungsstrukturen verschlechtert werden.

Geradezu ungereimte Konsequenzen ergeben sich im Übrigen dann, wenn jemand ein Grundstück unmittelbar an einen angrenzenden Privatwaldeigentümer veräußern möchte und weitere Anrainer vorhanden sind. Da der vom Grundstücksveräußerer bestimmte Käufer - jedenfalls bei konsequenter Befolgung des Gesetzeswortlauts - kaum gleichzeitig als Träger eines gesetzlichen Vorkaufsrechts in Betracht kommt, hätte er im Verhältnis zu einem anderen Privaten zurückzutreten, falls dieser von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch macht. Das gälte offensichtlich sogar dann, wenn gerade ein Grundstückserwerb durch den vertraglich vorgesehenen Privatwaldeigentümer eine "größere Bewirtschaftungsverbesserung" im Sinne des § 17 Abs. 1 S. 3 ThürWaldG zur Folge hätte und diesem damit in der Reihenfolge mehrerer Vorkaufsberechtigten nach der Wertung des Gesetzes eigentlich der Vorrang gebühren müsste.

§ 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG leidet danach daran, dass der Gesetzgeber es versäumt hat, eine Typik von Fallgestaltungen zu entwickeln und ihr begriffliche Konturen zu verleihen, bei denen die Erreichung der angestrebten Flächenarrondierung als sicher gelten werden kann oder eine solche Annahme zumindest nahe liegt. Die stattdessen getroffene Pauschalregelung wird diesen Anforderungen nicht gerecht.

Ungeeignet ist die Norm auch insoweit, als sie erklärtermaßen dazu dienen soll, den Fortbestand des derzeitigen Anteilsverhältnisses an Grund und Boden zwischen privaten Waldeigentümern auf der einen Seite und der öffentlichen Hand auf der anderen Seite zu sichern. Da § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG privaten Waldeigentümern den uneingeschränkten Vorrang gegenüber der öffentlichen Hand einräumt, dabei jedoch gerade nicht nach dem derzeitigen Status des Veräußerers differenziert, wächst zwangsläufig der künftige Anteil in der Hand von Privateigentümern in denjenigen Fällen, in denen - wie hier - die öffentliche Hand als Veräußerer auftritt und der vorrangig berechtigte private Anrainer sein Vorkaufsrecht ausübt. Auf die Dauer gesehen, wird sich daher die jetzige Bodenverteilung verändern, ohne dass § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG dem entgegenzuwirken vermöchte.

Soweit ferner in der Gesetzesbegründung vage davon die Rede ist, dass durch das Vorkaufsrecht zugleich der Gefahr von "Bodenspekulationen" vorgebeugt werden solle, so erschließt sich dem Senat der Begründungszusammenhang nicht. Abgesehen davon, dass Waldgrundspekulationen ohnehin insofern weitgehend der Boden entzogen sein dürfte (und daher bereits erhebliche Zweifel an der Erforderlichkeit einer gesonderten Regelung bestehen), als § 18 ThürWaldG jeden Waldbesitzer - mithin auch jeden spekulationswilligen Erwerber - zur ordnungsgemäßen Waldbewirtschaftung verpflichtet und überdies jede Veräußerung eines Waldgrundstücks den Maßstäben des ebenfalls dem Schutz einer "gesunden" forstwirtschaftlichen Bodenverteilung dienenden Grundstücksverkehrsgesetzes zu entsprechen hat (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG), ist ein aus § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG abgeleiteter eigenständiger Schutzeffekt nicht erkennbar. Mag sich ein solcher in Fällen ergeben, in denen der öffentlichen Hand selbst ein Vorkaufsrecht eingeräumt wird, weil sie dann in den Stand gesetzt ist, etwaige Spekulationstendenzen durch Begründung öffentlichen bzw. seitens öffentlicher Stellen kontrollierten Eigentums wirksam zu unterbinden, trifft das auf die hier gegebene Konstellation, in der Grund und Boden in Privathand verbleiben oder gelangen, nicht zu.

Der Senat vermag nicht zu erkennen, wie den aufgezeigten Divergenzen bei der Anwendung der Norm - auch unter Berücksichtigung der Mittel einer korrigierenden Auslegung in den verfassungsrechtlichen Grenzen - begegnet und eine Umsetzung der legislatorischen Ziele gleichwohl gewährleistet werden könnte. Hierzu bietet die hinsichtlich der Entstehung des Vorkaufsrechts abschließend formulierte Gesetzesfassung keinerlei Handhabe.

bb) Unabhängig von der mangelnden Zweckeignung der Vorschrift hält die Zuerkennung eines Vorkaufsrechts an Private dem Prüfmaßstab des Art. 14 Abs. 1, Abs. 2 GG auch deshalb nicht stand, weil die Interessen des Grundstückseigentümers gegenüber dem Gemeinwohl unangemessen verkürzt werden. Dieses Missverhältnis bestünde selbst dann, falls § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG etwa dahin geändert werden sollte, dass - obzwar insoweit konform mit der gesetzgeberischen Zielrichtung - die Ausübung des Vorkaufsrechts an die einzelfallabhängige Feststellung einer Verbesserung der Forstbewirtschaftung geknüpft würde.

