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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 29.05.2007
Aktenzeichen: 1 KO 471/06
Rechtsgebiete: DDR-BauZVO, BauGB, Thüringisches Notgesetz


Vorschriften:

DDR-BauZVO § 9 i.d.F.v. 20.06.1990
DDR-BauZVO § 64 Abs. 3
BauGB § 246 a Abs. 4 i.d.F.v. 30.04.1993
BauGB § 9
BauGB § 30 Abs. 1
BauGB § 31 Abs. 1
BauGB § 31 Abs. 2
Thüringisches Notgesetz über die Aufstellung von Bebauungsplänen § 3 i.d.F.v. 24.07.1923
1. § 246a Abs. 4 BauGB (in der bis zum 30.04.1993 geltenden Fassung) i. V. m. § 64 Abs. 3 BauZVO (DDR) ermöglichte auch die Überleitung älterer Pläne, die bereits vor Gründung der DDR aufgestellt worden waren.

2. Hat das zuständige Gemeindeorgan einen alten Bebauungsplan nach § 64 Abs. 3 BauZVO ohne Einschränkung bestätigt, gilt er so weiter, wie er in der Vergangenheit beschlossen und in Kraft getreten war. Unerheblich ist, ob beim "Bestätigungsbeschluss" alle Einzelheiten der planerischen Festsetzungen bekannt gewesen sind.

3. Die Überleitung alter Vorschriften und Pläne in das heutige Recht setzt voraus, dass sie nach dem seinerzeit geltenden Recht gültig zustandegekommen waren, insbesondere der zugrunde liegende Abwägungsvorgang nicht zu beanstanden ist. Außerdem müssen die überzuleitenden Vorschriften und Pläne ganz allgemein einen Inhalt haben, der nach dem zum Zeitpunkt der Überleitung geltenden Recht Inhalt eines Bebauungsplans sein kann (Anschluss an die Rechtsprechung des BVerwG zur früheren Überleitungsvorschrift des § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG).

4. Baufluchtlinien nach dem (Thüringischen) Notgesetz vom 24.07.1923 (Gesetzsammlung für Thüringen, S. 505) enthalten lediglich negativ die Festlegung der von einer Bebauung zur Straße hin gegebenenfalls freizuhaltenden Fläche, aber keine positive Aussage zur Baulandqualität der - aus Sicht der Straße - dahinterliegenden Fläche.


THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 1. Senat - Im Namen des Volkes Urteil

1 KO 471/06 Verkündet am 29.05.2007

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Baurechts (hier: Berufung)

hat der 1. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Schwan, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Hüsch und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Preetz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Mai 2007 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 11. August 2005 - 4 K 200/04 Ge - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beklagten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Bauvorbescheids.

Die Klägerin beantragte am 28.01.2003 die Erteilung eines Bauvorbescheides zur Klärung der planungsrechtlichen Zulässigkeit der Errichtung eines Ein- oder Zweifamilienhauses auf dem am F in Jena gelegenen Flurstück a der Flur 8 der Gemarkung Wenigenjena in Jena. Die Beklagte lehnte dies durch Bescheid vom 27.06.2003 ab und führte zur Begründung aus, das Vorhaben stehe im Widerspruch zu den Festsetzungen des Bebauungsplanes "Gänseberg" aus dem Jahre 1927. Dieser Bebauungsplan setze für den maßgeblichen Bereich eine Grünfläche fest und sei im Jahre 1991 wirksam übergeleitet worden. Den dagegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies das Thüringer Landesverwaltungsamt durch Widerspruchsbescheid vom 19.01.2004 zurück. Entgegen der Auffassung der Klägerin liege hier ein qualifizierter Bebauungsplan vor. Die Beklagte habe von der Möglichkeit des § 246a Abs. 4 BauGB i. V. m. § 64 Abs. 3 Bauzulassungsverordnung Gebrauch gemacht und den Bebauungsplan "Gänseberg" wirksam übergeleitet. Dem stehe auch nicht entgegen, dass Textteile erst später wieder aufgetaucht seien. Übergeleitet worden sei rein objektiv der Plan mit der Bezeichnung "Bebauungsplan der Stadt Jena - Gänseberg - vom 13. Juli 1927". Eine Befreiung von der Grünflächenfestsetzung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB könne nicht erteilt werden, da dadurch die Grundzüge der Planung berührt würden.

Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 30.01.2004 zugestellt.

