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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 16.03.1999
Aktenzeichen: UF 324/98
Rechtsgebiete: BGB, SGB VI, VAÜG


Vorschriften:

BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 2
SGB VI § 70 Abs. 2
SGB VI § 256 d
VAÜG § 2 Abs. 1
VAÜG § 2 Abs. 1 Nr. 2
VAÜG § 3 Abs. 2
Rechtliche Grundlage:

BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 2, SGB VI §§ 70 Abs. 2, 256 d; VAÜG §§ 2 Abs. 1, Nr. 2, 3 Abs. 2

1. Bezieht die ausgleichsberechtigte Ehefrau bereits eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und sind bei ihr Kindererziehungszeiten zu berücksichtigen, dann sind diese mit dem vollen Wert gemäß § 70 Abs. 2 SGB VI und nicht mit den gemäß § 256 d SGB VI für die Zeit bis zum 30.06.2000 gekürzten Werten anzusetzen.

2. Berechnung des Ausgleichsbetrages unter Anwendung des Angleichungsfaktors für angleichungsdynamische Anwartschaften.

Thüringer Oberlandesgericht, Familiensenat, Beschluß vom 16.03.1999 - UF 324/98 -


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluß

UF 324/98 4 F 203/97 (Amtsgericht Gotha)

In der Familiensache

- Antragstellerin -

Prozeßbevollmächtigter 1.Instanz: Rechtsanwalt

gegen

- Antragsgegner -

Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt G

Verfahrensbeteiligte:

1. Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Ruhrstraße 2, 10709 Berlin

- vertreten durch ihre Geschäftsführung -

(VSNR.: Antragstellerin )

- Beschwerdeführerin -

2. Landesversicherungsanstalt Thüringen Kranichfelder Straße 3, 99097 Erfurt

- vertreten durch ihren Geschäftsführer -

(VSNR.: Antragsgegner )

hat das Thüringer Oberlandesgericht in Jena, Senat für Familiensachen, auf die befristete Beschwerde der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 03.09.1998 gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Gotha vom 21.07.1998 hinsichtlich des Ausspruchs über den Versorgungsausgleich (Ziffern 1, 2) durch Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Schweikhardt, Richterin am Amtsgericht Martin und Richter am Amtsgericht Mummert

am 16.03.1999

beschlossen:

Tenor:

Der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Gotha vom 21.07.1998 wird hinsichtlich des Ausspruchs über den Versorgungsausgleich in Ziffern 1 und 2 abgeändert.

1. Vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Landesversicherungsanstalt Thüringen (VSNR.: 03 240638 A 022) werden auf das Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (VSNR.: 43 220938 B 513) Rentenanwartschaften von monatlich 270,60 DM, bezogen auf den 30.06.1997, übertragen.

Der Monatsbetrag ist in Entgeltpunkte (Ost) umzurechnen.

Dabei ist der aktuelle Rentenwert (Ost) mit seinem Wert bei Ehezeitende für die Ermittlung der Entgeltpunkte (Ost) mit dem Angleichungsfaktor 1,0429766 zu vervielfältigen.

2. Im übrigen wird den Parteien der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehalten.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben (§ 93 a ZPO).

4. Der Beschwerdewert wird auf 1.000,00 DM festgesetzt (§ 17 a Nr. 1 GKG).

Gründe:

Die gemäß der §§ 629 a Abs. 2, Satz 1, 621 e Abs. 1, 3 ZPO, 53 b Abs. 2 FGG zulässige Beschwerde, mit der vorgetragen wird, daß sich wegen des eingetretenen Rentenbezuges der Ehezeitanteil der Anwartschaften der Antragstellerin geändert habe, hat in der Sache Erfolg. Darüber hinaus war im Rahmen des Antrages der Beschwerdeführerin, den Versorgungsausgleich neu zu regeln, zu beachten, daß die Beschwerdeführerin bereits mit Schriftsatz vom 14.08.1998 gegenüber dem Familiengericht darauf verwiesen hat, daß hinsichtlich des verwendeten Angleichungsfaktors eine Unrichtigkeit gegeben sei.

