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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 28.05.2003
Aktenzeichen: 1 KO 42/00
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO, BauO, ThürVwVfG, ThürBO


Vorschriften:

BauGB § 34 Abs 2
BauNVO § 10 Abs 1
BauO § 66
ThürVwVfG § 38
ThürBO § 70 Abs 1
Eine Ansammlung von Wochenendhäusern kann ein faktisches Wochenendhausgebiet i.S.d. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 10 Abs. 1 BauNVO darstellen und damit auch einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB bilden.

Ein Bauantrag ist nicht genehmigungsfähig, wenn er nur Veränderungen an einem ungenehmigten Gebäudebestand zum Gegenstand hat.


THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

- 1. Senat - 1 KO 42/00

wegen Bauplanungs-, Bauordnungs- und Städtebauförderungsrecht,

hier: Berufung

Verkündet am 28.05.2003

hat der 1. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Strauch, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Hüsch und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Preetz aufgrund der mündlichen Verhandlung

vom 28. Mai 2003 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 5. Mai 1998 - 1 K 31/98.We - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beklagten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Baugenehmigung für Veränderungen an ihrem Gebäude auf dem Flurstück a____, Flur 2 der Gemarkung Tiefthal (Z_____ in Erfurt-Tiefthal).

Das Flurstück a bestand ursprünglich aus 38 Parzellen, die inzwischen fast alle bebaut sind und aus denen Teilflurstücke gebildet wurden; Eigentümer des Flurstücks ist der Verein "Wochenendhaussiedlung Tiefthal III, Am Kirschberg". Dessen Vorgängerin, der "Interessengemeinschaft Wochenendsiedler", hatte der Ministerrat der DDR am 9. Mai 1989 eine Standortgenehmigung für die Errichtung von 37 Bungalows mit einer Größe bis 35 qm erteilt. Nachdem im Bereich der Wochenendhaussiedlung eine Vielzahl von Gebäuden errichtet worden waren, die teilweise eine größere Grundfläche als 35 qm aufwiesen, fand am 14. Juni 1994 ein Abstimmungsgespräch zwischen dem Bürgermeister der seinerzeit noch nicht in die Stadt Erfurt eingegliederten Gemeinde Tiefthal, Mitarbeitern des Bauordnungsamtes Erfurt sowie Vertretern des Vereins statt. Nach einem Protokoll über das Gespräch kamen die Anwesenden u. a. überein, dass vorläufig einer Dauernutzung der Gebäude nicht zugestimmt werde und dass die bebaute und überdachte Fläche der Gebäude 70 qm nicht überschreiten solle.

Am 22. Oktober 1996 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für ihr als "Erweiterung Ferienhaus" bezeichnetes Vorhaben. Dem Antrag waren Bauvorlagen beigefügt, aus denen sich der bereits vorhandene Gebäudebestand und dessen Veränderungen ergaben.

Mit Bescheid vom 10. März 1997 lehnte die Beklagte die Erteilung der beantragten Baugenehmigung ab. Zur Begründung führte sie aus, das Vorhaben der Klägerin sei bauplanungsrechtlich nach § 35 BauGB zu beurteilen. Nach § 35 Abs. 2 BauGB könne das Vorhaben nicht genehmigt werden, denn es lasse die Erweiterung und Verfestigung einer unerwünschten Splittersiedlung befürchten.

Die Klägerin legte unter dem 24. März 1997 Widerspruch gegen diesen Bescheid ein.

