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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 18.09.2008
Aktenzeichen: 2 KO 1103/05
Rechtsgebiete: ThürKO, VwGO


Vorschriften:

ThürKO § 73 Abs. 1
ThürKO § 123 Abs. 3
VwGO § 43
1. Der am 28. Juli 2000 in Kraft getretene § 123 Abs. 3 ThürKO ist auch auf vor diesem Zeitpunkt gestellte Anträge anwendbar.

2. Die Sechswochenfrist des § 123 Abs. 3 ThürKO begann frühestens mit dem Tag des Inkrafttretens dieser Norm zu laufen.

3. Der in § 123 Abs. 3 ThürKO genannte Begriff der "erforderlichen Antragsunterlagen" ist in der Weise zu konkretisieren, dass es sich um die Unterlagen handelt, die die Entscheidungsreife des Antrages herbeiführen. Die Genehmigungsbehörde bestimmt, welche Antragsunterlagen in diesem Sinne erforderlich sind. Auf die objektive Erforderlichkeit kommt es nicht an.

4. Auch wenn die Gründung einer GmbH unter Beteiligung einer Kommune vor Erteilung der erforderlichen kommunalaufsichtlichen Genehmigung in das Handelsregister eingetragen wird, besteht weiterhin ein Interesse daran, eine solche Genehmigung zu erlangen.


THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 2. Senat - Im Namen des Volkes Urteil

2 KO 1103/05 Verkündet am 18.09.08

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Kommunalaufsichtsrecht, hier: Berufung

hat der 2. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Lindner, den Richter am Oberverwaltungsgericht Bathe und die an das Gericht abgeordnete Richterin am Verwaltungsgericht von Saldern aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 2008 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Gera vom 7. September 2005 - 2 K 2471/02 GE - wird festgestellt, dass die rechtsaufsichtliche Genehmigung zur Gründung und Beteiligung der Klägerin an der Beigeladenen im Jahre 1995 als erteilt gilt. Der Bescheid des Beklagten vom 19. April 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 2002 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Dazu gehören nicht die außergerichtlichen Kosten des Vertreters des öffentlichen Interesses und der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn diese nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin, eine Stadt, begehrt die Feststellung, dass die für die Gründung der Beigeladenen erforderliche kommunalaufsichtsrechtliche Genehmigung als erteilt gilt bzw. hilfsweise die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung dieser Genehmigung.

Durch Vermögenszuordnungsbescheid vom 10. Dezember 1992 übertrug die Treuhandanstalt der Klägerin die Anteile an der "G GmbH" - G_GmbH - als Alleingesellschafterin. Zu dieser Gesellschaft gehörte ein unsanierter Wohnungsbestand im Wert von etwa 7,5 Mio DM.

Am 28. Januar 1993 beschloss die Stadtverordnetenversammlung, mit einem Dritten eine neue Gesellschaft zu gründen, die den Wohnungsbestand der G_GmbH erwerben sollte, die zuvor in " V mbH" umbenannt worden war. In der Folge gründeten die Klägerin - mit einem Gesellschaftsanteil von 30 % - und die Firma "K GmbH" - mit einem Gesellschaftsanteil von 70 % - durch Vertrag vom 17. Mai 1995 die Beigeladene. Nach § 3 der Satzung der Beigeladenen ist Gegenstand des Unternehmens:

"die Vermittlung oder der Nachweis der Gelegenheit des Abschlusses von Verträgen über Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte, gewerbliche Räume, Wohnräume, oder Darlehen, die Vorbereitung oder Durchführung von Bauvorhaben als Bauherr im eigenen Namen für eigene oder fremde Rechnung oder als Baubetreuer im fremden Namen für fremde Rechnung sowie alle hiermit verbundenen sonstigen Dienstleistungen, Bau, Vermietung, Leasing, und Betrieb von kommunalen Einrichtungen bzw. Gebäuden sowie Erschließung von Wohn-und Gewerbegebieten."

In diesem Vertrag ist ein Hinweis des Notars enthalten, dass die Gründung der Gesellschaft der Genehmigung der Rechtsaufsicht des Beklagten bedürfe. Am 1. August 1996 wurde die Beigeladene im Handelsregister eingetragen.

Die Beigeladene kaufte mit Vertrag vom 26. Juni 1995 von der " V mbH" den Wohnungsbestand zu einem Preis von 8 Mio DM. Der Kaufpreis und die Kosten für die Sanierung von etwa 2,5 Mio DM wurden im Wesentlichen durch Fördermittelkredite finanziert, die durch die Bayerische Landesbank ausgereicht wurden und durch eine Landesbürgschaft des Freistaates Thüringen, für die es eine Rückbürgschaft des Bundes über 50 % gibt, abgesichert sind.

Die Klägerin beantragte bei dem Beklagten mit Schreiben vom 24. September 1996 die Erteilung der Genehmigung für eine Ausfallbürgschaft in Höhe von etwa 2 Mio DM zu Gunsten der Beigeladenen. Mit Schreiben vom 30. Oktober 1996 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass bisher für die Gründung der Beigeladenen keine Genehmigung beantragt sei. Weiterhin teilte er der Klägerin mit Schreiben vom 18. Dezember 1996 mit, dass die Genehmigung für die Ausfallbürgschaft nicht erteilt werden könne.

Im Februar 1998 beschloss der Stadtrat der Klägerin, den Anteil an der Beigeladenen an die S GmbH, deren alleinige Anteilseignerin die Klägerin ist, unentgeltlich zu übertragen. Die hierfür beantragte rechtsaufsichtliche Genehmigung versagte der Beklagte mit Bescheid vom 27. April 1998. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Widerspruch ein.

