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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 10.08.2005
Aktenzeichen: 1 KO 714/02
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO


Vorschriften:

BauGB § 34 Abs. 1
BauGB § 34 Abs. 2
BauNVO § 4
1. Ein Steinmetzbetrieb ist in einem allgemeinen Wohngebiet grundsätzlich unzulässig.

2. Zum Vorliegen eines atypischen Falls (hier verneint).


THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 1. Senat - Im Namen des Volkes Urteil

1 KO 714/02 In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Bauplanungs-, Bauordnungs- und Städtebauförderungsrecht

hier: Berufung

hat der 1. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Hüsch als Vorsitzenden, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Preetz und die an das Gericht abgeordnete Richterin am Verwaltungsgericht Hoffmann ohne mündliche Verhandlung am 10. August 2005 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin und des Beigeladenen zu 2) wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 6. Mai 2001 - 1 K 2180/00.We - abgeändert.

Die Baugenehmigung des Beklagten vom 3. März 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2000 wird aufgehoben.

Der Beklagte hat die Kosten des gesamten Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 2) zu tragen. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen zu 1) sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Klägerin und des Beigeladenen zu 2) vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn nicht die Klägerin und der Beigeladene zu 2) jeweils zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin und der Beigeladene zu 2) begehren die Aufhebung einer dem Beigeladenen zu 1) erteilten Baugenehmigung. Die Klägerin und der Beigeladene zu 2) sind Miteigentümer des Flurstücks a, Flur 2 der Gemarkung Artern (G in Artern). Der Beigeladene zu 1) ist Eigentümer des südlich angrenzenden Flurstücks b, Flur 2 der Gemarkung Artern (K in Artern).

Nachdem ihm ein Bauvorbescheid erteilt worden war, beantragte der Beigeladene zu 1) am 14. Juli 1997 bei dem Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für das als "Umnutzung Wohn- und Geschäftsgrundstück - Wohnhaus mit Büro, Sanitäranlagen und Werkstatt im getrennten Gebäude, Ausstellungsfläche auf dem Grundstück" bezeichnete Vorhaben. Nach den Genehmigungsunterlagen soll dort ein Steinmetzbetrieb mit drei Beschäftigten unterhalten werden, als einzusetzende Maschinen wurden angegeben Hammer, Meißel, ein kleiner Kompressor und Bohrmaschine (Werkstatt). Die Klägerin und der Beigeladene zu 2) stimmten dem Vorhaben nicht zu; die Stadt Artern erteilte ihr Einvernehmen.

Mit Bescheid vom 3. März 1998 erteilte der Beklagte die beantragte Baugenehmigung. In Ziffer III.1 der der Genehmigung beigefügten Auflagen ist bestimmt, dass u. a. die Stellungnahme der Unteren Immissionsschutzbehörde vom 18. September 1997 Bestandteil der Genehmigung ist. Ziffer III.2 der Auflagen enthält den Vorbehalt, dass bei Betreiben der gewerblichen Einrichtung die zulässigen Immissionsrichtwerte eingehalten werden und keine nachteiligen Auswirkungen auf die umliegende Wohnbebauung entstehen. Sie enthält ferner die Regelung, dass keine Außenarbeiten und in der Werkstatt keine lärmintensiven Arbeiten durchgeführt werden dürfen; eine Schüttgutlagerung auf der Freifläche darf nicht erfolgen. Wenn notwendig, sind lärmschutzmindernde Maßnahmen durchzuführen.

Am 17. März 1998 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass die Baugenehmigung erteilt worden sei. Am 25. März 1998 legte sie gegen die Genehmigung Widerspruch ein, den das Thüringer Landesverwaltungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 2. August 2000, zugestellt am 3. August 2000, zurückwies. Es führte aus, die Baugenehmigung verletze die Klägerin nicht in ihren Nachbarrechten. Dies gelte für die Vorschriften über die Abstandsflächen und für die nachbarschützende Bestimmung des § 49 Abs. 11 Satz 1 ThürBO a. F. Auch ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot liege nicht vor. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem allgemeinen Wohngebiet, in dem das Vorhaben des Beigeladenen zu 1) ausnahmsweise als nicht störender Gewerbebetrieb i. S. d. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO habe genehmigt werden können. Für die Beurteilung, ob ein Gewerbebetrieb störe, sei auf § 15 BauNVO und das dort verankerte Rücksichtnahmegebot abzustellen. Das Rücksichtnahmegebot verlange, dass die Nachbarschaft nicht mit Geräuschimmissionen belastet werde, die ihr nicht zuzumuten seien.

