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Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 25.09.2006
Aktenzeichen: 1 N 840/05
Rechtsgebiete: GG, VerfThür, ThürSchulG, ThürLLVO


Vorschriften:

GG Art. 110 Abs. 1
VerfThür Art. 98 Abs. 1
VerfThür Art. 84 Abs. 1
ThürSchulG § 44
ThürLLVO § 12
ThürLLVO § 12a

Entscheidung wurde am 17.01.2007 korrigiert: die Rechtsgebiete, Vorschriften und Stichworte wurden geändert, Sachgebiete, Orientierungssatz und Leitsatz wurden hinzugefügt
Die Beteiligung der Eltern und volljährigen Schüler an den Kosten der Lernmittel nach der Ersten Verordnung zur Änderung der Thüringer Lehr- und Lernmittelverordnung vom 4. Mai 2005 (GVBl. S. 211) entspricht nicht den Anforderungen an eine zulässige Sonderabgabe. Materiell-rechtlich stellt sie sich als Gebührenerhebung dar.
THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 1. Senat - Im Namen des Volkes Urteil

1 N 840/05

In dem Normenkontrollverfahren

wegen Schulrecht,

hier: Normenkontrollverfahren

hat der 1. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Schwan, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Hüsch und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Preetz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. September 2006 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Erste Verordnung zur Änderung der Thüringer Lehr- und Lernmittelverordnung vom 4. Mai 2005 (GVBl. S. 211) ist unwirksam.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin vorläufig vollstreckbar. Der Antragsgegner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn nicht die Antragstellerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragstellerin wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen die Erste Verordnung zur Änderung der Thüringer Lehr- und Lernmittelverordnung (ÄndVO) vom 4. Mai 2005 (GVBl. S. 211). Sie ist Mutter eines 1992 geborenen Kindes, das ein Gymnasium besucht.

Die angegriffene Verordnung ändert die Thüringer Lehr- und Lernmittelverordnung (ThürLLVO) vom 1. März 2004 (GVBl. S. 432). § 12 Abs. 3 der ThürLLVO hat durch die Änderungsverordnung folgende Fassung erhalten:

"Für die Anschaffung von Lernmitteln nach Absatz 1 steht der Schule ein Schuletat zur Verfügung. Dieser setzt sich zusammen aus den Einnahmen aus der Lernmittelpauschale nach § 12a und dem nach Maßgabe des Landeshaushalts zugewiesenen Lernmitteletat. Der zugewiesene Lernmitteletat bemisst sich nach der am Tag der Lernmittelbestellung für das kommende Schuljahr zu erwartenden Schülerzahl. Grundlage für seine Berechnung sind die für jedes Schuljahr von dem für das Schulwesen zuständigen Ministerium nach Maßgabe des Landeshaushalts festgelegten Pauschalbeträge je Schüler, deren Höhe unter Berücksichtigung der Lernmittelpauschale festgesetzt wird."

Des Weiteren ist nach § 12 folgender § 12a eingefügt worden:

"(1) An den Kosten der Lernmittelfreiheit werden die Eltern und volljährigen Schüler je Schüler und Schuljahr mit einem Eigenanteil (Lernmittelpauschale) beteiligt; ausgenommen ist das erste Schulbesuchsjahr. Neben dem volljährigen Schüler sind die nach bürgerlichem Recht Unterhaltsverpflichteten zur Zahlung verpflichtet.

(...)

(8) Für die Vereinnahmung der Lernmittelpauschale und die Verwaltung der Einnahmen ist der Schulleiter verantwortlich. Er kann einzelne Aufgaben auf Lehrkräfte oder sonstige Schulbedienstete übertragen. Die Zahlung der Lernmittelpauschale wird an einem von der Schule für jedes Schuljahr festzusetzenden und bekannt zu gebenden Termin fällig. Weigert sich der Zahlungspflichtige, die Lernmittelpauschale zu entrichten, gilt § 18 Abs. 4 entsprechend".

Am 18. Juli 2005 hat sich die Antragstellerin mit einem Normenkontrollantrag an das erkennende Gericht gewandt.

Sie trägt vor, bereits die Ermächtigungsgrundlage der ÄndVO in § 44 Abs. 6, Abs. 3 Thüringer Schulgesetz (ThürSchulG) sei verfassungswidrig.

Sie verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot in Art. 84 Abs. 1 Satz 2 ThürVerf, wonach die Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung Inhalt, Zweck und Ausmaß der zu treffenden Regelungen vorzugeben habe. Bei der Kostenbeteiligung nach § 12a ÄndVO handele es sich um eine Gebührenerhebung. Die Höhe der Gebühr sei aber nicht auch nur ansatzweise im Gesetz selbst festgelegt worden. Zumindest die Art und Weise der Finanzierung, insbesondere die Relation zwischen Landesanteil und Elternanteil, hätte durch den parlamentarischen Gesetzgeber bestimmt werden müssen. Auch die weiteren Modalitäten der Gebührenerhebung hätten im Gesetz anklingen müssen (etwa durch einen Verweis auf Grundsätze des Landeshaushalts- oder Gebührenrechts). Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die mit der "Abwicklung" beteiligten Personen, die nicht der klassischen Schulverwaltung angehörten, sondern als Schulleiter und Lehrer an sich ganz andere Aufgaben hätten. Insoweit hätte es zwingend einer "Stütze" in der Verordnungsermächtigung bedurft, denn eine derartige Regelung könne nicht allein auf Verordnungsebene getroffen werden.

Zudem verstoße die Erhebung der Lernmittelpauschale gegen die verfassungsrechtliche Kompetenzordnung, denn der Gesetzgeber habe den ihm verfassungsrechtlich gesteckten Rahmen nicht eingehalten und jedenfalls durch die Höhe der Gebührensätze den bei der Erhebung aller nichtsteuerlichen Abgaben zu beachtenden Anforderungen, die sich aus der Begrenzungs- und Schutzfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung ergäben, widersprochen.

Die Finanzverfassung des Grundgesetzes sei Grundlage für die Finanzausstattung der öffentlichen Hand, aber auch Verteilungs- und Erhebungsregel mit Schutzwirkung für die Bürger, so dass nicht beliebig nicht-steuerliche Abgaben "neu erfunden" werden dürften. Für die Zulässigkeit nicht-steuerlicher Abgaben seien drei begrenzende Voraussetzungen zu beachten. Sie bedürften einer besonderen sachlichen Rechtfertigung und es müsse zur Wahrung der Belastungsgleichheit der Pflichtigen ein besonderer Grund für deren zusätzliche Belastung vorliegen; ferner gebiete der Grundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplanes eine Organisation der erzielten Einnahmen innerhalb des Planes, damit sie der Hoheit und Kontrolle des Parlaments unterlägen.