Am 11. September 1998 fand eine Beratung zwischen Vertretern der Beteiligten statt, in der Übereinstimmung darüber erzielt wurde, dass vor einer Entscheidung über die Genehmigung der Übertragung der Gesellschaftsanteile auf die S GmbH zunächst Unterlagen zur Genehmigung der Gründung der Beigeladenen einzureichen seien.

Mit Schreiben vom 9. Oktober 1998 machte die Klägerin unter Bezugnahme auf die Besprechung vom 11. September 1998 Angaben zum öffentlichen Zweck der Beigeladenen, erläuterte das Verfahren der Auswahl des Beteiligungspartners und teilte mit, dass für die Beigeladene keine Konkursgefahr bestehe. Der Beklagte forderte die Klägerin mit Schreiben vom 20. Oktober 1998 auf, einen prüffähigen Genehmigungsantrag vorzulegen und listete auf, welche Unterlagen hierzu vorzulegen seien. Die Klägerin übersandte dem Beklagten daraufhin am 24. November 1998 per Fax ein Schreiben gleichen Datums, in dem sie die Hintergründe der Gründung der Beigeladenen sowie die Gründe für die Übertragung ihrer Anteile an die S GmbH erläuterte. Wörtlich heißt es auf Blatt 4 dieses Schreibens:

"...bitte ich den Antrag auf Übertragung der Geschäftsanteile der W GmbH auf die S GmbH und in diesem Zusammenhang die nachträgliche Genehmigung zur Gründung der Gesellschaft W GmbH/W GmbH zu genehmigen."

Bestandteil dieses Schreibens war eine Liste betreffend "übergebene Unterlagen". Die in dieser Liste angegebenen Unterlagen waren dem Fax jedoch nicht beigefügt. Mit Schreiben vom 16. Dezember 1998 wies der Beklagte gegenüber der Klägerin auf das Fehlen der Unterlagen hin, forderte sie zur Vorlage der angekündigten Unterlagen und weiterer, im einzelnen benannter Unterlagen bis zum 21. Dezember 1998 auf. Am 21. Dezember 1998 ging das Schreiben der Klägerin vom 24. November 1998 im Original bei der Beklagten ein. Diesem Schreiben waren die in der Liste benannten Unterlagen - u. a. der Entwurf eines Beschlusses der Gesellschafter der Beigeladenen über die Begrenzung des Gesellschaftszwecks auf die Verwaltung und Sanierung von Wohngebäuden - beigefügt. Die darüber hinausgehend mit Schreiben vom 16. Dezember 1998 erbetenen Unterlagen fehlten jedoch.

In einem internen Vermerk in der Verwaltungsakte des Beklagten vom 30. Dezember 1998 wird zusammenfassend festgestellt, dass die Beigeladene mit der Aufnahme einer Bedingung zur Änderung des Gesellschaftszwecks (ohne Maklertätigkeit) genehmigungsfähig sei. Am 19. und 26. Januar 1999 telefonierten Mitarbeiter des Beklagten mit dem damaligen Bürgermeister der Klägerin; nach dem Inhalt der Vermerke wurde über die Genehmigungsvoraussetzungen gesprochen.

Mit Schreiben vom 25. März 1999 legte der Beklagte dem Thüringer Landesverwaltungsamt wegen des Widerspruchs der Klägerin gegen den Bescheid vom 27. April 1998 - betreffend die Übertragung der Gesellschaftsanteile auf die S GmbH - die gesamte Verwaltungsakte vor. In dem hierzu gefertigten Vorlagebericht wurde zu dem Verfahren der Genehmigung der Gründung der Beigeladenen ausgeführt, dass die von der Klägerin eingereichten Unterlagen "nicht ausreichend aussagekräftig" seien.

Durch Bescheid vom 17. April 2000 wies das Thüringer Landesverwaltungsamt den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid des Beklagten vom 27. April 1998, mit dem die Genehmigung zur Übertragung der Gesellschaftsanteile an der Beigeladenen auf die S versagt worden war, zurück. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Zwischenzeitlich gab es - auf Anregung des Beklagten -Überlegungen, den Gesellschaftsanteil der Klägerin auf die Mehrheitsgesellschafterin, die K GmbH, zu einem Preis von 200.000,00 DM zu übertragen, die jedoch mit Schreiben vom 9. Oktober 2000 von ihrem Kaufinteresse Abstand nahm.

Am 5. Dezember 2000 fand eine Besprechung zwischen Vertretern der Beteiligten statt, die die Genehmigung der Gründung der Beigeladenen zum Gegenstand hatte. Die Klägerin teilte mit, ihre Anteile an der Beigeladenen bis zu einer Entscheidung über die Genehmigung der Gründung halten zu wollen.

Mit Schreiben vom 2. März 2001 fragte die Klägerin bei dem Beklagten an, ob ihre Beteiligung an der Beigeladenen genehmigt worden bzw. die Erteilung der Genehmigung beantragt worden sei. Mit Schreiben vom 22. Mai 2001 antwortete der Beklagte, dass er eine Genehmigung nicht erteilt habe und dass es keinen Hinweis auf einen gestellten Antrag gebe. Daraufhin beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 1. November 2001 die Erteilung einer Bescheinigung bzw. den Erlass eines Bescheides darüber, dass die Genehmigungsfiktion für die Gründung und Beteiligung an der Beigeladenen eingetreten sei. Dabei nahm die Klägerin Bezug auf ihr Schreiben vom 24. November 1998.

Mit Bescheid vom 19. April 2002 lehnte der Beklagte die Anträge der Klägerin vom 1. November 2001 und vom 24. November 1998 ab. Die Genehmigungsfiktion des § 123 Abs. 3 Thüringer Kommunalordnung - ThürKO n. F. - sei nicht eingetreten, da diese Bestimmung auf bei Inkrafttreten laufende Verfahren nicht anwendbar sei. Der Antrag vom 24. November 1998 sei nicht genehmigungsfähig. Die Klägerin habe nur eine Minderheitsbeteiligung und könne ihre Zwecke deshalb nicht durchsetzen. Der Zweck des Unternehmens sei zu weit gefasst. Auch sei die Notwendigkeit der Gründung nicht erkennbar. Art und Umfang des Unternehmens stünden in keinem Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Klägerin.