Das Thüringer Landesverwaltungsamt wies den Widerspruch der Klägerin mit am 10. Dezember 1997 zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 1997 zurück. Es führte aus, das von der Klägerin geplante Vorhaben sei bauplanungsrechtlich unzulässig. Es sei nach § 35 BauGB zu beurteilen, denn die Wochenendhaussiedlung "Am Kirschberg" nehme nicht am Bebauungszusammenhang der Gemeinde Tiefthal teil; auch stelle sie keinen eigenen Ortsteil dar. Die Bebauung bestehe teilweise aus Wohnhäusern, teilweise aus Wochenendhäusern, sei völlig regellos und weise keine organische Siedlungsstruktur auf. Das Vorhaben der Klägerin könne nicht genehmigt werden, weil die Erweiterung einer unerwünschten Splittersiedlung befürchtet werden müsse. Auch sei eine ausreichende Erschließung nicht gesichert. Die am 14. Juni 1994 protokollierten "Richtlinien" stellten keine verwaltungsverfahrensrechtliche Zusicherung dar.

Am 7. Januar 1998 hat die Klägerin bei dem Verwaltungsgericht Weimar Klage erhoben. Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, die Beklagte habe ihren Bauantrag unter Missachtung der Grundsätze der Selbstbindung der Verwaltung abgelehnt. Ihr - der Klägerin - Vorhaben halte sich innerhalb des bei dem Gespräch am 14. Juni 1994 vereinbarten Rahmens. Den Eigentümern der Wochenendhäuser sei zugesagt worden, einer Erweiterung innerhalb der nach dem Protokoll über dieses Gespräch vereinbarten Größenordnung stehe nichts im Wege und ein entsprechender Bauantrag werde genehmigt werden. Durch die Festlegungen in dem Gesprächsprotokoll sei eine verbindliche Vorentscheidung getroffen worden, und zwar entweder in Gestalt eines Bauvorbescheides oder einer verwaltungsverfahrensrechtlichen Zusage. Auch seien die Erweiterungsmaßnahmen aufgrund der Standortgenehmigung des Ministerrats der DDR zulässig. Grundfläche und Außenmauern ihres - der Klägerin - Hauses, das 1989 bauaufsichtlich genehmigt worden sei, blieben unverändert. Die Standortgenehmigung sei durch die Zusagen der Gemeinde Tiefthal modifiziert worden. Überdies sei der maßgebende Bereich nicht als Außenbereich anzusehen. Jedenfalls könne von einer Beeinträchtigung öffentlicher Belange i. S. d. § 35 BauGB nicht die Rede sein, denn der Bürgermeister der Gemeinde Tiefthal habe die Bebauung im maßgebenden Bereich zugelassen. Auch eine Splittersiedlung liege nicht vor. Durch ihr - der Klägerin - Vorhaben ändere sich zudem nichts an der Art und Weise der Besiedlung, so dass auch die Erweiterung einer Splittersiedlung nicht zu befürchten sei. Die beantragte Baugenehmigung sei ferner unter den Gesichtspunkten des Bestandsschutzes und der Gleichbehandlung zu erteilen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Baugenehmigung für das Vorhaben "Erweiterung Ferienhaus" zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, die protokollierten Festlegungen in dem Gespräch am 14. Juni 1994 stellten keinen Bauvorbescheid und keine verwaltungsverfahrensrechtliche Zusicherung dar; das Protokoll entspreche bereits nicht dem Erfordernis der Schriftform. Auch sei die Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des zur Genehmigung gestellten Vorhabens unabhängig von der Standortgenehmigung des Ministerrats der DDR zu beurteilen. Das Flurstück a liege im Außenbereich, der deutlich von der Ortslage Tiefthals abgesetzt sei. Die Bebauung in der näheren Umgebung bestehe aus Garten- und kleinen Wohnhäusern, sei willkürlich angeordnet und in der "Art und Weise" unterschiedlich. Das Vorhaben der Klägerin lasse die Erweiterung einer unerwünschten Splittersiedlung befürchten. Die Erschließung sei nicht gesichert.

Das Verwaltungsgericht hat am 5. Mai 1998 Beweis darüber erhoben, ob die Erschließung des Flurstücks a_ gesichert ist und ob das Gebäude der Klägerin in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil oder im Außenbereich liegt.