Der Thüringer Landesgesetzgeber könne sich nicht darauf berufen, dass die Kostenbeteiligung eine von diesen Grundsätzen losgelöste Sonderabgabe darstelle, die dadurch gekennzeichnet sei, dass sie - wie eine Steuer - dazu diene, Einnahmen zu erzielen, die von einer individuell zurechenbaren, öffentlichen Gegenleistung unabhängig seien. Auch eine derartige Sonderabgabe sei nur ausnahmsweise zulässig und dürfe nur Angehörige einer Gruppe erfassen, die zu der zu finanzierenden Aufgabe eine deutlich größere, durch eine objektive Interessenlage geprägte Sachnähe aufweise als die Allgemeinheit. Die Bewältigung der Aufgabe müsse in eine herausragende Verantwortlichkeit der Gruppe fallen. Daran fehle es im vorliegenden Fall, weil die Eltern bzw. volljährigen Schüler eine konkrete Leistung in Anspruch nähmen, was Kennzeichen einer Gebühr sei. Jedenfalls für die Höhe der "Lernmittelgebühren" fehle ein rechtfertigender Grund.

Die in der angegriffenen Verordnung selbst getroffenen Regelungen seien ebenfalls zu beanstanden.

Die durch § 12a Abs. 8 Satz 1 der ÄndVO vorgeschriebene Einziehung der Gelder durch den Schulleiter sei rechtswidrig. Dies sei nicht von der Verordnungsermächtigung in § 44 Abs. 6 ThürSchulG gedeckt.

Dass die Schulen nach der angegriffenen Verordnung über eigene Konten Landesmittel vereinnahmen, verwalten und wieder ausgeben dürften, laufe dem Prinzip des einheitlichen Haushaltsplanes eines Landes nach § 11 Abs. 2 der Thüringer Landeshaushaltsordnung (ThürLHO) zuwider und verstoße gegen die Vorgabe in § 70 Abs. 1 Satz 1 ThürLHO, wonach Zahlungen nur von öffentlichen Kassen angenommen werden dürften.

Die Antragstellerin beantragt,

die Erste Verordnung zur Änderung der Thüringer Lehr- und Lernmittelverordnung vom 4. Mai 2005 (GVBl. S. 211) für unwirksam zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er trägt vor, der Antrag sei unbegründet.

Die angegriffene Verordnung weise mit § 44 Abs. 6, Abs. 3 ThürSchulG eine wirksame Ermächtigungsgrundlage auf, die den Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot (Art. 84 Abs. 1 Satz 2 VerfThür, Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) genüge.

Die Vorschrift überschreite auch nicht die Regelungskompetenz des Landesgesetzgebers, sondern halte sich hinsichtlich der Erhebung der Kosten im Rahmen der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung (Art. 24 Abs. 3 Satz 2 VerfThür).

Der Landesgesetzgeber habe mit der Ermächtigungsgrundlage in § 44 Abs. 3, Abs. 6 ThürSchulG auch den ihm durch Verfassungsrecht gesteckten Rahmen eingehalten. Die Regelung zur Beteiligung an den Kosten der Lernmittel entspreche der Regelung zur Beteiligung der Eltern an den Personalkosten der Hortbetreuung an Grundschulen. Bei der Beteiligung der Eltern und volljährigen Schüler an den Kosten der Lernmittel handele es sich um eine Sonderabgabe und nicht um eine Gebühr. Die Lernmittelpauschale sei kein Entgelt für die Nutzung bestimmter Bücher. Mit ihr werde auch nicht der Zweck verfolgt, dem Zahlenden als Gegenleistung die Lernmittel zu finanzieren, sondern der Zweck, "als Finanzierungsmittel zur Bewältigung der besonderen Verwaltungsaufgabe - die Finanzierung der Kosten der Lernmittel -zu dienen". Die strengen Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an die Zulässigkeit von Sonderabgaben stelle, seien erfüllt. Eltern und volljährige Schüler bildeten die geforderte "homogene Gruppe", die der Finanzierung der Lernmittel und damit dem Zweck der Lernmittelpauschale näher stehe als andere Teile der Allgemeinheit. Die besondere Gruppenverantwortung für die Erfüllung der mit der Abgabe zu finanzierenden Aufgabe sei ebenfalls gegeben. Bei der Finanzierung der Lernmittel handele es sich nicht um eine öffentliche Angelegenheit, deren Lasten nur die Allgemeinheit treffen dürften. In zahlreichen Bundesländern obliege daher die Versorgung der Schüler mit Lernmitteln allein den Eltern. Der für Sonderabgaben weiter geforderten Dokumentationspflicht werde durch Aufnahme der Lernmittelpauschale in die Übersicht über Sonderabgaben bei Aufstellung des nächsten Haushalts Genüge getan. Auch unabhängig von dieser Form der Dokumentation sei die erforderliche Information des Parlaments gewahrt. Der Erlass der Lernmittelverordnung erfolge im Benehmen mit dem Bildungsausschuss des Thüringer Landtages. Somit könne gewährleistet werden, dass das Parlament in regelmäßigen Abständen den Überblick über die Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit der Verordnung erhalte. Zudem sei ein auf die Haushaltsjahre bezogener Überblick mittelbar über die im Haushalt eingestellten Mittel für die Finanzierung des Landeszuschusses möglich. Dieser Zuschuss sei ein die Lernmittelpauschale aufstockender Anteil, zu dessen Berechnung die prognostizierten Einnahmen aus der Lernmittelpauschale heranzuziehen seien.

Auch sei die angegriffene Verordnung selbst materiell rechtmäßig, insbesondere mit § 44 Abs. 6, Abs. 3 ThürSchulG vereinbar. § 44 Abs. 6 ThürSchulG enthalte auch die Ermächtigung des zuständigen Ministeriums, Zuständigkeiten festzulegen. Den Schulleitern habe bereits nach der früheren Fassung der Lernmittelverordnung die Aufgabe der Durchführung der Lernmittelfreiheit oblegen. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass diese Aufgabe nicht zu einer Aufgabe der Schulleiter gemacht werden dürfe, vielmehr sei der Schulleiter nach § 33 Abs. 1 ThürSchulG nicht nur für den geordneten Schulbetrieb und Unterricht mit den Lehrern, sondern auch für die Bildung und Erziehung der Schüler verantwortlich. Im Rahmen dieser umfassenden Verantwortlichkeit für die Schule obliege dem Schulleiter auch die Versorgung der Schule mit Lernmitteln.

Die Einrichtung eines Kontos im Auftrag des Landes sei zulässig und daher rechtmäßig. Nach § 70 ThürLHO dürften Zahlungen nur von Kassen und Zahlstellen angenommen und geleistet werden. Die Anordnung der Zahlung müsse durch das zuständige Ministerium oder die von ihm ermächtigte Dienststelle schriftlich oder auf elektronischem Wege erteilt werden. Das für Finanzen zuständige Ministerium könne Ausnahmen zulassen. Das Thüringer Finanzministerium habe der beabsichtigten Kontenführung durch die Schulleiter als Ausnahme von der Regel in § 70 ThürLHO zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte (2 Bände), die die angegriffene Verordnung betreffenden Vorgänge (2 Hefter) und die das Haushaltsstrukturgesetz 2005 betreffenden Normsetzungsvorgänge (7 Ordner), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A. Der Normenkontrollantrag ist nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 4 ThürAGVwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Antrag ist innerhalb der Zwei-Jahres-Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt worden. Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt. Sie hat sich als Mutter eines ein Gymnasium besuchenden Kindes zur "Teilnahme am Institut der Lernmittelfreiheit" angemeldet und ist nach der angegriffenen Verordnung zur Zahlung der Lernmittelpauschale verpflichtet. Nach ihrem Vorbringen ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass sie in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt ist.

B. Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Ermächtigungsgrundlagen der Änderungsverordnung den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit einer Verordnungsermächtigung genügen und ob sich die angegriffene Verordnung im Rahmen ihrer Ermächtigung hält (I.). Diese Fragen bedürfen indes keiner abschließenden Klärung. Die in § 12 Abs. 3 Satz 1 und 2 und § 12a Abs. 8 Satz 1 der ÄndVO getroffenen Regelungen stehen mit höherrangigem Verfassungsrecht nicht in Einklang, denn sie widersprechen dem Grundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplanes (II.). Dies führt zur Unwirksamkeit der gesamten Verordnung (III.).

I. 1. Als Ermächtigungsgrundlagen benennt die angegriffene Verordnung § 43 Abs. 5 Satz 1, § 44 Abs. 6 und § 60 Satz 1 Nr. 7 des Thüringer Schulgesetzes (ThürSchulG) i. d. F. vom 30. April 2003 (GVBl. S. 238), geändert durch Art. 10 des Haushaltsstrukturgesetzes vom 10. März 2005 (GVBl. S. 58).

Der hier maßgebende § 44 Abs. 6 ThürSchulG bestimmt, dass Näheres, insbesondere zu Umfang, Art und Verfahren der Bereitstellung der Lernmittel, über die Höhe und das Verfahren der Beteiligung nach Absatz 3 sowie Maßnahmen bei nicht bestimmungsgemäßem Gebrauch oder unberechtigter Zurückbehaltung von Lernmitteln, durch Rechtsverordnung des für das Schulwesen zuständigen Ministeriums geregelt wird.

Es ist fraglich, ob diese Vorschrift den Anforderungen des Art. 84 Abs. 1 Satz 2 VerfThür genügt, wonach - ebenso wie nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG - Inhalt, Zweck und Ausmaß der Verordnungsermächtigung im Gesetz selbst bestimmt werden müssen.

Zwar ergeben sich Inhalt und Zweck der Ermächtigung aus der Inbezugnahme des § 44 Abs. 3 ThürSchulG in § 44 Abs. 6 ThürSchulG. Nach § 44 Abs. 3 Satz 1 ThürSchulG trägt das Land die Kosten der Lernmittelfreiheit nach Maßgabe des Haushalts, soweit nicht Eltern und volljährige Schüler mit einem Eigenanteil an den Kosten der Lernmittel beteiligt werden. Daraus erschließt sich der Inhalt der Verordnungsermächtigung. Er besteht in der näheren Ausgestaltung der Kostenbeteiligung. Auch der Zweck der Verordnungsermächtigung ergibt sich aus der in Bezug genommenen Bestimmung. Er liegt in der Finanzierung der Kosten der Lernmittel.

Es bestehen aber Bedenken, ob das Ausmaß der Ermächtigung durch § 44 Abs. 6 i. V. m. Abs. 3 ThürSchulG hinreichend bestimmt ist. Es ist im Grundsatz unbedenklich, wenn dem Verordnungsgeber hinsichtlich der Ausübung einer Ermächtigung ein weiter Spielraum eingeräumt wird. Unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit ist entscheidend, dass ihm ein bestimmtes Programm an die Hand gegeben und damit die Grenzen der von ihm zu erlassenden Regelungen festgesetzt werden (vgl. nur BVerfGE 26, 16, 30). Es ist hier aber zweifelhaft, ob dem Verordnungsgeber ein bestimmtes Programm vorgegeben worden ist.

Die Beteiligung der Eltern und volljährigen Schüler an den Kosten der Lernmittel (§ 44 Abs. 3 Satz 1 ThürSchulG) stellt sich als Gebührenerhebung dar (vgl. dazu näher unter Nr. II.). Insofern spricht viel dafür, dass sich dem - zum Erlass einer Verordnung über die Höhe und das Verfahren der Kostenbeteiligung - ermächtigenden Gesetz selbst Anhaltspunkte für die Bemessung der Gebühr entnehmen lassen müssen, auch wenn es verfassungsrechtlich nicht geboten ist, dass der Gesetzgeber selbst die Gebührenhöhe im Einzelnen oder durch Angabe eines Rahmens zahlenmäßig festlegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 2001 - 6 C 13.00 -BVerwGE 115, 125, 130). Anhaltspunkte für die Gebührenbemessung enthalten weder § 44 Abs. 6 ThürSchulG noch der in Bezug genommene § 44 Abs. 3 ThürSchulG. Ob dieser Umstand die Ungültigkeit der Bestimmungen zur Folge hat, kann indes offen bleiben, denn auf die Gültigkeit der Vorschriften kommt es im vorliegenden Verfahren nicht an.

Insofern braucht auch die Frage nicht abschließend geklärt zu werden, ob das Ausmaß der Ermächtigung in § 44 Abs. 6 ThürSchulG bzw. § 44 Abs. 3 ThürSchulG deswegen zu unbestimmt ist, weil der durch § 44 Abs. 6 ThürSchulG in Bezug genommene § 44 Abs. 3 Satz 2 ThürSchulG nur regelt, dass von einer Beteiligung bei Beziehern von Unterstützungsleistungen aus öffentlichen Haushalten sowie bei Familien mit einer bestimmten Kinderzahl teilweise oder ganz abgesehen werden "kann". Die Formulierung "kann" stellt es in das Belieben des Verordnungsgebers, ob er die in § 44 Abs. 3 Satz 2 ThürSchulG erwähnten Kriterien - Bezug von Unterstützungsleistungen aus öffentlichen Haushalten und Kinderzahl - bei Ausgestaltung der Kostenbeteiligung berücksichtigt. Etwas anderes lässt sich auch der Begründung zum Gesetzentwurf (LT-Drucksache 4/420, S. 87) nicht entnehmen, denn auch dort heißt es nur, dass eine geringere Beteiligung für einen bestimmten Personenkreis vorgesehen werden "kann". Mit der "Kann-Formulierung" unterscheidet sich § 44 Abs. 3 Satz 2 ThürSchulG im Übrigen von der - vom Antragsgegner angesprochenen - Ermächtigung zur Beteiligung der Eltern an den Kosten der Betreuung ihrer Kinder in Grundschulhorten. Die Ermächtigung hierfür in § 2 Abs. 1 Satz 2 Thüringer Schulfinanzierungsgesetz bestimmt eindeutig, dass "Eltern in angemessener Weise unter Berücksichtigung von Einkommen und Kinderzahl" an den Kosten der Hortbetreuung "beteiligt werden". Diese Formulierung macht deutlich, innerhalb welcher Grenzen dem Verordnungsgeber ein Gestaltungsspielraum zusteht (vgl. Urteil des Senats vom 20. Juli 2000 - 1 N 1147/97 -). Davon dürfte bei der "Kann-Formulierung" in § 44 Abs. 3 Satz 2 ThürSchulG nicht ausgegangen werden können.

