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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 30.11.2004
Aktenzeichen: 2 EO 709/03
Rechtsgebiete: VwGO, GVG


Vorschriften:

VwGO § 42 Abs. 2
VwGO § 61 Nr. 2
VwGO § 78 Abs. 1 Nr. 1
VwGO § 123
GVG § 17 Abs. 5
GVG § 21e Abs. 8
Ein Mitglied eines Gerichtspräsidiums kann vor den Verwaltungsgerichten um Rechtsschutz gegen einen Beschluss zur Einführung der generellen Richteröffentlichkeit bei Präsidiumssitzungen mit der Behauptung nachsuchen, er werde durch einen solchen Beschluss in seinem Recht auf richterliche Unabhängigkeit verletzt.

Es bestehen keine durchgreifenden Zweifel daran, dass § 21e Abs. 8 GVG den Präsidien der Gerichte die Möglichkeit eröffnet, die Richteröffentlichkeit grundsätzlich für alle künftigen Präsidiumssitzungen einzuführen.


THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 2. Senat - Beschluss

2 EO 709/03

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Recht der Richter, hier: Beschwerde nach § 123 VwGO

hat der 2. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Graef, den Richter am Oberverwaltungsgericht Schneider und den an das Gericht abgeordneten Richter am Verwaltungsgericht Dr. Fuchs am 30. November 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Weimar vom 23. Juni 2003 - 4 E 584/03.We - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist Vorsitzender des 2. Senats beim Thüringer Landessozialgericht - im Folgenden: LSG - und Mitglied des Präsidiums des LSG, dem außer dem Präsidenten des LSG noch drei weitere Richter angehören.

Am 2. Dezember 2002 beschloss das Präsidium des LSG mit vier Stimmen bei einer Gegenstimme, "dass die bei dem Landessozialgericht tätigen Richter bei den Beratungen und Abstimmungen des Präsidiums für die gesamte Dauer der Präsidiumssitzung zugegen sein können".

Bei der Präsidiumssitzung am 10. Dezember 2002, in der nach der Ladung des Präsidenten vom 3. Dezember 2003 die Geschäftsverteilung für das Jahr 2003 beschlossen werden sollte, waren außer den Präsidiumsmitgliedern vier weitere, beim LSG tätige Richter anwesend.

Vor Eintritt in die Sitzung beantragte der Antragsteller die Vertagung der Sitzung. Er begründete dies damit, der Präsident habe die Sitzung nur unzureichend vorbereitet. Er selbst sei deshalb über die zu beratenden Einzelheiten nicht hinreichend unterrichtet. Er fühle sich in seiner richterlichen Unabhängigkeit verletzt. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Mehrheit ab.

Danach beantragte der Antragsteller das Protokoll der Präsidiumssitzung vom 2. Dezember 2002 zu berichtigen und hierüber vor einer Abstimmung über die Geschäftsverteilung zu befinden. Der Präsident bestimmte, dass es bei der festgesetzten Reihenfolge der Tagesordnung bleibe und schlug anschließend vor, im Geschäftsjahr 2003 die bis zum 31.12.2002 geltende Geschäftsverteilung mit der Maßgabe beizubehalten, dass der 2. Senat die Streitsachen aus der knappschaftlichen Rentenversicherung und der Altershilfe für Landwirte übernehme. Es handele sich um höchstens 11 Verfahren.

Vor der Abstimmung über diesen Vorschlag gab der Antragsteller mündlich und schriftlich zu Protokoll, der Beschluss des Präsidiums zur generellen Richteröffentlichkeit sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen und kehre das in § 21e Abs. 8 GVG vorgesehene Regel-Ausnahme-Verhältnis, wie es vom Gesetzgeber gewollt sei, um. Der Beschluss sei daher rechtswidrig. Er führte weiter aus, ein Präsidiumsmitglied, das bei der Geschäftsverteilung die Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen einzelner Richter ansprechen wolle, müsse den Ausschluss der Öffentlichkeit für die Präsidiumssitzung beantragen; ihm werde so die Rolle eines "Störenfrieds" zugewiesen. Seine, des Antragstellers, Überlegungen zur Geschäftsverteilung beruhten auf personenbezogenen Gründen; er wolle aber weder den Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit stellen noch vor dem Forum des gesamten Kollegiums personenbezogen diskutieren. Deshalb werde er sich an den entsprechenden Erörterungen nicht beteiligen und sich bei der Abstimmung der Stimme enthalten.