Mit Urteil vom selben Tage - 1 K 31/98.We - hat es die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, das Vorhaben der Klägerin sei nach § 35 BauGB zu beurteilen. Es bestehe kein Bebauungszusammenhang mit der Ortslage Tiefthals. Die Tatsache, dass die Grundstücke im maßgebenden Bereich mit zum Wohnen genutzten Gebäuden, überwiegend aber mit Wochenendhäusern bebaut seien, mache die Anlage "Am Kirschberg" auch nicht selbst zu einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil. Maßgebend sei insoweit, dass die betreffenden Anlagen dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienten. Nach dem Ergebnis der Augenscheinseinnahme würden nur drei Häuser zweifelsfrei zum Wohnen bzw. zum ständigen Aufenthalt genutzt. Bei den übrigen Gebäuden lasse sich eine Wohnnutzung nicht eindeutig erkennen. Bei zahlreichen Gebäuden dränge sich schon wegen ihrer Größe und Ausgestaltung auf, dass sie überwiegend kleingärtnerischen und Erholungszwecken dienten; derartige Gebäude könnten nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keinen eigenen Ortsteil bilden. Das Vorhaben der Klägerin sei bauplanungsrechtlich unzulässig, denn es lasse die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten. Es sei zweifelhaft, ob die Klägerin ihr nach der Beweisaufnahme dauerhaft bewohntes Haus künftig allein als Wochenendhaus nutzen wolle. Selbst wenn sie eine Nutzung für Erholungszwecke beabsichtige, überschreite es das hierfür erforderliche Maß erheblich. Aus dem Protokoll über das Gespräch am 14. Juni 1994 könne die Klägerin nichts für sich herleiten. Dieses Protokoll stelle schon wegen der fehlenden Schriftform weder einen Bauvorbescheid noch eine verwaltungsverfahrensrechtliche Zusicherung dar. Auch lasse sich daraus nicht eine konkludente Zusicherung der Bauaufsichtsbehörde herleiten. Ein Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung folge auch nicht auf der Grundlage des überwirkenden Bestandsschutzes. Auch bestehe kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht, so dass die Klägerin sich auch nicht darauf berufen könne, in ihrer Umgebung sei die Erweiterung eines Wochenendhauses genehmigt worden.

Auf den Antrag der Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 26. Januar 2000 die Berufung zugelassen.

Die Klägerin trägt im Berufungsverfahren vor, sie habe einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung, denn der frühere Bürgermeister der Gemeinde Tiefthal habe den Nutzern der Grundstücke in der Anlage "Am Kirschberg" zugesagt, bauliche Veränderungen unter Einhaltung der im Protokoll über das Gespräch am 14. Juni 1994 festgehaltenen Richtlinien zu genehmigen; ihrer - der Klägerin - Nachbarin sei daraufhin auch eine Baugenehmigung erteilt worden. Das Protokoll stelle einen Bauvorbescheid oder eine Zusicherung dar. Die beantragte Baugenehmigung sei auch im Hinblick auf die Standortgenehmigung aus dem Jahre 1989 zu erteilen. Überdies sei ihr - der Klägerin - Gebäude 1989 bauaufsichtlich genehmigt worden; genehmigt worden sei im Jahre 1990 auch die Vollunterkellerung. Die Grundfläche ihres Gebäudes habe seit jeher 35 qm betragen; die geplante Erweiterung betreffe das entsprechend der Genehmigung errichtete Gebäude.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 5. Mai 1998 - 1 K 31/98.We - abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 27. Februar 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 4. Dezember 1997 zu verpflichten, die beantragte Baugenehmigung für ihr Vorhaben "Erweiterung Ferienhaus" in Erfurt-Tiefthal, Z______________ in der Siedlung "Tiefthal III, Am Kirschberg" zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt im Wesentlichen vor, selbst wenn man die Standortgenehmigung aus dem Jahre 1989 einer planungsrechtlichen Festsetzung gleichachte, ergebe sich daraus kein Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung. Nach der Standortgenehmigung seien nur Bungalows mit einer Grundfläche bis zu 35 qm zulässig gewesen. Die Erweiterung des Hauses der Klägerin sei im Verhältnis zu der bereits bestehenden Bebauung unverhältnismäßig. Das Gebäude weise eine Grundfläche von 63 qm auf und wirke, da der Keller mehr als 1,40 m aus dem Gelände herausrage, wie ein zweigeschossiges Haus. Die Gesamtfläche werde auf 126 qm erhöht und ermögliche eine Wohnnutzung. Die Festlegungen in dem Protokoll über das Gespräch am 14. Juni 1994 stellten keine Zusicherung dar; auch handele es sich nicht um einen Bauvorbescheid. Das Vorhaben der Klägerin liege entgegen ihrer Auffassung nicht in einem Innenbereich. Bereits durch die Standortgenehmigung des Ministerrats der DDR sei die Nutzung des Gebiets "Am Kirschberg" als Wochenendhaussiedlung festgeschrieben worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens (1 Band) und die Behördenvorgänge (3 Hefter), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 28. Mai 2003 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 4. Dezember 1997 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung.

