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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 13.12.2007
Aktenzeichen: 1 KO 1019/06
Rechtsgebiete: GG, ThürHG


Vorschriften:

GG Art. 12 Abs. 1
ThürHG § 107a Abs. 6
Wechselt ein Student im Vertrauen auf die Gebührenfreiheit des Studiums vor Einführung von Langzeitstudiengebühren das Studienfach und ist dieser Wechsel hauptursächlich für die Entstehung der Gebührenpflicht, so kann das im Einzelfall ausnahmsweise zu einer unbilligen Härte im Sinne des § 107a Abs. 6 Satz 3 ThürHG führen.
THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 1. Senat - Im Namen des Volkes Urteil

1 KO 1019/06 In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Hochschulrecht (ohne NC-Verfahren) einschl. hochschulrechtliche Abgaben, hier: Berufung

hat der 1. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Schwan, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Hüsch und die an das Gericht abgeordnete Richterin am Verwaltungsgericht von Saldern ohne mündliche Verhandlung am 13. Dezember 2007 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 6. April 2005 - 2 K 238/05 Ge - abgeändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 4. Oktober 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2005 verpflichtet, dem Kläger die Langzeitstudiengebühr in Höhe von 500,00 € für das Wintersemester 2004/2005 zu erlassen.

Die Beklagte hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Klägers vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt den Erlass von Langzeitstudiengebühren für das Wintersemester 2004/2005.

Zum Wintersemester 1997/98 schrieb sich der Kläger bei der Beklagten zum Studium für das Fach Betriebswirtschaft ein. Im Sommersemester 2000 nahm er ein Urlaubssemester und wechselte dann im Wintersemester 2000/2001 den Studiengang zum Fach Wirtschaftsingenieurwesen.

Bereits mit Schreiben vom 29. März 2003 stellte er bei der Beklagten einen Antrag auf Erlass von Langzeitstudiengebühren wegen unbilliger Härte. Diesen begründete er im Wesentlichen damit, dass er finanziell nicht in der Lage sei, die Gebühren zu bezahlen, weil er nur über ein monatliches Einkommen von 450,00 € verfüge. Am 25. April 2003 trat das "Erste Gesetz zur Änderung des Thüringer Hochschulgesetzes" in Kraft, durch das die Thüringer Hochschulen verpflichtet wurden, ab dem Wintersemester 2004/2005 Langzeitstudiengebühren zu erheben.

Mit Bescheid vom 17. Juni 2004 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger für das Wintersemester 2004/2005 eine Langzeitstudiengebühr in Höhe von 500,00 € fest. Dabei wurden bei der Berechnung der gebührenfreien Zeit die fünf Semester im Fach Betriebswirtschaft vollständig in Ansatz gebracht.

Den gegen den Bescheid vom 17. Juni 2004 erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. August 2004 zurück. Zur Begründung stützte sie sich auf § 107a Abs. 1 ThürHG. Die Vorschrift sei eine rechtmäßige Ermächtigungsgrundlage. Insbesondere sei die Bestimmung verfassungsgemäß. Der Frage, ob die Gebührenfreiheit zuvor in Thüringen ausdrücklich im Gesetz verankert gewesen sei, komme keine besondere vertrauensschützende Bedeutung zu. Die für die Erhebung einer Gebühr immer erforderliche Ermächtigungsgrundlage sei vorhanden.

Durch Bescheid vom 4. Oktober 2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erlass der Langzeitstudiengebühr ab. Ein Erlass wegen einer wirtschaftlichen Notlage komme gemäß § 107a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 ThürHG nur bei zeitlich unmittelbarer Nähe zum letzten Abschnitt der Abschlussprüfung in Betracht. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 29. Oktober 2004 Widerspruch bei der Beklagten ein, den er im Wesentlichen damit begründete, dass er bezogen auf sein jetziges Studium kein Langzeitstudent sei. Die Gebühr werde nur erhoben, weil er im Wintersemester 2000/2001 sein Studienfach gewechselt habe. Zu diesem Zeitpunkt habe er nicht damit rechnen müssen, wegen dieses Wechsels später einmal Studiengebühren zahlen zu müssen. Es sei ihm schlechterdings nicht möglich gewesen, sein Studium so rechtzeitig abzuschließen, dass er die Erhebung der Studiengebühr hätte vermeiden können. Da er sich zudem in einer wirtschaftlichen Notlage befinde, sei die Gebühr zu erlassen.