Am 01.03.2004 (einem Montag) hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Gera Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht, das geplante Vorhaben füge sich in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Das Baugrundstück befinde sich unterhalb eines Felsens und stelle eine Baulücke dar. Das Grundstück sei vollständig erschlossen. Die Zulässigkeit beurteile sich ausschließlich nach § 34 BauGB. Die Überleitung des Bebauungsplanes "Am Gänseberg" sei nicht wirksam vorgenommen worden. Die Festsetzungen des übergeleiteten Bebauungsplanes seien entgegen dem Bestimmtheitsgebot nicht eindeutig und ließen den Regelungsgehalt nicht zweifelsfrei erkennen. Textteile des Bebauungsplanes und damit ein wesentlicher Bestandteil der nicht trennbaren Gesamtregelung seien erst später aufgetaucht und nicht vom Überleitungsbeschluss umfasst gewesen. Des Weiteren sei die Ausweisung als Grünfläche nichtig. Hilfsweise sei eine Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB zu gewähren.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 27. Juni 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamtes vom 19. Januar 2004 zu verpflichten, ihr einen positiven Vorbescheid zur Errichtung eines Einfamilienhauses zu erteilen,

hilfsweise,

die Beklagte unter Aufhebung der entsprechenden Bescheide zu verpflichten, ihr einen positiven Vorbescheid zur Errichtung eines Zweifamilienhauses zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf die Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden verwiesen.

Das Verwaltungsgericht Gera hat die Klage durch Urteil vom 11.08.2005 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erteilung eines Bauvorbescheides für die Errichtung eines Ein- oder Zweifamilienhauses auf dem Flurstück a, da ihrem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne von §§ 73, 70 Abs. 1 ThürBO entgegenstünden.

Dabei könne offen bleiben, ob der Bebauungsplan der Beklagten "Am Gänseberg" im Jahre 1991 wirksam gemäß § 246a Abs. 4 BauGB i. V. m. § 64 Abs. 3 Bauzulassungsverordnung übergeleitet worden sei oder nicht. Gehe man von einer wirksamen Überleitung aus, ergebe sich die Unzulässigkeit des Vorhabens der Klägerin daraus, dass ein Widerspruch zu den Festsetzungen dieses Bebauungsplanes bestehe. Der Plan "Am Gänseberg", der nicht funktionslos geworden sei, setzt eine Grünfläche fest. Die Erteilung einer Ausnahme gemäß § 31 Abs. 2 BauGB komme insoweit nicht in Betracht, da die Grundzüge der Planung berührt würden. Ein wesentliches Element der Planung im Rahmen des Bebauungsplanees "Am Gänseberg" sei der Grünstreifen, der entlang der Straße am F zwischen der Einmündung S - und W sei.

Gehe man hingegen davon aus, dass der Bebauungsplan "Am Gänseberg" nicht wirksam übergeleitet worden sei, sei das Vorhaben der Klägerin unzulässig, weil es im Außenbereich verwirklicht werden solle und als sonstiges Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 2 BauGB nicht genehmigungsfähig sei. Nach dem Ergebnis der Augenscheinseinnahme der Kammer stehe fest, dass das Flurstück a nicht mehr an dem Bebauungszusammenhang entlang der S bzw. am F teilnehme. Vielmehr sei der Bereich beginnend mit dem Grundstück der Klägerin, welches als Eckgrundstück sowohl an die S als auch den F angrenze, bis hinauf zur Einmündung des W als eigenständiger Bereich zu werten. Dieser Bereich sei mit Ausnahme des auf dem Grundstück der Klägerin vorhandenen kleineren Gartenhauses und des so genannten Geräteschuppens unbebaut und werde als Grünfläche bzw. Garten genutzt. Das Grundstück der Klägerin könne nicht in den längs der S bestehenden Bebauungszusammenhang einbezogen werden. Die auf dem Grundstück der Klägerin festgestellten baulichen Anlagen - ein ca. 4 x 4 m großes Gartenhaus auf einem massiven Sockel sowie ein Geräteschuppen - seien nicht in der Lage, einen Bebauungszusammenhang zu vermitteln. Zur Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB rechneten nicht jegliche bauliche Anlagen, sondern nur solche bauliche Anlagen, die für die nach der Siedlungsstruktur angemessene Fortentwicklung der vorhandenen Bebauung maßstabsbildend seien. Hierzu zählten die auf dem Grundstück der Klägerin vorhandenen baulichen Anlagen nicht.

Als sonstiges Vorhaben im Sinne von § 35 BauGB beeinträchtige das Bauvorhaben der Klägerin öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB, da es zu einer Ausuferung der Bebauung in den Außenbereich hinein führe. Dem Vorhaben der Klägerin komme insoweit eine nicht zu unterschätzende Vorbildwirkung im Hinblick auf eine weitere Bebauung zu.