Am 29. August 2002 wurde über das Vermögen der Firma K GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt.

Den gegen den ablehnenden Bescheid vom 19. April 2002 erhobenen Widerspruch der Klägerin wies das Thüringer Landesverwaltungsamt durch Bescheid vom 3. Dezember 2002 zurück. In der Begründung heißt es im Wesentlichen: Die Voraussetzungen für den Eintritt der Genehmigungsfiktion des § 123 Abs. 3 ThürKO seien nicht erfüllt, weil die Klägerin die erforderlichen Unterlagen nicht vorgelegt habe. Sie habe insbesondere nicht dargelegt, warum der verfolgte Zweck nicht durch einen Anderen erfüllt werden könne. Auch habe die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die Wirtschaftlichkeit der Beigeladenen gesichert sei.

Die Klägerin hat am 19. Dezember 2002 beim Verwaltungsgericht Gera Klage erhoben. In diesem Verfahren hat sie sinngemäß beantragt festzustellen, dass die zur Gründung der Beigeladenen erforderliche Genehmigung gemäß § 123 Abs. 3 ThürKO als erteilt gilt. Hilfsweise hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zur Erteilung der Genehmigung bzw. zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten.

Am 18. November 2003 beschlossen die Gesellschafter der Beigeladenen den Unternehmensgegenstand wie folgt zu ändern:

"Gegenstand des Unternehmens ist die Vermietung und Veräußerung eigenen Grundbesitzes."

Mit Schreiben vom 10. November 2003 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Erteilung einer Genehmigung zur Änderung des Unternehmensgegenstandes der Beigeladenen. Diesen Antrag lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 28. November 2003 ab. Den Widerspruch der Klägerin wies das Thüringer Landesverwaltungsamt durch Bescheid vom 30. März 2004 zurück. Dagegen hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Gera ebenfalls Klage erhoben (Az. 2 K 475/04 GE).

Das Registergericht hat das Verfahren über die Eintragung der Änderung des Gesellschaftszwecks bis zum Abschluss des vorgenannten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ausgesetzt.

Das Verwaltungsgericht Gera hat die Klage, die sich auf die Genehmigung der Gründung der Beigeladenen bezieht, durch das auf die mündliche Verhandlung vom 7. September 2005 ergangene Urteil - 2 K 2471/02 GE - abgewiesen. Die Feststellungsklage sei zwar zulässig, aber unbegründet. Maßgebend für die Beurteilung sei der mit Schreiben vom 24. November 1998 gestellte Antrag der Klägerin. Die am 28. Juli 2000 in Kraft getretene Bestimmung des § 123 Abs. 3 ThürKO sei auf dieses laufende Verwaltungsverfahren nicht anwendbar. Diese Vorschrift solle nur für Anträge gelten, die nach dem Inkrafttreten des § 123 Abs. 3 ThürKO gestellt worden seien. Das ergebe sich im Wesentlichen daraus, dass dem Eingang der erforderlichen Unterlagen bei der Aufsichtsbehörde nach dem Willen des Gesetzgebers eine zentrale Rolle zukomme. Ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung bestehe auch nicht. Insoweit werde auf die zutreffenden Begründungen in den angefochtenen Bescheiden verwiesen.

Gegen das am 23. September 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 5. Oktober 2005 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, die sie wie folgt begründet: Bei der Feststellung des Sachverhalts sei ergänzend zu berücksichtigen, dass die Gesellschafter im Jahre 2003 eine Änderung des Unternehmenszwecks beschlossen und damit die Argumentation der angefochtenen Bescheide aufgegriffen hätten. Die Bestimmung des § 123 Abs. 3 ThürKO n. F. sei auch auf vor dem 28. Juli 2000 eingeleitete Verfahren anwendbar. Die sechswöchige Frist bis zum Eintritt der Fiktion habe in diesen Fällen mit Inkrafttreten der Bestimmung am 28. Juli 2000 begonnen und am 11. September 2000 geendet. Gerade bei Altfällen bestehe das Bedürfnis der Verfahrensbeschleunigung. Für die Sach- und Rechtslage sei der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgebend und nicht der Zeitpunkt der Antragstellung. Deshalb sei die 2003 beschlossene Änderung des Gesellschaftszwecks zu berücksichtigen. Unerheblich sei, dass die Klägerin bereits eine andere Eigengesellschaft zu Wohnungsbauzwecken betreibe.

Die Klägerin beantragt,

1. unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils festzustellen, dass die rechtsaufsichtsrechtliche Genehmigung zur Gründung und Beteiligung der Klägerin an der Beigeladenen als erteilt gilt und die angefochtenen Bescheide aufzuheben,

2. hilfsweise,

den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils und unter Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide zu verpflichten, die erforderliche rechtsaufsichtliche Genehmigung zur Gründung und Beteiligung der Klägerin an der Beigeladenen zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass die Bestimmung des § 123 Abs. 3 ThürKO auf vor Inkrafttreten dieser Bestimmung gestellte Anträge nicht anwendbar sei. Jedenfalls gelte das für die Fälle, in denen wie hier die Erteilung der Genehmigung erst nach Aufnahme der Geschäftstätigkeit beantragt worden sei. Dann sei eine verzögerte Aufnahme der Geschäftstätigkeit naturgemäß ausgeschlossen. Der Anwendungsbereich des § 123 Abs. 3 ThürKO sei teleologisch zu reduzieren. Die Bestimmung beziehe sich nur auf Fallgruppen, die als vorherige Genehmigungsverfahren konzipiert seien. Auch sei die Gründung der Beigeladenen materiell nicht genehmigungsfähig gewesen.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses stellt keinen Antrag. Er weist darauf hin, dass die Frage, ob § 123 Abs. 3 ThürKO auf bei Inkrafttreten gestellte Anträge Anwendung finde, klärungsbedürftig sei.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag und hat in der Sache auch nicht vorgetragen.