Im Mittelpunkt der Güterabwägung steht die Gegenüberstellung der Schwere und Tragweite der Eigentumsbeeinträchtigung aus Sicht des Betroffenen einerseits (vgl. BVerfGE 31, 229, 243) und der Intensität der Sozialbindung im Sinne des Art. 14 Abs. 2 GG, die zugunsten des Allgemeinwohls die Einschränkung der betreffenden Eigentumsposition mit Blick auf deren Eigenart und Funktion rechtfertigt, andererseits (vgl. BVerfGE 102, 1, 17; 112, 93, 109f.; 100, 226, 241). Dem Interesse des Grundstückseigentümers, autonom über sein Eigentum verfügen, insbesondere es an einen Dritten seiner Wahl veräußern zu können, steht das Interesse der Allgemeinheit an einer "Erhaltung des Waldes und seiner Funktionsfähigkeit" gegenüber, wie es in der vorliegenden Gesetzesbegründung allgemein umschreibend heißt. Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass die Sozialbindung gerade des Grundeigentums maßgeblich von seiner Situationsgebundenheit mitbestimmt wird (vgl. BVerfGE 100, 226, 242), d.h. von seiner Lage und Beschaffenheit sowie seiner Einbettung in die Umwelt (vgl. BGHZ 105, 15, 18; 90, 4, 15; BVerwGE 67, 84, 87; 49, 365, 368) geprägt ist, und daraus typischerweise notwendige "lage- und umweltspezifische" Einschränkungen erwachsen können, die der Eigentümer grundsätzlich hinzunehmen hat, so fehlt es doch vorliegend an triftigen Gründen des Gemeinwohls.

Zwar erweckt nicht schon grundsätzliche Bedenken, wenn der Landesgesetzgeber Vorschriften zum Schutz des Waldes erlässt, mit denen die Verfügungsautonomie der Privatwaldeigentümer begrenzt wird. Denn damit wird nicht nur der ökonomischen, sondern auch der - im politischen und gesellschaftlichen Bewusstsein seit geraumer Zeit stetig gewachsenen - ökologischen Bedeutung des Waldes Rechnung getragen. Die meisten Länder haben denn auch von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht (vgl. die Übersicht bei Staudinger-Mayer, EGBGB, Art. 119 Rn. 92ff.). Der Sache nach handelt es sich überwiegend um landesgesetzliche Genehmigungserfordernisse bei Teilung und Veräußerung von Waldgrund; daneben haben verschiedene Länder, so neben Thüringen auch Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Schleswig-Holstein, mit im Einzelnen unterschiedlichen rechtlichen Modifikationen, Vorkaufsrechte an Waldgrundstücken eingeführt (vgl. Staudinger-Mayer a.a.O.).

Die Besonderheit des § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG liegt jedoch darin, dass anders als in den übrigen Ländern das Vorkaufsrecht nicht der öffentlichen Hand, sondern einem Privaten zuerkannt wird. Während im ersteren Fall öffentliche Belange durch die im Rahmen gesetzlicher Regeln bestimmten Träger öffentlicher Gewalt wahrgenommen werden, begünstigt § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG unmittelbar nur einen Privaten in der Verfolgung eigener Ziele. Mag auch die Volkswirtschaft bzw. die Allgemeinheit indirekt davon profitieren, wenn einzelne Forstbewirtschaftungseinheiten durch eine gesetzlich forcierte Flächenarrondierung optimiert werden, so rechtfertigt dieser - entfernte - Zusammenhang aus Sicht des Senats es gleichwohl nicht, im Rahmen der Güterabwägung des Art. 14 Abs. 1, Abs. 2 GG einer Sozialbindung des Grundeigentums den Vorrang einzuräumen.