Die Geschäftsverteilung für 2003 wurde mit vier Stimmen und einer Enthaltung beschlossen. Auf den Antrag des Antragstellers hin, das Protokoll der Präsidiumssitzung vom 2. Dezember 2002 zu berichtigen, wurde im Protokoll vom 10. Dezember 2002 festgehalten:

"Im Hinblick auf die Berichtigungsanträge stellt das Präsidium auf Wunsch von Dr. S___ klar, dass die Formulierung hinsichtlich der beschlossenen Richteröffentlichkeit, die sich an den Gesetzeswortlaut anlehnt, so auszulegen ist, dass bei Sitzungen des Präsidiums generell Richter, die nicht dem Präsidium angehören für die gesamte Dauer der Präsidiumssitzung zugegen sein können, soweit das Präsidium nicht im Einzelfall auf Antrag anders entscheidet".

Am 5. Februar 2003 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Weimar zunächst u. a. wegen des Beschlusses zur Richteröffentlichkeit gegen den Freistaat Thüringen, vertreten durch den Justizminister, um Eilrechtsschutz nachgesucht (Az. 4 E 206/03.We) und parallel dazu Klage erhoben (Az. 4 K 207/03.We).

Nach einem vom Antragsteller erbetenen richterlichen Hinweis zur Beteiligtenfähigkeit und zur Passivlegitimation des Präsidiums des LSG im vorgenannten einstweiligen Rechtsschutzverfahren hat er am 18. März 2003 beim Verwaltungsgericht Weimar den vorliegenden Antrag gestellt, indem er erklärt hat, dass der Antrag zu I. des Verfahrens 4 E 206/03.We auch gegen das Präsidium des LSG gerichtet werde. Das Verwaltungsgericht hat daraufhin das vorliegende Antragsverfahren gegen das Präsidium vom Verfahren 4 E 206/03.We abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 4 E 584/03 weiter geführt.

Der Antragsteller hat im gerichtlichen Verfahren im Wesentlichen sein früheres Vorbringen wiederholt und weiter vorgetragen, der Beschluss des Präsidiums vom 2. Dezember 2002, der ihn erheblich in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtige, sei rechtswidrig; insbesondere sei er verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Der Präsident habe ihn am 2. Dezember 2002 - anders als die meisten anderen Präsidiumsmitglieder - erst eine halbe Stunde vor der Sitzung geladen. Er habe die Rechtsfragen zur Richteröffentlichkeit daher für sich nicht vollständig prüfen und klären können. Es sei das Gebot der Beschlussgenauigkeit verletzt worden, da es weder eine schriftliche Vorlage zur Abstimmung gegeben habe noch der Protokollführer vor oder nach der Abstimmung eine bestimmte Fassung des Beschlusses verlesen habe. Deshalb sei einigen Präsidiumsmitgliedern später nicht vollständig bewusst gewesen, was sie beschlossen hätten. In der Sache widerspreche der Beschluss der maßgeblichen Bestimmung des § 21e Abs. 8 GVG. Das Gesetz biete keine Grundlage dafür, die Richteröffentlichkeit generell für alle künftigen Präsidiumssitzungen zuzulassen. Vielmehr müsse das Präsidium vor jeder Sitzung eine Entscheidung darüber treffen, ob es die Richteröffentlichkeit zulasse oder nicht. Anderenfalls werde der kollegialen und sachlichen Meinungsbildung im Präsidium der Boden entzogen.

Der Antragsteller hat beantragt,

dem Präsidium des LSG bis zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache aufzuerlegen, vor jeder Präsidiumssitzung in nicht-öffentlicher Runde zu entscheiden, ob die Sitzung öffentlich durchgeführt werden soll oder nicht.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er hat im Wesentlichen erwidert, der angegriffene Präsidiumsbeschluss sei offensichtlich sowohl formell als auch materiell rechtmäßig. Rechte des Antragstellers seien nicht verletzt. Schon der Vortrag des Antragstellers über seine Mitwirkung in der Sitzung widerlege seine Behauptung, dass er sich nicht hätte ausreichend vorbereiten können. Eine mangelnde Vorbereitung auf die Sitzung vom 2. Dezember 2002 habe er auch nicht gerügt. Er verhalte sich widersprüchlich, wenn er diese Vorgehensweise erst in der nachfolgenden Sitzung bzw. dem vorliegenden Verfahren in Frage stelle. Selbst wenn seine Mitwirkungsrechte verletzt worden sein sollten, wäre das für den angegriffenen Beschluss nicht ursächlich. Er habe das Präsidium auch am 10. Dezember 2002 von seinen Argumenten gegen die beschlossene Richteröffentlichkeit nicht überzeugen können. Der Vorwurf der Unbestimmtheit der Entscheidung treffe nicht zu. Der Beschluss sei auch materiell rechtlich nicht zu beanstanden. Richtig sei zwar, dass das dem Präsidium gesetzlich eingeräumte Ermessen, die Richteröffentlichkeit zuzulassen, nicht für alle künftig denkbaren Fälle im Voraus ausgeübt werden könne. Der Antragsteller übersehe aber bei seinen Ausführungen, dass der Präsidiumsbeschluss jederzeit für den Einzelfall oder auch auf Dauer geändert oder außer Kraft gesetzt werden könne. Der Begriff "kann" in der Bestimmung des § 21e Abs. 8 GVG eröffne dem Präsidium nur eine Entscheidungskompetenz. Dies zeigten auch die Materialien zur Gesetzgebungsgeschichte. Dass bei der durch das Präsidium zu treffenden Entscheidung die für und gegen die Richteröffentlichkeit sprechenden Gründe abzuwägen seien, stehe zwar außer Frage. Das sei im vorliegenden Fall auch geschehen. Entscheidende Gesichtspunkte, die für eine generelle Richteröffentlichkeit gesprochen hätten, seien die geringe Zahl der beim LSG tätigen Richter, die bisher schon bei Präsidiumssitzungen geübte Praxis der Richteröffentlichkeit sowie die Möglichkeit, die erforderliche Anhörung von Richtern in der Sitzung vorzunehmen. Ein Regel-Ausnahme-Verhältnis liege nicht vor. Das Gesetz regele nur, wer über die Richteröffentlichkeit zu entscheiden habe; während das Ob und Wie dem Präsidium überlassen sei. Ein Nachteil entstehe dadurch weder den betroffenen Richtern noch den Präsidiumsmitgliedern.