Die Antragstellerin bezieht seit 01.10.1998 eine Vollrente wegen Alters.

Der Zahlbetrag der auf die Ehezeit vom 01.11.1958 bis 30.06.1997 bezogenen angleichungsdynamischen Rentenanwartschaften (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 VAÜG in Verbindung mit § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB) dieser Rente beträgt ausweislich der Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 24.09.1998 unter Berücksichtigung des Rentenreformgesetzes 1999

- in der Zeit vom 01.07.1998 bis 30.06.1999 monatlich 594,64 DM,

- in der Zeit vom 01.07.1999 bis 30.06.2000 monatlich 598,48 DM und

- ab 01.07.2000 monatlich 606,15 DM.

Darüber hinaus hat die Antragstellerin in der Ehezeit zusätzliche Rentenanwartschaften aus der Höherversicherung (§ 1587 a Abs. 2 Nr. 4 Buchstabe c BGB), die nicht den Rentenanpassungen unterliegen, in Höhe von monatlich 1,20 DM erworben.

Nach Auskunft der Landesversicherungsanstalt Thüringen vom 04.12.1997 hat der Antragsgegner in der Ehezeit angleichungsdynamische Rentenanwartschaften (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 VAÜG in Verbindung mit § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB) in Höhe von 1.125,64 DM monatlich erworben.

Entscheidend für die Durchführung des Versorgungsausgleichs ist zunächst die Beantwortung der Frage, welcher Wert der in der Auskunft für die Antragstellerin aufgeführten angleichungsdynamischen Anwartschaften der Berechnung zugrunde zu legen ist.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin, die offensichtlich meint, es käme - wegen § 307 d SGB VI und der damit verbundenen geringeren Berücksichtigung der Entgeltpunkte aus Kindererziehungszeiten - auf den Wert des Ehezeitanteils der gezahlten Rente im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an, vertritt der Senat ebenso wie Schmeiduch (FamRZ 1998, 533 ff) die Auffassung, daß es unabhängig vom gegenwärtigen Zahlbetrag der Rente auf die von der Antragstellerin in der Ehezeit erworbenen Entgeltpunkte ankommt.

Den Ausgangspunkt für die Überlegungen muß das System der gesetzlichen Rentenversicherung wie auch der Charakter der von den Parteien erworbenen Rentenanwartschaften bilden.

Eine Anwartschaft ist die rein tatsächliche Aussicht auf einen künftigen Rechtserwerb und hängt seiner Höhe nach im Rentenrecht ausgehend von der Rentenformel (§ 64 SGB VI) maßgeblich von der Anzahl der vom Versicherten erworbenen Entgeltpunkte ab, da im Falle einer Vollrente wegen Alters die Rentenart- und Rentenzugangsfaktoren jeweils 1 betragen und die persönlichen Entgeltpunkte multipliziert mit dem jeweiligen aktuellen Rentenwert die Höhe der Rente - oder beim Versorgungsausgleich des Ehezeitanteils - ergeben.

Die Bedeutung der Entgeltpunkte für den Versorgungsausgleich hat der BGH in einem zwar anders gelagerten Fall (Beschluß vom 15.10.1996, XII ZB 225/94, FamRZ 1997, 160) unterstrichen, als er ausführte: "Nach neuem Rentenrecht kommt es jedoch nicht mehr auf den Zahlbetrag der Rente an, sondern auf die Zahl der EP, die ihr zugrunde liegen."

Auf dem Rentenkonto eines Versicherten werden auch nicht Beiträge gutgeschrieben sondern Entgeltpunkte als zeitunabhängige Werte (Borth, Versorgungsausgleich in anwaltlicher und familiengerichtlicher Praxis, 2. Auflage, S. 207).

Es ist somit Schmeiduch (a.a.O.) zuzustimmen, der ausführt: " Rentenrechtliche Anwartschaften sind EP."