Es kann offen bleiben, ob das zur Genehmigung gestellte Vorhaben bauplanungsrechtlich nach § 34 BauGB oder nach § 35 BauGB zu beurteilen ist (1.). Die Verpflichtungsklage ist bereits deswegen unbegründet, weil die allein zum Gegenstand des Bauantrages gemachten Erweiterungsmaßnahmen einen Gebäudebestand betreffen, der seinerseits nicht bauaufsichtlich genehmigt worden ist (2.). Die Beklagte hat der Klägerin auch nicht zugesichert, die beantragte Baugenehmigung zu erteilen (3.). Sie hat sich auch sonst nicht gegenüber der Klägerin gebunden (4.).

1.) Ob die von der Klägerin durchgeführten Erweiterungsmaßnahmen an ihrem als Ferienhaus bezeichneten Gebäude bauplanungsrechtlich nach § 34 BauGB oder nach § 35 BauGB zu beurteilen sind, bedarf keiner Entscheidung.

Im Hinblick auf das über den Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens hinausgehende Interesse der Beteiligten sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Auffassung des Verwaltungsgerichts unzutreffend ist, das Gebiet "Tiefthal III, Am Kirschberg" bilde bereits deswegen keinen eigenen im Zusammenhang bebauten Ortsteil i. S. d. § 34 Abs. 1 BauGB, weil sich die Gebäude überwiegend als Wochenendhäuser darstellten, die nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienten. Grundsätzlich kann eine Ansammlung von Wochenendhäusern einen derartigen Ortsteil bilden.