Auf den Antrag der Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 30.05.2006 die Berufung zugelassen.

Zur Begründung ihrer Berufung führt die Klägerin im Wesentlichen aus:

Bei unterstellter wirksamer Überleitung des Bebauungsplans "Am Gänseberg" sei ihr Vorhaben zulässig. Das streitgegenständliche Baugrundstück sei vollständig von Baufluchtlinien (d. h. roten Linien) umschlossen, so dass eine Bebauung nicht den Festsetzungen des Bebauungsplans widerspreche. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Bebauungsplan setze hier eine Grünfläche fest, sei nicht nachvollziehbar. Die entsprechende Zeichenerklärung umfasse ihr Grundstück nicht, so dass offen bleibe, welche Festsetzungen hier hätten getroffen werden sollen. Gegen eine die Bebauung ausschließende Grünflächenfestsetzung spreche auch, dass das in derselben grünen Farbe dargestellte Grundstück W bebaut worden sei. Der Schwerpunkt der planerischen Festsetzungen des Bebauungsplans habe auf der Darstellung der Baufluchtlinien gelegen, die eindeutig eine Bebaubarkeit des streitgegenständlichen Grundstücks voraussetzten. Durch die Darstellung der Fläche mit grüner Farbe habe lediglich der damalige Zustand zeichnerisch wiedergegeben werden sollen, was sich daran zeige, dass insoweit entsprechende Zeichenerklärungen fehlten.

Selbst wenn man aber davon ausgehe, dass der Bebauungsplan "Am Gänseberg" hier wirksam eine Grünfläche festgesetzt habe, stehe er ihrem Vorhaben nicht entgegen. Der Plan sei funktionslos geworden, da das zeichnerisch in gleicher Weise wie das streitgegenständliche Grundstück dargestellte Grundstück W - bereits bebaut worden sei. Zudem könne sie entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts die Erteilung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 2 BauGB beanspruchen. Hier sei nicht erkennbar, worin die planerische Konzeption der Beklagten bestehen solle, die durch die Erteilung einer Ausnahme beeinträchtigt werden könne.

Die Darstellung des streitgegenständlichen Baugrundstücks in grüner Farbe sei ohne relevantes Planungskonzept und eher zufällig erfolgt. Dies zeige sich daran, dass entsprechende Zeichenerklärungen fehlten, das Grundstück vollständig von Baufluchtlinien umschlossen sei und auf dem Grundstück W ein relativ großes Wohnhaus errichtet worden sei. Selbst wenn man aber davon ausgehe, dass der zeichnerischen Darstellung ein planerisches Konzept zugrunde liege, sei dies jedenfalls unter Voraussetzungen erfolgt, die später weggefallen seien. Auch die weiteren Voraussetzungen einer Befreiung lägen vor. Die Abweichung von der Grünflächenfestsetzung sei städtebaulich vertretbar.

Abgesehen davon sei der Bebauungsplan ohnehin nicht wirksam übergeleitet worden, weil den Ratsherren im Zeitpunkt der Überleitung die Bauplanordnung nicht vorgelegen habe. Der Inhalt des Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung und die Genehmigung deckten sich nicht. Dies sei ein beachtlicher Fehler, der zur Unwirksamkeit des übergeleiteten Plans führe. Darüber hinaus setze eine wirksame Überleitung alter Bebauungspläne voraus, dass sie zum Zeitpunkt der Aufstellung das Ergebnis einer sachgemäßen Abwägung gewesen seien sowie zur Zeit der Überleitung ein rechtlich einwandfreies Abwägungsergebnis darstellten; diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt. Im Rahmen des § 9 BauGB entspreche es ständiger Rechtsprechung, dass die zeichnerischen Darstellungen und die Erläuterungen sowie die textlichen Festsetzungen aus sich heraus bestimmt, eindeutig und verständlich sein müssten. Diesen Anforderungen genüge der Bebauungsplan "Am Gänseberg nicht. Der Plan verwende hier den nicht aus sich heraus verständlichen Begriff "Anlagen", so dass die offensichtlich vorgesehenen speziellen Nutzungszwecke nicht festgesetzt worden seien. Hinzu komme, dass im Bebauungsplan zwingend die öffentliche oder private Zweckbestimmung einer Grünfläche festzusetzen sei; daran fehle es.