Gemäß § 70 Abs. 2 SGB VI in der ab 01.07.1998 geltenden Fassung hat die Antragstellerin für jeden Kalendermonat der Kindererziehungszeiten 0,0833

- statt früherer 0,0625 - Entgeltpunkte erhalten, so daß sich eine entsprechend höhere Gesamtzahl von Entgeltpunkten bereits auf ihrem Rentenkonto befindet. Jedoch werden diese Entgeltpunkte bei Bezug einer Rente vor dem 01.07.2000 - wie vorliegend - gemäß § 256 d SGB VI ab 01.07.1998 nur zu 85 % und ab 01.07.1999 nur zu 90 % für die Leistung berücksichtigt.

Wenn nunmehr - wie die Beschwerdeführerin anregt - bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs vom gegenwärtigen angleichungsdynamischen Zahlbetrag des Ehezeitanteils in Höhe von 594,64 DM ausgegangen würde, würden letztlich wegen der nachfolgenden Division dieses Wertes durch den aktuellen Rentenwert (Ost) weniger Entgeltpunkte der Antragstellerin in den Versorgungsausgleich einbezogen werden als sie hat. Die Folge wäre eine Übertragung von mehr Entgeltpunkten vom Rentenversicherungskonto des Antragsgegners auf das der Antragstellerin.

Zwar würde in diesem Fall bis zum 30.06.1999 eine ausgewogene Verteilung der Rentenanwartschaften der Parteien unter dem Gesichtspunkt des Zahlbetrages erreicht, jedoch würde sich das Bild ab 01.07.1999 bereits etwas zu Lasten des Antragsgegners verschieben und schließlich ab 01.07.2000 - wenn sich die Kindererziehungszeiten der Antragstellerin zu 100 % auf die Rentenleistung auswirken - auf Dauer den Halbteilungsgrundsatz (§ 1587 a Abs. 1 Satz 2 BGB) verletzen.

Eine Abänderung der Entscheidung wäre dann grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des § 10 a VAHRG möglich, wobei bereits jetzt absehbar ist, daß die hier vorzunehmende Abänderung unter den Wesentlichkeitswerten des § 10 a Abs. 2 Satz 2 VAHRG zurück bliebe, wenn Ausgangspunkt der vom Senat zu treffenden Entscheidung ein angleichungsdynamischer Ehezeitanteil der Antragstellerin von 594,64 DM wäre.

Im Verhältnis zur dauernden Unausgewogenheit des Versorgungsausgleichs ab 01.07.2000 ist es der Antragstellerin aber eher zuzumuten, eine geringe Einbuße im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich bis zu diesem Zeitpunkt hinzunehmen.

Im übrigen hat sie gegebenenfalls - vom Senat nicht zu entscheiden - die Möglichkeit, die sich ergebende geringfügige Differenz der Rentenzahlbeträge der Ehezeitanteile im Wege des schuldrechtlichen Versorgungsausgleiches, der den Parteien insoweit vorzubehalten war, geltend zu machen.

Die schließlich denkbare Möglichkeit, den Versorgungsausgleich in der Weise durchzuführen, daß für die Zeiten ab 01.07.1998, 01.07.1999 und 01.07.2000 jeweils verschiedene Ausgleichsbeträge festgesetzt würden, um die Antragstellerin nicht allein die zunächst geringere Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten für die Rentenleistung tragen zu lassen, scheitert - wie ausgeführt - zum einen am Verständnis des Anwartschaftsbegriffs und zum anderen am versorgungsausgleichsrechtlichen Grundsatz der einseitigen Ausgleichsrichtung.

Nach § 1587 a Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Ehegatte mit den werthöheren Anwartschaften ausgleichspflichtig.

Ein ab 01.07.1999 und 01.07.2000 jeweils geringer werdender Ausgleichbetrag - als der nach dem Zahlbetrag des Ehezeitanteils der Antragstellerin seit 01.07.1998 sich ergebende - würde zu diesen Terminen eine Rückübertragung bereits auf die Antragstellerin übertragener Anwartschaften erforderlich machen.