Mit Beschluss vom 23. Juni 2003 - 4 E 584/03.We - hat das Verwaltungsgericht Weimar den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag sei unzulässig. Zwar sei der Verwaltungsrechtsweg für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art, wie sie im Rahmen der Präsidialverfassung vorkommen könnten, eröffnet. Der Antragsgegner sei auch beteiligtenfähig, weil das Präsidium durch die hier maßgebliche Bestimmung des Gerichtsverfassungsgesetzes mit eigenen Rechten und Pflichten ausgestattet sei. Es fehle aber an der erforderlichen Antragsbefugnis. Für einen Anspruch darauf, dem Antragsgegner aufzugeben, vor jeder Präsidiumssitzung in nichtöffentlicher Runde zu entscheiden, ob die Sitzung öffentlich durchgeführt werden solle oder nicht, fehle es offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise an einer Anspruchsgrundlage und an einer möglichen Individualrechtsverletzung. Es gehe hier vielmehr um einen Streit innerhalb des Präsidiums ohne Außenwirkung. Auch auf § 21e Abs. 8 GVG könne sich der Antragsteller für eine etwaige Verletzung seiner Rechte nicht berufen. Diese Norm betreffe das Präsidium als Ganzes und räume diesem Gremium die Möglichkeit der Beschlussfassung über die Richteröffentlichkeit ein. Über die Richteröffentlichkeit wie auch über das übrige Verfahren entscheide das Präsidium durch Mehrheitsbeschluss in richterlicher Unabhängigkeit. Das Überstimmtwerden bei einem Mehrheitsbeschluss begründe für sich genommen auch keine Willkür. Sie könne nur angenommen werden, wenn die Rechtsauffassung der Mehrheit als offensichtlich rechtswidrig anzusehen sei und nur dazu ausgeübt werde, um das `abweichende' Präsidiumsmitglied zu überstimmen. Das sei hier aber nicht der Fall.

Gegen den ihm am 27. Juni 2003 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 10. Juli 2003 Beschwerde eingelegt, die er am 25. Juli 2003 begründet hat.

Zur Begründung der Beschwerde trägt der Antragsteller vor, sein Antrag sei zulässig. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass es sich im vorliegenden Fall um einen Organstreit handele. Insoweit sei nicht maßgeblich, ob im Außenverhältnis ihm zustehende subjektiv-öffentliche Rechte möglicherweise verletzt seien, vielmehr sei maßgeblich, ob seine Organrechte von der Entscheidung berührt seien. Die Präsidiumsmitglieder stünden bei ihrer Entscheidungstätigkeit in einem Spannungsverhältnis und seien daher als "Kontrastorgane" anzusehen. In der Sache selbst räume das Gerichtsverfassungsgesetz jedem Präsidiumsmitglied ein Recht auf nicht-öffentliche Beratung bzw. zumindest das Recht ein, dass vor jeder Präsidiumssitzung im Rahmen einer auf den Einzelfall bezogenen Abwägung über die Zulassung der Richteröffentlichkeit entschieden werde. Das Gesetz eröffne nämlich nicht - wie das Verwaltungsgericht verkenne - die "fakultative Richteröffentlichkeit". Insoweit sei im Übrigen die Zulassung der Richteröffentlichkeit, nicht aber die Entscheidung in nicht- öffentlicher Sitzung rechtfertigungsbedürftig. Der gesetzlich gewollte Funktionsablauf werde durch den angefochtenen Beschluss auf den Kopf gestellt. Damit würden seine Rechte - wie erstinstanzlich bereits im Einzelnen ausgeführt und worauf Bezug genommen werde - auch verletzt. Dem Antrag fehle auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, weil er vor jeder Sitzung einen Antrag auf Ausschluss der Richteröffentlichkeit stellen könne. Einen solchen Antrag müsse er in öffentlicher Sitzung stellen und begründen. Schon deshalb würden seine Rechte verletzt. Soweit das Verwaltungsgericht die Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit ohne entsprechenden Antrag überhaupt prüfe, liege ein Verfahrensmangel vor, der auch vom Beschwerdegericht zu beachten sei. Für diese Prüfung seien allein die Dienstgerichte zuständig.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