Bei rechtssystematischer Betrachtung erweist sich vielmehr das privatnützig ausgestaltete Vorkaufsrecht des § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG als - verfassungswidriger - Fremdkörper innerhalb der Rechtsordnung. Gesetzliche Vorkaufsrechte an Grundstücken stehen ihrer ganz überwiegenden Anzahl nach der öffentlichen Hand zu, wie es etwa im Bereich der gemeindlichen Vorkaufsrechte nach dem BauGB, nach dem RSiedlG oder nach den landesrechtlichen Denkmalschutz- und Naturschutzgesetzen der Fall ist (vgl. die Übersichten bei Staudinger-Mader, BGB, Neubearb. 2004, § 463 Rn. 12ff., Münchener Kommentar-Westermann, BGB, 4. Aufl., § 463 Rn. 11ff.). An dieser Interessenkonstellation ändert sich selbst dann nichts, wenn bei formaler Betrachtung ein Privater bzw. ein privates Unternehmen Nutznießer ist, zu dessen Gunsten die öffentliche Hand - wie etwa auf Grundlage des § 27a BauGB die Gemeinde - das Vorkaufsrecht ausübt, weil auch solche Maßnahmen dem Gesetz nach unmittelbar öffentlichen Belangen (z.B. sozialem Wohnungsbau) dienen und einer vorgeschalteten Kontrolle durch öffentliche Stellen unterliegen. Gleiches gilt für die Einräumung von gesetzlichen Vorkaufsrechten an Vorhabensträger, die - in der Rechtsform juristischer Personen des privaten Rechts - beispielsweise mit der Erschließung öffentlicher Verkehrswege betraut sind (z.B. § 19 Abs. 3 AEG, § 9a Abs. 6 FernStrG, § 15 Abs. 3 WasserStrG, § 28a PersonenbefördG).

Gesetzliche Vorkaufsrechte zugunsten Privater hingegen, die keine (unmittelbaren) öffentlichen Interessen verfolgen, kennt das in Deutschland geltende Recht bislang nur ausnahmsweise, nämlich nur dann, wenn der Vorkaufsberechtigte seinerseits berechtigten Besitz an einem Grundstück inne hat und daher eigentumsähnliche Aspekte des Bestandsschutzes für ihn streiten. So verhält es sich beispielweise beim Vorkaufsrecht des Mieters im Falle der Umwandlung von Mietwohnraum in Wohnungseigentum (§ 577 Abs. 1 BGB) sowie beim Vorkaufsrecht eines Nutzers nach Maßgabe des § 57 SchuldRAnpG oder des § 42 Abs. 2 S. 2 LwAnpG. Die verfassungsrechtliche Legitimation des Vorrangs privater Vorkaufsrechte gegenüber der Veräußerungsfreiheit des Grundstückseigentümers besteht in diesen Fällen darin, dass der Vorkaufsberechtigte selbst über eine durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Rechtsposition verfügt und somit bei der Güterabwägung zwei - wenngleich in unterschiedlicher Weise betroffene - Grundrechtsträger einander gegenüber stehen. Denn auch der berechtigte Besitz wird vom Schutzbereich dieses Grundrechts erfasst (vgl. BVerfG NJW 1993, 2035, 2036; vgl. auch NJW 2000, 1486, 1487). So ist allgemein anerkannt, dass in die Prüfung des Art. 14 Abs. 1, Abs. 2 GG auch individuelle Belange eines Dritten einzustellen sind: Bedarf jemand der Nutzung eines fremden Eigentumsobjekts zu seiner persönlichen Freiheitssicherung und verantwortlichen Lebensgestaltung, dann umfasst das grundgesetzliche Gebot einer am Gemeinwohl orientierten Nutzung die Pflicht des Eigentümers zur Rücksichtnahme auf den Dritten (vgl. BVerfGE 84, 382, 385; 71, 230, 247; 68, 361, 368).

Dieses Rücksichtnahmegebot gilt in besonderem Maße dann, wenn der Grundstückseigentümer (bzw. dessen Rechtsvorgänger) einem Dritten - wie gerade bei den o.g. gesetzlichen Vorkaufsrechten aus Wohnraummiet- oder Nutzungsverhältnissen nach SchuldRAnpG bzw. LwAnpG - berechtigten Besitz eingeräumt bzw. einer Nutzziehung durch diesen zugestimmt hat. Denn dann ist es der Grundrechtsträger selbst, der auf eine Vollausübung einer bestandsgeschützten Rechtsposition im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG verzichtet und in diesem Umfang gewissermaßen in konkludenter Form die Sozialpflichtigkeit seines Eigentums anerkannt hat. Auch dieser Aspekt fließt in die grundrechtliche Güterabwägung mit ein.