Zur Durchführung des Versorgungsausgleichs ist eine Gesamtbilanz aufzustellen. Dabei verbietet sich aufgrund der fehlenden Dynamik der Zusatzleistung (Höherversicherung) der Antragstellerin eine einfache Saldierung der Werte, da sonst auch hier der Halbteilungsgrundsatz (§ 1587 a Abs. 1 Satz 1 BGB) verletzt würde.

Da die Höherversicherung der Antragstellerin nicht aus einem Deckungskapital gewährt wird, ist die Höherversicherung zunächst gemäß § 1587 a Abs. 3 Nr. 2 BGB über den Barwert zu dynamisieren, um eine Vergleichbarkeit mit den gesetzlichen Rentenanwartschaften zu erreichen.

Dazu ist die Jahresrente von (12 x 1,20 DM =) 14,40 DM nach der Tabelle 1 der Barwertverordnung - im Ehezeitende wurde noch keine Rente geleistet - und der Anmerkung Nr. 1 hierzu in Verbindung mit der Tabelle 2 nebst der dortigen Anmerkung Nr. 1 (§ 2 Abs. 2 Barwertverordnung) bei einem Alter der Antragstellerin im Ehezeitende von 58 Jahren mit dem Barwertfaktor 10,296 zu multiplizieren und der sich daraus ergebende Barwert von 148,26 DM mit dem Umrechnungsfaktor Beiträge in Entgeltpunkte von 0,0000915531 zu vervielfältigen. Das Ergebnis von 0,0136 Entgeltpunkten multipliziert mit dem aktuellen Rentenwert im Ehezeitende von 46,67 DM ergibt wiederum 0,63 DM, die den dynamischen Wert der Zusatzleistung der Antragstellerin in der gesetzlichen Rentenversicherung darstellen.

In der Zwischenbilanz verfügt die Antragstellerin über 606,15 DM angleichungsdynamische sowie 0,63 DM dynamische Rentenanwartschaften und hat damit weniger ehezeitliche Rentenanwartschaften erworben als der Antragsgegner.

Der Versorgungsausgleich kann und muß bereits jetzt durchgeführt werden, da beide Parteien in ihrer Ehezeit keine angleichungsdynamischen Rentenanwartschaften minderer Art erworben haben sowie bei Rentenbezug der Antragstellerin nur dynamische und angleichungsdynamische Anwartschaften zu berücksichtigen sind (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VAÜG).

Nunmehr sind die angleichungsdynamischen Rentenanwartschaften der Parteien gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 a VAÜG mit dem bezogen auf das Ehezeitende im Entscheidungszeitpunkt geltenden Angleichungsfaktor von 1,0429766 zu vervielfachen.

Die angleichungsdynamischen Anwartschaften der Antragstellerin entsprechen danach dynamischen Anwartschaften von 632,20 DM und die des Antragsgegners solchen von 1.174,02 DM. Unter Berücksichtigung der in eine dynamische Rentenanwartschaft umgerechneten Höherversicherung der Antragstellerin verfügt sie über monatliche Rentenanwartschaften von insgesamt 632,83 DM Ausgleichspflichtig ist deshalb der Antragsgegner, da er gegenüber der Antragstellerin über werthöhere monatliche Rentenanwartschaften verfügt (§ 1587 a Abs. 1 S. 1 BGB) und dem berechtigten Ehegatten als Ausgleich die Hälfte des Wertunterschiedes zusteht (§ 1587 a Abs. 1 Satz 2 BGB). Dieser hälftige Wertunterschied beträgt ((1.174,02 DM - 632,83 DM) : 2 =( 270,60 DM und ist vom Konto des Antragsgegners auf das der Antragstellerin zu übertragen.

Die Anordnung der Umrechnung in Entgeltpunkte (Ost) und der Vervielfältigung des aktuellen Rentenwertes (Ost) mit dem Angleichungsfaktor folgt aus § 3 Abs. 2 Nr. 2 VAÜG.

Ende der Entscheidung

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