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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 18.12.2002
Aktenzeichen: 1 KO 639/01
Rechtsgebiete: ThürBO, DDR-Verordnung-über-Bevölkerungsbauwerke


Vorschriften:

ThürBO § 77 Abs. 1
DDR-Verordnung-über-Bevölkerungsbauwerke § 11
Eine nach § 11 Abs. 3 der Verordnung der DDR über Bevölkerungsbauwerke vom 8. November 1984 eingetretene Verjährung der behördlichen Eingriffsbefugnis steht dem Erlass einer Beseitigungsanordnung nach § 77 Abs. 1 ThürBO ebenso entgegen wie dem Erlass einer Nutzungsuntersagung nach dieser Vorschrift.
THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT -1. Senat- Im Namen des Volkes Urteil

1 KO 639/01

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Bauplanungs-, Bauordnungs- und Städtebauförderungsrecht,

hier: Berufung

hat der 1. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Strauch, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Husch und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Preetz aufgrund der mündlichen Verhandlung

vom 18. Dezember 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 25. April 2001 - 1 K 3816/99.We - abgeändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 27. September 1999 wird insoweit aufgehoben, als dem Kläger die Beseitigung des als Wohn- und Schlafzimmer dienenden Anbaus aufgegeben und die Nutzung dieses Anbaus sowie des Ursprungsgebäudes zu Dauerwohnzwecken untersagt worden ist.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Klägers vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Beseitigungsverfügung und Nutzungsuntersagung der Beklagten.

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks F in Gotha (Flurstück a, Flur 26 der Gemarkung Gotha). Am 18. März 1977 wurde ihm durch die Staatliche Bauaufsicht die Genehmigung zur Errichtung einer Gartenlaube mit einer Grundfläche von rund 24 qm erteilt. Der Kläger errichtete 1978 im Widerspruch zu dieser Genehmigung ein vollunterkellertes Gebäude mit einer Grundfläche von ca. 32 qm, das er seinen Angaben zufolge von 1983 bis 1984 um einen aus zwei Räumen (Wohn- und Schlafzimmer) bestehenden Anbau und "nach 1990" um einen Anbau im Eingangsbereich (Flur und Windfang) erweiterte und zwischenzeitlich mit einer Heizungsanlage ausstattete. Ferner baute er ein seit 1980 bestehendes Nebengebäude "nach 1990" zu einer Doppelgarage aus. Baugenehmigungen für die Erweiterungs- und Umbaumaßnahmen liegen nicht vor. Das Hauptgebäude des Klägers weist derzeit eine Grundfläche von ca. 86 qm und eine Wohnfläche von ca. 66 qm auf. Seit 1980 nutzt der Kläger es ständig zu Wohnzwecken; seither ist er dort mit seinem Hauptwohnsitz gemeldet.

Nachdem die Bauaufsichtsbehörde der Beklagten Kenntnis davon erlangt hatte, dass der Kläger seine "Gartenlaube" ohne Baugenehmigung erweitert hatte und sie ständig zu Wohnzwecken nutzt, gab sie ihm mit Schreiben vom 9. Juni 1998 Gelegenheit zur Stellungnahme. Unter dem 19. August 1998 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine nachträgliche Genehmigung für die bauliche Erweiterung und Nutzungsänderung seiner "Laube" sowie die Errichtung der Garage.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 15. Februar 1999 die Erteilung der beantragten Baugenehmigung ab (Ziffer 1) und untersagte ab dem 1. April 1999 die Nutzung der Gartenlaube zu Wohnzwecken sowie die Nutzung der Heizungsanlage und der Garage (Ziffer 2); die sofortige Vollziehung der Nutzungsuntersagung wurde angeordnet (Ziffer 3). Für den Fall der Nichtbefolgung des Nutzungsverbots drohte die Beklagte dem Kläger ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000,- DM an (Ziffer 4). Des Weiteren gab sie dem Kläger auf, innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheides die Garage und die als Wohn- und Schlafzimmer sowie als Flur und Windfang dienenden Anbauten der Gartenlaube zu beseitigen (Ziffer 5). Für den Fall, dass der Kläger dem Beseitigungsgebot nicht nachkommen sollte, drohte sie die Ersatzvornahme an (Ziffer 6) und veranschlagte die Kosten der Ersatzvornahme mit 15.000,- DM (Ziffer?). Ziffer9 des Bescheides enthielt eine Regelung über die Pflicht zur Kostentragung.

Der Kläger legte gegen den am 18. Februar 1999 zugestellten Bescheid mit Schriftsatz vom 10. März 1999 Widerspruch ein.

Das Thüringer Landesverwaltungsamt wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 1999, der dem Kläger am 30. September 1999 zugestellt wurde, zurück. Es führte aus, die Bauaufsichtsbehörde habe zu Recht die Erteilung der beantragten Baugenehmigung abgelehnt. Der Erteilung der Genehmigung stehe entgegen, dass das Grundstück des Klägers im Außenbereich liege und die bereits durchgeführten Maßnahmen bauplanungsrechtlich nicht genehmigungsfähig seien. Die Erweiterung der Gartenlaube und die Errichtung der Garage ließen die Verfestigung einer unerwünschten Splittersiedlung befürchten. Ein Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung könne auch nicht aus den Grundsätzen des sog. einfachen Bestandsschutzes hergeleitet werden. Die Beklagte habe dem Kläger ferner zu Recht gemäß § 77 Abs. 1 Satz 2 ThürBO die Nutzung seines Gebäudes zu Wohnzwecken sowie die Nutzung seiner Heizungsanlage untersagt. Die Nutzungsänderung sei ohne die erforderliche Genehmigung erfolgt; überdies sei sie bauplanungs- und bauordnungsrechtlich unzulässig. Unerheblich sei, dass der Kläger seit 1980 mit seinem ständigen Wohnsitz im F gemeldet sei. Die Beklagte habe auch das ihr nach § 77 ThürBO eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Sie habe ferner zu Recht gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 ThürBO die Beseitigung der Anbauten am Gebäude des Klägers und der Garage angeordnet, denn die Erweiterungsmaßnahmen und der Umbau des früheren Nebengebäudes zu einer Garage seien bauplanungsrechtlich unzulässig. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 11 Abs. 3 der Verordnung der DDR über Bevölkerungsbauwerke vom 8. November 1984, wonach die Beseitigung rechtswidriger Baumaßnahmen und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes nicht mehr hätten angeordnet werden können, wenn seit der Fertigstellung des Bauwerks mehr als 5 Jahre vergangen seien. Die Verordnung sei bereits am 1. August 1990 außer Kraft getreten. Die genannte Vorschrift vermittele überdies keinen Bestandschutz im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG. Sie sei im Übrigen dahin auszulegen, dass die 5-Jahres-Frist erst zu laufen begonnen habe, wenn die zuständigen Bauaufsichtsbehörden positive Kenntnis von der rechtswidrigen Errichtung der baulichen Anlage erlangt hatten. Die Beklagte habe indes erst 1998 von den Anbauten an das Gebäude des Klägers erfahren. Sie verstoße mit dem Einschreiten gegen den Kläger auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da sie in allen vergleichbaren Fällen einschreite. Die Beseitigungsverfügung sei - ebenso wie die Nutzungsuntersagung - ermessensfehlerfrei ergangen.