dem Antragsgegner unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Weimar vom 23. Juni 2003 - 4 E 584/03.We - im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache aufzuerlegen, vor jeder Präsidiumssitzung in nichtöffentlicher Runde zu entscheiden, ob die Sitzung öffentlich durchgeführt werden soll oder nicht.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er nimmt im Wesentlichen auf sein bisheriges Vorbringen Bezug und verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Ergänzend trägt er vor, dass Organrechte des Antragstellers jedenfalls in der Sache nicht verletzt seien. Die Bedenken des Verwaltungsgerichts am Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers griffen. Es sei dem Antragsteller zuzumuten, jeweils vor der Sitzung den Ausschluss der Richteröffentlichkeit zu beantragen. Über den jeweiligen Antrag werde dann in nicht-öffentlicher Runde beraten und abgestimmt.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die dem Gericht vorliegenden Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen. Die Gerichtsakten zu den erstinstanzlichen Verfahren 4 E 206/03 und 4 K 207/03 sowie zum Beschwerdeverfahren 2 EO 708/03 wurden beigezogen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig; sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben (vgl. §§ 146, 147 VwGO).

Die Beschwerde ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers, dem Antragsgegner bis zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache aufzuerlegen, vor jeder Präsidiumssitzung in nicht-öffentlicher Runde zu entscheiden, ob die Sitzung öffentlich durchgeführt werden soll oder nicht, im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Gegenstand der Prüfung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts durch den Senat sind nach neuem Recht dabei nur die vom Beschwerdeführer dargelegten Gründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO n. F.).

Soweit der Antragsteller rügt, das Verwaltungsgericht hätte die Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit ohne entsprechenden Antrag überhaupt nicht prüfen dürfen und es liege insoweit ein Verfahrensmangel vor, der auch vom Beschwerdegericht zu beachten sei, ist der Senat nicht veranlasst, im Hinblick auf den angefochtenen Beschluss eine verfahrensrechtliche Entscheidung zu treffen, vorab die Zuständigkeit durch Beschluss zu klären oder gar den Rechtsstreit zu verweisen. Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nämlich nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist (vgl. § 17a Abs. 5 GVG).

Diese Bestimmung ist - anders als der Antragsteller meint - auch anzuwenden.

Zwar ist in der Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass eine Bindung an die Entscheidung der ersten Instanz über den angenommenen Rechtsweg dann nicht eintritt, wenn dieses Gericht entgegen § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG über diese Frage nicht vorab durch Beschluss entscheidet, obwohl dieser Umstand von einer Partei gerügt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 23. September 1992 - I ZB 3/92 -, NJW 1993, 470).

Im vorliegenden Fall wurde von den Beteiligten keine solche Rüge erhoben. Der Antragsteller hat sich vielmehr in seinem Antragsschriftsatz an das von ihm als zuständig angesehene Verwaltungsgericht darauf berufen, dass seine richterliche Unabhängigkeit (auch) durch den hier maßgeblichen Präsidiumsbeschluss "erheblich beeinträchtigt" werde. Angesichts dieses Umstands war keine Vorabentscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs gesetzlich geboten. Es stand vielmehr im Ermessen des Verwaltungsgerichts, entsprechend tätig zu werden oder nicht (vgl. § 17a Abs. 3 Satz 1 GVG). Bei der Ausübung dieses Ermessens ist dem Verwaltungsgericht auch kein Fehler unterlaufen. Eine Verweisung an das Richterdienstgericht wäre nur dann in Betracht gekommen, wenn der Antragsteller behauptet hätte, eine Maßnahme der Dienstaufsicht habe seine richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 4e) in Verbindung mit § 26 Abs. 3 DRiG). Beschlüsse des Präsidiums eines Gerichts sind jedoch regelmäßig keine Maßnahmen der Dienstaufsicht (vgl. Schmidt- Räntsch: Kommentar zum Deutschen Richtergesetz, 5. Aufl., § 26 Rdnr. 33c).

Der Antrag ist zulässig.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist statthaft, weil der Antragsteller in der Hauptsache Rechtsschutz nicht im Wege einer Anfechtungsklage, sondern nur über eine Feststellungsklage erlangen kann (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO). Der von ihm angegriffene Beschluss des Präsidiums erfüllt nicht die Merkmale eines Verwaltungsaktes (§ 35 ThürVwVfG). Er enthält insbesondere keine Regelung mit Außenwirkung gegenüber dem Antragsteller. Vielmehr trifft er lediglich eine Feststellung, wie das Präsidium sein Verfahren als richterliches Selbstverwaltungsorgan gestaltet.

