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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 28.11.2005
Aktenzeichen: BlW 527/05
Rechtsgebiete: FStrG


Vorschriften:

FStrG § 18f Abs. 1 S. 1
Treffen Straßenbaumaßnahmen im sich überschneidenden Zuständigkeitsbereich verschiedener Baulastträger in einem Vorhaben - formell verklammert durch ein gemeinsames Planfeststellungsverfahren - zusammen, kann ein einzelner Baulastträger in den vorzeitigen Besitz auch baulastfremder Grundstücke eingewiesen werden, wenn ihm die Federführung für das Gesamtvorhaben obliegt und zwischen den Straßenbaumaßnahmen ein notwendiger - nicht nur akzidentieller - Folgezusammenhang besteht.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

Bl W 527/05 In der Baulandsache

hat der Senat für Baulandsachen des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Richterin am Oberverwaltungsgericht Preetz, Richterin am Oberlandesgericht Billig und Richter am Oberlandesgericht Giebel

auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1. und 2. gegen den Beschluss des Landgerichts Meiningen - Kammer für Baulandsachen - vom 19.08.2005 (Az.: BLK O 6/05)

ohne mündliche Verhandlung am 28.11.2005

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Beteiligten zu 1. und 2. haben die Kosten des Verfahrens zu gleichen Teilen zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.040,-- € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerdeführerinnen verfolgen mit dem vorliegenden Rechtsmittel ihr im ersten Rechtszug erfolglos gebliebenes Begehren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung gegen eine vorzeitige Besitzeinweisung weiter.

I.

Hinsichtlich der Darstellung des Sachverhalts und der für die angefochtene Entscheidung maßgebenden Gründe nimmt der Senat auf den Beschluss des Landgerichts Meiningen vom 19.08.2005 Bezug.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1. und 2., die diesen als rechtsfehlerhaft beanstanden. Die vorzeitige Besitzeinweisung sei schon insofern rechtswidrig, als der Beteiligte zu 4. hinsichtlich der zu errichtenden Gewerbegebietsstraßen 1 und 2 selbst nicht Straßenbaulastträger sei. Im Übrigen sei der Planfeststellungsbeschluss zwar bestandskräftig, aufgrund der bislang nicht nachgewiesenen Einhaltung von Auflagen jedoch derzeit nicht vollziehbar und stelle daher keine Grundlage für eine vorzeitige Besitzeinweisung dar. Schließlich sei die Besitzeinweisung ohne vorherige Beweissicherung und damit rechtswidrig erfolgt. Der Beteiligte zu 4. habe es versäumt, eine Einmessung der Geländemorphologie vorzunehmen, die für die Feststellung künftiger Entschädigungen (Verlust von verfüllbarem Deponieraum) von Belang sei.

Nachdem nach Einleitung des vorliegenden Verfahrens Erdbauarbeiten im Bereich des betroffenen Geländes stattgefunden hatten, haben die Beschwerdeführerinnen mit Schriftsatz vom 29.09.2005 das Verfahren in der Hauptsache hinsichtlich des vorgenannten Beweisantrags (teilweise) für erledigt erklärt. Auch die erstinstanzlich zusätzlich erhobene Rüge, dass der Beteiligte zu 4. es versäumt habe, die Zustandsfeststellung hinsichtlich eines von der Beteiligten zu 1. im Bereich der planfestgestellten Trassenführung betriebenen Aufbereitungsanlage durch Sachverständigengutachten abzusichern, haben die Beschwerdeführerinnen - nach Vorlage des Gutachtens des Sachverständigen Sixdorf - für erledigt erklärt. Insoweit machen sie zugleich die Verletzung rechtlichen Gehörs geltend, da das Landgericht noch vor Ablauf einer den Beschwerdeführerinnen gewährten Stellungnahmefrist entschieden habe.

Die Beschwerdeführerinnen beantragen,

den Beschluss des Landgerichts Meiningen vom 19.08.2005 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung vom 02.05.2005 anzuordnen.