Am 28. Oktober 1999 hat der Kläger bei dem Verwaltungsgericht Weimar Klage erhoben. Soweit sich die Klage gegen die Versagung der Baugenehmigung richtete, hat der Kläger sie im Laufe des Verfahrens zurückgenommen.

Mit Beschluss vom 24. Oktober 2000 - 1 EO 212/00 - (ThürVGRspr. 2001, 61 = ThürVBl. 2001, 89 = DVBl. 2001, 404) hat der Senat dem zwischenzeitlich erhobenen Eilantrag des Klägers gegen die mit Sofortvollzug versehene Nutzungsuntersagung der Beklagten stattgegeben.

Soweit die Klage fortgeführt worden ist, hat der Kläger vorgetragen, die Behörden der ehemaligen DDR hätten im Hinblick auf die Wohnungsnot die rechtswidrige Errichtung von Gebäuden hingenommen. Diese Praxis habe seit 1984 ihren gesetzlichen Niederschlag in § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke vom 8. November 1984 gefunden. Nach Ablauf der in dieser Bestimmung genannten 5-Jahres-Frist seien "Schwarzbauten" rechtmäßig errichteten Gebäuden gleichgesetzt worden und als persönliches Eigentum über Art. 11 der Verfassung der DDR geschützt gewesen. Dieser Bestands- oder Vertrauensschutz sei nicht mit Inkrafttreten des Gesetzes über die Bauordnung am 1. August 1990 weggefallen. Auch das Sachenrechtsbereinigungsgesetz stelle den durch § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke vermittelten Bestandsschutz dem Fall gleich, dass eine Baugenehmigung erteilt worden sei. Dass er - der Kläger - gegen die Beseitigungsverfügung der Beklagten geschützt sei, folge auch aus Art. 19 des Einigungsvertrages; der Gesetzgeber habe im Zuge der Sachenrechtsbereinigung ausnahmsweise den Fall der Duldung oder des Unterlassens einer Handlung gleichgestellt. Die Duldung einer vor dem 3. Oktober 1985 erfolgten rechtswidrigen Gebäudeerrichtung stelle einen Verwaltungsakt dar, der über Art. 19 Einigungsvertrag fortgelte. Er - der Kläger - habe der zuständigen Behörde bereits am 20. März 1980 angezeigt, dass er seinen Hauptwohnsitz in das Gebäude am F verlegt habe. Der Beklagten hätten seine baulichen Aktivitäten nicht verborgen bleiben können. Da sie gleichwohl keine Abrissverfügung erlassen habe, habe sie konkludent seine baulichen Maßnahmen geduldet. Eine Genehmigung für die Nutzungsänderung habe er im Übrigen nicht benötigt, da eine derartige Genehmigung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über die Bauordnung am 1. August 1990 gesetzlich nicht vorgesehen gewesen sei.

Der Kläger hat beantragt,

Ziffer 2 bis 7 und 9 des Bescheides der Beklagten vom 15. Februar 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. September 1999 aufzuheben und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, eine Untätigkeit der früher zuständigen Behörden - möge sie auch allgemein üblich gewesen sein - könne nicht mit einer Genehmigung in Form eines Verwaltungsaktes gleichgesetzt werden, die über Art. 19 des Einigungsvertrages Bestand habe; der Einigungsvertrag enthalte keinen Hinweis darauf, dass die tatsächlichen Verhältnisse in der Weise anerkannt würden, dass ein bloßes Untätigbleiben als Verwaltungsakt zu werten wäre. Dies gelte auch im Hinblick auf § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke vom 8. November 1984. Diese Vorschrift bringe im Übrigen nicht zum Ausdruck, dass "Schwarzbauten" nach Ablauf der 5-Jahres-Frist mit genehmigten Gebäuden gleichgesetzt worden seien oder als genehmigt gegolten hätten. Bei seinen Ausführungen zum Bestandsschutz verkenne der Kläger, dass Bestandsschutz auf Art. 14 GG beruhe; einen Eigentumsbegriff, wie er Art. 14 GG zugrunde liege, habe es indes nach der Verfassung der DDR nicht gegeben. Der Kläger verkenne weiter, dass Bestandsschutz voraussetze, dass das Bauwerk formell und materiell legal gewesen sei. Der vom Kläger beanspruchte Vertrauensschutz könne überdies nur in dem Maße greifen, wie er in der Rechtswirklichkeit der DDR den Bürgern eingeräumt worden wäre. Nachträglich genehmigt worden wäre aller Wahrscheinlichkeit nach nur die Errichtung einer 32 qm großen Hütte mit Keller anstelle der genehmigten 24 qm großen Hütte ohne Unterkellerung.

