Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 22.01.2004
Aktenzeichen: 3 EO 1060/03
Rechtsgebiete: VwGO, AuslG, GG


Vorschriften:

VwGO § 123
AuslG § 63
AuslG § 44 Abs. 6
AuslG § 64 Abs. 2
AuslG § 17
AuslG § 23
AuslG § 30
AuslG § 55 Abs. 2
GG Art. 6
1. Die örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörde (§ 63 AuslG, § 3 Abs. 1 Nr. 3a ThürVwVfG) richtet sich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Asylbewerbers (vgl. § 30 Abs. 3 SGB I), der durch den Aufenthaltsort in der asylverfahrensrechtlichen Zuweisung bestimmt wird.

2. Die Zuweisung des Asylsuchenden beschränkt seinen Aufenthalt regelmäßig auch nach Abschluss des Asylverfahrens räumlich auf den Bezirk der Ausländerbehörde (vgl. § 44 Abs. 6 AuslG, § 71 Abs. 7 AsylVfG). Die anderweitige örtliche Zuständigkeit einer Ausländerbehörde, für deren Bezirk eine vom Zuweisungsort abweichende Aufenthaltsnahme begehrt wird, schließt § 64 Abs. 2 S. 2 AuslG aus.

3. Ein zwingendes Abschiebungshindernis liegt grundsätzlich dann vor, wenn es den Ehepartnern - auch nicht nur vorübergehend - unzumutbar ist, die Lebensgemeinschaft durch Ausreise des ausländischen Ehegatten zur Heilung eines früheren Verstoßes gegen die Visumspflicht bei der Einreise (vgl. §§ 8 Abs. 1 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 AuslG) zu unterbrechen.


THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT

- 3. Senat -

3 EO 1060/03

Beschluss

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausländerrechts,

hier: Beschwerde nach § 123 VwGO

hat der 3. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Lindner, den Richter am Oberverwaltungsgericht Best und die an das Gericht abgeordnete Richterin am Verwaltungsgericht Mößner am 22. Januar 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Antragsgegnerin wird unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Gera vom 30. September 2003 - 4 E 1008/03 GE - im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, Abschiebemaßnahmen gegen den Antragsteller zu 1. vorläufig bis zur Entscheidung über den Widerspruch des Antragstellers zu 1. gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. September 2003, längstens bis zum 30. Juni 2004, zu unterlassen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens haben die Antragsteller zu 1. und 2. zu je 1/4 und die Antragsgegnerin zu 1/2 zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren auch im Beschwerdeverfahren weiterhin die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin, gegen den Antragsteller zu 1. gerichtete aufenthaltsbeendende Maßnahmen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über seinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu unterlassen.

Der 1969 geborene Antragsteller zu 1., nigerianischer Staatsangehörigkeit, führte unter falschen Personalien - er gab vor, aus dem Sudan zu stammen - ein Asylverfahren durch. Obwohl er mit Zuweisungsentscheidung des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 5. Februar 1999 der Antragsgegnerin zugewiesen worden war, wurde er im Mai 1999 sowie am 30. August 1999, 28. Oktober 1999, 5. November 1999, 14. Januar 2000 und am 21. März 2000 ohne entsprechende Betretenserlaubnis auf dem Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg, während er zum Teil mit Betäubungsmitteln (BtM) gehandelt haben soll, vorläufig festgenommen. Am 30. Januar 2001 wurde der Antragsteller zu 1. im Zug von Uelzen nach Lüneburg sowie am 30. April 2001 im ICE von Hamburg nach Hannover aufgegriffen. Bei einer am 27. April 2002 durchgeführten Durchsuchung einer ins Blickfeld der Drogenfahndung geratenen Wohnung in Hamburg wurden von der Antragsgegnerin ausgestellte Duldungen des Antragstellers zu 1. aufgefunden. Ausweislich des Auszuges aus dem Bundeszentralregister vom 11. September 2003 wurde gegen den Antragsteller zu 1. mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts Weimar vom 21. Juni 2000 - 152 Js 38975/99 - wegen Verstoßes gegen Strafvorschriften des Asylverfahrensgesetzes eine Geldstrafe verhängt. Unter dem 28. August 2000 klagte ihn die Staatsanwaltschaft Erfurt wegen unerlaubten Handels mit BtM und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte an (312 Js 2543/00).