Maßgebend sei insofern das betriebsspezifische Störungspotenzial des Vorhabens, in dem nur die Grabsteinbeschriftung stattfinde und das eine Ausstellungsfläche vorsehe; die Steinbearbeitung selbst, die eigentlichen Steinmetzarbeiten fänden an anderer Stelle statt. Die Baugenehmigung sei unter verschiedenen Auflagen erteilt worden, die sicherstellten, dass die zulässigen Immissionsrichtwerte eingehalten würden. Die schutzwürdigen Interessen der Nachbarn seien abgewogen worden. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die objektiven Verhältnisse für die Beurteilung der Zumutbarkeit maßgeblich seien. Durch die K als Hauptverkehrsstraße und Zubringer zur B 86 seien bereits relativ hohe Immissionswerte vorhanden. Insofern bewirke die erteilte Genehmigung keine unzumutbaren Störungen für die umliegende Wohnbebauung. Das genehmigte Vorhaben sei in dem genehmigten Umfang als nicht störender Gewerbebetrieb i. S. d. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zu betrachten. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot liege nicht vor. Die Klägerin könne Nachbarschutz auch nicht unmittelbar aus Art. 14 GG herleiten.

Am 1. September 2000 hat die Klägerin bei dem Verwaltungsgericht Weimar Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, die erteilte Baugenehmigung verstoße gegen das Rücksichtnahmegebot. Die nähere Umgebung werde als Wohngebiet genutzt. Nach einem Verkehrwertermittlungsgutachten aus dem Jahre 1993 handele es sich um eine bevorzugte Wohnlage, die ausschließlich aus Einfamilienhäusern bestehe; insofern sei von einem reinen Wohngebiet auszugehen. Sollte die nähere Umgebung ein allgemeines Wohngebiet darstellen, sei zu berücksichtigen, dass der Beigeladene zu 1) einen störenden Gewerbetrieb ausübe. Ihre - der Klägerin - berechtigte Belange seien nicht durch Auflagen berücksichtigt worden. Nach der Stellungnahme der Unteren Immissionsschutzbehörde vom 18. September 1997 sei dem Vorhaben nur unter zahlreichen Auflagen zugestimmt worden, die nicht Gegenstand der Baugenehmigung geworden seien.

Die Klägerin und der Beigeladene zu 2) haben beantragt,

die Baugenehmigung vom 3. März 1998 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, die maßgebende Umgebung entspreche einem allgemeinen Wohngebiet. Der Gewerbebetrieb des Beigeladenen zu 1) sei nicht störend im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO. Die gebotene Rücksichtnahme auf das Grundstück der Klägerin werde gewahrt. Die Stellungnahme der Unteren Immissionsschutzbehörde sei Bestandteil der angegriffenen Baugenehmigung geworden.

Der Beigeladene zu 1) hat keinen Antrag gestellt.

Das Verwaltungsgericht hat die nähere Umgebung des genehmigten Vorhabens in Augenschein genommen. Mit Urteil vom 16. Mai 2001 - 1 K 2180/00.We - hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteile sich nach § 34 Abs. 1 BauGB, weil die vorhandene Bebauung nicht eindeutig einem Baugebiet der BauNVO entspreche. Zwar dominiere Wohnbebauung, so dass eine Einordnung als reines oder allgemeines Wohngebiet in Betracht komme. Jedoch spreche die hohe Vorbelastung durch Straßenverkehrslärm gegen eine Zuordnung zu einem der Gebiete. Der Betrieb des Beigeladenen zu 1) füge sich nach der Art seiner Nutzung nicht im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart seiner näheren Umgebung ein. Er könne jedoch ausnahmsweise zugelassen werden, weil er nicht zu städtebaulichen Spannungen führe und nicht gegen das Rücksichtnahmegebot verstoße. Städtebauliche Spannungen seien nicht zu erwarten, weil die Lärmbelastung durch den Betrieb nicht über die bereits bestehende Belastung durch den Straßenverkehr hinausgehe. Zweifelhaft sei, ob ein wegen der Lärmintensität störender Betrieb durch Einschränkungen in der Baugenehmigung zulassungsfähig werden könne. Entscheidend sei hier jedoch, dass die Baugenehmigung die Auflage enthalte, dass tagsüber ein Immissionswert von 55 db(A) und nachts 40 db(A) eingehalten werde. Damit liege die genehmigte Lärmimmission nicht deutlich über der vom Straßenverkehr ausgehenden Lärmbelästigung.