Das Verwaltungsgericht Weimar hat die Klage mit Urteil vom 25. April 2001 - 1 K 3816/99.We - abgewiesen. Es hat ausgeführt, die dem Kläger in Ziffer 5 des angefochtenen Bescheides aufgegebene Beseitigung der Anbauten und seiner Garage sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 1 ThürBO lägen vor. Das vom Kläger anstelle der genehmigten Gartenlaube errichtete Haus sei ebenso wenig wie die Garage bauaufsichtlich genehmigt worden. Die Gebäude seien auch nicht genehmigungsfähig, weil sie sich im Außenbereich befänden und die Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten ließen. Die Beklagte habe auch ihr Beseitigungsermessen fehlerfrei ausgeübt, insbesondere sei sie zu Recht davon ausgegangen, dass vorliegend kein Ausnahmefall vorliege, der ein Absehen von dem an sich gebotenen Einschreiten erlaube. Die Grundsätze des Bestandsschutzes seien nicht anwendbar, weil das Grundgesetz in den neuen Bundesländern erst am 3. Oktober 1990 in Kraft getreten sei und die Verfassung der DDR keine Art. 14 GG entsprechende Norm enthalten habe. Ein Ausnahmefall ergebe sich auch nicht aus der Gesetzeslage, wie sie von 1985 bis 1990 vorübergehend in der DDR bestanden habe. Die 5-Jahres-Frist des § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke vom 8. November 1984, die als Verjährungsfrist eingestuft werden könne, vermittle keine schutzwürdige Position, die ein Absehen von einer Beseitigungsverfügung rechtfertige. Durch den Eintritt der Verjährung sei die entsprechende bauliche Anlage weder formell noch materiell rechtmäßig geworden. Auch seien die nach Inkrafttreten der Verordnung ohne die erforderliche Zustimmung des Rates errichteten Gebäude nicht im Vertrauen auf die Rechtslage, sondern allenfalls in der Hoffnung gebaut worden, dass 5 Jahre verstreichen würden, ohne dass eine Abrissauflage ergehen werde. Ein realisiertes Vertrauen in die - wenn auch gegebenenfalls systemimmanente - Untätigkeit der zuständigen Behörden stelle kein schutzwürdiges Vertrauen dar, das eine Ausnahme von dem Erlass einer Beseitigungsverfügung begründen könnte; es finde seine Grundlage insbesondere nicht in der geltenden Gesetzeslage. Die Verjährungsfrist des § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke vom 8. November 1984 sei bereits am 1. August 1990 außer Kraft getreten; die Vorschrift habe mithin bereits zum Zeitpunkt des Beitritts nicht mehr gegolten. Selbst wenn die Frist erst durch den Beitritt außer Kraft getreten wäre, stelle eine ungünstige Änderung der Rechtslage keine per se schutzwürdige Position dar; ein Vertrauen in den Fortbestand einer Rechtslage gebe es nicht. Gegen eine veränderte Rechtslage könnten sich allenfalls besonders geschützte Positionen behaupten, wie etwa die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass nach Untergang der DDR ein Vertrauen in den Weiterbestand von DDR-Recht ohnehin nicht habe bestehen können. Eine ausdrückliche Überleitungsvorschrift - wie etwa Art. 232 § 1 EGBGB - sei für Fälle der vorliegenden Art nicht geschaffen worden. Die zu Zeiten der ehemaligen DDR errichteten Gebäude müssten sich daher an den geltenden Bestimmungen messen lassen und unterlägen den geltenden Eingriffsregeln, die eine Verjährung des gebotenen Einschreitens gegen rechtswidrige Zustände nicht vorsähen. Allenfalls die Frage der Verwirkung werde in diesem Zusammenhang diskutiert. Die Voraussetzungen für die Annahme einer Verwirkung lägen indes nicht vor. Die Beseitigung der Garage sei ebenfalls zu Recht verfügt worden. Die Beklagte habe dem Kläger ohne Rechtsfehler auch die Nutzung seines Gebäudes zu Dauerwohnzwecken untersagt. Auch insoweit liege kein Ausnahmefall vor, der ein Absehen von dem gebotenen Einschreiten erlaube.

Der Senat hat auf den Antrag des Klägers mit Beschluss vom 26. September 2001 die Berufung zugelassen. Mit Beschluss vom 18. Dezember 2002 hat er das Verfahren abgetrennt, soweit sich die Klage gegen die angeordnete Beseitigung des - nach 1990 angebauten - Windfangs, der - ebenfalls nach 1990 errichteten - Garage und die hierauf bezogene Nutzungsuntersagung sowie gegen die Zwangsmittelandrohungen richtet.

Im Berufungsverfahren, dessen Gegenstand die Beseitigung des als Wohn- und Schlafzimmer dienenden Anbaus sowie die Untersagung der Nutzung dieses Anbaus und des Ursprungsgebäudes zu Dauerwohnzwecken ist, trägt der Kläger vor, das Verwaltungsgericht bewerte die Verordnung der DDR über Bevölkerungsbauwerke vom 8. November 1984 fehlerhaft. Sowohl diese Verordnung als auch die (Vorgänger-)Verordnung vom 22. März 1972 hätten die Beseitigung widerrechtlich errichteter Bauwerke und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes nur für den Fall vorgesehen, dass das gesellschaftliche Interesse dies erforderte. Im Regelfall seien widerrechtlich errichtete Gebäude nachträglich zu legitimieren gewesen. Die entsprechenden Regelungen hätten die in der DDR bestehende Wohnungsnot widergespiegelt, was dazu geführt habe, dass rechtswidrig errichtete Gebäude hingenommen worden seien. Mit der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke aus dem Jahre 1984 sei deshalb die Möglichkeit zur Beseitigung der Gebäude in der Weise eingeschränkt worden, dass eine Auflage zur Beseitigung nicht mehr habe ergehen dürfen, wenn seit Fertigstellung des Bauwerks 5 Jahre vergangen gewesen seien. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts handele es sich dabei nicht lediglich um eine Verjährungsregelung; vielmehr handele es sich um eine Ausschlussfrist mit der Folge, dass der behördliche Anspruch auf Beseitigung nach Ablauf der Frist erloschen sei. Seine - des Klägers - Anbauten an sein Gebäude genössen Bestandsschutz. Dieser Bestandsschutz sei nicht mit Inkrafttreten des Gesetzes über die Bauordnung weggefallen. Nach Ablauf der Frist des § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke vom 8. November 1984 seien "Schwarzbauten" rechtmäßig errichteten Gebäuden gleichgesetzt und nach Art. 11 der Verfassung der DDR als persönliches Eigentum geschützt gewesen. Ein einmal gewährter Bestandsschutz und das Recht auf Eigentum könne nicht durch eine Rechtsänderung wegfallen. Dieser Grundsatz werde durch das Sachenrechtsbereinigungsgesetz bestätigt. Ihm -dem Kläger- stehe daher unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 GG - wie auch bereits aus Art. 11 der Verfassung der DDR - ein Abwehranspruch gegen den angegriffenen Bescheid zu. Im Übrigen habe er auf den Fortbestand der sich aus § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke ergebenden Rechtsposition vertrauen dürfen. Zwingende öffentliche Interessen, die diesem Vertrauen entgegenstünden, seien nicht vorhanden. Selbst wenn ein Vertrauensschutz nicht anzuerkennen sei, könne die Beklagte nicht gegen ihn einschreiten, denn sie habe einen Beseitigungsanspruch verwirkt. Auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts zur Nutzungsuntersagung sei rechtsfehlerhaft. Die Umnutzung des Gebäudes sei 1979 nicht genehmigungspflichtig gewesen. Im Übrigen habe er auch darauf vertrauen dürfen, dass seine Wohnnutzung Bestand haben werde.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 25. April 2001 - 1 K 3816/99.We - abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 27. September 1999 insoweit aufzuheben, als in ihm die Beseitigung des als Wohn- und Schlafzimmer dienenden Anbaus angeordnet und die Nutzung dieses Anbaus sowie des Ursprungsgebäudes zu Dauerwohnzwecken untersagt worden ist und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, das Sachenrechtsbereinigungsgesetz gebe für die Frage, ob der angefochtene Bescheid rechtmäßig ergangen sei, nichts her; der Bundesgesetzgeber habe nicht beabsichtigt, "Schwarzbauten" zu legalisieren. Aus § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke vom 8. November 1984 lasse sich ein Bestandsschutz nicht herleiten. Bestandsschutz setze ein subjektiv-öffentliches Recht gegen die Staatsgewalt voraus; ein derartiges Recht habe nach dem Rechtssystem der DDR nicht existiert. Auch setze Bestandsschutz die - hier nicht vorhandene - frühere materielle Rechtmäßigkeit des Gebäudes voraus. Der Kläger könne ferner aus Art. 19 des Einigungsvertrages nichts für sich herleiten. Jedenfalls mit Inkrafttreten des Gesetzes über die Bauordnung am 1. August 1990 sei jede durch § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke eingeräumte Rechtsposition untergegangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Verfahrens 1 EO 212/00 (1 Band) und des vorliegenden Verfahrens (2 Bände) sowie der Behördenvorgänge (3 Hefter), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2002 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 27. September 1999 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies gilt sowohl hinsichtlich der ihm aufgegebenen Beseitigung des als Wohn- und Schlafzimmer dienenden Anbaus (I.) als auch hinsichtlich der Untersagung, diesen Anbau und das Ursprungsgebäude zu Dauerwohnzwecken zu nutzen (II.).