Der Antragsteller ist auch antragsbefugt (vgl. § 42 Abs. 2 VwGO entsprechend). Anders als das Verwaltungsgericht meint, hat der Antragsteller die Möglichkeit der Verletzung seiner Rechte hinreichend geltend gemacht. Es ist denkbar, dass er in seinem Recht auf richterliche Unabhängigkeit verletzt ist. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Die Ausübung der richterlichen Tätigkeit des Antragstellers im Rahmen seiner Mitgliedschaft im Präsidium steht unter dem Schutz der richterlichen Unabhängigkeit. Dieses Recht beinhaltet, soweit seine Rechtsstellung in diesem Organ betroffen ist, nach allgemeiner Auffassung das Recht auf Teilnahme, Äußerung und Abstimmung bei Präsidiumssitzungen (vgl. Wolf in Münchner Kommentar zur ZPO, Band 3, 2. Aufl. § 21a Rdnr. 18).

Dieses Recht ist nicht nur gegen Maßnahmen der Dienstaufsicht - wie allgemein anerkannt - wehrfähig. Der Rechtsschutz muss einem Präsidiumsmitglied aber auch dann eröffnet sein, wenn es durch eine Maßnahme des Vorsitzenden des Präsidiums oder der Mehrheit seiner Mitglieder möglicherweise verletzt wird. Behauptet das Mitglied eines Präsidiums - wie hier der Antragsteller - sein Recht auf sachgerechte Äußerung im Präsidium werde dadurch verletzt, dass ihm gesetzeswidrig der geschützte Rahmen für seine Äußerung entzogen werde, so ist eine mögliche Rechtsverletzung des Mitglieds durch dieses Organ nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen. Insofern entspricht die vorliegende Fallgestaltung im Übrigen einem Organstreitverfahren, in dem die gerichtliche Prüfung der Frage einer Rechtsverletzung von Organmitgliedern durch das gesamte Organ nicht bei der Zulässigkeit des Antrags an dem Umstand scheitert, dass es sich um Streitigkeiten im Innenverhältnis einer öffentlichen Einrichtung handelt (vgl. zum kommunalverfassungsrechtlichen Streit von Ratsmitgliedern um die Sitzungsöffentlichkeit des Rates: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. April 2001 - 15 A 3021/97 -, DVBl. 2001, 1281). Die weitere Begründung des Verwaltungsgerichts, es bestehe unter Berücksichtigung der grundgesetzlichen Garantien aus Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich kein Rechtsschutz gegen richterliche Handlungen, die - wie der Beschluss seiner Richterkollegen über die Richteröffentlichkeit - in die richterliche Unabhängigkeit eingriffen, verkennt, dass der Antragsteller geltend gemacht hat, im vorliegenden Fall könne sich die Mehrheit nicht auf richterliche Gewalt stützen, die durch ein Gesetz vermittelt werde (vgl. insoweit BVerfG, Beschluss vom 29. Februar 1996 - 2 BvR 136/96 -, DVBl. 1996, 1123, 1124).

Dem Antragsteller fehlt auch nicht das Rechtsschutzinteresse an der Durchführung des Eilverfahrens, weil er die Möglichkeit hat, jeweils vor einer Präsidiumssitzung den Ausschluss der Richteröffentlichkeit zu beantragen, über den dann in nicht-öffentlicher Runde beraten und abgestimmt werde. Das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers an seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kann nämlich nur bei Vorliegen besonderer Umstände verneint werden. Solche Umstände liegen möglicherweise dann vor, wenn ein Obsiegen dem Antragsteller keinen rechtlichen Vorteil brächte, es einfachere oder effektivere Möglichkeiten des Rechtsschutzes für ihn gäbe oder der Antrag sich sonst als rechtsmissbräuchlich erwiese. Grundsätzlich gilt hier jedoch, dass kein strenger Maßstab anzulegen und im Zweifel das Rechtsschutzbedürfnis eines Antragstellers zu bejahen ist (vgl. hierzu Kopp/Schenke: Kommentar zur VwGO, 13. Aufl., Vorbemerkung zu § 40 Rdnr. 37 ff. m . w . N.). So liegt es hier.

Solche besonderen Umstände, die ein Rechtsschutzinteresse des Antragstellers verneinen könnten, kommen hier nicht in Betracht. Der Senat verkennt nicht, dass dem Antragsteller der beschriebene Weg, jeweils einen Antrag zu stellen, offensteht und der Antragsgegner dann in nicht-öffentlicher Runde beraten und abstimmen müsste. Eine Entscheidung des Senats brächte in der Sache aber den mit dem Antrag begehrten, rechtlich beachtlichen Vorteil, dass der Antragsgegner vor jeder Präsidiumssitzung von sich aus und, ohne dass der Antragsteller einen entsprechenden Antrag zu stellen hätte, tätig werden müsste, wollte er die Richteröffentlichkeit zulassen.