Die Beschwerdegegner beantragen,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung aus den darin genannten Gründen und treten namentlich einer Teilerledigung entgegen, da es an einem erledigendem Ereignis mangle.

Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen nimmt der Senat auf die Schriftsätze der Beschwerdeführerinnen vom 08.09.2005, 29.09.2005, 20.10.2005 und 27.10.2005 sowie der Beschwerdegegner vom 05.10.2005, 14.10.2005 und 19.10.2005 Bezug.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist gegen einen Beschluss der Kammer für Baulandsachen, mit dem - wie hier - ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Verfahren der vorzeitigen Besitzeinweisung nach § 18f Abs. 1 S. 1, Abs. 6a FStrG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt wird, die sofortige Beschwerde statthaft, §§ 221 Abs. 1 S. 1 BauGB i.V.m. §§ 567, 793 ZPO (vgl. Senat, Beschl. vom 22.8.1997 - BlW 292/97 = NVwZ 1998, 771, 772; Beschl. vom 11.11.1997 - BlW 1/97 = ThürVBl. 1998, 95; Beschl. vom 26.2.1999 - BlW 807/98 = ThürVBl. 1999, 215; ebenso OLG Karlsruhe NVwZ 2001, 839). Dem früheren Streit in der obergerichtlichen Rechtsprechung, ob stattdessen die einfache Beschwerde gem. § 567ff. ZPO a.F. zur Anwendung gelangt, ist mit der ZPO-Reform und der Abschaffung der einfachen Beschwerde der Boden entzogen (vgl. OLG Hamm Beschl. vom 29.10.2002 16 W Baul 1/20; Kalb in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Baugesetzbuch, Kommentar [Loseblatt, Stand: 15.4.2005], § 224 Rn. 41).

2. Nicht zu folgen vermag der Senat der im Schriftsatz der Beschwerdeführerinnen vom 27.10.2005 vertretenen Rechtsauffassung, wonach für das vorliegende Beschwerdeverfahren nicht das Prozessrecht der ZPO, sondern das der VwGO anzuwenden sei. Wie der Senat bereits mit Beschluss vom 09.06.2005 im vorausgegangenen Zwischenstreit über die Statthaftigkeit des Rechtswegs entschieden hat, ist vorliegend der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten (Baulandgerichten) eröffnet. Nach § 9 Abs. 3 VerkPBG gelten für das gerichtliche Verfahren zur Überprüfung der Entscheidungen der Enteignungsbehörde - hier der vorzeitigen Besitzeinweisung nach § 18f FStrG - die §§ 217 bis 231 BauGB. Nach § 221 Abs. 1 S. 1 BauGB sind die bei Klagen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit sich aus den §§ 217 bis 231 nichts anderes ergibt. Im Übrigen enthält § 80 Abs. 5 VwGO keine Regelung über die Rechtsmittel in dem Aussetzungsverfahren bei Gericht. Deshalb ist gem. § 221 Abs. 1 S. 1 das Rechtsmittel nach den Vorschriften der ZPO zu bestimmen (vgl. Kalb in Ernst/Zinkahn/Bielenberg a.a.O. Rn. 38). Hiernach ist für eine Anwendung der VwGO kein Raum.

3. Die im Schriftsatz der Beschwerdeführerinnen vom 25.10.2005 geäußerten Bedenken hinsichtlich der Postulationsfähigkeit des Beteiligten zu 3. greifen nicht durch. Der Beteiligte zu 3. bedarf im vorliegenden Beschwerdeverfahren keiner anwaltlichen Vertretung. Nach § 222 Abs. 3 S. 2 BauGB i.V.m. § 78 Abs. 1 ZPO müssen sich im Verfahren vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht nur diejenigen Beteiligten anwaltlich vertreten lassen, die Anträge in der Hauptsache stellen. Weder mit dem Antrag auf Zurückweisung der Anfechtung einer vorzeitigen Besitzeinweisung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO noch mit dem Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde gegen eine ablehnende Entscheidung des Landgerichts stellt der Beteiligte einen "Antrag in der Hauptsache" im Sinne der genannten Regelung (vgl. Senat, Beschl. vom 26.2.1999 - BlW 807/98 = ThürVwBl. 1999, 215; Kalb in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O. Rn. 31 m.w.N.). Denn ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO setzt kein Hauptsacheverfahren, sondern ein Nebenverfahren in Gang. Danach ist der Beteiligte zu 3. postulationsfähig.