Der Senat hat mit Beschluss vom 23. Oktober 2002 auf die Anträge der Klägerin und des Beigeladenen zu 2) die Berufung zugelassen.

Die Klägerin und der Beigeladene zu 2) tragen im Berufungsverfahren vor, die maßgebende Umgebung stelle ein reines oder ein allgemeines Wohngebiet dar. Die Steinmetzwerkstatt des Beigeladenen zu 1) sei ein störender Gewerbebetrieb. Sollte die nähere Umgebung eine Gemengelage darstellen, sei das Vorhaben unzulässig, weil es sich nicht im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart dieser Umgebung einfüge. Es lasse die gebotene Rücksicht auf die vorhandene Bebauung vermissen. Der von dem Betrieb ausgehende Lärm, der insbesondere von einem Kompressor ausgehe, überwiege trotz der in der Baugenehmigung enthaltenen Auflagen den von der nahe gelegenen Bundesstraße ausgehenden Straßenverkehrslärm. Im Übrigen könnten nicht sämtliche in der angefochtenen Baugenehmigung enthaltenen Auflagen eingehalten werden. Auch würden bodenrechtliche Spannungen in das Gebiet hineingetragen. Die Vorbildwirkung sei zu berücksichtigen, denn es sei zu erwarten, dass sich in naher Zukunft weitere störende Gewerbebetriebe ansiedelten.

Die Klägerin und der Beigeladene zu 2) beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 16. Mai 2001 - 1 K 2180/00.We - abzuändern und die Baugenehmigung des Beklagten vom 3. März 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2000 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, das genehmigte Vorhaben sei nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen. Die nähere Umgebung weise zwar Merkmale einer Wohnnutzung auf, werde aber durch die Lage an einer Durchgangsstraße und die Nähe zu einer Straßenkreuzung geprägt. Der Betrieb des Beigeladenen zu 1) sei nicht rücksichtslos. Es handele sich um ein sehr kleines Unternehmen, bei dem auch in Zukunft nicht mit einer Zunahme der gewerblichen Tätigkeit zu rechnen sei. Bodenrechtliche Spannungen seien nicht zu befürchten, weil keine zusätzlichen Gebäude errichtet würden. Auch nehme die Lärmbelastung nicht zu, insbesondere sei die aus dem Verkehrslärm der nahe gelegenen Bundesstraße resultierende Vorbelastung des Grundstücks der Klägerin und des Beigeladenen zu 2) höher als der von dem genehmigten Betrieb zu erwartende Lärm.

Der Beigeladene zu 1) stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte (2 Bände) und der Behördenvorgänge (4 Hefter), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 27. April 2005 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat ist zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren befugt, denn die Beteiligten haben auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Die Baugenehmigung des Beklagten vom 3. März 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2000 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin und den Beigeladenen zu 2) daher in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

I. Die planungsrechtliche Zulässigkeit des umstrittenen Steinmetzbetriebes richtet sich nach § 34 Baugesetzbuch - hier in der Fassung vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien - EAG Bau - vom 24. Juni 2004 (BGBl. I S. 1359) - BauGB a. F. -, denn das Grundstück des Beigeladenen zu 1) liegt innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, für den ein Bebauungsplan nicht existiert. Nach § 34 Abs. 1 BauGB a. F. ist ein Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der in der BauNVO bezeichneten Gebiete, beurteilt sich gemäß § 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB a. F. die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der BauNVO allgemein zulässig wäre. Gemäß § 34 Abs. 2 Halbsatz 2 BauGB a. F. ist auf die nach der BauNVO ausnahmsweise zulässigen Vorhaben § 31 Abs. 1 BauGB entsprechend anzuwenden; auch § 31 Abs. 2 BauGB findet entsprechende Anwendung.