Auch nach der vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Februar 1984 - 4 C 55.81 - (DÖV 1984, 855 = BRS 42 Nr. 94) ist ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil jedenfalls eine solche Bebauung, die, wenn sie aufgrund eines Bebauungsplanes entstanden wäre, bei einheitlicher Gebietsstruktur auch Baugebiet i. S. d. BauGB und der Baunutzungsverordnung wäre. Damit sind vor allem die sog. faktischen Baugebiete i. S. d. § 34 Abs. 2 BauGB angesprochen. Da § 34 Abs. 2 BauGB grundsätzlich auf alle Baugebietstypen der BauNVO verweist, kommen als faktische Baugebiete auch Sondergebiete i. S. d. §§ 10, 11 BauNVO in Betracht (vgl. zu einem faktischen Sondergebiet "Einkaufszentrum" bzw. "großflächiger Einzelhandelsbetrieb" i. S. d. § 11 BauNVO Senatsurteil vom 19. März 2003 - 1 KO 853/01 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Faktische Baugebiete können daher auch Wochenendhausgebiete, der Erholung dienende Sondergebiete i. S. d. § 10 Abs. 1 BauNVO, darstellen (ebenso HessVGH, Urteil vom 24. November 1995 - 4 UE 239/92 - BRS 57 Nr. 280; OVG Hamburg, Urteil vom 4. November 1999 - 2 E 29/96.N - BRS 62 Nr. 37; OVG Lüneburg, Urteil vom 23. März 1977 - I A 339/74 - OVGE 33, 376). Dafür spricht auch die gesetzgeberische Wertung in § 22 Abs. 1 Satz 4 BauGB. In dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen zum Erlass einer sogen. Fremdenverkehrssatzung gebietsbezogen präzisiert und dabei drei Fallgruppen umschrieben. Zu diesen Fallgruppen zählen auch im Zusammenhang bebaute Ortsteile, deren Eigenart einem im Bebauungsplan festgesetzten Wochenendhausgebiet entspricht, mithin faktische Wochenendhausgebiete. Etwas anderes ergibt sich auch nicht etwa daraus, dass nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Februar 1984 - 4 C 55.81 - (a. a. O.) Baulichkeiten, die - anders als Gebäude, die für den ständigen Aufenthalt von Menschen vorgesehen sind - ausschließlich landwirtschaftlichen oder kleingärtnerischen Zwecken dienen, für sich genommen keine Bauten sein sollen, die einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil bilden können. Diese Entscheidung ist auf Fälle, in denen eine Ansammlung von Wochenendhäusern zu beurteilen ist, nicht übertragbar. Sie betraf eine mit bis zu 20 qm großen Gartenhäusern bebaute Kleingartenanlage. Kleingärten stellen indes, auch wenn sie durchgehend mit Lauben bebaut sind, bauplanungsrechtlich Grünflächen und keine Baugebiete dar (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB).

Ob eine Ansammlung von Wochenendhäusern ein faktisches Wochenendhausgebiet i. S. d. § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 10 Abs. 1 BauNVO und einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil i. S. d. § 34 Abs. 1 BauGB bildet, hängt von den Gegebenheiten des Einzelfalles ab. Ein Ortsteil im dargelegten Sinne ist ein Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1984 - 4 C 55.81 - a. a. O.); diese Merkmale unterscheiden den Ortsteil von der unerwünschten Splittersiedlung im Außenbereich. Es spricht einiges dafür, dass die Voraussetzungen für die Annahme eines Ortsteils i. S. d. § 34 Abs. 1 BauGB - auch unter Zugrundelegung der Feststellungen des Verwaltungsgerichts - im vorliegenden Fall erfüllt sind. Nicht von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass die vom Verwaltungsgericht vorgefundenen Gebäude in ihrer Größe und Bauweise unterschiedlich waren. Entscheidend ist, dass bereits zum Zeitpunkt der Beweiserhebung durch das Verwaltungsgericht eine Vielzahl von Gebäuden auf nebeneinander liegenden Parzellen anzutreffen waren, die gleichmäßig einen eng begrenzten Bereich auffüllten. Eine derartige Anordnung stellt sich nicht als zusammenhang- oder regellose Streubebauung dar, sondern ist Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur. Bestätigt wird dies im vorliegenden Fall dadurch, dass die Anordnung der Gebäude im Wesentlichen der Standortgenehmigung des Ministerrats aus dem Jahre 1989 entsprochen haben dürfte, die - für "Bungalows" - eine bestimmte Ordnung und damit eine organische Siedlungsstruktur vorgab. Auch dürfte einer Ansammlung von - nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts - 27 Gebäuden auf dem Flurstück a__ das erforderliche Gewicht für die Annahme eines Ortsteils zukommen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Gebäudestand wohl überwiegend ungenehmigt errichtet worden ist. Eine vorhandene, nicht genehmigte Bebauung zählt dann zu dem nach § 34 BauGB maßgebenden Bebauungszusammenhang, wenn sie in einer Weise geduldet wird, die keinen Zweifel daran lässt, dass sich die zuständige Behörde mit dem Vorhandensein der Bauten abgefunden hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. November 1998 - 4 B 29.98 - BRS 60 Nr. 82). Inwiefern diese Voraussetzung hier gegeben ist, könnte nur durch eine weitere Sachaufklärung ermittelt werden, die nicht geboten ist.