III.

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Der beim Landgericht anhängige Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die vorzeitige Besitzeinweisung des Beteiligten zu 4. hat nach § 18f Abs. 6a S. 1 FStrG keine aufschiebende Wirkung. Nach § 18f Abs. 6a S. 2 FStrG kann jedoch nach § 80 Abs. 5 VwGO ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt werden. Bei der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der vorläufigen Besitzeinweisung und dem privaten Interesse des davon Betroffenen vorzunehmen, zunächst von einem Eingriff in seine Rechte verschont zu bleiben (vgl. Senat, Beschl. vom 26.2.1999 - BlW 807/98 = ThürVBl. 1999, 215, 216). Dabei sind die Erfolgsaussichten des gegen die Besitzeinweisung gerichteten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des den jeweiligen Antragsteller beschwerenden Besitzeinweisungsbeschlusses bestehen und demnach sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung voraussichtlich Erfolg haben wird, hat das Gericht regelmäßig die aufschiebende Wirkung anzuordnen (vgl. Senat a.a.O.).

Nach der hiernach im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO veranlassten summarischen Prüfung hat der Antrag auf gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache keine Aussicht auf Erfolg.

1. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen scheitert die vorzeitige Besitzeinweisung des Beteiligten zu 4. nicht an dem in § 18f Abs. 1 S. 1 FStrG vorausgesetzten Merkmal der Straßenbaulastträgerschaft. Der Beteiligte zu 4. trägt die Baulast der künftigen Landesstraße L 1079n, in deren Besitzfläche er mit dem beanstandeten Bescheid eingewiesen worden ist und die den Schwerpunkt des gesamten Vorhabens bildet. Zwar umfasst seine Besitzeinweisung daneben die Flächen der planfestgestellten Gewerbegebietsstraßen 1 und 2, deren Straßenbaulast unbestritten bei der Stadt Gera liegt. Rechtliche Bedenken hiergegen sind indes im Ergebnis nicht zu erheben.

a) Die Bestimmung des § 18f Abs. 1 S. 1 FStrG ist auf den Regelfall zugeschnitten, wonach alle mit dem Bau und der Unterhaltung einer einzelnen Straße zusammenhängenden Aufgaben einem einzelnen Baulastträger übertragen sind (§ 3 Abs. 1 S. 1 FStrG). Ist der sofortige Baubeginn geboten, sieht § 18f Abs. 1 S. 1 FStrG konsequenterweise eine vorzeitige Besitzeinweisung dieses Baulastträgers vor. Die Vorschrift berücksichtigt jedoch ihrem Wortlaut nach nicht die besondere Konstellation, dass die Errichtung oder Umgestaltung einer Straße mit Straßenbaumaßnahmen zusammentrifft, die in den Verantwortungsbereich eines anderen Baulastträgers fallen und die in ein übergeordnetes Gesamtvorhaben einbezogen sind, das Gegenstand eines einheitlichen Planfeststellungsverfahrens im Sinne des § 75 Abs. 1 S. 1 1. Halbs. ThürVwVfG ist. Aus wirtschaftlichen wie verwaltungstechnischen Gründen kann es sinnvoll und sogar geboten sein, die Durchführung von Straßenbauarbeiten bei sich überschneidender Zuständigkeit verschiedener Baulastträger in der Hand eines Baulastträgers (vorübergehend) zu konzentrieren, falls diesem die Federführung für die Durchführung des Gesamtvorhabens obliegt. Für die Phase des Planfeststellungsverfahrens lässt § 78 Abs. 1 ThürVwVfG auch eine Konzentration mehrerer selbstständiger Vorhaben zu, wobei sich Zuständigkeit und Verfahren gem. § 78 Abs. 2 S. 1 ThürVwVfG nach dem Schwerpunkt der betroffenen Anlagen richten.