Durch Beschluss Nr. 211/05 vom 23. Oktober 2005 lehnte es der Stadtrat der Klägerin ab, einen Sanierungsbeitrag zur Bewältigung der Unternehmenskrise der Beigeladenen zu leisten. Es sei die Insolvenz der Beigeladenen zu befürchten.

Durch Urteil vom 12. Juli 2006 - 2 K 475/04 - GE hat das Verwaltungsgericht die Klage der Klägerin, die sich auf Erteilung der Genehmigung betreffend die Änderung des Unternehmensgegenstandes richtet, abgewiesen. Dagegen richtet sich der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung, der Gegenstand des Verfahrens 2 ZKO 747/06 ist.

Im Jahre 2007 fanden Gespräche über eine mögliche Sanierung der Beigeladenen statt. Die Klägerin und der Freistaat Thüringen beabsichtigen, eine Vereinbarung zu schließen, nach der der Immobilienbestand der Beigeladenen an die DKB-Bank verkauft werden soll. Die Beigeladene soll dann einer geordneten Liquidation zugeführt werden. Den Gesellschaftsanteil der K GmbH an der Beigeladenen von 70 % hat zwischenzeitlich die Firma B GmbH aus der Insolvenzmasse erworben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens (drei Bände), des Verfahrens 2 ZKO 747/06 (zwei Bände) und die von den Beteiligten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (drei Order und drei Heftungen). Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat Erfolg, denn sie ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt ihr nicht das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Dem steht nicht entgegen, dass die Beteiligten nunmehr eine Vereinbarung schließen wollen, auf deren Grundlage der Immobilienbestand der Beigeladenen verkauft und diese einer geordneten Liquidation zugeführt werden soll. Ungeachtet dessen, ob sich die Rechtsposition der Klägerin durch das Vorhandensein einer rechtsaufsichtlichen Genehmigung verbessern kann oder nicht, hat sie noch ein Interesse daran, eine solche Genehmigung zu erlangen. Diese Genehmigung benötigt sie jedenfalls, um ihre Pflichten gegenüber dem Registergericht zu erfüllen. Zwar ist die Beigeladene infolge der Eintragung in das Handelsregister am 1. August 1996 trotz fehlender Genehmigung wirksam entstanden. Dies entbindet die Klägerin aber nicht von der Pflicht, die noch ausstehende Genehmigung beizubringen. Das Registergericht kann die Nachreichung einer noch fehlenden Genehmigungsurkunde durch Zwangsgelder durchsetzen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1954 - II ZR 167/53 - zur faktischen Gesellschaft, OLG Frankfurt, Urteil vom 4. Dezember 2001 - 20 W 31/01 -, OLG Zweibrücken, Beschluss vom 17. Juli 1995 - 8 W 82/95 - GmbHR 1995, 723, Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 9. Auflage 2000, Band 1, Rn. 31 zu § 8; Ulmer, Großkommentar zum GmbHG, 2005, Band 1, Rn. 15 zu § 8).

Soweit der Hauptantrag der Klägerin darauf gerichtet ist, festzustellen, dass die rechtsaufsichtliche Genehmigung zur Gründung und Beteiligung an der Beigeladenen als erteilt gilt, ist die Klage als Feststellungsklage im Sinne des § 43 Abs. 1 1. Alt VwGO statthaft. Das Begehren der Klägerin ist auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet, denn die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin sich gegenüber dem Beklagten auf den Eintritt der Rechtsfolgen des § 123 Abs. 3 ThürKO - der Genehmigungsfiktion - berufen kann. Die Feststellungsklage ist auch nicht nach Maßgabe des § 43 Abs. 2 VwGO subsidiär gegenüber einer Verpflichtungsklage, die auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der kommunalaufsichtlichen Genehmigung gerichtet wäre. Bei Erfolg des Feststellungsantrages der Klägerin, wird die Erteilung der Genehmigung entbehrlich, da der Eintritt der Genehmigungsfiktion die zur Gründung der Beigeladenen erforderliche Genehmigung beinhaltet.

Der Hauptantrag auf Feststellung ist auch begründet. Gemäß § 123 Abs. 3 ThürKO gilt eine Genehmigung nach § 73 Abs. 1 Satz 4 ThürKO als erteilt, wenn sie nicht binnen sechs Wochen nach Eingang der erforderlichen Antragsunterlagen bei der Genehmigungsbehörde verweigert wird. So liegt es hier. Die Bestimmung des § 123 Abs. 3 ThürKO hat Geltung für sog. "Altanträge" (1.). Auch ist die in § 123 Abs. 3 ThürKO angeordnete Rechtsfolge eingetreten, denn die Voraussetzungen dafür sind gegeben (2.).