Der Senat hat auch keine Zweifel, dass der Antragsgegner nach § 61 Nr. 2 VwGO beteiligtenfähig ist. Beteiligtenfähig sind nach dieser Vorschrift Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann. Unter "Rechte" im Sinne des § 61 Nr. 2 VwGO sind dabei nicht nur subjektive Rechte oder rechtlich geschützte Eigeninteressen zu verstehen. Vielmehr genügt es, dass einer Vereinigung im fremden Interesse Befugnisse eingeräumt sind. So reicht es insbesondere bei Organstreitigkeiten aus, dass das Organ Zuordnungssubjekt von Rechtssätzen ist (vgl. Kopp/Schenke, a. a. O., § 61, Rdnr. 9). Das Präsidium erfüllt diese Voraussetzungen.

Die für die Entscheidung über die Richteröffentlichkeit und für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits maßgebliche Bestimmung berechtigt in erster Linie den Antragsgegner als Kollegialorgan der gerichtlichen Selbstverwaltung, eine verbindliche Entscheidung für sein Verfahren auch mit Wirkung für und gegen seine Mitglieder zu treffen (vgl. § 21e Abs. 8 GVG; vgl. insoweit auch BVerwG, Beschluss vom 12. November 1973 - VII A 7.72 -, BVerwGE 44, 172; HessVGH, Beschlüsse vom 29. Dezember 1981 - I TG 45/81 -, DRiZ 1984, 62, und vom 14. Dezember 1977 - VIII TG 4/77 -, ESVGH 28, 109).

Der Antrag ist aber unbegründet.

Er dient zwar dazu, ein Rechtsverhältnis - hier die Richteröffentlichkeit bei Entscheidungen des Antragsgegners - zur Abwendung eines Nachteils für den Antragsteller einstweilig zu regeln (vgl. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO).

Der Antrag ist auch zu Recht gegen den Antragsgegner als richtigen Passivlegitimierten gestellt. Nur er, nicht der Freistaat Thüringen als Rechtsträger des LSG, vertreten durch den Dienstherrn, ist in der Lage den geltend gemachten Anspruch zu erfüllen.

§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, der besagt, dass eine Klage gegen die Körperschaft zu richten ist, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat, ist auf den vorliegenden Fall weder direkt noch entsprechend anzuwenden. In seiner direkten Anwendung trifft er eine Regelung für Klagen gegen von einer Behörde erlassene Verwaltungsakte. Weder richtet sich der Antrag - wie festgestellt - vorliegend gegen Verwaltungsakte noch ist das Präsidium eine Behörde. Als Organ der gerichtlichen Selbstverwaltung ist es vielmehr wegen der ihm bei seinen Beschlüssen zukommenden Unabhängigkeit in gewisser Weise verselbständigt (vgl. HessVGH, a. a. O.). Einer entsprechenden Anwendung der oben genannten Bestimmung steht entgegen, dass es dem Freistaat, vertreten durch seinen Dienstherrn, versagt ist, im Wege der Rechtsaufsicht auf den Antragsgegner wegen des Schutzes der gerichtlichen Unabhängigkeit einzuwirken, selbst wenn er erhebliche rechtliche Zweifel an der Zulässigkeit der generellen Richteröffentlichkeit hätte (vgl. zum alten Recht: BGH - Dienstgericht des Bundes - Urteil vom 7. April 1995 - RiZ (R) 7/94 -, NJW 1995, 2494). Schließlich ist nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Streitigkeiten um Organrechte anerkannt, dass Anträge im einstweiligen Rechtsschutzverfahren und Klagen in der Hauptsache gegen das Organ zu richten sind, das die behauptete Verletzung der Organrechte begangen haben soll (vgl. Kopp/Schenke: Kommentar zur VwGO, 13. Aufl., § 78 Rdnr. 2 a. E. m. w . N.).

Für den Antrag besteht schließlich ein Anordnungsgrund (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO in entsprechender Anwendung). Die Sache ist eilbedürftig, weil das Präsidium nicht nur am Jahresende für das kommende Geschäftsjahr, sondern unter Umständen auch während des Geschäftsjahres die Verteilung der Geschäfte regeln muss und dann sich auch die Frage nach einer etwaigen Richteröffentlichkeit stets neu stellen kann. Das wiederum bedeutet, dass die vom Antragsteller behaupteten Rechte verletzt werden können.

Der Antragsteller hat aber keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, der es gebietet, im Hinblick auf die überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache die von ihm begehrte vorläufige Anordnung zu treffen (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO in entsprechender Anwendung).