b) Die Auslegung des § 18f Abs. 1 S. 1 FStrG hat den vorgenannten Besonderheiten Rechnung zu tragen.

aa) Mit dem VGH München (vgl. Beschl. vom 27.11.1990 - 8 AS 90.40070) geht der Senat davon aus, dass trotz geteilter Straßenbaulast im Rahmen eines Gesamtvorhabens die betroffenen Maßnahmen so eng miteinander verflochten sein können, dass der vorzeitige Besitz nur ungeteilt einem Baulastträger übertragen werden kann. Der VGH München hat die vorzeitige Besitzeinweisung eines Vorhabensträgers namentlich für solche Grundstücke bejaht, die in notwendiger Folge in ein planfestgestelltes Vorhabens einbezogen sind (VGH a.a.O. S. 11). Dem zugrunde lag ein Fall, bei dem im Zuge des Neubaus einer Bundesautobahn ein in der Trägerschaft der Stadt München stehender Abwasserkanal verlegt werden musste. Der VGH München hat die Einweisung der Autobahndirektion - in Vertretung der Bundesrepublik Deutschland als Vorhabensträger - in den vorzeitigen Besitz derjenigen Grundstücke für zulässig erklärt, auf deren Flächen die Verlegung des baulastfremden Kanals erfolgte.

bb) Der Beteiligte zu 4. hat nach dem bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss die Gewerbegebietsstraßen 1 und 2 (BV Nr. 8 O) als Teil des Gesamtvorhabens zu errichten. Hierzu wird im Planfeststellungsbeschluss unter Punkt IV. a) Nr. 8 (S. 26) zwar die Stadt Gera als bisheriger und künftiger Unterhaltungspflichtiger ausgewiesen. Unter Punkt VII.2 "Entscheidungen zu Projektteilen / Osttangente" (S. 78/79) heißt es jedoch ergänzend, dass der Freistaat Thüringen als Kostenträger der Osttangente die Kosten für den Ausbau der B 7 und BV Nr. 8 O (außer für den Geh-/Radweg) trage, wobei ausdrücklich auf das Erfordernis zum Ausbau der Straße im Rahmen der Ersatzpflicht des Beteiligten zu 4. für die Zufahrt BV Nr. 6 O verwiesen wird. Auch nach weiterer Aktenlage (vgl. Protokoll der Anhörung vom 18.05.2005, Bl. 6, sowie Besitzeinweisungsbescheid, Bl. 12) ergibt sich, dass die betreffenden Gewerbegebietsstraßen insofern der Anbindung mehrerer vor Ort ansässiger Unternehmen dienen, als sie die im Zuge der Neugestaltung der Osttangente wegfallende bisherige Anbindung ersetzen. Im Übrigen geht auch die Beschwerdebegründung ausdrücklich von einer Kompensationsfunktion der Gewerbegebietsstraßen 1 und 2 im Rahmen der Umgestaltung der Osttangente aus (vgl. Beschwerdeschrift vom 08.09.2005, S. 12).

cc) Angewendet auf den Streitfall handelt es sich bei den dem Beteiligten zu 4. zur Ausführung übertragenen Ersatzbauten der Gewerbegebietsstraßen um notwendige Folgemaßnahmen im Sinne des § 75 Abs. 1 S. 1 1. Halbs. ThürVwVfG, in deren Besitz der Beteiligte zu 4. gem. § 18f Abs. 1 S. 1 FStrG trotz fehlender Baulastträgerschaft eingewiesen werden kann.