Ist hiernach die gesetzliche Begründung privatnütziger Vorkaufsrechte - jedenfalls nach herkömmlicher Betrachtung - dem Spezifikum einer Kollision zweier durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG jeweils geschützter Rechtspositionen bzw. bis zu einem gewissen Grade einer durch den Grundrechtsträger selbst getroffenen Disposition geschuldet, so privilegiert § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG einen bis dahin weder besitzberechtigten noch in sonstiger Weise mit dem zu veräußernden Waldgrundstück rechtlich oder tatsächlich näher verbundenen Privaten. Gründe des Gemeinwohls, die eine solche Privilegierung bzw. eine Zurücksetzung des Eigentümers tragen, sind nicht ersichtlich.

Da im Übrigen § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG die Ausübung des Vorkaufsrechts bzw. den damit verbundenen Flächenzuwachs keinerlei Höchstgrenzen unterwirft, steigert dies noch das Ausmaß der Privilegierung. Da nämlich jeder Erwerb eines Nachbargrundstücks den betreffenden Vorkaufsberechtigten - je nach den örtlichen Verhältnissen - ggf. in die Lage setzen kann, neu angrenzende Flächen ebenfalls hinzuzuerwerben, die wiederum ihrerseits Anschlussmöglichkeiten hinsichtlich weiterer Grundstücke bieten, könnte es auf Dauer gesehen zu einer Konzentration großflächiger Gebiete in der Hand eines privaten Waldeigentümers kommen. Abgesehen davon, dass höchst zweifelhaft erscheint, ob eine solche Entwicklung aus Sicht der Allgemeinheit wünschenswert oder auch nur tolerierbar wäre - die Gesetzesbegründung verhält sich hierzu mit keinem Wort -, lässt auch diese latente Gefahr einer unkontrollierten Grundeigentumskumulation das in § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG konstituierte privatnützige Vorkaufsrecht als unverhältnismäßig im Sinne einer Verletzung des Übermaßverbotes erscheinen.

Soweit die Landesregierung des Freistaats Thüringen - wie oben unter Punkt C I dargelegt - bereits ausdrückliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG geäußert und deshalb eine ersatzlose Streichung vorgeschlagen hatte, erweisen sich diese bei näherer Prüfung mithin als begründet.

2. Darüber hinaus verletzt die zur Überprüfung gestellte Norm die allgemeine Handlungsfreiheit im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG.

a) Soweit in der Begrenzung der Verfügungsfreiheit des Grundeigentümers zugleich eine Einschränkung seiner durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Vertragsfreiheit liegt, wird dieses Recht zwar durch das speziellere Freiheitsgrundrecht des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG verdrängt (vgl. BVerfGE 79, 292, 304; Di Fabio in: Maunz/Dürig, Art. 2 Rn. 103; Starck in: v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl., Art. 2 Rn. 76 jeweils mit weit. Nachw.).

b) Doch ist der Käufer - hier der Beteiligte zu 1. - in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG betroffen. Nach allgemeiner Auffassung wird die privatrechtliche Vertragsfreiheit, Eigentum an einem Grundstück eigener Wahl erwerben zu können, vom Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit mit umfasst (vgl. Di Fabio in: Maunz/Dürig, Art. 2 Rn. 103 mit weit. Nachw.).

Hinsichtlich der in diesem Zusammenhang anzustellenden Abwägung gilt auch hier, das jede Einschränkung des Grundrechts geeignet und angemessen im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sein muss (vgl. BVerfGE 103, 197, 215; 97, 271, 286; 80, 137, 153). Nach Auffassung des Senats ist § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG insoweit sinngemäß den gleichen Einwänden ausgesetzt, wie sie die Prüfung des Art. 14 GG bestimmen. Auf die obigen Darlegungen wird daher zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

IV.

Da der Senat aus den genannten Gründen von der Verfassungswidrigkeit des § 17 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG überzeugt ist, hatte er gem. Art. 100 Abs. 1 S. 2 GG i.V.m. § 80 Abs. 1 BVerfGG das Verfahren auszusetzen und eine verfassungsgerichtliche Entscheidung einzuholen. Mit Blick darauf, dass neben den genannten Grundrechtsartikeln des Grundgesetzes auch die in Art. 3 Abs. 2, Art. 34 Abs. 1 S. 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen verankerten Grundrechte verletzt sind, macht der Senat von seinem Ermessen (vgl. BVerfGE 69, 174, 182f.; Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl., § 80 Rn. 22) Gebrauch und legt die Sache dem Bundesverfassungsgericht und dem Thüringer Verfassungsgerichtshof gleichzeitig zur Entscheidung vor (vgl. Sachs, GG, 4. Aufl., § 80 Rn. 24; nach einer von Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 100 Rn. 38 vertretenen Auffassung besteht sogar eine Pflicht zur Simultanvorlage).

Ende der Entscheidung

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