I. Rechtsgrundlage für die angefochtene Beseitigungsanordnung ist § 77 Abs. 1 Satz 1 ThürBO. Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen, kann offen bleiben. Dem Erlass einer Beseitigungsverfügung steht entgegen, dass die Befugnis zur Erteilung einer Abrissauflage nach dem Recht der DDR verjährt war.

1. Die Verjährung der behördlichen Eingriffsbefugnis folgt für den vorliegenden Fall aus § 11 Abs. 1 Ziffer 3, Abs. 3 der Verordnung der DDR über Bevölkerungsbauwerke vom 8. November 1984 (GBl. I S. 433) - Verordnung über Bevölkerungsbauwerke -. Nach § 11 Abs. 1 Ziffer 3 der Verordnung war der Vorsitzende des Rates berechtigt, den Bauauftraggeber, der ein Bauwerk widerrechtlich errichtet oder verändert hatte, durch Auflage zu verpflichten, innerhalb einer angemessenen Frist auf seine Kosten das Bauwerk oder den Bauwerksteil zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen, sofern das gesellschaftliche Interesse dies erforderte. Abs. 3 der Vorschrift bestimmte, dass eine Auflage gemäß Abs. 1 Ziffer 3 nicht mehr erteilt werden durfte, wenn seit der Fertigstellung des Bauwerks 5 Jahre vergangen waren.

a) Der Kläger hat sein Haus widerrechtlich i. S. d. § 11 Abs. 1 Ziffer 3 der genannten Verordnung errichtet. Widerrechtlich handelte insbesondere der Bauauftraggeber, der ein Bauwerk ohne Zustimmung des Rates errichtete oder veränderte oder der von den eingereichten und mit der Zustimmung des Rates genehmigten Bauunterlagen abwich (vgl. Gill und Tarnick, Errichtung und Veränderung von Bauwerken durch die Bevölkerung, NJ 1985, S. 237). Der Kläger hat entgegen der ihm erteilten Genehmigung nicht ein Gebäude mit einer Grundfläche von 24 qm ohne Keller, sondern ein voll unterkellertes Gebäude mit einer Grundfläche von rund 32 qm erstellt, das er - ohne die Zustimmung des Rates einzuholen - um einen aus zwei Räumen bestehenden Anbau erweitert hat.

Die zeitlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 der Verordnung sind im vorliegenden Fall erfüllt. Da die Verordnung über Bevölkerungsbauwerke mit Inkrafttreten des Gesetzes der DDR zur Einführung des Gesetzes vom 20. Juli 1990 über die Bauordnung (GBl. I S. 950) - am 1. August 1990 - außer Kraft getreten ist, konnte § 11 Abs. 3 vor dem Erlass einer Beseitigungsanordnung nur dann schützen, wenn die genannte 5-Jahres-Frist vor diesem Zeitpunkt abgelaufen war. Dies war hier der Fall. Der Kläger hat sein (Ursprungs-)Gebäude 1978 errichtet. Die Erweiterung um den aus zwei Räumen bestehenden Anbau nahm er eigenen Angaben zufolge von 1983 bis 1984 vor. Zweifel an den Angaben des Klägers bestehen nicht. Vielmehr wird sein Vorbringen durch die Einheitswert- und Gemeindesteuerbescheide vom 29. März 1982 (Steuer-Nr. 40 III 908) und vom 13. Mai 1985 (Steuer-Nr. 40 III 1129) bestätigt, durch die - ebenso wie in den Jahren nach 1990 - einerseits der unbebaute Teil und andererseits der mit einer "Gartenlaube" bebaute Teil seines Grundstücks besteuert worden war. Die "Gartenlaube" wies nach dem Steuerbescheid vom 13. Mai 1985 eine Größe von 61 qm auf, welche nach den vom Kläger im Baugenehmigungsverfahren eingereichten Unterlagen in etwa - ohne Berücksichtigung der Außenmauern - der Grundfläche seines ursprünglich errichteten Gebäudes einschließlich des aus zwei Räumen bestehenden Anbaus entsprach.

b) § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke vermochte entgegen der Auffassung des Klägers keinen baurechtlichen Bestandsschutz nach heutigen Maßstäben zu vermitteln. Voraussetzung für den aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG hergeleiteten baurechtlichen Bestandsschutz, der sich auch als Schutz gegenüber einem behördlichen Beseitigungsverlangen erweist, ist die formelle oder zumindest materielle Rechtmäßigkeit des Bauvorhabens (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 5. August 1991 - 4 B 130.91- Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 35). Eine - formelle und/oder materielle - Legalisierung widerrechtlich errichteter oder veränderter Bauwerke bewirkte § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke nicht. Die Bestimmung bewahrte den Betroffenen lediglich vor dem Erlass einer Beseitigungsanordnung, ohne dass weitere Folgen mit ihr verbunden gewesen wären.