Der Senat teilt nicht die Ansicht der Beschwerdeführerinnen, wonach notwendige Folgemaßnahmen im Sinne dieser Vorschrift keine Ersatzbauten, sondern nur - nicht planfestgestellte - Nebenanlagen oder Zubehör zum Gegenstand haben könnten. Eine solche Einschränkung findet im Gesetz keine Stütze. Auch erstreckt der VGH München die Besitzeinweisung auf eine planfestgestellte Ersatzbaumaßnahme, im konkreten Fall die Verlegung eines in fremder Baulastträgerschaft stehenden Kanals an eine andere Stelle, da dieser dem für den Autobahnbau vorgesehenen Streckenverlauf zu weichen hatte. Dem entspricht die vorliegende Konstellation, bei der wegen der Umgestaltung der Osttangente auf einem anderen Grundstück ein Ersatz für die bisher zum Gewerbegebiet führenden Zufahrtstraßen geschaffen werden muss. Das in der Beschwerdebegründung zusätzlich herangezogene Abgrenzungskriterium, ob die Durchführung des Vorhabens eine spätere Enteignung des Betroffenen oder nur die Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (wie im Falle des VGH München) erfordert, eignet sich schon deshalb nicht zur Unterscheidung, weil das Besitzeinweisungsverfahren von Belangen eines späteren Enteignungsverfahrens grundsätzlich frei zu halten ist (vgl. Marschall/Schroeter/Kastner, FStrG, 5. Aufl., § 18f, Rn. 9ff.).

dd) Wenn der VGH München demgegenüber in einer anderen Entscheidung (Beschl. vom 26.5.1993 - 8 AS 93.40036 = NVwZ-RR 1994, 131) einen notwendigen Folgezusammenhang im vorgenannten Sinne verneint hat, so beruhte das im konkreten Fall - abweichend vom Streitfall - ersichtlich darauf, dass die zugrunde liegenden Maßnahmen zwar ebenfalls die Zuständigkeitsbereiche verschiedener Baulastträger berührten, der Sache nach jedoch räumlich und funktional gesonderte Straßenflächen (Umgestaltung einer Ortsdurchfahrt einerseits und Bau einer Autobahn nebst Zufahrtsrampen andererseits) betrafen. Insoweit fehlte es gerade an einem notwendigen Folgezusammenhang. Treffen Straßenbaumaßnahmen im Zuständigkeitsbereich verschiedener Baulastträger in einem Gesamtvorhaben - formell verklammert durch ein gemeinsames Planfeststellungsverfahren - lediglich akzidentiell zusammen, ohne dass sich eine Maßnahme als notwendige Ersatz- oder Ausgleichsmaßnahme der anderen darstellt, scheidet eine baulastübergreifende vorzeitige Besitzeinweisung eines einzelnen Baulastträgers aus. Vielmehr bleibt es dann dabei, dass aufgrund der geteilten Baulast jeder Baulastträger nur in den Besitz derjenigen Grundstücke eingewiesen werden kann, die Gegenstand seiner eigenen Maßnahme sind (vgl. VGH München a.a.O. S. 131). Da jedoch zwischen der Errichtung der Gewerbegebietsstraßen und dem Bau der in eigener Baulastträgerschaft des Beteiligten zu 4. planfestgestellten Straßen eine Folgebeziehung der o.g. Art besteht, war vorliegend eine umfassende Besitzeinweisung zulässig.

2. Der mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung angegriffene Bescheid ist nicht insofern rechtswidrig, als der zugrunde liegende Planfeststellungsbeschluss noch nicht vollziehbar wäre oder einer etwaigen späteren Abänderung unterläge.

a) Nach § 18f Abs. 1 S. 2 FStrG ist Voraussetzung einer vorzeitigen Besitzeinweisung lediglich die Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses. Weiterer Voraussetzungen bedarf es nicht, § 18f Abs. 1 S. 3 FStrG. Im vorliegenden Falle ist der zugrunde liegende Planfeststellungsbeschluss nicht nur vollziehbar (vgl. Nr. VII, S. 45), sondern bereits bestandskräftig. Eine nachträgliche Aufhebung der vorzeitigen Besitzeinweisung käme mithin nur unter der Prämisse einer - unstreitig bislang nicht erfolgten - Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses in Betracht, § 18f Abs. 6 S. 1 FStrG.