Bei einer Beurteilung nach den §§ 34, 35 BauGB sei ihr Vorhaben zulässig. Das Baugrundstück liege innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB. Es nehme am Bebauungszusammenhang entlang der S sowie entlang des F teil und sei an drei Seiten von der Bebauung umschlossen. Der Bebauungszusammenhang werde durch den Felsen auf dem Flurstück b nicht unterbrochen. Zudem sei auf dem Baugrundstück schon eine Bebauung vorhanden, die optisch wahrnehmbar sei und ein gewisses Gewicht besitze.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 11.08.2005 - 4 K 200/04 GE - abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 27.06.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2004 zu verpflichten, ihr den beantragten Vorbescheid für die Errichtung eines Einfamilienhauses, hilfsweise eines Zweifamilienhauses auf dem Grundstück F in Jena (Flurstück a der Flur 8 der Gemarkung Wenigenjena) zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus:

Die von der Klägerin angesprochene durchgezogene rote Linie stelle lediglich die Bauflucht für zur Bebauung gedachte Grundstücke dar. Die "Anlagen" würden zwar durch diese rote Linie abgegrenzt; diese ziehe sich jedoch ohne Rücksicht auf andere bestehende Grundstücksgrenzen bis zur S hinauf. Eine Bebaubarkeit werde dadurch nicht vermittelt. Bei der im Bereich der Anlagen entlang der Verkehrsflächen gezogenen roten Linie handele es sich um eine möglicherweise missverständliche Festsetzung, die jedoch angesichts der Eindeutigkeit der planerischen Absichten hinsichtlich der Anlagen unproblematisch sei. Es sei davon auszugehen, dass es durch die rote Linie gegebenenfalls habe ermöglicht werden sollen, innerhalb der "Grün" dargestellten und als Anlage bezeichneten Fläche solche Maßnahmen umzusetzen, die sich der offensichtlichen öffentlichen Zweckbindung unterordnen sollten.

Das mit der Farbe dunkelgrün gekennzeichnete Vorgartengrün erfasse das streitgegenständliche Grundstück eindeutig nicht. Entsprechendes gelte für die Markierung in der Farbe lila, mit der für die davon betroffenen Grundstücke die offene Bauweise geregelt werde.

Die Erteilung einer Befreiung scheide aus, da sich der Plangeber bewusst gegen die Ausweisung als Bauland entschieden habe. Eine Planänderung sei nicht vorgenommen worden und auch nicht beabsichtigt.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat sich im Berufungsverfahren nicht schriftsätzlich geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf die Niederschrift über die an Ort und Stelle durchgeführte mündliche Verhandlung sowie die darin aufgeführten Unterlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

I.

Die vom Senat zugelassene Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage der Klägerin zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten Bauvorbescheides für ein Ein- oder Zweifamilienhaus auf dem Flurstück a der Flur 8 der Gemarkung Wenigenjena. Ihrem Vorhaben stehen im Vorbescheidsverfahren zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen, denn es ist bauplanungsrechtlich unzulässig (vgl. §§ 73, 70 Abs. 1 ThürBO).

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens der Klägerin beurteilt sich nach § 30 Abs. 1 BauGB i. V. m. den Festsetzungen des Bebauungsplans Jena-Ost "Gänseberg". Der Bebauungsplan Jena-Ost "Gänseberg" vom 13.07.1927 ist im Juni 1991 wirksam übergeleitet worden und gilt als qualifizierter Plan im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB fort (1.). Das Vorhaben der Klägerin widerspricht den Festsetzungen dieses Bebauungsplans (2.). Die Klägerin kann keine Erteilung einer Ausnahme oder Befreiung von den planerischen Festsetzungen beanspruchen (3.).

1. Die Überleitung des Bebauungsplans Jena-Ost "Gänseberg" vom 13.07.1927 ergibt sich aus § 246a Abs. 4 BauGB in der bis zum 30.04.1993 geltenden Fassung (eingefügt durch Anlage I zum Einigungsvertrag, Kapitel XIV, Abschnitt II Nr. 1) i. V. m. § 64 Abs. 3 der Bauplanungs- und Zulassungsverordnung der ehemaligen DDR vom 20.06.1990 (GBl. DDR I S. 739) im Folgenden: BauZVO). Danach gelten bei Inkrafttreten der BauZVO bestehende baurechtliche Vorschriften und festgestellte städtebauliche Pläne als Bebauungspläne, soweit sie verbindliche Regelungen der in § 9 BauZVO bezeichneten Art enthalten und von der Gemeinde bis zum 30.06.1991 bestätigt werden. Der Beschluss bedarf nach § 64 Abs. 3 Satz 2 BauZVO der Genehmigung der Aufsichtsbehörde; die Erteilung der Genehmigung ist ortsüblich bekannt zu machen.