Mit diesem Regelungsgehalt stellte die Vorschrift nichts anderes als eine Verjährungsregelung dar; der in ihr bestimmten 5-Jahres-Frist kam eine ähnliche Bedeutung zu wie einer strafrechtlichen Verjährung. Die Frist wurde eingeführt, nachdem vorgeschlagen worden war, die Erteilung einer Abrissauflage einer Verjährung zu unterwerfen, um - in Anlehnung an die für das Strafrecht geltenden Grundsätze - dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sich die Gesellschaft im Laufe der Zeit mit der Existenz widerrechtlich errichteter oder veränderter Bauwerke abfinde und daher die auf Herbeiführung des gesetzlichen Zustandes gerichtete Abrissauflage ihren politisch-sozialen Sinn verliere (vgl. Boden, Die staatlichrechtliche Leitung der Errichtung und Veränderung von Bauwerken durch Bürger in der DDR, Diss. B, Leipzig April 1984, S. 159; allgemein derselbe in Verwaltungsrecht [der DDR], 2. Auflage, Berlin 1988, S. 238 ff.); auch die strafrechtlichen Verjährungsfristen berücksichtigten nach der Rechtsordnung der DDR, dass "der Lauf der Zeit (...) über den mit einer Straftat bewirkten sozialen Schaden und Konflikt allmählich hinweggeht und eine strafrechtliche Reaktion, die nur noch als Akt abstrakter Vergeltung erscheinen könnte, ihren (...) Sinn verliert" (vgl. Strafrecht [der DDR], Allgemeiner Teil, Berlin 1978 S. 522). Begründet wurde die Forderung nach Einführung einer Verjährung für die Erteilung einer Abrissauflage damit, dass diese Auflage eine - einer strafenden ähnliche - rechtsherstellende Sanktion darstelle, mit der auf eine Pflichtverletzung des Bürgers - die widerrechtliche Errichtung oder Veränderung eines Bauwerks - reagiert werden konnte (vgl. Boden, a. a. O., S. 156 f.). Vor einer derartigen Sanktion sollte der Bauauftraggeber, d. h. der Bauherr, nach Ablauf einer Verjährungsfrist ebenso geschützt sein wie der Straftäter vor Einleitung bzw. Fortführung eines Strafverfahrens nach Eintritt der strafrechtlichen Verjährung.

Der Bauherr musste im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit seiner Baumaßnahmen auch nicht mit einem Einschreiten der Staatlichen Bauaufsicht rechnen. Zwar enthielt § 28 der Verordnung über die Staatliche Bauaufsicht vom 1. Oktober 1987 (GBl. I S. 249) eine Eingriffsbefugnis ihrer Stellen für Fälle, in denen Bauwerke widerrechtlich errichtet oder verändert worden waren. Diese Befugnis galt jedoch nur für Bauwerke i. S. d. §§ 14 und 16 der Verordnung, d. h. für Investitionsvorhaben und sonstige Vorhaben, nicht hingegen für Bauwerke der Bevölkerung i. S. d. § 15 der Verordnung. Bauwerke der Bevölkerung waren Bauwerke der Bürger und anderer Bauauftraggeber, für die - wie hier - die Zustimmung des Rates der Gemeinde, des Stadtbezirks oder der Stadt erforderlich war (§ 15 Abs. 1 der Verordnung über die Staatliche Bauaufsicht vom 1. Oktober 1987). Diese Bauwerke unterlagen nach § 1 Abs. 1 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke nicht den für die Vorbereitung und Durchführung von Investitionen geltenden Rechtsvorschriften (vgl. Verordnung über die Vorbereitung von Investitionen vom 23. Mai 1985 [GBl. I S. 197], die für staatliche Organe, Kombinate, wirtschaftsleitende Organe und Betriebe galt).

2. Die im vorliegenden Fall eingetretene Verjährung steht einer Beseitigungsanordnung auch nach heutigem Recht entgegen.

a) Die Neugestaltung des Bauordnungsrechts in der ehemaligen DDR durch das am 1. August 1990 in Kraft getretene Gesetz zur Einführung des Gesetzes über die Bauordnung vom 20. Juli 1990 (GBl. I S. 950) -Einführungsgesetz- hatte nicht die Unbeachtlichkeit einer nach § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke eingetretenen Verjährung zur Folge. Zwar trat nach § 1 des Einführungsgesetzes das Gesetz über die Bauordnung am 1. August 1990 in Kraft, ohne dass es eine § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke entsprechende Verjährungsregelung enthalten hätte; gleichzeitig bestimmte § 11 Abs. 3 Nr. 6 des Einführungsgesetzes das Außerkrafttreten dieser Verordnung. Ein gesetzgeberischer Wille, dass eine nach der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke eingetretene Verjährung unbeachtlich werden sollte, ist jedoch nicht erkennbar. Daher verbietet sich eine Auslegung, die den genannten Vorschriften den Inhalt beigibt, die einmal eingetretene Verjährung sei erloschen.

Zunächst kann allein aus dem Umstand, dass § 11 Abs. 3 Nr. 6 des Einführungsgesetzes keinen Hinweis darauf enthält, ob eine nach der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke eingetretene Verjährung untergegangen ist, ein derartiger Untergang nicht - wie das Verwaltungsgericht offenbar meint- ohne weiteres hergeleitet werden. Das Außerkrafttreten der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke kann vielmehr auch dahin gedeutet werden, dass es lediglich in die Zukunft habe wirken sollen. Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes gibt insoweit keinen Aufschluss; sie ist nicht in Parlamentsdrucksachen dokumentiert. Sinn und Zweck des Gesetzes sprechen jedenfalls eher für als gegen diese Auslegung. Das Einführungsgesetz, das wenige Monate vor der Wiedervereinigung erlassen worden war, bezweckte, indem es das Inkrafttreten des Gesetzes über die Bauordnung und gleichzeitig das Außerkrafttreten u. a. der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke anordnete, eine Anpassung der Rechtslage auf dem Gebiet des Bauordnungsrechts an die in den alten Bundesländern geltenden Bauordnungen; diese Anpassung erforderte nicht notwendig die Beseitigung eines nach der früheren Rechtslage eingetretenen Rechtszustandes.