I. 2. Ebenfalls nicht abschließend geklärt zu werden braucht die Frage, ob sich die ÄndVO, insbesondere mit ihren §§ 12 Abs. 3 Satz 1 und 2, 12a Abs. 8 Satz 1, im Rahmen der Ermächtigung hält.

§ 12 Abs. 3 Satz 1 und 2 ÄndVO regelt, dass der Schule für die Anschaffung von Lernmitteln nach Absatz 1 ein Schuletat zur Verfügung steht, der sich zusammensetzt aus den Einnahmen aus der Lernmittelpauschale nach § 12a und dem nach Maßgabe des Landeshaushalts zugewiesenen Lernmitteletat. § 12a Abs. 8 Satz 1 der Verordnung bestimmt, dass der Schulleiter für die Vereinnahmung der Lernmittelpauschale und die Verwaltung der Einnahmen verantwortlich ist. Die Vorschriften regeln mithin, dass die von Eltern und volljährigen Schülern vereinnahmten Mittel dem Schuletat zufließen, von der Schule verwaltet werden und damit nicht dem allgemeinen Landeshaushalt zukommen. Eine Ermächtigung hierfür lässt sich § 44 Abs. 6 ThürSchulG schwerlich entnehmen. Dort ist nur die Rede davon, dass Näheres über "die Höhe und das Verfahren der Beteiligung nach Absatz 3" durch Rechtsverordnung geregelt wird. Der Verordnungsgeber wird dadurch nur ermächtigt, eine Regelung in Bezug auf die Kostenbeteiligung selbst zu treffen. Auch insoweit ergibt sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs (LT-Drucks. 4/420, S. 87) nichts anderes. Vielmehr heißt es dort, es werde eine Ermächtigungsgrundlage für die Beteiligung der Eltern und volljährigen Schüler an den Kosten der Lernmittel geschaffen. Ein Anhaltspunkt dafür, dass der Verordnungsgeber zur Regelung des Verbleibs und der Verwendung der Mittel ermächtigt werden sollte, findet sich dort gleichfalls nicht. Ob dies die Ungültigkeit der §§ 12 Abs. 3 Satz 1 und 2, 12a Abs. 8 Satz 1 der ÄndVO zur Folge hat, bedarf keiner abschließenden Entscheidung.

II. Jedenfalls sind § 12 Abs. 3 Satz 1 und 2 und § 12a Abs. 8 Satz 1 ÄndVO, soweit es dort um die Verwaltung der Einnahmen geht, ungültig, weil sie verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht standhalten.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergeben sich aus der Begrenzungs- und Schutzfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung (Art. 104a ff. GG) Grenzen für Abgaben, die der Gesetzgeber in Wahrnehmung einer ihm zustehenden Sachkompetenz auferlegt. Die Finanzverfassung, die die bundesstaatliche Verteilung der Gesetzgebungs-, Ertrags- und Verwaltungskompetenzen im Wesentlichen nur für das Finanzierungsmittel der Steuer regelt, schließt die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben verschiedener Art zwar nicht aus, denn das Grundgesetz enthält keinen abschließenden Kanon zulässiger Abgabetypen. Die grundgesetzliche Finanzverfassung verlöre aber ihren Sinn und ihre Funktion, wenn unter Rückgriff auf die Sachgesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern beliebig nichtsteuerliche Abgaben unter Umgehung der finanzverfassungsrechtlichen Verteilungsregeln begründet werden könnten und damit zugleich ein weiterer Zugriff auf die Ressourcen der Bürger eröffnet würde. Die Finanzverfassung des Grundgesetzes schützt insofern auch die Bürger (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1/99 u. a. - BVerfGE 108, 186 = NVwZ 2003, 1241 = DVBl. 2003, 1388).

Drei grundlegende Prinzipien der Finanzverfassung begrenzen die Auferlegung nichtsteuerlicher Abgaben: (1) Zur Wahrung der Geltungskraft der Finanzverfassung bedürfen nichtsteuerliche Abgaben - über die Einnahmenerzielung hinaus oder an deren Stelle - einer besonderen sachlichen Rechtfertigung. Sie müssen sich zudem ihrer Art nach von der Steuer, die voraussetzungslos auferlegt und geschuldet wird, deutlich unterscheiden. (2) Die Erhebung einer nichtsteuerlichen Abgabe muss der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen Rechnung tragen. Der Schuldner einer nichtsteuerlichen Abgabe ist regelmäßig zugleich Steuerpflichtiger und wird schon als solcher zur Finanzierung der Lasten herangezogen, die die Gemeinschaft treffen. Neben dieser steuerlichen Inanspruchnahme bedürfen nichtsteuerliche Abgaben, die den Einzelnen zu einer weiteren Finanzleistung heranziehen, einer besonderen Rechtfertigung aus Sachgründen. (3) Der Verfassungsgrundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplanes (Art. 98 Abs. 1 Satz 1 VerfThür, Art. 110 Abs. 1 GG) ist berührt, wenn der Gesetzgeber Einnahmen- und Ausgabenkreisläufe außerhalb des Budgets organisiert. Der Grundsatz der Vollständigkeit des Haushalts zielt darauf ab, das gesamte staatliche Finanzvolumen der Budgetplanung und -entscheidung von Parlament und Regierung zu unterstellen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass das Parlament in regelmäßigen Abständen den vollen Überblick über das dem Staat verfügbare Finanzvolumen und damit auch die dem Bürger auferlegte Abgabenlast erhält. Nur so können Einnahmen und Ausgaben vollständig den dafür vorgesehenen Planungs-, Kontroll- und Rechenschaftsverfahren unterworfen werden (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1/99 u. a. - a. a. O.).

Die Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung begründet verbindliche Vorgaben sowohl für Gebühren als eine Erscheinungsform nichtsteuerlicher Abgaben als auch für Sonderabgaben (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 - 2 BvL 9/98 u. a. - BVerfGE 108, 1 = NVwZ 2003, 715 = DÖV 2003, 549).