1. Die Bestimmung des § 123 Abs. 3 ThürKO ist anwendbar. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin den hier maßgeblichen Genehmigungsantrag bereits mit Schreiben vom 24. November 1998, also vor Inkrafttreten des § 123 Abs. 3 ThürKO, stellte. Diese die Genehmigungsfiktion regelnde Bestimmung wurde durch das Dritte Gesetz zur Änderung der Thüringer Kommunalordnung - 3. ThürKOÄndG - vom 18. Juli 2000 (GVBl. S. 177) in die Thüringer Kommunalordnung eingefügt und trat am 28. Juli 2000 in Kraft. Da das 3. ThürKOÄndG für § 123 Abs. 3 ThürKO keine Übergangsregelung enthält, erfasst diese Regelung auch auf vor Inkrafttreten dieser Bestimmung gestellte und bei Inkrafttreten noch nicht endgültig beschiedene Genehmigungsanträge. Dies ergibt sich aus dem im intertemporalen Verwaltungsrecht allgemein geltenden Grundsatz, dass neues Verfahrensrecht und materielles Recht vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an regelmäßig auch anhängige Verfahren erfasst (vgl. BVerwG, Urteile vom 4. September 2007 - 1 C 21/07 - BVerwGE 129, 243 - 251, vom 7. Juli 1989 - 8 C 85/87 - NJW 1990, 590-592 und vom 26. März 1985 - 9 C 47/84 - NVwZ 1986, 45 - 46; Thüringer Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 4. März 2004 - 3 KO 1149/03 - ThürVBl. 2004, S. 280 - 284; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 5 C 05.2589 - juris; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Auflage 2001, Rn. 3 zu § 96 VwVfG; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1, 11. Aufl., § 27 Rn. 5, Kopp, Grundsätze des intertemporalen Verwaltungsrechts, SGb 1993, S. 593 - 602).

Etwas anderes folgt nicht aus der Entstehungsgeschichte des § 123 Abs. 3 ThürKO. Hätte der Thüringer Landesgesetzgeber seinerzeit gewollt, dass die Bestimmung des § 123 Abs. 3 ThürKO nur auf nach Inkrafttreten gestellte Anträge Anwendung finden soll, hätte er durch die Schaffung einer Übergangsregelung die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 123 Abs. 3 ThürKO auf schon anhängige Verfahren verhindern bzw. die Geltung hinausschieben können.

Ergänzend kommt hinzu, dass der dokumentierte Wille des Gesetzgebers für eine sofortige Anwendbarkeit des § 123 Abs. 3 ThürKO auf bei Inkrafttreten schon gestellte Anträge spricht. § 123 Abs. 3 ThürKO war in dem Gesetzentwurf der Landesregierung vom 15. Februar 2000 - LT-Drs. 3/333 - noch nicht enthalten und ist erst auf Beschlussempfehlung des Innenausschusses vom 30. Juni 2000 - LT-Drs. 3/805 - in den Gesetzentwurf aufgenommen worden. Eine ausdrückliche Begründung enthält deshalb der ursprüngliche Gesetzentwurf nicht; sie ist aber dem Ergebnis-Protokoll der Sitzung des Innenausschusses zu entnehmen:

"Die Genehmigungsfiktion umfasst nicht nur die Fälle der überörtlichen Betätigung der Gemeinden, sondern auch die Gründung, Änderung und Zweckbestimmung von und Beteiligung an privatrechtlichen Unternehmen, sowie die Beteiligung kommunaler Unternehmen an Unternehmen, weil auch in diesen Fällen die Kommune durch langwierige Genehmigungen Wettbewerbsnachteile zu befürchten hat. Auf die Begründung zu Ziffer 4e wird verwiesen." (vgl. S. 14 Protokoll)

Die benannte "Ziffer 4e" bezieht sich auf den Gesetzentwurf - LT-Drs. 3/333 - und damit die Begründung zu § 71 Abs. 4 ThürKO, der sich mit der wirtschaftlichen Betätigung von Gemeinden außerhalb des Gemeindegebiets befasst. Hier wurde das Genehmigungserfordernis durch eine Anzeigepflicht ersetzt.

Die Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung sollte nach dem Willen des Innenausschusses - auszugsweise - durch folgende Begründung ersetzt werden:

"... Eine Genehmigungspflicht gegenüber der Rechtsaufsichtsbehörde bei Tätigkeiten außerhalb des Gemeindegebiets ist häufig verfahrensverzögernd und damit wettbewerbsbehindernd. Soweit die Rechtsaufsichtsbehörde einen umfassenden Überblick über die bestehenden gebietsüberschreitenden Tätigkeiten kommunaler Unternehmen außerhalb der Strom- und Gasversorgung wünscht, bedarf es zwar eines Genehmigungsverfahrens, im Interesse der betroffenen Kommunen muss dieses jedoch beschleunigt werden. Ein Zeitraum von sechs Wochen nach Eingang der erforderlichen Antragsunterlagen muss der Rechtsaufsichtsbehörde zur Entscheidungsfindung genügen. Sollte sie die Genehmigung bis dahin nicht verweigern, gilt die Genehmigung als erteilt. Diese gesetzliche Fiktion wird aus Gründen der Gesetzessystematik in einem neuen § 123 Abs. 3 angefügt. ..." (S. 14 Protokoll)

Entsprechendes ist auch der Erörterung in der Zweiten Lesung des Thüringer Landtages zu entnehmen (vgl. Protokoll 22. Sitzung vom 5. Juli 2000, S. 1475). Es lässt sich mithin feststellen, dass es dem Gesetzgeber bei Einführung der Fiktion darum ging, die kommunalaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Würde die Bestimmung des § 123 Abs. 3 ThürKO nicht auf Altfälle angewendet, würde dies dem Anliegen des Gesetzgebers, den gewollten Beschleunigungseffekt zu erzielen, zuwiderlaufen.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts rechtfertigt der Umstand, dass durch die Einführung der Fiktion des § 123 Abs. 3 ThürKO das behördliche Verfahren stark beschränkt und der Untersuchungsgrundsatz des § 24 ThürVwVfG eingeschränkt werde, keine andere Einschätzung. Der Beklagte nimmt hier staatliche Aufgaben wahr und ist nicht in eigenen Rechten betroffen. Die Vorschriften über das Verwaltungsverfahren im Allgemeinen und den Untersuchungsgrundsatz im Besonderen vermitteln ihm keine subjektiven Rechte, die einer Beschränkung zugänglich wären, sondern enthalten Vorgaben dazu, wie ein Verwaltungsverfahren durchzuführen ist. Es ist zwar zutreffend, dass § 123 Abs. 3 ThürKO diese Vorgaben faktisch beschränkt; eine Rechtsposition des Beklagten wird deshalb aber nicht berührt. Demgegenüber ist die Klägerin in eigenen Rechtspositionen betroffen. Ihr Recht auf kommunale Selbstverwaltung wird durch das Genehmigungserfordernis beschränkt, das der Landesgesetzgeber durch die Regelung des § 123 Abs. 3 ThürKO wieder etwas gelockert hat.