Die Erfolgsaussichten der in der Hauptsache erhobenen Klage, mit der der Antragsteller die Rechtswidrigkeit des Beschlusses des Antragsgegners vom 2. Dezember 2002 über die generelle Richteröffentlichkeit beim LSG feststellen lassen will, sind bei summarischer Prüfung mehr als zweifelhaft.

Der Senat kann dabei offenlassen, ob sich entsprechende Zweifel bereits daraus ergeben, dass das Dienstgericht des Bundes beim Bundesgerichtshof zu einer Zeit, in der die herrschende Meinung noch von der uneingeschränkten Nichtöffentlichkeit der Präsidiumssitzungen ausging, einen Beschluss eines Präsidiums über die generelle Richteröffentlichkeit nicht als offensichtlich rechtswidrig bewertet hat (vgl. BGH, a. a. O.). Diese Überlegungen müssen aber erst recht dann gelten, wenn der Gesetzgeber wie in der hier streitentscheidenden Norm die Richteröffentlichkeit ausdrücklich ermöglichen will.

Jedenfalls steht nach Ansicht des Senats der angegriffene Beschluss des Antragsgegners mit dem Gesetz in Einklang.

Formelle Fehler sind bei summarischer Prüfung nicht feststellbar. Das Präsidium war zum Ersten für den Beschluss zuständig (vgl. § 21e Abs. 8 Satz 1 GVG). Der Beschluss ist zum Zweiten auch - jedenfalls in der Gestalt der Klarstellung vom 10. Dezember 2002 - inhaltlich hinreichend bestimmt. Zum Dritten entsprach die sehr kurzfristige Ladung des Antragstellers zu der Sitzung am 2. Dezember 2002 dem beim LSG bislang wohl üblichen und auch vom Antragsteller hingenommenen Vorgehen, ohne dass etwaige Unzuträglichkeiten dieser Praxis in einer Geschäftsordnung des Präsidiums eine Regelung gefunden hätten. Soweit dem Recht des Präsidiumsmitglieds auf Äußerung in der Präsidiumssitzung auch das Recht entnommen werden könnte, es müsse sich hinreichend auf die vom Präsidium zu behandelnden Fragen vorbereiten können, ist dieses Recht bei summarischer Prüfung nicht verletzt. Der Antragsteller hat im erstinstanzlichen Verfahren einen Vermerk vom 11. Juni 2002 vorgelegt, aus dem deutlich wird, dass bereits seit dieser Zeit die Frage der generellen Richteröffentlichkeit zwischen ihm und dem Präsidium streitig war. Der Antragsteller hat sich mithin seit längerer Zeit mit dieser Frage befasst und war auch in der Lage, in der entscheidenden Sitzung sich sachgerecht zu äußern.

Der Beschluss ist wohl auch materiell rechtmäßig.

Anders als der Antragsteller meint, verbietet § 21e Abs. 8 GVG in der Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2598) es den Präsidien der Gerichte und damit dem Antragsgegner nicht, die Richteröffentlichkeit generell zuzulassen.

Nach dieser Bestimmung kann das Präsidium beschließen, dass Richter des Gerichts bei den Beratungen und Abstimmungen des Präsidiums für die gesamte Dauer oder zeitweise zugegen sein können. § 171b GVG gilt entsprechend, der das Persönlichkeitsrecht der Richter im dort näher beschriebenen Umfang schützt.

Der Wortlaut des § 21e Abs. 8 GVG gibt zwar keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, ob das Präsidium verpflichtet ist, vor jeder Sitzung jeweils erneut über die Frage einer etwaigen Richteröffentlichkeit entscheiden zu müssen. Der verwendete Plural "Beratungen und Abstimmungen" weist allerdings eher in die Richtung, dass eine generelle Zulassung der Richteröffentlichkeit für künftige Präsidiumssitzungen möglich sein soll. Dass das Präsidium beschließen "kann", eröffnet sowohl die Befugnis des Präsidiums, über die Richteröffentlichkeit zu beschließen, als auch sein Ermessen. Damit ist aber nicht - wie der Antragsteller meint - zwingend festgelegt, dass dieses Ermessen in jedem Einzelfall, d. h. vor jeder Präsidiumssitzung, erneut auszuüben ist. Es ist allgemein anerkannt, dass sich die generellen Ermessenserwägungen zu der Frage, ob Präsidiumssitzungen des Gerichts der Richteröffentlichkeit zu öffnen sind, von der Abwägung zu unterscheiden ist, ob dies auch für eine bestimmte Beratung oder eine bestimmte Abstimmung im Einzelfall gelten soll (vgl. Kissel, Kommentar zum GVG, 3. Aufl. § 21e Rdnr. 65).