2.) Die Verpflichtungsklage ist unbegründet, weil die allein zum Gegenstand des Bauantrages gemachten Erweiterungsmaßnahmen einen Gebäudebestand betreffen, der seinerseits nicht bauaufsichtlich genehmigt worden ist.

Der Bauantrag der Klägerin umfasst - neben der Einziehung einer Wand im Kellergeschoss - die Erweiterung ihres bestehenden Gebäudes um einen Raum an der nach Süden hin ausgerichteten Seite des Erdgeschosses. Nach den Prüfvorlagen hat der Gebäudebestand Außenmaße von 6,99 x 9,24 m. Mit dieser Länge entspricht das Gebäude nicht demjenigen, zu dem 1989 der Rat der Gemeinde Tiefthal seine Zustimmung und die Staatliche Bauaufsicht eine Baugenehmigung erteilt haben. Nach der Zustimmung des Rates (Nr. 20/89) und der Baugenehmigung der Staatlichen Bauaufsicht sollten die Maße des Gebäudes nur 7 x 5,0 m betragen, der Keller sollte eine Größe von 20 qm aufweisen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Rat der Gemeinde am 27. März 1990 der Vollunterkellerung des Bungalows zugestimmt hat (Zustimmung Nr. 40/90); dass mit dieser Zustimmung eine Veränderung auch der 1989 genehmigten Gebäudekubatur genehmigt worden wäre, ist nicht ersichtlich. Da die Kubatur des Gebäudebestandes mithin wesentlich größer als die des 1989 genehmigten Gebäudes ist, ist der Bestand insgesamt nicht von der 1989 erteilten Zustimmung des Rates und der Baugenehmigung der Staatlichen Bauaufsicht gedeckt.

Die allein den Gegenstand des Bauantrages bildenden Erweiterungsmaßnahmen an diesem ungenehmigten Bestand sind nicht genehmigungsfähig (vgl. HessVGH, Urteil vom 24. November 1995 - 4 UE 239/92 - BRS 57 Nr. 280). Zwar ist es grundsätzlich Sache des Bauherrn zu bestimmen, was dem Baugenehmigungsverfahren unterworfen werden und was Vorhaben i. S. d. § 70 Abs. 1 Satz 1 ThürBO sein soll. Eine Grenze besteht jedoch dann, wenn der Bauherr - wie hier - lediglich unselbständige Teile eines ungenehmigten Baubestandes zur Genehmigung stellt. Dies folgt daraus, dass die Baugenehmigung neben der Baufreigabe feststellt, dass die von der Genehmigung mitumfasste Nutzung des Vorhabens nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Zeitpunkt der Entscheidung zulässig ist (vgl. Simon, Bayerische Bauordnung 1994 [Loseblattsammlung, Stand: Juli 1999] Art. 79, Rdnr. 11 m. w. N.). Diese Entscheidung ist der Bauaufsichtsbehörde verwehrt, wenn die Nutzung des den Gegenstand des Bauantrages bildenden Teils eines Gebäudes ohne den - rechtswidrig errichteten - Gebäudebestand nicht möglich ist.

3.) Ein Anspruch der Klägerin auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer verwaltungsverfahrensrechtlichen Zusicherung der Beklagten. Das Protokoll über das Gespräch am 14. Juni 1994 stellt keine derartige Zusicherung dar.

Gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 ThürVwVfG bedarf eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen, zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Bereits dieses Formerfordernis ist hier nicht erfüllt, denn das Protokoll über das Gespräch am 14. Juni 1994 wurde nur vom damaligen Bürgermeister der Gemeinde Tiefthal, nicht aber von den bei dem Gespräch anwesenden Mitarbeitern der Bauaufsichtsbehörde der Beklagten unterzeichnet; die Bauaufsichtsbehörde der Beklagten hat auch nicht im Nachhinein den Inhalt des Gesprächs schriftlich den seinerzeit anwesenden Vertretern des Vereins der Wochenendhaussiedler gegenüber bestätigt.