Die Zulässigkeit von Sonderabgaben ist darüber hinaus an weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen geknüpft, denn mit diesem Abgabentyp weicht der Gesetzgeber, so er ihn als Finanzierungsmittel für eine öffentliche Aufgabe wählt, von grundlegenden Prinzipien der Finanzverfassung ab. Sonderabgaben im engeren Sinne zeichnen sich dadurch aus, dass der Gesetzgeber Kompetenzen außerhalb der Finanzverfassung in Anspruch nimmt, obwohl weder ein Gegenleistungsverhältnis noch ähnlich unterscheidungskräftige besondere Belastungsgründe eine Konkurrenz der Abgabe zur Steuer ausschließen. Sonderabgaben schaffen trotz ihrer Ähnlichkeit mit den ebenfalls "voraussetzungslos" erhobenen Steuern neben diesen und außerhalb der Grundsätze steuergerechter Verteilung der Gemeinlasten zusätzliche Sonderlasten und gefährden in den Fällen organisatorischer Ausgliederung des Abgabenaufkommens und seiner Verwendung aus dem Kreislauf staatlicher Einnahmen und Ausgaben zugleich das Budgetrecht des Parlaments; sie berühren damit auch die an den Staatshaushalt anknüpfenden Regelungen für den Finanzausgleich, für die Stabilitätspolitik, die Verschuldensgrenze, die Rechnungslegung und Rechnungsprüfung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. November 1999 - 2 BvL 5/95 - BVerfGE 101, 141 = NVwZ 2000, 307; BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1/99 u. a. -a. a. O.). Das Bundesverfassungsgericht hat daher besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen für Sonderabgaben mit Finanzierungszweck entwickelt, deren Erfüllung die Vereinbarkeit mit den grundlegenden Prinzipien der Finanzverfassung sicherstellen soll. Sie gelten für den Bund wie für die Länder (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1/99 u. a. - a. a. O.).

Der Gesetzgeber darf sich der Abgabe nur im Rahmen der Verfolgung eines Sachzwecks bedienen, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht. Mit einer Sonderabgabe darf nur eine homogene Gruppe belegt werden, die in einer spezifischen Beziehung zu dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck steht. Das Abgabenaufkommen muss gruppennützig verwendet werden. Darüber hinaus ist die Bindung zulässiger Sonderabgaben an einen besonderen Sachzweck durch Prüfungs- und Anpassungspflichten des Gesetzgebers ergänzt worden; des Weiteren bestehen haushaltsrechtliche Informationspflichten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1/99 u. a. - a. a. O.).

Die Beteiligung der Eltern und volljährigen Schüler an den Kosten der Lernmittel erfüllt nicht diese verfassungsrechtlichen Kriterien für die Zulässigkeit einer Sonderabgabe (1.). Sie stellt sich materiell als eine Gebührenerhebung dar (2.). Dies hat zur Folge, dass die Regelungen über den Schuletat und seine Verwaltung in § 12 Abs. 3 Satz 1 und 2, § 12a Abs. 8 Satz 1 der ÄndVO dem Grundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplanes (Art. 98 Abs. 1 Satz 1 VerfThür, Art. 110 Abs. 1 GG) zuwiderlaufen, ohne dass dies finanzverfassungsrechtlich gerechtfertigt werden könnte (3.).

1. Die Beteiligung der Eltern und volljährigen Schüler an den Kosten der Lernmittel nach § 44 Abs. 6, Abs. 3 ThürSchulG i. V. m. § 12a der ÄndVO entspricht nicht den Anforderungen an zulässige Sonderabgaben. Die in Anspruch genommene Gruppe - Eltern und volljährige Schüler - steht nicht in einer spezifischen Beziehung zu dem mit der Kostenbeteiligung verfolgten Zweck. Diese Beziehung erfordert, dass die mit der Abgabe belastete Gruppe dem Zweck evident näher stehen muss als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler; anderenfalls wäre die Sonderbelastung der Gruppe schon mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren. Aus der zu fordernden Sachnähe muss eine besondere Gruppenverantwortung für die Erfüllung der mit der außersteuerlichen Abgabe zu finanzierenden Aufgabe entspringen. Die Aufgabe, die mit Hilfe des Abgabeaufkommens erfüllt werden soll, muss demnach ganz überwiegend in die Sachverantwortung der belasteten Gruppe, nicht in die der staatlichen Gesamtverantwortung fallen. Anderenfalls würde es sich bei der Verfolgung des Zwecks um eine öffentliche Angelegenheit handeln, deren Lasten nur die Allgemeinheit treffen dürfen und die deshalb nur mit von der der Allgemeinheit zu erbringenden Mitteln, d. h. im Wesentlichen mit Steuermitteln finanziert werden darf. Ob eine bestimmte Gruppe eine im dargelegten Sinne besondere Sachnähe zu einer bestimmten Aufgabe aufweist, ist unter Anknüpfung an vorgegebene Strukturen der Lebenswirklichkeit bei Berücksichtigung der Rechts- und Sozialordnung zu bestimmen. Die "Sachnähe" ist kein formales und damit "machbares" Kriterium; es wäre dem Gesetzgeber sonst ohne weiteres möglich, die finanzverfassungsrechtlichen Grundentscheidungen des Grundgesetzes zu unterlaufen (vgl. bereits BVerfG, Urteil vom 10. Dezember 1980 - 2 BvF 3/77 -BVerfGE 55, 274 = NJW 1981, 329 = DÖV 1981, 135).

Die Aufgabe, die mit Hilfe der Kostenbeteiligung nach § 12a der ÄndVO erfüllt werden soll, fällt jedenfalls nicht überwiegend in die Verantwortung der in Anspruch genommenen Eltern und volljährigen Schüler.

Zu finanzierende Aufgabe, um die es hier geht, ist - genau genommen - die Beschaffung und Bereitstellung der Lernmittel und nicht - wie der Antragsgegner formuliert - die "Finanzierung der Kosten der Lernmittel". Eine überwiegende Verantwortung der Eltern und volljährigen Schüler für die Beschaffung und Bereitstellung der Lernmittel lässt sich indes ebenso wenig begründen wie eine Verantwortung für die "Finanzierung der Kosten der Lernmittel".

Zwar kann allein aus dem Recht auf Bildung oder aus dem Sozialstaatsprinzip kein Anspruch - der Eltern und volljährigen Schüler - auf kostenlose Bereitstellung von Lernmitteln hergeleitet werden (vgl. bereits BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 1977 - VII B 31.76 - JURIS). Auch überlässt die Thüringer Verfassung die Finanzierung von Lern- und Lehrmitteln dem Gesetzgeber (vgl. Art. 24 Abs. 3 Satz 2 VerfThür). Es ist aber nicht außer Acht zu lassen, dass sich der Thüringer Landesgesetzgeber selbst im Grundsatz für die "Lernmittelfreiheit" entschieden hat (vgl. § 44 Abs. 1 ThürSchulG). Dies bedeutete bis zur Änderung des ThürSchulG durch Art. 10 des Haushaltsstrukturgesetzes vom 10. März 2005, dass Lernmittel an staatlichen allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen grundsätzlich kostenlos zur Verfügung gestellt wurden (vgl. § 12 Abs. 1 der ThürLLVO vom 1. März 2004 [GVBl. S. 432]; ferner § 44 Abs. 3 ThürSchulG i. d. F. der Neubekanntmachung vom 30. April 2003 [GVBl. S. 238]) und entsprach bis dahin dem Begriff der Lernmittelfreiheit seinem Wortsinn nach.