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang indes, dass sich die Frage nach dem Untergang einer einmal eingetretenen Verjährung der Sache nach als ein Problem der Rückwirkung darstellt, die auch nach den zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Einführungsgesetzes geltenden Grundsätzen nicht in jedem Fall zulässig war. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die DDR durch Staatsvertrag vom 18. Mai 1990 (vgl. Art. 2 des Vertrages [GBl. I S. 331]) sowie durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung der Verfassung - Verfassungsgrundsätzegesetz - vom 17. Juni 1990 (vgl. Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes [GBl. I S. 299]) - und damit noch vor Inkrafttreten des Einführungsgesetzes - dem Rechtsstaatsprinzip verpflichtet hatte, dem die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes immanent sind. Nach diesen Grundsätzen stellt sich ein gesetzlicher Eingriff in eine bereits abgelaufene Verjährung in der Regel als rechtsstaatswidrig dar. Entsprechend hat das Bundesverfassungsgericht einen nachträglichen Eingriff in eine Verjährungsbestimmung inzident dann unter Rechtsstaatsgesichtspunkten für nicht mehr tragbar erklärt, wenn die Verjährung - im entschiedenen Fall der Strafverfolgung - bereits abgelaufen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. März 1983 - 2 BvR 457/78- BVerfG E 63, 343, 359; Beschluss vom 26. Februar 1969 - 2 BvL 15, 23/68 - BVerfGE 25, 269, 291). Die Unzulässigkeit der Aufhebung einer einmal eingetretenen Verjährung hätte zur Folge, dass § 11 Abs. 3 Nr. 6 des Einführungsgesetzes mit seinem - wie dargestellt - offenen Wortlaut im Hinblick auf die bereits geltenden Verfassungsgrundsätze dahin auszulegen wäre, dass das Außerkrafttreten der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke nicht gleichzeitig den Untergang einer nach dieser Verordnung eingetretenen Verjährung der behördlichen Eingriffsbefugnis bewirkt hätte. Die Frage, ob sich ein gesetzlicher Eingriff in diese Verjährung unter Rechtsstaatsgesichtspunkten in jedem Fall als unzulässig darstellt, bedarf hier jedoch keiner abschließenden Klärung.

Jedenfalls setzt das Rechtsstaatsprinzip der Auslegung des § 11 Abs. 3 Nr. 6 des Einführungsgesetzes insofern Grenzen, als das Schweigen des Gesetzgebers nicht dahin gedeutet werden kann, er habe eine einmal eingetretene Verjährung beseitigen wollen. Ohne hinreichend deutliche Anhaltspunkte für einen entsprechenden gesetzgeberischen Willen kann nicht davon ausgegangen werden, das schlichte Außerkrafttreten der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke habe zugleich das Erlöschen einer nach dieser Verordnung eingetretenen Verjährung bewirkt.

Gesichert sind durch die rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes nicht nur materiell-rechtliche Positionen; diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Gesetzgeber auf eine bislang gegebene verfahrensrechtliche Lage, in der sich der Bürger befindet, einwirkt. Das Vertrauen in die Aufrechterhaltung verfahrensrechtlicher Rechtspositionen mag unter Rechtsstaatsgesichtspunkten zwar weniger geschützt sein als das Vertrauen in die Aufrechterhaltung materieller Rechtspositionen. Im Einzelfall können verfahrensrechtliche Positionen ihrer Bedeutung und ihres Gewichts wegen jedoch in gleichem Maße schutzwürdig sein wie Positionen des materiellen Rechts; von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, ob ein rechtlich abgeschlossenes Verfahren vorliegt. Verfahrensrecht bedeutet nicht selten bloß technische Regelung, "Spielregel", Ordnungsbestimmung; es kann aber auch elementare Gewährleistungen enthalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. März 1983 - 2 BvR 475/78 - BVerfGE 63, 343, 3590 ; Beschluss vom 7. Juli 1992 - 2 BvR 1631/90 - BVerfGE 87, 48, 63 f.).

Mit Eintritt der Verjährung nach § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke erlangte der Bauherr eine schutzwürdige verfahrensrechtliche Rechtsposition, die ihrer Bedeutung und ihrem Gewicht nach mit einer Position des materiellen Rechts vergleichbar war. Er musste mit einer Abrissverfügung nicht mehr rechnen, sondern konnte sich darauf einrichten, dass seine Investition, sein rechtswidrig errichtetes Gebäude, in dem er - wie etwa im vorliegenden Fall - möglicherweise sogar seinen Lebensmittelpunkt hatte, Bestand haben werde. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob - wie das Verwaltungsgericht meint- der Bauherr sein Gebäude im Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage errichtet hat; entscheidend ist, dass er nach Ablauf der 5-Jahres-Frist in § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke darauf vertrauen durfte, sein Gebäude unterliege im Hinblick auf die widerrechtlich durchgeführten Maßnahmen nicht mehr dem behördlichen Zugriff. Die Schutzwürdigkeit dieser Position kann auch nicht mit der Begründung in Abrede gestellt werden, die Verordnung über Bevölkerungsbauwerke sei zu einem Zeitpunkt erlassen worden, als sich die DDR noch nicht dem Rechtsstaatsprinzip verpflichtet hatte. Dies wäre kein Argument dafür, den Schutz rechtsstaatlicher Grundsätze heute zu versagen; maßgebend ist, dass § 11 Abs. 3 der Verordnung dem Betroffenen eine Position vermittelte, die unter der Geltung und nach Maßgabe des Rechtsstaatsprinzips beachtlich ist. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Verjährung der behördlichen Eingriffsbefugnis vor allem im gesellschaftlichen Interesse - und nicht im Interesse des Einzelnen - eingeführt worden war.

Legte man - mit dem Verwaltungsgericht - § 11 Abs. 3 Nr. 6 des Einführungsgesetzes den Inhalt bei, dass mit Außerkrafttreten der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke eine nach dieser Verordnung eingetretene Verjährung unbeachtlich werden sollte, so bedeutete dies die Herbeiführung einer wesentlichen Veränderung der bisher bestehenden verfahrensrechtlichen Lage des Bauherrn, der auf die Verjährung vertraut hat und auch vertrauen durfte. Diese Veränderung erhielte zusätzliches Gewicht dadurch, dass nach Eintritt der Verjährung das Verfahren über die Erteilung einer Abrissauflage im Rechtssinne abgeschlossen war. In einer derartigen Situation ist in erster Linie der Gesetzgeber zur Entscheidung berufen. Auch bei einer - wie sie hier vorliegt - Neugestaltung der Rechtslage ist es zunächst seine Aufgabe, die mit den Neuregelungen verfolgten - öffentlichen - Interessen mit den Gewährleistungen des bisherigen Rechts in Übereinstimmung zu bringen oder sich für die eine oder andere Seite zu entscheiden (in diesem Sinne wohl auch BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1969 - 2 BvL 15, 23/68 - BVerfGE 25, 269, 290). Fehlen jegliche Anhaltspunkte für eine derartige gesetzgeberische Entscheidung, kann nicht davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber - hier die Volkskammer der DDR - habe eine nach Maßgabe des Rechtsstaatsprinzips schutzwürdige Rechtsposition entziehen wollen.