Auch die Gesetzgebungsgeschichte, die den Sinn und Zweck der Norm deutlich macht, zwingt nicht dazu, dem § 21e Abs. 8 GVG ein Verbot der generellen Richteröffentlichkeit zu entnehmen. Es trifft zwar zu, dass das ursprüngliche Vorhaben der Mehrheitsfraktionen des Bundestages, die uneingeschränkte Richteröffentlichkeit mit der Möglichkeit des zeitweiligen Ausschlusses auf Antrag einzuführen (vgl. BTagsDrucks. 14/979), am Widerstand des Bundesrates gescheitert ist, der den Vermittlungsausschuss angerufen hat (vgl. BRatsDrucks. 601/99 Nr. 1). Dabei ging es dem Bundesrat aber unter anderem erkennbar nur darum, dass nicht der Gesetzgeber generell diese Entscheidung treffen sollte, sondern dass diese Entscheidung in das Ermessen der Präsidien vor Ort gestellt werden sollte (vgl. BTagsDrucks. 14/597 und 14/2330). Nach der Auffassung des Bundesrates - so seine Begründung - entsprach die von ihm vorgeschlagene und letztlich Gesetz gewordene Regelung einem so verstandenen Bedürfnis der Richterschaft. Die Möglichkeit des Präsidiums, seine Meinungsbildung in unbefangener Diskussion vorzubereiten, werde dadurch nicht behindert. Soweit es für die Entscheidung über die personelle Zusammenarbeit von Spruchkörpern und deren Belastung mit Rechtssachen erforderlich sei, auf persönliche Eigenschaften der betroffenen Richter einzugehen, sei die Annahme gerechtfertigt, dass dies in angemessener, sachlicher und schonender Weise geschehen könne. Die Richteröffentlichkeit könne sogar geeignet sein, einen mäßigenden Einfluss auszuüben. Im Übrigen sei es dem Präsidium unbenommen, die Richteröffentlichkeit auf Teile der Sitzung oder "generell" zu begrenzen (vgl. BTagsDrucks. 14/597).

Den Gesetzesmaterialien lässt sich mithin entnehmen, dass es dem Gesetzgeber in erster Linie darum gegangen ist, die Entscheidung über die Richteröffentlichkeit den Präsidien vor Ort zu überlassen und nicht generell durch Gesetz zu regeln. Das vom Antragsteller betonte Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Nichtöffentlichkeit und Öffentlichkeit erweist sich damit nicht als materieller Grundsatz, sondern sichert lediglich den vom Gesetzgeber gewollten Weg zur Richteröffentlichkeit. Der Gesetzgeber hat zudem die gegen eine Richteröffentlichkeit bei Präsidiumssitzungen bestehenden Bedenken, die auch nach der Gesetzesänderung bestehen und die auch der Antragsteller teilt, grundsätzlich anders bewertet.

Insgesamt lässt sich daraus deshalb der Schluss ziehen, dass es dem Gesetzgeber keinesfalls darum ging, mit der hier maßgeblichen Norm die generelle Richteröffentlichkeit auszuschließen.

Die Auslegung, dass § 21e Abs. 8 GVG die generelle Richteröffentlichkeit zulässt, fügt sich auch in das Regelungssystem der §§ 21a ff. GVG ein. Denn dem richterlichen Selbstverwaltungsorgan obliegt es, sein Verfahren zweckmäßig und an seiner Aufgabe orientiert auszugestalten. Die Zulassung der generellen Richteröffentlichkeit, die im Einzelfall auf Antrag oder "von Amts wegen" beschränkt werden kann, steht dem nicht entgegen.

Der angegriffene Beschluss steht mit dem Gesetz im Einklang.

Mit ihm hat der Antragsgegner allein die generelle Ermessensentscheidung getroffen, ob Präsidiumssitzungen des Gerichts der Richteröffentlichkeit zu öffnen sind, und dabei keine Ermessensfehler begangen. So hat er in sachgerechter Weise die geringe Anzahl der beim LSG tätigen Richter, die bisherige Praxis und Praktikabilitätsüberlegungen zu Anhörung und Information der Richter in die Abwägung eingestellt. Die Entscheidung darüber, ob für eine bestimmte Beratung oder eine bestimmte Abstimmung im Einzelfall hiervon abgewichen werden soll, hat - wie die Klarstellung vom 10. Dezember 2002 zeigt - der Antragsgegner ausdrücklich offen gelassen und insoweit - neben und unabhängig von der gesetzlichen bestehenden Antragsmöglichkeit für betroffene Richter nach § 21e Abs. 8 Satz 2 GVG i. V. m. § 171b GVG - auch den Präsidiumsmitgliedern ein Antragsrecht eingeräumt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 25 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. §§ 20 Abs. 3, 14, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a. F., § 72 Nr. 1 GKG n. F. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des angegriffenen Beschlusses Bezug genommen.

Hinweis: Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a. F., § 72 Nr. 1 GKG n. F.).

Ende der Entscheidung

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