Die Lernmittelfreiheit - wörtlich genommen - ist ebenso wie die Unterrichtsgeldfreiheit (vgl. Art. 24 Abs. 3 Satz 1 VerfThür) traditionell ein Beitrag zur Verwirklichung des Ziels der Chancengleichheit im Schulwesen (vgl. Linck/Jutzi/Hopfe, Die Verfassung des Freistaats Thüringen, Art. 24, Rdnr. 9). Sie stellt sich als eine Maßnahme der Förderung dar, die Schüler in die Lage versetzen soll, ihr Recht auf Bildung unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Situation und sozialen Herkunft verwirklichen zu können (vgl. auch Heckel/Avenarius, Schulrechtskunde, 6. Auflage, S. 398). Ausgehend von der gesetzgeberischen Entscheidung, grundsätzlich an dieser (Förder-)Maßnahme festzuhalten, kann keine Rede davon sein, dass die Beschaffung und Bereitstellung der Lernmittel oder - wie der Antragsgegner meint -deren Finanzierung in der besonderen Sachverantwortung der Eltern und volljährigen Schüler liegt. Vielmehr gibt der Landesgesetzgeber mit der Aufrechterhaltung seiner Entscheidung für die "Lernmittelfreiheit" selbst zu erkennen, dass er die Beschaffung und Bereitstellung der Lernmittel im Grundsatz weiterhin als staatliche Aufgabe begreift. Es wäre widersprüchlich, als Gesetzgeber einerseits den Begriff der "Lernmittelfreiheit" zu verwenden und diese damit auch zu gewährleisten, gleichzeitig aber die Beschaffung, Bereitstellung und Finanzierung der Lernmittel als eine Aufgabe anzusehen, die in die überwiegende Verantwortung der Eltern und volljährigen Schüler fällt.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass bereits nach bisheriger Rechtslage Schüler der Berufsschule mit Ausnahme der Schüler im Berufsgrundbildungsjahr und im Berufsvorbereitungsjahr, Fachschüler in berufsbegleitenden Bildungsgängen sowie Schüler der Höheren Berufsfachschule in bestimmten Bildungsgängen von der Lernmittelfreiheit ausgeschlossen waren (vgl. § 12 Abs. 2 der ThürLLVO vom 1. März 2004 [GVBl. S. 432]). Dieser Ausschluss ändert nichts daran, dass der Gesetzgeber allein durch Verwendung des Begriffs zu erkennen gibt, dass er die Lernmittelfreiheit dort, wo er sie gewährleistet, als eine Aufgabe des Staates ansieht.

Daraus folgt freilich nicht, dass eine Beteiligung der Eltern und volljährigen Schüler an den dadurch entstehenden Kosten ausgeschlossen wäre, denn ein Anspruch auf kostenlose Bereitstellung der Lernmittel kann - wie dargelegt - allein aus dem Recht auf Bildung oder aus dem Sozialstaatsprinzip nicht hergeleitet werden. Unzulässig ist aber eine Kostenbeteiligung in Gestalt einer Sonderabgabe.

2. Materiell-rechtlich stellt sich die Kostenbeteiligung nach § 44 Abs. 6, Abs. 3 ThürSchulG i. V. m. § 12a der ÄndVO im Übrigen als Gebühr dar.

Gebühren sind öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aus Anlass individuell zurechenbarer, öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlichrechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerfGE 110, 370 = NVwZ 2004, 387 = UPR 2005, 23). Sie lassen sich dadurch kennzeichnen, dass sie einen finanziellen Ausgleich für besondere Leistungen des Staates oder besonders verursachte Kosten darstellen; traditionell wird zwischen Verwaltungs- und Benutzungsgebühren unterschieden (vgl. Siekmann in Sachs, Grundgesetz, 3. Aufl. 2002, vor Art. 104a, Rdnr. 68 ff.).

Der von Eltern und volljährigen Schülern zu leistende Eigenanteil an den Kosten der Lernmittel (vgl. § 44 Abs. 6, Abs. 3 Satz 1 ThürSchulG) knüpft an die nach § 44 Abs. 1 ThürSchulG bestehende Lernmittelfreiheit an den staatlichen allgemein bildenden und den berufsbildenden Schulen an. Indem das ThürSchulG den Verordnungsgeber ermächtigt, die Eltern und volljährigen Schüler "an den Kosten der Lernmittel" zu beteiligen, stellt es jedenfalls eine rechtliche Verbindung zwischen der Zur-Verfügung-Stellung der Lernmittel als staatlicher Leistung und den dadurch entstehenden Kosten her. Dies wird daran deutlich, dass der Gesetzgeber anstelle der in § 44 Abs. 3 Satz 1 ThürSchulG gewählten Formulierung "die Kosten der Lernmittelfreiheit trägt das Land (...), soweit nicht Eltern und Schüler mit einem Eigenanteil an den Kosten der Lernmittel beteiligt werden", hätte formulieren können, "die für den Unterricht erforderlichen Lernmittel werden vom Land zur Verfügung gestellt. Die Kosten trägt das Land (...), soweit nicht Eltern und volljährige Schüler daran beteiligt werden". Deutlich wird die Verknüpfung der Kostenbeteiligung mit einer Leistung auch an der angegriffenen Verordnung selbst. Nach § 12a Abs. 1 ÄndVO werden Eltern und volljährige Schüler an den "Kosten der Lernmittelfreiheit" beteiligt. Dies bedeutet der Sache nach nichts anderes, als dass die Beteiligung jedenfalls an den Kosten der Bereitstellung der Lernmittel erfolgt.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass - wie der Antragsgegner meint - die Kostenbeteiligung nicht als Entgelt für die Nutzung bestimmter Bücher konzipiert ist; der Antragsgegner ist der Auffassung, mit der Lernmittelpauschale werde nicht der Zweck verfolgt, dem Zahlenden als Gegenleistung die Lernmittel "zu finanzieren"; vielmehr diene sie zur Bewältigung einer besonderen Verwaltungsaufgabe, der Finanzierung der Kosten der Lernmittel. Diese Argumentation übersieht, dass die von ihm benannte Verwaltungsaufgabe unmittelbar mit einer Leistung an die Abgabenpflichtigen einhergeht, der Zur-Verfügung-Stellung der erforderlichen Lernmittel. Dass die Kostenbeteiligung nach der angegriffenen Verordnung in Form einer Pauschale erfolgt, ist eine Frage der sachgerechten Bemessung, nicht aber der rechtlichen Einordnung der Abgabe.

Schließlich ist auch nicht zweifelhaft, dass die Leistung, an die die Kostenbeteiligung nach § 44 Abs. 6, Abs. 3 ThürSchulG i. V. m. § 12a der ÄndVO anknüpft, die Bereitstellung der Lernmittel, individuell zurechenbar ist.