Davon ging auch der Bundesgesetzgeber im Übrigen offenbar nicht aus. Er hat in § 10 Abs. 2 Satz 2 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes 21. September 1994 (BGBl. I S. 2457) bestimmt, dass die - zugunsten des Nutzers eines fremden Grundstücks bestehende - gesetzliche Vermutung des § 10 Abs. 2 Satz 1, nach der vermutet wird, dass die bauliche Nutzung eines Grundstücks mit Billigung staatlicher Stellen erfolgt ist, auch in den Fällen gilt, in denen in einem Zeitraum von 5 Jahren nach Fertigstellung des Gebäudes vor Ablauf des 2. Oktober 1990 eine behördliche Verfügung zum Abriss nicht ergangen ist; die Vorschrift betrifft Fälle, in denen nach § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke eine Abrissverfügung nicht mehr ergehen konnte (vgl. BT-Drucksache 12/5992, S. 110). Die Anknüpfung an diese Verordnung wäre widersprüchlich, wenn der Bundesgesetzgeber davon ausgegangen wäre, die durch die genannte Vorschrift vermittelte Rechtsposition sei -rückwirkend- entfallen. Dass der Bundesgesetzgeber in § 10 Abs. 2 Satz2 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes den 2. Oktober 1990 als Stichtag eingeführt hat, beruht offenbar auf der fehlerhaften Vorstellung, die Verordnung über Bevölkerungsbauwerke sei erst mit Ablauf dieses Tages außer Kraft getreten (vgl. BT-Drucksache 12/5992, S. 110).

b) Aus den dargelegten Gründen kann die Unbeachtlichkeit der nach § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke eingetretenen Verjährung auch nicht daraus hergeleitet werden, dass weder der Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (BGBl. II S. 889) noch das Thüringer Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Bauordnung und des Architektengesetzes vom 27. Mai 1994 (GVBl. S. 521) eine Überleitung der nach der früheren Rechtslage eingetretenen Verjährung und der mit ihr verbundenen - verfahrensrechtlichen - Rechtsposition vorgesehen haben. Für den Einigungsvertrag folgt dies im Übrigen auch bereits daraus, dass er das nach Art. 9 als Landesrecht fortgeltende Recht der DDR nicht in den Blick genommen hat (vgl. BT-Drucksache 11/7760, S. 361).

c) Da die dem Kläger durch die Verjährung nach § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke erwachsene Rechtsposition nicht untergegangen ist, steht sie auch dem Erlass einer Beseitigungsanordnung gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 ThürBO entgegen und ist nicht nur ein Gesichtspunkt, der bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen wäre.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die verfahrensrechtliche Rechtsposition des Klägers nach Inkrafttreten des Verfassungsgrundsätzegesetzes oder des Grundgesetzes zu einer grundrechtsrelevanten Position erstarkt ist. Entscheidend ist, dass im vorliegenden Fall ein abgeschlossener Sachverhalt vorliegt und dass die Position des Klägers - wie dargelegt- unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten in gleichem Maße schutzwürdig ist wie eine Position des materiellen Rechts. Sie hindert daher den Erlass einer Beseitigungsverfügung nach § 77 Abs. 1 Satz 1 ThürBO, insoweit im Ergebnis vergleichbar dem auf Art. 14 Abs. 1 GG zurückgehenden Bestandsschutz als materiell-rechtliche Position; beruft sich ein Bauherr auf die Verjährung nach § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke, so macht er genauso wie derjenige, der sich auf Bestandsschutz beruft, ein "Gegenrecht" zur Beseitigungsverfügung geltend, allerdings mit der Folge, dass die Unaufklärbarkeit des Verjährungseintritts zu seinen Lasten geht (vgl. zum Bestandsschutz BVerwG, Beschluss vom 23. Februar 1979 - IV C 86.76- BRS 35 Nr. 206 = BauR 1979, 228; BVerwG, Beschluss vom 23. Dezember 1994 - 4 B 262.94 - zitiert nach JURIS).

Dieses Ergebnis steht auch nicht in einem nicht hinnehmbaren Widerspruch zu der Ordnungsfunktion des Baurechts.

Die Bauaufsichtsbehörde ist selbstverständlich durch den Eintritt der Verjährung nicht daran gehindert, bei Gefahren für Leib und Leben nach den heutigen baurechtlichen Vorschriften einzuschreiten. Auch nach der früheren Rechtslage konnte in derartigen Situationen eine behördliche Verfügung ergehen, die nicht der Verjährung nach § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke unterlag; diese Vorschrift bewahrte den Bauherrn mithin bei Gefahr für Leib und Leben nicht vor dem Erlass einer behördlichen Anordnung. Unabhängig von der Eingriffsbefugnis des Vorsitzenden des Rates nach § 11 Abs. 1 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke war die Staatliche Bauaufsicht verpflichtet, in Fällen, in denen die "Bausicherheit" nicht gewährleistet war und Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen bestand, Auflagen zur Einstellung der Bauarbeiten und/oder zum Beseitigen der Gefahren zu erteilen bzw. die volle oder teilweise Nutzung des Bauwerks zu verbieten (vgl. § 12 Abs. 2 der Verordnung über die Staatliche Bauaufsicht vom 30. Juli 1981 [GBl. I S. 313]; § 7 Abs. 1 der Verordnung über die Staatliche Bauaufsicht vom 1. Oktober 1987 [GBl. I S. 249]).