§ 64 Abs. 3 BauZVO ermöglicht auch die Überleitung älterer Pläne, die - wie der streitgegenständliche Bebauungsplan "Gänseberg" - bereits vor Gründung der DDR aufgestellt worden waren (vgl. Bielenberg, DVBl. 1990, 1314, 1318; Köhler in Schrödter, BauGB, Kommentar, 5. Aufl. 1992, § 246a Rdn. 66). Den für die Überleitung des Plans erforderlichen Beschluss hat die damalige Stadtverordnetenversammlung der Beklagten hier am 12.06.1991 und damit fristgerecht gefasst. Zwar findet sich in den Unterlagen der Antragsgegnerin nur noch die entsprechende Beschlussvorlage vom 04.06.1991 und nicht mehr der eigentliche Beschluss der Stadtverordnetenversammlung. Es bestehen aber keine Zweifel daran, dass die Stadtverordnetenversammlung tatsächlich entsprechend der Vorlage die Weitergeltung des streitgegenständlichen Bebauungsplans sowie der weiteren dort aufgeführten Pläne beschlossen hat.

Der dem Beschluss zugrunde liegenden Vorlage lässt sich nichts dafür entnehmen, dass die Stadtverordnetenversammlung nur jeweils die ihr vorliegenden zeichnerischen Festsetzungen der Bebauungspläne überleiten wollte. Die Vorlage führt die einzelnen zu bestätigenden Bebauungspläne auf, ohne dass sich ihr auch nur ansatzweise entnehmen lässt, dass die Überleitung auf die zeichnerischen Festsetzungen beschränkt werden sollte. Eine Einschränkung der Weitergeltung ergibt sich lediglich aus der Formulierung, dass nur die nach § 9 BauGB gültigen Planinhalte weitergelten sollen, dies entsprach der Vorgabe des § 64 Abs. 3 BauZVO, der insoweit auf die damals mit § 9 BauGB inhaltlich übereinstimmende Vorschrift des § 9 BauZVO Bezug nahm.

Unschädlich ist, dass den Stadtverordneten zur Zeit der Beschlussfassung offensichtlich nur die damals aufgefundenen Planzeichnungen der einzelnen Pläne vorlagen, nicht aber die ergänzenden textlichen Festsetzungen. Ausweislich der Begründung des Überleitungsbeschlusses, wie sie sich aus der Beschlussvorlage ergibt, war der Überleitung seinerzeit eine (auch) inhaltliche Prüfung vorausgegangen. Sodann wird in der Begründung festgestellt:

"Die Pläne entsprechen der im Flächennutzungsplan der Stadt Jena vorgesehenen geordneten städtebaulichen Entwicklung für diese Gebiete.

Ihre weitere Gültigkeit als Rechtsgrundlage für eine geordnete bauliche Entwicklung ist durch Beschluss zu sichern".

Diese dem Beschluss der Stadtverordneten vorausgegangene inhaltliche Prüfung lässt die Annahme zu, dass seinerzeit jedenfalls auch die aus der Planzeichnung des streitgegenständlichen Plans nicht ersichtliche Art der Bebauung thematisiert wurde, der für die Frage der Vereinbarkeit dieses und der anderen Pläne mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung wesentliche Bedeutung zukam. Angesichts dessen konnte den damaligen Stadtverordneten nicht verborgen geblieben sein, dass es zu den vorliegenden Planzeichnungen der einzelnen Pläne ergänzende textliche Festsetzungen geben musste. Wenn sie in dieser Situation uneingeschränkt die Überleitung der alten Pläne beschlossen, kann es für den Umfang der Weitergeltung nicht darauf ankommen, ob ihnen alle Einzelheiten der textlichen Festsetzungen bekannt waren oder aus welchen Gründen sie insoweit von Nachfragen nach den nicht vorgelegten Textteilen der Pläne absahen. Bestätigt das zuständige Gemeindeorgan einen "alten" Bebauungsplan ohne Einschränkung, hat dies zur Folge, dass der betreffende Plan so weiter gilt, wie er in der Vergangenheit beschlossen worden und in Kraft getreten war. An den "Bestätigungsbeschluss" können insoweit nicht die Anforderungen gestellt werden, die an einen Beschluss zu stellen wären, durch den der Gemeinderat (Stadtrat) einen neuen Bebauungsplan als Satzung verabschiedet.

Entsprechendes gilt auch für die nach § 64 Abs. 3 Satz 2 BauZVO erforderliche Genehmigung der Höheren Bauaufsichtsbehörde, die im Amtsblatt 19/91 der Stadt Jena vom 28.10.1991 öffentlich bekannt gemacht wurde. Eine Anwendung der für Bauleitpläne geltenden Vorschriften sieht § 64 Abs. 3 Satz 3 BauZVO nur für den Fall vor, dass die weiter geltenden Pläne nachträglich geändert, ergänzt oder aufgehoben werden sollten. Darum geht es hier nicht.