Der verfassungsrechtliche Gebührenbegriff ist doppelgliedrig. Die Gebühr ist entweder ein Ausgleich für einen geldwerten individuellen Vorteil, d. h. für einen Vorteil, von dem Dritte prinzipiell ausgeschlossen werden können, oder sie stellt eine Auferlegung von Kosten dar, die der Pflichtige verursacht hat und für die er eine Verantwortung trägt; es darf - in Abgrenzung zur Steuer - nicht eine unbestimmte Vielzahl anderer neben dem Verursacher verantwortlich sein (vgl. Vogel/Waldhoff in Bonner Kommentar zum GG [Loseblattsammlung, Stand: Juni 2006], Vorbem. z. Art. 104a - 115, Rdnr. 414 f.).

Im vorliegenden Fall wird mit der Kostenbeteiligung der Eltern und volljährigen Schüler ein individueller Vorteil abgeschöpft, der darin besteht, dass, soweit die Lernmittelfreiheit gewährleistet wird, die Betroffenen von der Notwendigkeit entbunden sind, die für den Unterricht erforderlichen Lernmittel selbst beschaffen zu müssen. Dass es hier der Sache nach um die Gewährung eines individuellen Vorteils geht, ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass die Abgabepflicht nach der angegriffenen Verordnung mit der "Anmeldung zur Teilnahme an der Lernmittelfreiheit" entsteht (vgl. § 12a Abs. 5 Satz 1 der ÄndVO; ferner Ziff. 1 der Durchführungsbestimmungen für das Schuljahr 2006/2007).

Etwas anderes kann auch nicht daraus geschlossen werden, dass - wie der Antragsgegner vorträgt - auch die Schüler Lernmittel ausgehändigt bekommen, deren Eltern die Lernmittelpauschale nicht gezahlt haben, obwohl sie sich zur Teilnahme am Ausleihsystem angemeldet haben. Dies lässt sich zunächst der angegriffenen Verordnung selbst nicht entnehmen (vgl. § 12a Abs. 8 Satz 4 ÄndVO); auch ist keine Rechtsgrundlage für den in den erwähnten Fällen beabsichtigten Erlass von Leistungsbescheiden erkennbar. Im Übrigen vermag die vorgesehene Vorgehensweise nichts daran zu ändern, dass die Kostenbeteiligung nach der Konzeption von Gesetz- und Verordnungsgeber an eine individuell zurechenbare Leistung anknüpft.

3. Stellt sich die Kostenbeteiligung der Eltern und volljährigen Schüler nach § 44 Abs. 6, Abs. 3 ThürSchulG i. V. m. § 12a Abs. 1 der ÄndVO demnach materiell-rechtlich als Gebühr dar und liegen nicht zugleich die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Sonderabgabe vor - wobei dahingestellt bleiben kann, ob derartige Fälle überhaupt denkbar sind - folgt daraus zugleich ein Verstoß der Regelungen über den Schuletat und seine Verwaltung (§ 12 Abs. 3 Satz 1 und 2 und § 12a Abs. 8 Satz 1 ÄndVO) gegen den Grundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans (Art. 98 Abs. 1 Satz 1 VerfThür, Art. 110 Abs. 1 GG). Dieser Grundsatz besagt, dass alle Einnahmen und Ausgaben sowie Verpflichtungsermächtigungen des Landes in den Haushaltsplan einzustellen sind. Aus § 12 Abs. 3 Satz 1 und § 12a Abs. 8 Satz 1 ÄndVO ergibt sich demgegenüber, dass die Einnahmen aus der Kostenbeteiligung der Eltern und volljährigen Schüler in Form der Lernmittelpauschale nicht in den Landeshaushalt, sondern in einen Schuletat einfließen und vom Schulleiter verwaltet werden.

Dem Antragsgegner ist zwar darin zu folgen, dass sich haushaltsrechtliche Vorschriften zumeist auf den Binnenbereich des jeweiligen Haushaltsträgers beschränken. Dies beruht auf § 3 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung bzw. den entsprechenden Vorschriften in den Landeshaushaltsordnungen (vgl. § 3 Abs. 2 ThürLHO), wonach durch den Haushaltsplan Ansprüche oder Verbindlichkeiten weder begründet noch aufgehoben werden. Folge davon ist, dass auf Haushaltsrecht gestützte Individualklagen vor den Fachgerichten grundsätzlich ausscheiden. Um eine derartige Klage geht es hier jedoch nicht, denn im vorliegenden Normenkontrollverfahren ist - objektivrechtlich - zu prüfen, ob die angegriffene Verordnung mit höherrangigem Recht in Einklang steht. Dazu zählt auch das Finanzverfassungsrecht.

Die Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung, der der Grundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplanes zuzurechnen ist, begründet nicht nur für den Abgabentyp der Sonderabgaben verbindliche Vorgaben, sondern auch für Gebühren als Erscheinungsform nichtsteuerlicher Abgaben. Zwar bestehen gegen die Erhebung von Gebühren, die wie Beträge als "Vorzugslasten" zu den klassischen Abgabenarten und zum tradierten Bestand staatlicher Tätigkeit gehören, keine grundsätzlichen Bedenken, denn sie sind dem Grunde nach durch ihre Ausgleichsfunktion sachlich besonders gerechtfertigt. Jedoch kann ihre konkrete gesetzliche Ausgestaltung mit der Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung kollidieren (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 - 2 BvL 9/98 u. a. - a. a. O.).

Eine derartige Kollision besteht - wie bereits dargelegt - dann, wenn der Gesetzgeber Einnahme- und Ausgabekreisläufe außerhalb des Budgets organisiert. Allgemein gilt, dass das Steueraufkommen ausnahmslos als Einnahme in den Haushalt einzustellen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1990 - 2 BvL 12/88 u. a. - BVerfGE 82, 159 = NVwZ 1991, 53 = DVBl. 1990, 984). Dies gilt auch für nichtsteuerliche Abgaben, die - wie hier - dem Gebührenbegriff unterfallen und die nicht zugleich die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen einer Sonderabgabe erfüllen (vgl. auch Maunz in Maunz-Dürig, Grundgesetz [Loseblattsammlung, Stand: März 2006], Art. 110, Rdnr. 29).

Der Verfassungsgrundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplanes hat seinen Sinn nicht nur in dessen finanzwirtschaftlicher Funktion und in dem Umstand, dass das Haushaltsbewilligungsrecht eines der wesentlichen Instrumente der parlamentarischen Regierungskontrolle ist. Er aktualisiert auch den Grundsatz der Gleichheit der Bürger bei der Auferlegung öffentlicher Lasten. Dieser Grundsatz zielt darauf ab, das gesamte staatliche Finanzvolumen der Budgetplanung und -entscheidung von Parlament und Regierung zu unterstellen. Nur dadurch ist gewährleistet, dass das Parlament in regelmäßigen Abständen den vollen Überblick über das dem Staat verfügbare Finanzvolumen und damit auch die dem Bürger auferlegte Abgabenlast erhält, soweit sie der Verantwortung des Parlaments unterliegen. Nur so können Einnahmen und Ausgaben vollständig den dafür vorgesehenen Planungs-, Kontroll- und Rechenschaftsverfahren unterworfen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1990 - 2 BvL 12/88 u. a.- a. a. O.).