Die Beklagte wies den Widerspruch durch Bescheid vom 13. Januar 2005 mit der Begründung zurück, dass die Anrechnung von Studienzeiten vor einem Studienfachwechsel nicht zu beanstanden sei. Die allgemeine gesetzliche Regelung, wonach erst bei einer Überschreitung der Regelstudienzeit um mehr als vier Semester eine Langzeitstudiengebühr erhoben werde, ermögliche Betroffenen bereits eine anfängliche Orientierungsphase. Zudem bleibe ein einmaliger Wechsel des Studienganges bis zum Abschluss des zweiten Semesters unberücksichtigt. Das alleinige Bestehen einer wirtschaftlichen Notlage reiche nicht aus, weil diese nach dem Willen des Gesetzgebers nur bei zeitlicher Nähe zum letzten Abschluss zu einer unbilligen Härte führe (§ 107a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ThürHG).

Sowohl gegen die Festsetzung der Langzeitstudiengebühr als auch wegen der Ablehnung des Antrages auf Erlass wegen unbilliger Härte hat der Kläger jeweils gesondert fristgerecht Klage beim Verwaltungsgericht Gera erhoben.

Die auf Aufhebung des die Langzeitstudiengebühr festsetzenden Bescheides gerichtete Klage ist, hat das Verwaltungsgericht Gera durch Urteil vom 6. April 2005 - 2 K 1345/04 Ge - im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Bestimmung des § 107a ThürHG verstoße nicht gegen Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG und auch nicht gegen das Verbot unzulässiger Rückwirkung. Die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers hat der erkennende Senat durch Urteil vom heutigen Tag (Az. 1 KO 1020/06) zurückgewiesen.

Durch Urteil vom 6. April 2005 - 2 K 238/05 Ge - hat das Verwaltungsgericht die Klage des Klägers auf Verpflichtung der Beklagten zum Erlass der Langzeitstudiengebühren abgewiesen. Diese Entscheidung hat es im Wesentlichen damit begründet, dass eine wirtschaftliche Notlage nur nach Maßgabe des § 107a Abs. 6 Satz 2 Nr. 3 ThürHG in zeitlich unmittelbarer Nähe zum letzten Abschnitt der Abschlussprüfung berücksichtigt werden könne und nicht im Rahmen des § 107a Abs. 6 Satz 3 ThürHG.

Im Sommersemester 2005 schloss der Kläger sein Studium erfolgreich ab.

Auf seinen Antrag hat der Senat die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 6. April 2005 - 2 K 238/05 Ge - mit Beschluss vom 24. November 2006 zugelassen.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass er sich wegen seines geringen Einkommens von etwa 400,00 € monatlich in einer wirtschaftlichen Notlage befunden habe. Dieser Umstand sei bei der allgemeinen Härtefallprüfung im Rahmen des § 107a Abs. 6 Satz 3 ThürHG zu berücksichtigen, da die Erhebung der Studiengebühr einen Studenten nur finanziell treffe. Es komme hinzu, dass es ihm nicht möglich gewesen sei, sein Studium innerhalb der Übergangsfrist des § 135b Abs. 6 ThürHG zu beenden, weil ihm Studienzeiten eines früheren Studienganges angerechnet worden seien. Nicht die überlange Studiendauer in dem aktuellen Studiengang, sondern der vorherige Studienfachwechsel sei ursächlich für die Fristüberschreitung. Die mit der Bestimmung des § 107a Abs. 3 Satz 1 ThürHG, wonach nur ein Studienfachwechsel nach zwei Semestern unberücksichtigt bleibt, beabsichtigte Lenkungswirkung könne nicht mehr greifen. Er könne seinen Studienfachwechsel nach fünf Semestern nicht mehr nachträglich rückgängig machen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 6. April 2005 - 2 K 238/05 Ge - zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 4. Oktober 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Studiengebühren für das Wintersemester 2004/2005 zu erlassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass es an einer unzumutbaren Härte fehle. Es seien Umstände zu fordern, die außerhalb der Sphäre des Betroffenen lägen und schwere Nachteile zur Folge hätten, die sich auf die Studienzeit verlängernd auswirkten. Der Kläger habe den Studiengangwechsel jedoch selbst zu vertreten. Unerheblich sei, dass der Studiengangwechsel vor Einführung der Langzeitstudiengebühr vollzogen worden sei, weil der Kläger nicht auf ein gebührenfreies Studium habe vertrauen dürfen. Das Gesetz unterscheide gerade nicht zwischen Langzeitstudierenden eines Studienganges und Langzeitstudierenden wegen eines Studiengangwechsels.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten (eine Heftung) und das Urteil des Senats vom heutigen Tage in dem Verfahren 1 KO 1020/06, mit dem die Berufung des Klägers wegen der Festsetzung der Langzeitstudiengebühr für das Wintersemester 2004/2005 zurückgewiesen worden ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat ist zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren befugt, nachdem die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben (vgl. §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).