Der Bebauungsplan "Gänseberg" ist somit mit den ihn ergänzenden Regelungen der Bauplanordnung für das Stadtgebiet Jena vom 21.05.1931 (mit späteren Nachträgen) übergeleitet worden, die an die Stelle der zunächst geltenden Bauplanordnung zum Bebauungsplan vom 16.07.1927 getreten war (zum Außerkrafttreten der zunächst für die einzelnen Bebauungspläne geschaffenen Bauplanordnungen vgl. Ziff. IV der Bauplanordnung vom 21.05.1931). Die Bauplanordnung vom 21.05.1931 enthält unter Ziff. I. und II. zunächst allgemeine Bestimmungen für alle damals geltenden Bebauungspläne der Stadt Jena, wobei die in Ziff. I. enthaltene Baustufeneinteilung den heutigen Regelungen der BauNVO über die einzelnen Baugebiete und die darin zulässigen Vorhaben entspricht. Unter Ziff. III. finden sich dann Sonderbestimmungen für die einzelnen Bebauungspläne, die den heutigen textlichen Festsetzungen entsprechen; für den streitgegenständlichen Bebauungsplan "Gänseberg" gilt nach Buchstabe c) überwiegend die sog. Baustufe A II o (reines Wohngebiet mit zweigeschossiger, offener Bauweise).

Bei einer Zusammenschau zwischen den zeichnerischen und textlichen Festsetzungen, wie sie sich aus der Bauplanordnung vom 21.05.1931 ergeben, enthält der Bebauungsplan Regelungen über Art und Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen; er ist daher als qualifizierter Plan im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB anzusehen.

Die weiteren Voraussetzungen für eine wirksame Überleitung des streitgegenständlichen Plans und seine Weitergeltung als qualifizierter Bebauungsplan sind erfüllt. Die Überleitung alter Vorschriften und Pläne in das heutige Recht setzt zunächst voraus, dass sie nach dem seinerzeit geltenden Recht gültig zustandegekommen sind, insbesondere der zugrundeliegende Abwägungsvorgang nicht zu beanstanden ist. Weiter müssen die überzuleitenden Vorschriften und Pläne ganz allgemein einen Inhalt haben, der nach dem zum Zeitpunkt der Überleitung geltenden Recht Inhalt eines Bebauungsplans sein kann (vgl. zur früheren Überleitungsvorschrift des § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG, die insoweit mit § 64 Abs. 3 BauZVO inhaltlich übereinstimmt, das Grundsatzurteil des BVerwG vom 20.10.1972 - IV C 14.71 -, BVerwGE 41, 67 = DVBl. 1973, 42 = BRS 25 Nr. 25; vgl. ferner VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.02.1993 - 8 S 287/92 -, NVwZ 1994, 700).

Der streitgegenständliche Bebauungsplan wurde seinerzeit auf der Grundlage des Notgesetzes über die Aufstellung von Bebauungsplänen vom 24.07.1923 (Gesetzsammlung für Thüringen, S. 505 - im Folgenden: Notgesetz) beschlossen und in Kraft gesetzt. Der dem Plan zugrunde liegende Abwägungsvorgang ist - gemessen an den damals geltenden Vorschriften - nicht zu beanstanden. Nach § 3 Nr. 1 des Notgesetzes waren bei der Aufstellung von Bebauungsplänen "vorerst die Bedürfnisse des öffentlichen Verkehrs an Straßen und Plätzen zu berücksichtigen". Dabei sollte "den Anforderungen an der öffentlichen Gesundheit Rechnung" getragen und "auf das den örtlichen Verhältnissen entsprechende Bedürfnis nach ausgesprochenen Ortsteilen für Wohnzwecke oder gewerbliche Zwecke" Rücksicht genommen werden. Nach § 3 Nr. 2 des Notgesetzes sollte u. a. weiter darauf Bedacht genommen werden, dass mit der Schaffung der geplanten neuen Straßen und Plätze gute Ortsbilder erzielt werden. Diesen Anforderungen genügte der streitgegenständliche Bebauungsplan "Gänseberg". Der Plangeber hatte sich ausweislich des dem Plan beigefügten Erläuterungsberichts, der nach § 3 Nr. 3 Buchstabe E des Notgesetzes notwendiger Bestandteil des Plans war, seinerzeit für eine weitläufige Bebauung des Geländes entschieden, die durch eine Reihe neu anzulegender Straßen erschlossen werden sollte. Die Planung, die eine eher aufgelockerte Wohnbebauung vorsah, trug ersichtlich auch den weiteren genannten Anforderungen hinreichend Rechnung. Ferner bestehen keine durchgreifenden Zweifel daran, dass der Bebauungsplan seinerzeit die nach § 3 Nr. 3 des Notgesetzes geforderten notwendigen Bestandteile enthielt, auch wenn die Unterlagen heute teilweise nicht mehr vorliegen. Dies gilt etwa für die in § 3 Nr. 3 Buchstabe B und C angesprochenen Profile, die im seinerzeitigen Genehmigungsverfahren offensichtlich vorgelegen haben (vgl. das Schreiben des Oberbürgermeisters an das damalige Thür. Ministerium für Inneres und Wirtschaft vom 28.10.1927, in dem als Anlagen 2 Blatt Profile erwähnt werden). Der dem Senat in Farbkopie vorliegende eigentliche Plan lässt auch "die aus der Straßenentwicklung sich ergebende Abführungsmöglichkeit der Tagewässer und Abwässer" erkennen, wie § 3 Nr. 3 Buchstabe A. f) des Notgesetzes sie seinerzeit forderte (für eine Unwirksamkeit alter Pläne beim Fehlen der nach damaligem Recht erforderlichen Darstellung einer Entwässerungsanlage: OVG Saarland, Beschluss vom 04.01.2000 - 2 Q 34/99 -, AS RP-SL 28, 193 und juris). Die Abflussrichtung der Abwässer wird hier jeweils durch entsprechende Pfeile angezeigt, die auf den festgesetzten öffentlichen Verkehrsflächen sowie auf sog. Entwässerungswegen eingetragen worden sind.