b) Unzutreffend ist die Rechtsauffassung der Beschwerdeführerinnen, der Planfeststellungsbeschluss sei derzeit nicht vollziehbar, da die Erfüllung der unter Punkt IV.a) Nr. 5 des Planfeststellungsbeschlusses (S. 26) enthaltenen Vorkehrung bzw. Auflage (Festlegung der östlichen Grenze des Grunderwerbs im Abbaugebiet) derzeit nicht nachgewiesen sei. Enthält ein Planfeststellungsbeschluss eine selbstständige oder modifizierende Auflage, steht das seiner Vollziehbarkeit im Sinne des § 18f Abs. 1 S. 2 FStrG nicht entgegen, sondern nötigt lediglich den Vorhabensträger im Rahmen der Durchführung des planfestgestellten Vorhabens zur Beachtung der Auflage. Die Vorstellung einer von der Enteigungsbehörde isoliert zu überprüfenden, gleichsam der vorzeitigen Besitzeinweisung vorgeschalteten Erfüllung der Auflage kommt nicht in Betracht.

3. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des gegen den Besitzeinweisungsbescheid gerichteten Rechtsbehelfs ist auch hinsichtlich der von den Beschwerdeführerinnen für erledigt erklärten Punkte unbegründet.

Da die Beschwerdegegner der Erledigungserklärung widersprochen haben, hatte der Senat nach allgemeinen zivilprozessualen Regeln zu prüfen, ob der Antrag zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung zulässig und begründet war und erst durch den Eintritt eines nachträglichen Ereignisses seine Erledigung gefunden hat (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 91a, Rn. 169, 173 mit Rspr.-Nachw.). Bei dieser Prüfung erweist sich der Antrag als von Anfang an unbegründet.

a) Soweit der Zustand eines Grundstücks von Bedeutung ist, hat ihn die Enteignungsbehörde nach § 18f Abs. 3 S. 1 FStrG vor der Besitzeinweisung in einer Niederschrift festzustellen oder durch einen Sachverständigen ermitteln zu lassen. Der Beteiligte zu 3. brauchte gleichwohl die vorzeitige Besitzeinweisung nicht von einer vor Beginn der Bauarbeiten gesondert durchzuführenden Einmessung der Geländemorphologie abhängig zu machen, wie es die Beschwerdeführerinnen verlangen. Zurecht ist das Landgericht vielmehr davon ausgegangen, dass eine entsprechende Bestandserfassung bereits im Rahmen des Projekts stattgefunden haben muss. Die Planung und Vorbereitung eines Vorhabens vergleichbarer Art und Größenordnung setzt zwingend die sorgfältige Erfassung und Vermessung des für den Straßenbau benötigten Geländes voraus, die insbesondere dessen Höhenverlauf exakt zu verzeichnen hat. Dieses Erfordernis darf als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. Dass im vorliegenden Fall die vorgeschriebenen Regularien eingehalten sind, ergibt sich u.a. daraus, dass der Planfeststellungsbeschluss auf zahlreiche in der Anlage beigefügte Lagepläne, Höhenpläne und Querschnitte des betroffenen Geländes verweist.