Die vom Senat zugelassene Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 4. Oktober 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2005, mit der sie es ablehnt, dem Kläger die Langzeitstudiengebühr für das Wintersemester 2004/2005 zu erlassen, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

Die Beklagte hat zwar die Langzeitstudiengebühr für das Wintersemester 2004/2005 rechtmäßig festgesetzt (vgl. Urteil vom heutigen Tage im Verfahren 1 KO 1020/06). Der Kläger hat jedoch einen Anspruch auf Erlass der Langzeitstudiengebühr gemäß § 107a Abs. 6 Satz 1 ThürHG (galt bis zum 31. Dezember 2006; vgl. die aktuelle inhaltsgleiche Regelung in § 5 Abs. 6 Thüringer Hochschulgebühren- und -entgeltgesetz vom 21. Dezember 2006 - ThürHGEG -, GVBl. S. 601). Nach der vorgenannten Bestimmung kann die Langzeitstudiengebühr auf Antrag im Einzelfall teilweise oder ganz erlassen werden, wenn ihre Einziehung zu einer unbilligen Härte führen würde. Dies ist beim Kläger der Fall ( 1. ). Er hat auch einen Anspruch auf vollständigen Erlass der Gebühr ( 2. ).

( 1. ) Die Einziehung der Langzeitstudiengebühr für das Wintersemester 2004/2005 würde für den Kläger zu einer unbilligen Härte führen. Nach § 107a Abs. 6 Satz 2 ThürHG liegt eine unbillige Härte in der Regel u. a. bei studienzeitverlängernden Auswirkungen einer wirtschaftlichen Notlage in zeitlich unmittelbarer Nähe zum letzten Abschnitt der Abschlussprüfung vor (Nr. 3). Hierauf kann sich der Kläger nicht mit Erfolg unter Hinweis auf sein geringes Einkommen nach Maßgabe des § 107a Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 ThürHG berufen, weil er sich im Wintersemester noch nicht in zeitlich unmittelbarer Nähe zum letzten Abschnitt der Abschlussprüfung befand. Es besteht jedoch eine unzumutbare Härte aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls im Sinne des § 107a Abs. 6 Satz 3 ThürHG. Es kann dahin stehen, wie dieser unbestimmte Rechtsbegriff bezogen auf Studenten, die ihr Studium erst nach Inkrafttreten des § 107a ThürHG am 25. April 2003 (vgl. Art. 4 des Gesetzes zur Änderung des Thüringer Hochschulgesetzes und des Thüringer Gesetzes über die Aufhebung der Pädagogischen Hochschule Erfurt vom 10. April 2003 - Gesetz vom 10. April 2003 - GVBl. S. 213) aufgenommen haben, zu konkretisieren ist. Der Kläger hat sein Studium bereits im Wintersemester 1997/98 und damit lange vor Inkrafttreten des § 107a ThürHG aufgenommen. Die Bestimmung des § 107a ThürHG entfaltet bei Personen, die bei Inkrafttreten des § 107a ThürHG bereits studierten, unechte Rückwirkung. Zur Berechnung der gebührenfreien Zeiten nach § 107 Abs. 3 Satz 2 ThürHG werden alle Studienzeiten an einer deutschen Hochschule berücksichtigt. Es wird also auch an Zeiträume bzw. Umstände angeknüpft, die vor Inkrafttreten des § 107a ThürHG liegen. Dass die Bestimmung des § 107a ThürHG auch für Studenten gilt, die bereits vor ihrem Inkrafttreten studierten und damit unechte Rückwirkung entfaltet, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Urteil vom heutigen Tag im Verfahren 1 KO 1020/06 und BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001 - 6 C8.00 - BVerwGE 115, 32-50, zu der vergleichbaren Regelung in Baden-Württemberg). Insbesondere begründet der Umstand, dass in Thüringen in § 107 Abs. 1 ThürHG die Gebührenfreiheit ausdrücklich benannt ist, keinen Vertrauenstatbestand, der es rechtfertigen würde, von einer Festsetzung der Gebühr bei Studenten, die schon vor Einführung der Langzeitstudiengebühr studierten, prinzipiell abzusehen (vgl. dazu Urteil vom heutigen Tag im Verfahren 1 KO 1020/06). Bei dem Kläger besteht aber aufgrund besonderer, einzelfallbezogener Umstände eine unzumutbare Härte im Sinne des § 107a Abs. 6 Satz 3 ThürHG. Um den berechtigten Interessen der Studenten, die ihr Studium vor der Einführung von Langzeitstudiengebühren aufgenommen und auf die Gebührenfreiheit vertraut haben, gerecht zu werden, hat der Thüringer Gesetzgeber eine Übergangsregelung geschaffen, die es den Betroffenen ermöglichte, sich auf die Gebührenregelung einzustellen bzw. das Studium vor Eintritt der Gebührenpflicht zu beenden. Eine solche den Vertrauensschutzinteressen hinreichend Rechnung tragende Übergangsregelung enthält § 135b Abs. 6 ThürHG, wonach erstmalig zum Wintersemester 2004/2005, also erst mehr als ein Jahr nach Inkrafttreten des § 107a ThürHG, Langzeitstudiengebühren erhoben werden durften (vgl. Urteil vom heutigen Tag im Verfahren 1 KO 1020/06). Bei der Anwendung der Bestimmung des § 107a ThürHG ist es jedoch aus Vertrauensschutzgesichtspunkten verfassungsrechtlich geboten, einen Gebührenerlass dann in Betracht zu ziehen, wenn ein Betroffener auch unter Ausschöpfung der Übergangsfrist in außergewöhnlichen Fällen sein Studium nicht vor Eintritt der Gebührenpflicht beenden kann (BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001 - 6 C 8.00 - BVerwGE 115, 32-50). Ein solcher außergewöhnlicher Fall liegt hier vor. Der Kläger hatte keine zumutbare Möglichkeit, der Festsetzung der Gebühr für das Wintersemester 2004/2005 durch ein zügiges Studium zu entgehen. Er befand sich im Wintersemester 2004/2005 im 9. Fachsemester seines Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen, hatte die Regelstudienzeit von acht Semestern also gerade beendet. Bei Einbeziehung der fünf Semester im Fach Betriebswirtschaft, die bei der Berechnung der gebührenfreien Zeit nicht nach § 107 Abs. 3 Satz 1 ThürHG in Abzug gebracht werden konnten, war die Festsetzung der Gebühr für das Wintersemester 2004/2005 nicht zu vermeiden. Insbesondere durfte im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber bei der Berechnung des gebührenfreien Zeitraums vier Toleranzsemester in Ansatz bringt, vom Kläger nicht verlangt werden, das Studium exakt innerhalb der Regelstudienzeit - mit Ablauf des Sommersemesters 2004 - zu beenden, um der Erhebung der Gebühr zu entgehen. Denn dann wäre er gegenüber anderen Studierenden unangemessen benachteiligt worden. Die Toleranzfrist trägt dem Umstand Rechnung, dass viele Studenten ihren Lebensunterhalt ganz oder teilweise selbst finanzieren. Das traf auch auf den Kläger zu.