Die nach § 34 BauGB a. F. maßgebliche nähere Umgebung wird dadurch ermittelt, dass in zwei Richtungen - in Richtung von dem zur Genehmigung gestellten Vorhaben sowie in Richtung von der Umgebung auf das Vorhaben - geprüft wird, wie weit die jeweiligen Auswirkungen reichen. Dabei ist die Umgebung zum einen insoweit zu berücksichtigen, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann, zum anderen insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder beeinflusst; zu berücksichtigen ist dabei nicht nur die Bebauung in der unmittelbaren Nachbarschaft des Baugrundstücks, sondern auch die Bebauung der weiteren Umgebung, sofern sie noch prägend auf das Baugrundstück einwirkt (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 -BVerwGE 55, 369, 380; BVerwG, Beschluss vom 29. April 1997 - 4 B 67.97 -BauR 1997, 804). Bei der Frage, wie weit die wechselseitige Prägung reicht, können auch topographische Gegebenheiten eine Rolle spielen (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 20. August 1998 - 4 B 79.98 - BRS 60 Nr. 176 = NVwZ-RR 1999, 105).

Unter Zugrundelegung dieser Kriterien umfasst die hier maßgebliche nähere Umgebung nach den in der mündlichen Verhandlung vom 27. April 2005 an Ort und Stelle getroffenen Feststellungen und unter Einbeziehung des in den Behördenvorgängen enthaltenen Katasterplans die Bebauung östlich der Bundesstraße B 86 - beidseits der G - und nördlich des aus K und K gebildeten Straßendreiecks. Sowohl die Bundesstraße als auch die K trennen wegen ihrer starken Verkehrsfrequenz die Bereiche beidseits der Straßen voneinander. Eine derart trennende Wirkung kann der südlich des Grundstücks des Beigeladenen zu 1) verlaufenden, relativ schmalen F - augenscheinlich einer Anwohnerstraße - nicht beigemessen werden; die südlich dieser Straße gelegene Bebauung ist vom Vorhabengrundstück aus deutlich wahrnehmbar. Im Übrigen spricht auch die Topographie des Geländes dafür, die Bebauung östlich der Bundesstraße und innerhalb des Straßendreiecks zwischen K und K zur maßstabsbildenden näheren Umgebung zu zählen, denn das Gelände innerhalb dieser Straßen stellt sich als - in nordöstliche Richtung ansteigender - Hang dar, innerhalb dessen eine deutliche Zäsur nicht erkennbar ist. Ob die maßgebende nähere Umgebung in nördlicher Richtung durch die auf die G mündende - ebenfalls eine Anwohnerstraße darstellende - R begrenzt wird, bedarf keiner Entscheidung.

Jedenfalls zählt die Bebauung südlich dieser Straße zum hier maßgebenden Bereich, denn sie prägt - da sie unmittelbar an die Bebauung östlich der G - anschließt, das Grundstück des Beigeladenen zu 1) ebenso wie die Bebauung an der G selbst. Im Übrigen liegt sie innerhalb des beschriebenen, als Hang ausgebildeten Geländes.

Die Bebauung östlich der Bundesstraße - beidseits der G - ist durch Wohnnutzung geprägt. Südlich der R befindet sich eine "Mehrfachagentur (Versicherungen, Bausparen, Finanzierungen)".

An der westlichen Seite der K ist eine Gaststätte anzutreffen, in der nach ihrer eigenen Werbung Feiern in einer Größenordnung von bis zu 32 Personen möglich sind und die einen Partyservice anbietet. In der K - zwischen K und Bundesstraße - befindet sich ein Sanitärbetrieb, dessen Betriebsstätte auch den hinteren, der K abgewandten Bereich in Anspruch nimmt.