Der streitgegenständliche Plan hat auch einen Inhalt, der nach dem zur Zeit der Überleitung geltenden Recht Inhalt eines Bebauungsplans sein kann. Er enthält Festsetzungen über Art und Maß der baulichen Nutzung und über von der Bebauung freizuhaltende Flächen, wie sie zum Zeitpunkt der Überleitung im Jahre 1991 auf der Grundlage des § 9 BauGB und der Bestimmungen der BauNVO abwägungsfehlerfrei hätten getroffen werden können.

2. Das Vorhaben der Klägerin widerspricht den somit allein maßgeblichen Festsetzungen des Bebauungsplans "Gänseberg". Es soll in einem Bereich verwirklicht werden, der nicht für Bebauung vorgesehen ist. Das Baugrundstück ist Teil einer größeren Grünfläche, die sich entlang des F in Nord-Süd-Richtung erstreckt.

Die fragliche Grünfläche wird im Bebauungsplan in hellgrüner Farbe dargestellt und durch den mehrfach aufgebrachten Schriftzug "Anlagen" gekennzeichnet. Allerdings wird die hellgrüne Farbe - anders als die für die Darstellung des Vorgartengrüns verwendete dunkelgrüne Farbe - weder im Bebauungsplan noch in den ergänzenden Vorschriften erläutert; auch die Art der textlich gekennzeichneten "Anlagen" wird nicht näher bestimmt. Eine Zusammenschau von zeichnerischer Darstellung und textlicher Kennzeichnung der betreffenden Flächen lässt aber den hinreichend sicheren Schluss zu, dass es sich bei ihnen um Grünanlagen, d. h. Grünflächen mit einer öffentlichen Zweckbestimmung im Sinne des heutigen § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB handelt. Die in diesem Sinne verwendete Bezeichnung "Anlagen" findet sich im Übrigen auch in der wenige Jahre nach dem streitgegenständlichen Bebauungsplan in Kraft getretenen Landesbauordnung des Landes Thüringen vom 2.9.1930. Hier wurden in § 11 Nr. 2 a) öffentliche Park- und Gartenanlagen als Unterart der Freiflächen genannt, für die durch die damaligen Fluchtlinienpläne sog. Fluchtlinien festgesetzt werden konnten.