Die Einbeziehung der fünf Semester Betriebswirtschaft nach § 107a Abs. 3 Satz 2 ThürHG führt beim Kläger zu einer unbilligen Härte, weil er in dem Zeitpunkt des Studienfachwechsels im Jahre 2000 auf die Gebührenfreiheit vertraut hat und nicht damit rechnen musste, dass bei Einführung von Langzeitstudiengebühren nur ein Studienfachwechsel bis zum zweiten Semester anrechnungsfrei bleiben würde. Schließlich hätte der Gesetzgeber angesichts des ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraums auch einen späteren Studienfachwechsel anrechnungsfrei lassen können. Mit dem Studienplatzwechsel im Jahre 2000 hat der Kläger eine Entscheidung getroffen, die er bezogen auf die Entstehung der Gebührenpflicht im Jahre 2004 nicht mehr rückgängig machen konnte. Es war ihm im Jahr 2000 unmöglich, die Folgen seines Handelns im Hinblick auf die Entstehung der Gebührenpflicht im Jahre 2004 abzusehen und seine Entscheidung daran auszurichten.

( 2. ) Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Erlass der Langzeitstudiengebühr für das Wintersemester 2004/2005 und nicht nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung durch die Beklagte. Dem steht nicht entgegen, dass die Bestimmung des § 107a Abs. 6 ThürHG ihrem Wortlaut nach als Ermessenvorschrift ausgestaltet ist. Der Begriff der "unbilligen Härte" auf der Tatbestandsseite prägt den Zweck der Ermessensermächtigung entscheidend und bestimmt das Steuerungsprogramm sowie hierfür beachtliche Kriterien, weil Sinn und Zweck des § 107a Abs. 6 ThürHG ist, unbillige Härten zu vermeiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juli 1998 - 5 C 14/97 - BVerwGE 107, 164-169 zu § 25 Abs. 6 BaföG). Daraus folgt, dass bei Vorliegen einer unbilligen Härte das durch § 107a Abs. 6 Satz 1 ThürHG eingeräumte Ermessen grundsätzlich in Richtung auf Erlass der Langzeitstudiengebühren auszuüben ist, es sei denn, es liegen außergewöhnliche Umstände vor, die ausnahmsweise eine andere Entscheidung rechtfertigen (sog. intendiertes Ermessen). Derartige außergewöhnliche Umstände sind bezogen auf den Kläger jedoch nicht vorgetragen und auch ansonsten nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (vgl. § 132 VwGO).

Beschluss

Der Streitwert wird auch für das zweitinstanzliche Verfahren auf 500,00 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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