Ebensowenig zwingt der Wortlaut des § 123 Abs. 3 ThürKO, wonach die Frist nach Eingang der "erforderlichen Antragsunterlagen" zu laufen beginnt, zu einer Auslegung, dass nur nach Inkrafttreten gestellte Anträge gemeint sein können. Auch für vor Inkrafttreten des § 123 Abs. 3 ThürKO eingereichte Anträge lässt sich feststellen, ob die "erforderlichen Antragsunterlagen" eingegangen sind.

Bezogen auf diese bei Inkrafttreten des § 123 Abs. 3 ThürKO am 28. Juli 2000 schon gestellten Anträge besteht nur die Besonderheit, dass die Sechswochenfrist des § 123 Abs. 3 ThürKO auch dann, wenn die erforderlichen Antragsunterlagen schon vor dem 28. Juli 2000 vorgelegen haben sollten, frühestens mit dem Tag des Inkrafttretens des § 123 Abs. 3 ThürKO am 28. Juli 2000 zu laufen beginnt. Dies ergibt sich ebenso aus dem im intertemporalen Verwaltungsrecht geltenden Grundsatz, dass Gesetze ab Inkrafttreten sofort, aber nicht rückwirkend gelten (vgl. Kopp, a. a. O., S. 595 und auch Aschke, Übergangsregelungen als verfassungsrechtliches Problem, S. 18/19 und S. 215). Für vor dem 28. Juli 2000 eingereichte und bis zu diesem Zeitpunkt nicht abschließend beschiedene Anträge bedeutet dies Folgendes: Waren die Antragsunterlagen vorher vollständig, begann die Sechswochenfrist am 28. Juli 2000 zu laufen. Lagen die erforderlichen Antragsunterlagen zu diesem Zeitpunkt nicht vor, konnte die Frist des § 123 Abs. 3 ThürKO nicht bereits ab dem 28. Juli 2000, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt - ab Eingang der erforderlichen Antragsunterlagen - laufen.

Es kann auch nicht angenommen werden, dass die Norm planwidrig zu weit gefasst worden ist und deshalb nach Maßgabe des mit der Bestimmung verfolgten Zwecks eine Anwendung des § 123 Abs. 3 ThürKO nur auf Fälle, in denen die Erteilung der Genehmigung vor und nicht wie hier nach Aufnahme der Geschäftstätigkeit beantragt wird, in Betracht kommt (teleologische Reduktion), wie der Beklagte meint. Nicht nur in den Fällen, in denen die fehlende Genehmigung die Aufnahme der Geschäftstätigkeit hindert, besteht ein Beschleunigungsbedürfnis. Gerade auch dann, wenn eine Kommune unter Verstoß gegen § 73 Abs. 1 Satz 4 ThürKO ein Unternehmen gründet und betreibt, ist die Klärung, ob kommunalrechtliche Hindernisse vorliegen, unabweisbar. Es muss Rechtsklarheit gegeben sein, ob die wirtschaftliche Betätigung der Stadt durch Gründung eines privatrechtlich organisierten Unternehmens genehmigt werden kann oder nicht. Für die zeitnahe Klärung streiten zugleich die Haftungsrisiken, denen die für die Gebietskörperschaften Handelnden ausgesetzt sind, aber auch die Pflicht zur Abwendung von Schäden Dritter, die auf die wirksame Gründung des Unternehmens vertrauen. Gerade der vorliegende absolute Ausnahmefall einer Kommune, die ohne die erforderliche Genehmigung ein Unternehmen betreibt, zeigt die Notwendigkeit auf, die Rechtsfolge des § 123 Abs. 3 ThürKO nicht in Frage zu stellen. Der zur Gründung eines privaten Unternehmens erforderliche Gesellschaftsvertrag ist nämlich bis zur Erteilung der Genehmigung schwebend unwirksam und kann deshalb nicht Grundlage einer Eintragung ins Handelsregister sein. Die Beigeladene kam nur deshalb zur Entstehung, weil sie trotz fehlender Genehmigung vorschriftswidrig in das Handelsregister eingetragen wurde. Das Registergericht hätte das Eintragungsverfahren gemäß § 127 Abs. 1 FGG aussetzen müssen.

Zutreffend ist allerdings, dass die in §§ 73, 71 Abs. 1, 2 ThürKO benannten Genehmigungsvoraussetzungen erkennbar auf einen Genehmigungsantrag zugeschnitten sind, der vor Aufnahme der Geschäftstätigkeit gestellt wird. Eine vorzeitige Aufnahme der Geschäftstätigkeit schließt die Genehmigung - auch nachträglich - von Gesetzes wegen indessen nicht aus. Etwaige Pflichtverletzungen kommunaler Amtsträger hindern nicht die Anwendbarkeit des § 123 Abs. 3 ThürKO. In dem einen wie dem anderen Fall hat die Prüfung sich an den Genehmigungsvoraussetzungen der §§ 73, 71 Abs. 1, 2 ThürKO auszurichten. Eine solche Prüfung entfällt aber gerade dann, wenn die Genehmigungsfiktion wirksam geworden ist.