Hier ist kein Grund erkennbar, weshalb das Aufkommen aus der Lernmittelpauschale nicht in den Haushaltsplan einzustellen und damit der Budgethoheit des Parlaments entzogen sein sollte. Eine spezifische Sachnähe der jedenfalls für die Bereitstellung der Lernmittel in Anspruch genommenen Gruppe, Eltern und volljährige Schüler, besteht - wie ausgeführt - nicht. Insofern ist auch keine besondere Finanzierungsverantwortung dieser Gruppe anzuerkennen, die es rechtfertigen könnte, das Budgetrecht des Parlaments dadurch zu gefährden, dass vom Grundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplanes und der ihm innewohnenden Funktion abgewichen wird.

Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick darauf, dass im Falle materiell zulässiger Sonderabgaben dem Gesetzgeber zugestanden und zugleich auferlegt wird, Bestand und Entwicklung der Sonderabgaben in einer dem Haushaltsplan beigefügten Anlage zu dokumentieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1/99 u. a. -a. a. O.). Diese haushaltsrechtliche Informationspflicht ergänzt im Falle zulässiger Sonderabgaben die Prüfungs- und Anpassungspflichten des Gesetzgebers, die ihn dazu anhalten, in angemessenen Zeitabständen zu überprüfen, ob seine Entscheidung für den Einsatz des Mittels "Sonderabgabe" aufrechtzuerhalten oder wegen veränderter Umstände, vor allem wegen Wegfalls des Finanzierungszwecks oder Zielerreichung, zu ändern oder aufzuheben ist. Mit der Information über Bestand und Entwicklung der Sonderabgaben in Form einer dem Haushaltsplan beigefügten Anlage soll eine Voraussetzung für die effektive Wahrnehmung der speziellen Kontroll- und Anpassungspflichten des Sonderabgabengesetzgebers geschaffen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1/99 u. a. - a. a. O.). Liegt - wie im Falle der Kostenbeteiligung nach § 44 Abs. 6, Abs. 3 ThürSchulG i. V. m. § 12a Abs. 1 der ÄndVO - keine zulässige Sonderabgabe vor, kann der Grundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplanes auch nicht durch eine entsprechende Information des Parlaments ersetzt werden.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung vorgeschlagen hat, die Einnahmen aus der Lernmittelpauschale als "überplanmäßige Einnahme" in den laufenden Haushalt einzustellen. Diese Verfahrensweise, sollte sie überhaupt im Einklang mit den Bestimmungen der Landeshaushaltsordnung stehen, ist nicht geeignet, die Verletzung des Grundsatzes der Vollständigkeit des Haushaltsplanes zu "kompensieren", denn sie gewährleistet weder, dass das Parlament in regelmäßigen Abständen den vollen Überblick über die dem Bürger auferlegte Abgabenlast erhält, noch, dass die Einnahmen den dafür vorgesehenen Planungs-, Kontroll- und Rechenschaftsverfahren unterworfen werden. Nichts anderes gilt, soweit der Antragsgegner vorgetragen hat, die Lehr- und Lernmittelverordnung werde im Benehmen mit dem Bildungsausschuss des Thüringer Landtages erlassen bzw. geändert.

Die Bestimmungen in § 12 Abs. 3 Satz 1 und 2 sowie in § 12a Abs. 8 Satz 1 ÄndVO - soweit dort die Verwaltung der Lernmittelpauschale geregelt wird - sind daher wegen Verstoßes gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans verfassungswidrig und damit ungültig.

III. Dies hat zur Folge, dass die angegriffene Verordnung insgesamt keinen Bestand haben kann. Hierbei gilt, dass die Ungültigkeit eines Teils einer Regelung nur dann nicht zur Gesamtnichtigkeit führt, wenn die übrigen Regelungen auch ohne den nichtigen Teil sinnvollerweise bestehen können und wenn mit der gebotenen Sicherheit anzunehmen ist, der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber habe ein Regelwerk mit nur eingeschränktem Inhalt erlassen wollen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. August 1991 - 4 NB 3.91 - NVwZ 1992, 567).

Nach diesen Maßstäben bleibt eine sinnvolle Regelung ohne die Bestimmung über Schuletat und die Zuständigkeit der Schulleiter für die Verwaltung der Einnahmen nicht bestehen, denn es bliebe offen, wie die Schulleiter mit den vereinnahmten Mitteln zu verfahren hätten; im Übrigen ist den Schulleitern die Vereinnahmung der Lernmittelpauschale erkennbar gerade zu dem Zweck zugewiesen worden, dass sie die Mittel auch verwalten können. Dies hat zunächst zur Folge, dass auch die Regelung über die Zuständigkeit der Schulleiter für die Vereinnahmung der Lernmittelpauschale in § 12a Abs. 8 Satz 1 ÄndVO unwirksam ist. Daraus folgt zugleich die Unwirksamkeit der Regelungen über die Kostenbeteiligung selbst (§ 12a Abs. 2 bis 4 ÄndVO), denn es bliebe unklar, welche Stelle die Mittel zu vereinnahmen hat. Die übrigen Regelungen (§ 12a Abs. 5 bis 7, Abs. 8 Sätzee 2 bis 4, § 13 Abs. 2 und die Änderung in Abs. 5 sowie die Änderung in § 16 der ÄndVO) sind ohne die Regelungen über die Kostenbeteiligung sinnlos. Dies bedeutet, dass die angegriffene Verordnung insgesamt für unwirksam zu erklären ist mit der Folge, dass die ursprüngliche Verordnung, die ThürLLVO vom 1. März 2004, wieder "auflebt".

C. Der Antragsgegner hat als unterlegener Beteiligter gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO in entsprechender Anwendung.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 VwGO).

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung ergeht nach § 63 Abs. 2 i. V. m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Maßgebend für die Streitwertfestsetzung ist grundsätzlich die Bedeutung, die die Sache für den Rechtsschutzsuchenden hat (vgl. § 52 Abs. 1 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwertes keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000,- Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG). Im vorliegenden Fall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, welche - wirtschaftliche - Bedeutung die Sache für die Antragstellerin haben könnte, so dass ihr Antrag mit dem gesetzlichen Auffangstreitwert zu bemessen ist. Eine andere Streitwertfestsetzung kommt auch nicht deswegen in Betracht, weil der erstrebten Entscheidung im Normenkontrollverfahren Allgemeinverbindlichkeit zukommt (§ 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Dies ändert nichts daran, dass sich auch im Normenkontrollverfahren die Streitwertfestsetzung nach der Bedeutung richtet, die die Sache für den Antragsteller hat.

Ende der Entscheidung

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