II. Die beschriebene Umgebung stellt sich als (faktisches) allgemeines Wohngebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB a. F. i. V. m. § 4 BauNVO dar, in der der dem Beigeladenen zu 1) genehmigte Betrieb seiner - hier allein umstrittenen - Art nach nicht zulässig ist.

1) Eine Qualifizierung der beschriebenen Umgebung des Vorhabengrundstücks als allgemeines Wohngebiet scheidet nicht etwa wegen der von der Bundesstraße B 86 oder der K ausgehenden Lärmbelastung aus. Angrenzende Verkehrsflächen gehören grundsätzlich nicht zur näheren Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 bzw. 2 BauGB. Eine Verkehrsfläche besitzt keine die Art der Bebauung prägende Bedeutung, denn sie steht für eine Bebauung nicht zur Verfügung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2000 - 4 B 1.00 - BRS 63 Nr. 102). Dies gilt auch im vorliegenden Fall, denn die Bundesstraße und die K trennen - wie dargelegt - die Bebauung auf jeweils beiden Straßenseiten voneinander. Ihnen kommt daher für die Qualifizierung der Eigenart der näheren Umgebung in dem hier maßgebenden Bereich - östlich der B 86 und nördlich der K____ - keine Bedeutung zu. Ob und inwiefern Verkehrsverhältnisse auf einer Straße die Eigenart der näheren Umgebung beeinflussen, wenn die betreffende Straße keine trennende, sondern eine verbindende Wirkung entfaltet und deshalb der maßgebenden näheren Umgebung zuzurechnen ist, kann offen bleiben. Dieser Fall liegt - wie dargelegt - hier nicht vor.

Die Qualifizierung als (faktisches) allgemeines Wohngebiet ergibt sich daraus, dass die in der K gelegene Gaststätte und der Sanitärbetrieb in der K gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 bzw. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in einem derartigen Gebiet zulässig sind, in einem reinen Wohngebiet nach § 3 BauNVO hingegen nicht. Die beschriebenen Betriebe können bei der Qualifizierung der Eigenart der näheren Umgebung i. S. d. § 34 BauGB a. F. auch nicht deswegen unberücksichtigt bleiben, weil ihnen - hinsichtlich der Art der Nutzung - jede maßstabsbildende Kraft fehlt (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 - 4 C 23.86 - BRS 50 Nr. 75 = NVwZ 1990, 755 = BVerwGE 84, 322). Auch wenn es sich nur um zwei Betriebe handelt, ist ihre gewerbliche Nutzung deutlich wahrnehmbar. Hinsichtlich der Gaststätte folgt dies aus der vor dem Haus angebrachten, ins Auge fallenden Werbung, hinsichtlich des Sanitärbetriebes ebenfalls aus der Werbung und des Weiteren daraus, dass der Betriebshof von der Straße aus einsehbar und ohne weiteres als solcher erkennbar ist. Die beiden Betriebe sind auch nicht als Fremdkörper unbeachtlich, denn sie können nicht als singuläre Anlagen angesehen werden, die in einem auffälligen Kontrast zu einer sie umgebenden, im wesentlichen homogenen Bebauung stehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 - 4 C 23.86 - a. a. O.). Die Gaststätte und der Sanitärbetrieb sind, wie die Augenscheinseinnahme ergeben hat, ihrem Erscheinungsbild nach im Vergleich zur ansonsten dominierenden Wohnbebauung nicht derart andersartig, dass sie als Fremdkörper bei der Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung außer Betracht zu bleiben hätten. Dass die "Mehrfachagentur" in der R , in der ausweislich des am Haus angebrachten Hinweisschildes u. a. Versicherungen und Bausparverträge vertrieben werden, gemäß § 13 BauNVO auch in einem reinen Wohngebiet zulässig sein dürfte, ändert mithin an der Qualifizierung der maßgebenden Umgebung als (faktisches) allgemeines Wohngebiet nichts.

2) Der dem Beigeladenen zu 1) genehmigte Steinmetzbetrieb ist kein sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb, der in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zulässig wäre.