2. Diese Fiktion des § 123 Abs. 3 ThürKO, wonach die kommunalaufsichtsrechtliche Genehmigung als erteilt gilt, wenn sie nicht innerhalb von sechs Wochen verweigert wird, ist auch eingetreten. Der Beklagte lehnte zwar die Erteilung der gemäß § 73 Abs. 1 Satz 4 ThürKO erforderliche Genehmigung mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 19. April 2002 ab. Diese ablehnende Entscheidung ging aber ins Leere, weil zuvor die Genehmigungsfiktion des § 123 Abs. 3 ThürKO schon eingetreten war. Wie ausgeführt begann die Sechswochenfrist des § 123 Abs. 3 ThürKO am Tag des Inkrafttretens dieser Bestimmung am 28. Juli 2000 zu laufen und endete nach Ablauf von sechs Wochen am Freitag, dem 8. September 2000 (vgl. § 31 Abs. 1 ThürVwVfG i. V. m. § 187 Abs. 1 BGB). Bereits am 28. Juli 2000 waren die im Sinne des § 123 Abs. 3 ThürKO "erforderlichen Antragsunterlagen" bei dem Beklagten eingegangen. Das ergibt sich aus Folgendem:

Der Begriff der "erforderlichen Antragsunterlagen" bedarf der Auslegung, da weder in § 123 ThürKO noch an anderer Stelle näher bestimmt ist, welche Unterlagen gemeint sind. Der Begriff der "erforderlichen Antragsunterlagen" ist im Hinblick auf die der Genehmigungsbehörde auferlegte materielle Prüfung in der Weise zu konkretisieren, dass es sich dabei um die Unterlagen handelt, deren Vorlage die Entscheidungsreife des Antrages herbeiführt. Sie hat innerhalb der Sechswochenfrist eine Entscheidung zu treffen, ob die beantragte Genehmigung erteilt oder versagt werden muss. Dies setzt voraus, dass geprüft wird, ob die in §§ 73, 71 Abs. 1 und 2 ThürKO geregelten Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind oder nicht. Auch bei dieser Prüfung kann die Behörde nicht auf gesetzliche Vorgaben, die konkrete Unterlagen benennen, zurückgreifen. Vielmehr muss sie die in den §§ 73, 71 Abs. 1 ThürKO (im Normprogramm) vorgegebenen unbestimmten Rechtsbegriffe auslegen und selbst bestimmen, welche Unterlagen zur Beurteilung der jeweiligen Voraussetzungen notwendig sind. Insbesondere hat sie zu prüfen, ob die vorgelegten Unterlagen ausreichend sind bzw. festzustellen, welche Unterlagen noch benötigt werden. Die Genehmigungsbehörde bestimmt im Wesentlichen, welche Antragsunterlagen erforderlich sind, um die Entscheidungsreife des Antrages herbeizuführen. Demgegenüber kann es nicht darauf ankommen, welche Unterlagen nach welchen auch immer zu bestimmenden objektiven Maßstäben zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen erforderlich sind und ob die Behörde tatsächlich die erforderlichen Unterlagen angefordert hat. Angesichts der weitgehenden Unbestimmtheit der im Gesetz genannten Genehmigungsvoraussetzungen wäre sonst ungewiss, ob und ab wann die die Fiktion auslösende Frist jeweils begänne.

Da der Beklagte gegenüber demjenigen, der die Erteilung einer kommunalaufsichtsrechtlichen Genehmigung begehrt, Inhalt und Umfang der "erforderlichen Antragsunterlagen" bestimmt, liegt es deshalb im Wesentlichen in seinem Verantwortungsbereich, wann die sechswöchige Frist des § 123 Abs. 3 ThürKO zu laufen beginnt. Derjenige, der die Erteilung der Genehmigung begehrt, muss zugleich Rechtssicherheit darüber haben, zu welchem Zeitpunkt die Frist beginnt und wann sie abgelaufen ist. Er muss verlässlich wissen, ob die vorausgehende Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen entbehrlich geworden ist, weil die Genehmigungsfiktion eingetreten ist. Aus diesem Grund ist bei der Auslegung des Begriffs der "erforderlichen Antragsunterlagen" auch die Perspektive desjenigen, der die Erteilung der Genehmigung begehrt, zu berücksichtigen. Hat der Beklagte die erforderlichen Antragsunterlagen in der Weise konkretisiert, dass er aufgelistet hat, welche Unterlagen beizubringen sind, darf der Antragsteller davon ausgehen, alle erforderlichen Unterlagen beigebracht zu haben, wenn er der entsprechenden Aufforderung nachgekommen ist. Aus diesem Grund muss der Beklagte die ihm nach einer solchen Aufforderung vorgelegten Unterlagen auf Vollständigkeit hin überprüfen. Sollten die vorgelegten Unterlagen nicht ausreichend sein, um Entscheidungsreife zu bejahen, hat er umgehend - jedenfalls vor Ablauf von sechs Wochen - zur Vorlage weiterer bestimmter Unterlagen aufzufordern. Unterlässt er dies, darf der Antragsteller davon ausgehen, dass die eingereichten Unterlagen vollständig sind und dass die Frist des § 123 Abs. 3 ThürKO läuft.

Mit diesen Anforderungen an das Verwaltungsverfahren befindet sich der Senat in Übereinstimmung mit vergleichbaren Regelungen anderer Länder. So ist in Hessen und Rheinland-Pfalz ausdrücklich vorgesehen, dass die Genehmigungsfiktion nicht eintritt, wenn innerhalb der Frist durch die Genehmigungsbehörde weitere Unterlagen angefordert werden (vgl. § 143 HGO und § 119 RhPfGemO).

Demzufolge gilt, dass die Frist des § 123 Abs. 3 ThürKO nicht läuft, wenn die Genehmigungsbehörde noch weitere Unterlagen angefordert hat und die jeweilige Gemeinde diesem Ansinnen noch nicht nachgekommen ist.