Ist der Bauaufsichtsbehörde aber - wie im vorliegenden Fall - der Erlass einer Beseitigungsverfügung im Hinblick auf die nach § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke eingetretene Verjährung verwehrt, so ist dies nicht deshalb in Frage zustellen, weil hoheitliche Eingriffsbefugnisse nach heutiger Rechtslage keiner Verjährung unterliegen. Die Verjährung nach der früheren Rechtslage ist neben dem Bestandsschutz oder der Bestandskraft einer rechtswidrigen Baugenehmigung nur ein Institut, durch das der Rechtssicherheit vor der materiellen Gerechtigkeit Vorrang eingeräumt ist. Auch wird in der Rechtsprechung nicht grundsätzlich abgelehnt, dass behördliche Eingriffsbefugnisse verwirken können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. August 1991 - 4 B 130.91 - Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 35; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 4. März 1996 - 10 S 2687/95 - NVwZ-RR 1996, 387); bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Annahme einer Verwirkung kann die Bauaufsichtsbehörde mithin in gleicher Weise wie im vorliegenden Fall daran gehindert sein, eine Beseitigungsverfügung zu erlassen, ohne dass dies als Widerspruch zu der Ordnungsfunktion des Baurechts erachtet würde. Etwas anderes kann daher auch im vorliegenden Fall nicht gelten.

Auch im Umfang bleibt der Schutz aus § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke begrenzt. Die Vorschrift schützt nicht in allen Fällen, in denen Bauwerke unter Geltung der früheren Rechtslage errichtet oder verändert wurden, davor, die rechtswidrigen Baumaßnahmen rückgängig machen zu müssen. Ihr Schutz gilt nur dann, wenn die mit Beendigung der rechtswidrigen Baumaßnahme beginnende 5-Jahres-Frist noch unter der Geltung der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke abgelaufen war (vgl. Ziffer 1 a). Nicht erfasst werden etwa Fälle, in denen der Zeitraum von 5 Jahren vor Außerkrafttreten der Verordnung nicht erfüllt war. Der Schutz des § 11 Abs. 3 der Verordnung gilt ferner nicht für Maßnahmen, die erst nach Ablauf der Frist durchgeführt wurden. Gegebenenfalls können rechtswidrige Erweiterungsmaßnahmen, die selbst nicht innerhalb der 5-Jahres-Frist durchgeführt wurden, auch zur Folge haben, dass eine Beseitigungsverfügung hinsichtlich des gesamten Gebäudes ergehen darf; dies hängt von Ausmaß und der Qualität der Veränderungsmaßnahmen ab.

II. Die dem Kläger durch den Eintritt der Verjährung nach § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke erwachsene und - wie dargelegt - nicht untergegangene verfahrensrechtliche Rechtsposition steht auch dem Erlass einer Nutzungsuntersagung gemäß § 77 Abs. 1 Satz 2 ThürBO entgegen.

Zwar galt die Frist in § 11 Abs. 3 der Verordnung nur für die Erteilung einer Abrissauflage nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu berücksichtigen, dass dem Recht der DDR bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über die Bauordnung am 1. August 1990 das Institut des baurechtlichen Nutzungsverbots für den Fall einer rechtswidrigen Errichtung oder Veränderung und einer damit einhergehenden rechtswidrigen Nutzung eines Bauwerkes fremd war (vgl. auch Boden, a. a. O., S. 148, 174). Die 2. Verordnung über Bevölkerungsbauwerke vom 13. Juli 1989 (GBl. I S. 191), die die Verordnung aus dem Jahre 1984 geändert hatte, bestimmte lediglich, dass als Zustimmungspflichtige Veränderung eines Bauwerks auch die von den Bauunterlagen abweichende Nutzung bestehender Bauwerke galt, wenn damit Beanspruchungen in statischer und bauphysikalischer Hinsicht einschließlich des bautechnischen Bestandsschutzes verbunden waren; die Möglichkeit einer Nutzungsuntersagung war in dieser Verordnung - ebenso wie in der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke aus dem Jahre 1984 - nicht vorgesehen. Ein Nutzungsverbot konnte nur "bei Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder zur Vermeidung volkswirtschaftlicher Schäden" durch die Staatliche Bauaufsicht erteilt werden (vgl. § 12 Abs. 2 der Verordnung über die Staatliche Bauaufsicht vom 30. Juli 1981 [GBl. I S. 313]; § 7 Abs. 1 der Verordnung über die Staatliche Bauaufsicht vom 1. Oktober 1987 [GBl. I S. 249]). Sah das Recht der DDR vor Inkrafttreten des Gesetzes über die Bauordnung für den Fall der "bloß" rechtswidrigen Errichtung oder Veränderung eines Bauwerks keine Nutzungsuntersagung vor, so bedeutete dies, dass der Bauherr bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke sein widerrechtlich errichtetes bzw. verändertes und genutztes Gebäude in dem bisherigen Umfang weiternutzen durfte. Die Vorschrift vermittelte ihm mithin nicht lediglich einen - abstrakten - Schutz der Bausubstanz, sondern erhielt zugleich die einmal aufgenommene Nutzung. Diese nach Maßgabe des Rechtsstaatsprinzips schutzwürdige Position (vgl. Ziffer I.3 a), b) hindert auch den Erlass einer Nutzungsuntersagung nach heutigem Recht.

III. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren ist gemäß § 162 Abs. 2 VwGO für notwendig zu erklären. Notwendig ist die Zuziehung eines Bevollmächtigten dann, wenn es der Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten ist, das Vorverfahren selbst zu führen (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 15. März 1999 - 8 B 225.98 - Buchholz 428 § 38 VermG Nr. 4). So liegt der Fall hier. Die Rechtsfrage, ob die Beklagte angesichts der früher in der DDR geltende Rechtslage gegen den Kläger einschreiten darf, stellt sich als schwierig dar, so dass es ihm nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst durchzuführen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 VwGO).

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 37.680,- DM (umgerechnet 19.265,4781 Euro) festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 25 Abs. 2 GKG i. V. m. §§ 14, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG in der bis zum 31.12.2001 geltenden und hier gemäß § 73 Abs. 1 GKG noch anzuwendenden Fassung. Der Senat bemisst das Interesse des Klägers an der Aufhebung der Nutzungsuntersagung - ebenso wie das Verwaltungsgericht - mit 7.680,- DM. Das Interesse an der Aufhebung der Beseitigungsverfügung bemisst er mit 30.000,- DM. Er legt hierbei die Angaben des Klägers in erster Instanz zugrunde, nach denen sich der Substanzverlust und die Abrisskosten für sein Gebäude insgesamt auf 45.000,- DM belaufen sollen. Davon ausgehend sind die entsprechenden Kosten für die hier im Streit stehende Beseitigung des aus zwei Räumen bestehenden Anbaus mit 30.000,- DM abzuschätzen.

Hinweis:

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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