Ausgangspunkt ist hier, dass das allgemeine Wohngebiet gemäß § 4 Abs. 1 BauNVO "vorwiegend dem Wohnen" dient. Sein Gebietscharakter wird dadurch geprägt, dass es nach Möglichkeit ein ungestörtes Wohnen gewährleisten soll. Bei der Frage, ob ein Gewerbebetrieb i. S. d. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO stört, ist grundsätzlich eine typisierende Betrachtungsweise geboten. Maßgebend ist, ob das Vorhaben - bezogen auf den dargelegten Gebietscharakter des allgemeinen Wohngebietes - aufgrund seiner typischen Nutzungsweise störend wirkt (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2002 - 4 C 1.02 - BRS 65 Nr. 63 = NVwZ 2002, 1118 = BVerwGE 116, 155). Dabei sind alle mit der Zulassung des Betriebes nach dessen Gegenstand, Struktur und Arbeitsweise typischerweise verbundenen Auswirkungen auf die nähere Umgebung zu berücksichtigen; zu diesen für die Gebietsverträglichkeit wesentlichen Merkmalen gehört je nach Art des zuzulassenden Gewerbebetriebes auch der mit ihm regelmäßig verbundene Zu- und Abfahrtsverkehr sowie die von diesen bewirkten Geräusche und sonstigen Immissionen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 1990 - 4 B 121.90 - BRS 50 Nr. 58).

Bei typisierender Betrachtungsweise ist davon auszugehen, dass ein Steinmetzbetrieb in einem - allgemeinen - Wohngebiet nicht zulässig ist. Er verfügt im Regelfall über eine Anzahl von Maschinen, die sämtlich Lärm und Staub verursachen, und ist, was den An- und Abtransport des Ausgangsmaterials und der hergestellten Waren anbelangt, mit Emissionen verbunden, die mit dem Charakter eines Wohngebietes nicht verträglich sind (vgl. auch BayVGH, Urteil vom 29. Juli 1976 - 23 XIV 73 - BRS 30 Nr. 28). Insoweit gilt nichts anderes als für Tischlereien (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1971 - IV C 76.68 - BRS 24 Nr. 15) und Zimmereibetriebe (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 - 4 C 23.86 - a. a. O.). Eine Gebietsverträglichkeit lässt sich auch für den Betrieb des Beigeladenen zu 1) nicht feststellen, wobei nicht von seinem gegenwärtigen, sondern von dem genehmigten Umfang auszugehen ist. Allerdings weist dieser - mit 3 Mitarbeitern kleine - Steinmetzbetrieb die Besonderheiten auf, dass er sich im Wesentlichen mit der Fertigstellung vorgefertigter Grabsteine beschäftigt und - wie die Augenscheinseinnahme ergeben hat - nur über eine sehr kleine Werkstatt verfügt, die der Annahme größerer Aufträge von vornherein entgegensteht. Gleichwohl kann er nicht als atypisch mit der Folge angesehen werden, dass er mit dem Charakter eines - allgemeinen - Wohngebietes vereinbar wäre. Dies ergibt sich daraus, dass er - wie typischerweise ein Steinmetzbetrieb - über Maschinen und Arbeitsgeräte wie einen Kompressor, eine Bohrmaschine, eine Steinschneidemaschine und ein Sandstrahlgerät verfügt, mit denen lärmintensive Arbeiten durchführt werden, indem Grabsteine graviert und Einfassungen geschnitten werden. Hinzu kommen der An- und Abtransport des Rohmaterials und der fertig gestellten Grabsteine. Der bei diesen Verrichtungen entstehende Lärm und die mit ihnen verbundene Unruhe sind mit der umliegenden, überwiegenden Wohnnutzung nicht vereinbar.