Gemessen an diesen Grundsätzen lagen im vorliegenden Fall bei Inkrafttreten des § 123 Abs. 3 ThürKO am 28. Juli 2000 alle erforderlichen Unterlagen vor. Die Klägerin stellte am 24. November 1998 mit Schreiben gleichen Datums einen Antrag auf Genehmigung der Gründung der Beigeladenen. Das hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt und wird auch von keinem der Beteiligten in Zweifel gezogen. Mit diesem Schreiben lagen noch nicht alle erforderlichen Unterlagen vor. Es waren nicht einmal die angekündigten Unterlagen beigefügt. Die bloße Existenz dieses Antrages konnte demzufolge nicht die Frist des § 123 Abs. 3 ThürKO am 28. Juli 2000 zum Laufen bringen. Es lässt sich - ausweislich der Akten - jedoch feststellen, dass im Sinne des § 123 Abs. 3 ThürKO Ende 1998 alle "erforderlichen Antragsunterlagen" bei dem Beklagten eingegangen waren.

Insoweit bleibt festzuhalten: Mit Schreiben vom 16. Dezember 1998 forderte der Beklagte die Klägerin unter Fristsetzung bis zum 21. Dezember 1998 konkret zur Beibringung folgender noch fehlender Unterlagen auf:

- Vorlage der in dem Fax vom 24. November 1998 angekündigten Unterlagen,

- Kopie des Kaufvertrages zwischen der V und der Beigeladenen,

- Bekanntmachung der Ausschreibung des privaten Mitgesellschafters und

- Niederschriften bzw. Protokolle zu den angeführten Ausschusssitzungen.

Am 21. Dezember 1998 ging das Schreiben der Klägerin vom 24. November 1998 bei dem Beklagten ein. Diesem Schreiben waren nunmehr die angekündigten Unterlagen beigefügt. Die mit Schreiben vom 16. Dezember 1998 ergänzend angeforderten Unterlagen fehlten jedoch. Daraus lässt sich nicht folgern, dass etwa erforderliche Antragsunterlagen noch gefehlt hätten. Eine entsprechende - ergänzende - Aufforderung an die Klägerin ist nicht ergangen. Dafür gab es ersichtlich - aus Sicht des Beklagten - zu diesem Zeitpunkt auch keinen Bedarf. In einem vom 30. Dezember 1998 datierenden internen Vermerk (BA-2 Blatt 247) wird vielmehr festgestellt, dass die Gründung der Beigeladenen mit der "Aufnahme einer Bedingung zur notariellen Änderung" genehmigungsfähig sei.

2 KO 1103/05

In der Folge hat die Kommunalaufsicht des Landkreises zwar in einem Schreiben vom 25. März 1999 an das Thüringer Landesverwaltungsamt, mit dem der Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 27. April 1998 - betreffend die unentgeltliche Übertragung der Gesellschaftsanteile - vorgelegt wurde, die Auffassung vertreten, dass die von der Stadt Altenburg eingereichten Unterlagen zur Genehmigung der Gründung nicht aussagekräftig seien. Mit diesem Schreiben wurde die Akte im Original an das Landesverwaltungsamt versandt. Diese Erklärung hat die Klägerin aber nicht erreicht.

Erst in dem Widerspruchsbescheid des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 17. April 2000 zur Genehmigung der Übertragung der Geschäftsanteile wird der Antrag auf Genehmigung der Gründung vom 24. November 1998 erwähnt und ausgeführt, dass dieser wohl nicht genehmigungsfähig sei. Davon mag die Klägerin auch Kenntnis genommen haben. Ein Hinweis auf ergänzungsbedürftige Unterlagen ergab sich daraus nicht.

Der Beklagte hätte deshalb aber ab dem 28. Juli 2000 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 123 Abs. 3 ThürKO - innerhalb der Sechswochenfrist nochmals in eine Prüfung eintreten müssen, ob er weitere Unterlagen - etwa in Beantwortung des Schreibens vom 16. Dezember 1998 - für das Genehmigungsverfahren benötigt. Gegebenenfalls wäre die Klägerin zur Vorlage von Urkunden und zum Vortrag von Unterlagen, die zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen der §§ 73, 71 Abs. 1, 2 ThürKO in Betracht kamen, aufzufordern gewesen. Dies ist offenkundig nicht geschehen: Da die Frist des § 123 Abs. 3 ThürKO seit dem 28. Juli 2000 lief, trat am 8. September 2000 die Genehmigungsfiktion ein; seit diesem Zeitpunkt gilt nach Maßgabe des § 123 Abs. 3 ThürKO die Genehmigung zur Gründung der Beigeladenen als erteilt.

Auf den Antrag der Klägerin war daher die entsprechende Feststellung - wie tenoriert - zu treffen.

Der die Genehmigung versagende Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides war entsprechend dem Antrag der Klägerin aufzuheben, da dieser der Rechtslage widerspricht.

Da der Hauptantrag der Klägerin Erfolg hat, ist über den - nachrangigen - Hilfsantrag, der die Verpflichtung zur Erteilung der Genehmigung zum Gegenstand hat, nicht zu befinden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Danach hat der Beklagte als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen und des Vertreters des öffentlichen Interesses waren nicht für erstattungsfähig zu erklären; diese haben keinen Antrag gestellt und sich auch ansonsten nicht durch wesentlichen Sachvortrag am Verfahren beteiligt (§§ 162 Abs. 2, 154 Abs. 3 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO).

Beschluss

Der Streitwert wird auch für das zweitinstanzliche Verfahren auf 15.000,00 € festgesetzt (§§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an Nr. 22.5 des "Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit", NVwZ 2004, 1327 ff.).

Ende der Entscheidung

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