Entgegen der Auffassung der Klägerin spricht nichts dafür, dass die planende Stadt seinerzeit hier nur den vorhandenen Zustand darstellen und keine Festsetzung treffen wollte. Die in einem Einzelfall im Jahre 1954 erteilte Genehmigung für ein größeres Wohnhaus innerhalb dieser Fläche (W ) lässt keinen Rückschluss auf einen fehlenden Festsetzungswillen des Plangebers zu. Das Grundstück der Klägerin kann auch nicht etwa deshalb als nach dem streitgegenständlichen Bebauungsplan bebaubar angesehen werden, weil es vollständig von durchgezogenen Linien, also Baufluchtlinien umschlossen ist (vgl. die Erläuterung in § 3 Nr. 3 Buchstabe A. c des Notgesetzes). Baufluchtlinien enthalten lediglich negativ die Festlegung der von einer Bebauung zur Straße hin gegebenenfalls freizuhaltenden Fläche, aber keine positive Aussage zur Baulandqualität der - aus Sicht der Straße - dahinterliegenden Fläche (vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 4.1.2000 - 2 Q 34/99 -, AS RP-SL 28, 193 und juris - zu Baufluchtlinien nach dem Preußischen Fluchtliniengesetz vom 2.7.1875 und unter Hinweis auf das Urteil des Preußischen Oberverwaltungsgerichts vom 6.12.1912 - IX.A.150/11 -, PrOVGE 64, 531). Dass der Plangeber hier keine Bebauung der von roten Baufluchtlinien umschlossenen und hellgrün gekennzeichneten Flächen zulassen wollte, zeigt sich auch an den insoweit fehlenden weiteren Festsetzungen etwa zur Bauweise. Der Bebauungsplan sieht für die an der Nordseite der S gelegenen Grundstücke vor, dass die Gebäude in offener Bauweise (gekennzeichnet durch die Farbe Lila) bis zu einer von der der Straßenfluchtlinie (gestrichelte rote Linie) zurückgesetzten Baufluchtlinie (durchgezogene rote Linie) errichtet werden. Zwischen Straßenfluchtlinie und Baufluchtlinie ist ein Vorgartenbereich (gekennzeichnet durch dunkelgrüne Farbe) vorgesehen. Diese Festsetzungen, die sich auch für die Bebauung an weiteren Erschließungsstraßen finden, enden jeweils an der in hellgrüner Farbe gekennzeichneten Fläche.

Die Grünflächenfestsetzung ist entgegen der Auffassung der Klägerin weder durch schlichten Zeitablauf noch dadurch obsolet geworden, dass auf einem der innerhalb dieses Bereichs liegenden Grundstücke (W ) das bereits angesprochene größere Wohnhaus errichtet worden ist. Eine bauplanerische Festsetzung tritt nur dann wegen Funktionslosigkeit außer Kraft, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung erkennbar einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt (vgl. näher das Grundsatzurteil des BVerwG vom 29.04.1977 - IV C 39.75 -, BVerwGE 54, 5 = NJW 1977, 2325 = DVBl. 1977, 768). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Augenscheinseinnahme des Senats in der mündlichen Verhandlung hat ergeben, dass der als Grünfläche festgesetzte Bereich bis heute tatsächlich im Wesentlichen von einer Bebauung freigehalten worden ist und sich als durchgehender Grünzug darstellt. Die Grünflächenfestsetzung kann allenfalls insoweit funktionslos geworden sein, als sie auch das seit langem bebaute Grundstück W erfasst; dem muss hier aber nicht näher nachgegangen werden.

3. Die Erteilung einer Ausnahme von der Grünflächenfestsetzung nach § 31 Abs. 1 BauGB kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Bebauungsplan "Gänseberg dies nicht vorsieht.

Auch die Voraussetzungen einer von der Klägerin im Genehmigungsverfahren ausdrücklich beantragten Befreiung von der Grünflächenfestsetzung liegen nicht vor. Eine Befreiung würde die Grundzüge der Planung berühren und kann daher nach § 31 Abs. 2 BauGB nicht erteilt werden.

Der Grünflächenfestsetzung liegt ersichtlich die planerische Konzeption zugrunde, im östlichen Bereich des Plangebiets einen durchgehenden, in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Grünzug zu schaffen oder zu erhalten, der nur durch eine Straße (den heutigen W ) und kleinere Wege unterbrochen wird und von Bebauung freizuhalten ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin, kann daraus, dass die Zeichenerklärung des Plans die durch hellgrüne Farbe gekennzeichnete Grünflächenfestsetzung nicht erfasst, nicht geschlossen werden, die Festsetzung sei ohne relevantes Planungskonzept und eher zufällig erfolgt. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das planerische Konzept unter Voraussetzungen erstellt worden ist, die nachträglich entfallen sind. Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang lediglich pauschal auf die "völlig veränderten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Stadt Jena", ohne zu verdeutlichen, weshalb dadurch das planerische Konzept hinfällig geworden sein sollte.

Das planerische Konzept ist schließlich ebenso wenig wie die Festsetzung selbst durch die Erteilung der erwähnten Baugenehmigung für das Gebäude W - oder durch schlichten Zeitablauf obsolet geworden.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (vgl. § 132 VwGO).

Beschluss

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren gemäß § 63 Abs. 2 i. V. m. den §§ 47 und 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) auf 30.000,- Euro festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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