Etwas anderes folgt auch nicht aus den in der Baugenehmigung vom 3. März 1998 getroffenen Regelungen. Die nach der Baugenehmigung einzuhaltende Auflage in der Stellungnahme der Unteren Immissionsschutzbehörde vom 18. September 1997, bei der Ausführung von Steinbearbeitungen im Werkstattinnenbereich seien sämtliche "lärmrelevanten" Türe, Tore und Fenster geschlossen zu halten, kann - wie die Augenscheinseinnahme ergeben hat - nicht eingehalten werden. Die Einfassungen, die im Betrieb des Beigeladenen zu 1) geschnitten werden, sind für die Werkstatt zu lang und können daher nur bei geöffneter Tür bearbeitet werden. Die des Weiteren in der Baugenehmigung enthaltene Auflage, es dürften "in der Werk statt keine lärmintensiven Arbeiten durchgeführt werden", widerspricht dem Charakter des Steinmetzbetriebes und ist insofern sinnlos.

Etwas anderes ergibt sich schließlich nicht daraus, dass bei Durchführung der Arbeiten in der Werkstatt, die - wie dargelegt - teilweise nur bei geöffneter Tür durchgeführt werden können, möglicherweise die für ein allgemeines Wohngebiet geltenden Lärmwerte eingehalten werden. Abgesehen davon, dass es für Beantwortung der Frage, ob ein Betrieb mit der Eigenart des Gebietes verträglich oder unverträglich ist, in erster Linie auf das Kriterium der gebietsunüblichen Störung und nicht auf die Einhaltung der immissionsschutzrechtlichen Lärmwerte ankommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2002 - 4 C 1.02 - a. a. O.), ist deren Einhaltung im vorliegenden Fall jedenfalls nicht gesichert. Dass sie gesichert wäre, ergibt sich weder aus der - als rechtsunverbindlich bezeichneten - Orientierungsmessung des Landratsamtes vom 10. September 2001 noch aus der immissionsschutzrechtlichen Stellungnahme vom 23. Mai 2005.

Erweist sich mithin der dem Beigeladenen zu 1) genehmigte Betrieb auch nicht ausnahmsweise gemäß § 34 Abs. 2 BauGB a. F. i. V. m. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO als zulässig, so verstößt er zugleich gegen den Anspruch der Klägerin und des Beigeladenen zu 2) auf Bewahrung der Gebietsart im hier maßgebenden Bereich. Zusätzlicher Feststellungen einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung und damit der Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme im Einzelfall bedarf es daher nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 - BRS 55 Nr. 110 = NJW 1994, 1546 = BVerwGE 94, 151). Insofern kommt es auch auf die von der Bundesstraße B 86 ausgehende Lärmbelästigung und die dadurch bedingte Vorbelastung des Grundstücks der Klägerin und des Beigeladenen zu 2) nicht an.

Unerheblich ist auch, dass dem Beigeladenen zu 1) für die Umnutzung seines Anwesens am 22. April 1997 ein Bauvorbescheid erteilt worden ist. Dieser Bescheid war jedenfalls bei Erteilung der angefochtenen Baugenehmigung noch nicht bestandskräftig, denn er ist der Klägerin und dem Beigeladenen zu 2) nicht bekannt gegeben worden (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 1989 - 4 C 14.85 - BRS 49 Nr. 168 = NVwZ 1989, 863).

III. Ein anderes Ergebnis ergäbe sich auch dann nicht, wenn die maßstabsbildende nähere Umgebung des genehmigten Betriebes nicht ein (faktisches) allgemeines, sondern ein reines Wohngebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB a. F. i. V. m. § 3 BauNVO wäre. Dort wäre der Betrieb ebenfalls nicht ausnahmsweise zulässig, weil es sich nicht um einen nicht störenden Handwerksbetrieb handelt, der zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dient (vgl. § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 2) aufzuerlegen, denn dieser hat in erster Instanz einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO); in zweiter Instanz ist er Berufungsführer. Hingegen entspricht es nicht der Billigkeit, dem Beklagten auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1) aufzuerlegen, denn er hat in beiden Instanzen keine Anträge gestellt und ist daher kein Kostenrisiko eingegangen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 VwGO).

Beschluss

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 10.000,- DM (umgerechnet 5.112.92 Euro) festgesetzt (§ 25 Abs. 2 Satz 1 GKG i. V. m. §§ 14, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG in der bis zum 31.12.2001 geltenden und hier gemäß § 73 Abs. 1 GKG noch anzuwendenden Fassung (GKG a. F.).

Hinweis: Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a. F.).

Ende der Entscheidung

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