Wenn die Beschwerdeführerinnen hervorheben, dass es ihnen nicht um die Vermessung der "Fläche", sondern um ein im Zuge des Vorhabens verloren gehendes "Verfüllvolumen" gehe, so ist daraus kein Bedürfnis einer gesonderten Bestandserfassung abzuleiten. Es liegt auf der Hand, dass Rückschlüsse auf das Maß eines Bodenvolumens in erster Linie aus Daten gewonnen werden, die sich auf ein an der Oberfläche vermessenes Gelände und die dabei ermittelte Topologie beziehen. Soweit daneben Tiefenuntersuchungen des Bodens erforderlich sind, muss auch eine Straßenbauplanung schon zur Gewährleistung der Statik und Verfallsbeständigkeit sich auf solche Faktoren erstrecken. Anhaltspunkte für Versäumnisse oder Fehler bei der Projektvorbereitung im Rahmen der Bestandsaufnahme sind nach Aktenlage nicht ersichtlich und werden auch mit der Beschwerde nicht aufgezeigt. Daher ist davon auszugehen, dass das streitgegenständliche Vorhaben - nach Art eines vergleichbaren Projekts - in technisch-physikalischer Hinsicht auf umfassend erhobenen Daten zu Flächenverlauf, Erdschichten, Untergrund, Höhenlage usw. basiert, welche die für eine etwaige Berechnung eines entschädigungsfähigen Deponieraumverlusts notwendigen Daten quantitativ und qualitativ deutlich übersteigen.

b) Der Besitzeinweisungsbescheid verletzt auch nicht das Beweissicherungsgebot des § 18f Abs. 3 FStrG hinsichtlich der von der Beteiligten zu 1. vormals betriebenen Aufbereitungsanlage.

Hierzu enthält der Bescheid unter Punkt 2 die ausdrückliche Auflage, die Aufbereitungs- bzw. Brecheranlage auf der geplanten Gewerbegebietsstraße 2 erst nach Vorlage einer Niederschrift über den Zustand der Anlage zu beseitigen. Da es nach dem Wortlaut des § 18f Abs. 3 S. 1 FStrG der Enteignungsbehörde frei gestellt ist, ob der Zustand des Grundstücks in einer Niederschrift festgestellt oder durch einen Sachverständigen ermittelt wird, entspricht der Besitzeinweisungsbescheid den gesetzlichen Vorgaben.

Auch ein nachträgliches fehlerhaftes Verhalten des Beteiligten zu 4. im Rahmen der Inbesitznahme der ihm zugewiesenen Grundstücke dahin, dass er die Einholung eines Sachverständigengutachtens versäumt hätte - wie die Beteiligten zu 1. und 2. mit Schriftsatz vom 10.06.2005 moniert haben - kommt nicht in Betracht. Abgesehen davon, dass dem Gesetz eine obligatorische Beiziehung externen Sachverstands fremd ist, erhellt aus dem im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens vom Beteiligten zu 4. eingeholten Gutachten des Sachverständigen Sixdorf, dass die Anlage nur noch Schrottwert hat. Dabei hätte es nicht einmal einer Bestätigung durch einen externen Sachverständigen bedurft, weil die fehlende Betriebsbereitschaft der Anlage schon nach ihrem äußeren Erscheinungsbild evident war. Diese Einschätzung vermag der Senat jedenfalls anhand der dem Gutachten beigegebenen Lichtbildern selbst zu treffen. Da für sämtliche Verfahrensbeteiligten der äußerlich sichtbare Verfallszustand offenkundig war, hätte eine einfache Niederschrift hierüber ausgereicht.

4. Soweit das Landgericht die Grundsätze des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat, indem es eine den Beschwerdeführerinnen zuvor gewährte Stellungnahmefrist nicht abgewartet und vorzeitig entschieden hat, ist ein solcher Verfahrensfehler mittlerweile geheilt. Da das Beschwerdeverfahren eine neue Tatsacheninstanz eröffnet, die ohne Einschränkung das Vorbringen neuer Angriffs- oder Verteidigungsmittel erlaubt (§ 571 Abs. 2 S. 1 ZPO), konnten die Beschwerdeführerinnen ihre Interessen nachträglich vollumfänglich zur Geltung bringen. Auf die Versagung rechtlichen Gehörs allein kann eine Beschwerde nicht gestützt werden (vgl. BVerfGE 5, 22, 24).

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 221 Abs. 1 S.1 BauGB i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO. Hinsichtlich der für die Festsetzung des Beschwerdewerts maßgebenden Gründe nimmt der Senat auf seine Ausführungen im vorausgegangenen Beschluss vom 09.06.2005 Bezug.

Ende der Entscheidung

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