Überdies kann dem Gesprächsprotokoll auch inhaltlich nicht die Qualität einer Zusicherung zur Erteilung einer Baugenehmigung entnommen werden. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass verbindlich zugesagt worden wäre, Baugenehmigungen für alle Veränderungen zu erteilen, die sich innerhalb des bei dem Gespräch am 14. Juni 1994 als akzeptabel erachteten Rahmens halten. Dagegen spricht bereits der ausweislich des Gesprächsprotokolls erteilte Hinweis, dass Baumaßnahmen "ohne vorherige Zustimmung" nachträglich nicht genehmigt würden. Dieser Hinweis zeigt, dass die Zulässigkeit der beabsichtigten Veränderungen im Einzelfall der Prüfung im Baugenehmigungsverfahren vorbehalten bleiben sollte. Zudem war einer Nutzung der Gebäude zu Dauerwohnzwecken, wie sie möglicherweise der Klägerin vorschwebt, ausdrücklich eine Absage erteilt worden.

4.) Die Beklagte hat sich auch sonst nicht der Klägerin gegenüber gebunden, insbesondere kann in dem Protokoll über das Gespräch vom 14. Juni 1994 kein Bauvorbescheid zur planungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 66 des seinerzeit noch geltenden Gesetzes über die Bauordnung (BauO) vom 20. Juli 1990 (GBl. I S. 929) erblickt werden. Nach § 66 BauO - ebenso wie nach § 66 Abs. 1 ThürBO - kann vor Einreichung des Bauantrages auf schriftlichen Antrag des Bauherrn zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens ein schriftlicher Bescheid (Vorbescheid) erteilt werden. Abgesehen davon, dass das Protokoll über das Gespräch am 14. Juni 1994 nicht dem Formerfordernis des § 66 BauO genügt, weil es vom Bürgermeister der Gemeinde Tiefthal, nicht aber von Mitarbeitern der Bauaufsichtsbehörde der Beklagten unterzeichnet worden ist, äußert es sich auch nicht zu einzelnen Fragen "des Bauvorhabens" i. S. d. § 66 BauO. Vielmehr enthält es die allgemein - für das gesamte Gebiet "Tiefthal III, Am Kirschberg" - als akzeptabel erachteten Veränderungen. Einen Bauvorbescheid in Gestalt einer "Allgemeinverfügung" kennt das Baurecht indes nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 VwGO).

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 10.000,- DM (umgerechnet 5.112,9188 Euro) festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 25 Abs. 2 GKG i. V. m. §§ 14, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG in der bis zum 31.12.2001 geltenden und hier gemäß § 73 Abs. 1 GKG noch anzuwendenden Fassung. Der Senat bewertet das wirtschaftliche Interesse bei Klagen auf Erteilung von Baugenehmigungen regelmäßig nach dem Wert der baulichen Anlage oder, wenn dafür gesicherte Anhaltspunkte fehlen, nach Richtwerten aufgrund der Größe der Anlage. Von dem sich danach ergebenden Betrag ist bei einer Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung für ein noch nicht errichtetes Gebäude ein Zehntel und bei einer Klage auf Erteilung einer Genehmigung für ein bereits errichtetes Gebäude ein Fünftel als Streitwert anzunehmen. Die Klägerin hat den Wert der zur Genehmigung gestellten Erweiterungsmaßnahmen an ihrem bestehenden Gebäude mit 50.000,- DM angegeben, ohne dass daran Zweifel angebracht wären. Da sie die Baumaßnahmen bereits durchgeführt hat, ist dieser Betrag auf ein Fünftel zu ermäßigen.

Hinweis: Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).



Ende der Entscheidung

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