Die gegen die - im Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 9. Februar 1999 ausgesprochene - Ablehnung des Asylantrages und Androhung der Abschiebung erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Gera mit Urteil vom 1.August 2001 - 3 K 20092/99 GE - rechtskräftig ab. Vorführungen des Antragstellers zu 1. bei den diplomatischen Vertretungen des Sudans und Nigerias führten in der Folgezeit zu keiner Klärung hinsichtlich seiner Staatsangehörigkeit.

Der Antragsteller verließ nach dem 12. Juni 2003 - an diesem Tage wurde er im ICE Gotha-Erfurt aufgegriffen - im Besitz eines am 12. September 2001 ausgestellten nigerianischen Passes Deutschland und heiratete am 18. Juni 2003 in Schweden die 1956 geborene Antragstellerin zu 2., die deutsche Staatsangehörige ist. Am 7. Juli 2003 legte er den Reisepass bei der Antragsgegnerin vor. Die Antragsteller beantragten gemeinsam die Umverteilung des Antragstellers zu 1. "gemäß § 50 Abs. 4 oder § 51 AsylVfG" nach Hamburg, wo die Antragstellerin zu 2. wohnhaft ist und wo sich der Antragsteller zu 1. zumindest seitdem aufhält.

Mit Schreiben vom 29. Juli 2003 teilte die Freie und Hansestadt Hamburg der Antragsgegnerin mit, dass dem Antrag auf Zuzug des Antragstellers zu 1. nicht zugestimmt wird, da der Antragsteller zu1. nicht den Befreiungstatbestand des § 9 DVAuslG erfülle; darüber hinaus sei er u. a. wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz strafrechtlich in Erscheinung getreten und habe damit den Ausweisungsgrund des § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG erfüllt. Eine unzumutbare Härte im Hinblick auf die Familienzusammenführung sei nicht ersichtlich.

Mit Schreiben vom 30. Juli 2003 beantragte der Antragsteller zu 1., ihm eine Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland zu erteilen.

Mit Bescheid vom 12. August 2003 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf "Änderung der Duldung, Wohnsitznahme in Hamburg" ab und hörte ihn am selben Tag zu der beabsichtigten Ablehnung der beantragten Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 AuslG an. Daraufhin beantragte der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller zusätzlich, dem Antragsteller zu 1. besuchsweise den Aufenthalt in Hamburg zu gestatten. Erstmals mit Schreiben vom 2. September 2003 übersandte der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller eine Bescheinigung des Hausarztes der Antragstellerin zu 2. vom 25. August 2003 sowie eine weitere vom 4. September 2003, wonach diese, die früher drogensüchtig gewesen sei und erst durch die Bekanntschaft mit ihrem späteren Ehemann eine Besserung erfahren habe, angesichts der drohenden Ausweisung ihres Ehemannes schwersten psychischen Beeinträchtigungen bis hin zu einer suizidalen Bedrohung ausgesetzt sei.

Mit Bescheid vom 17. September 2003, zugestellt am 22. September 2003, lehnte die Antragsgegnerin auch den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab (Nr. 1), stellte fest, dass der Antragsteller zu 1. zur Ausreise verpflichtet ist, und setzte ihm eine Ausreisefrist binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides (Nr. 2). Ferner drohte sie ihm seine Abschiebung nach Nigeria an (Nr. 3). In der Begründung führte die Antragsgegnerin aus, sie sei nach § 63 Abs. 1 S. 1 AuslG i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 3 a ThürVwVfG sachlich und örtlich zuständig. Die für Ehegatten deutscher Staatsangehöriger zu erteilende Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 AuslG i. V. m. § 17 Abs. 1 AuslG sei nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG zu versagen. Eine Ausnahme nach § 9 Abs. 1 oder Abs. 2 DVAuslG bestehe nicht, da der Antragsteller zu 1. ohne erforderliches Visum eingereist sei. Der Gesundheitszustand der Antragstellerin zu 2. begründe keine außergewöhnliche Härte.

Mit Schreiben vom 8. Oktober 2003 legte der Antragsteller zu 1. gegen den Bescheid vom 17. September 2003 unter Hinweis auf die gesundheitliche Situation der Antragstellerin zu 2., wie sie sich aus den ärztlichen Bescheinigungen vom 25. August 2003 und 4. September 2003 ergebe, Widerspruch ein und beantragte eine Aufenthaltsbefugnis, hilfsweise eine Duldung zu erteilen. Die Ausreise und das Betreiben eines Visumverfahrens von Nigeria aus sei unzumutbar.

Bereits unter dem 5. September 2003 haben die Antragsteller beim Verwaltungsgericht Gera unter Bezugnahme auf das bisherige Vorbringen um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Sie haben beantragt, die Antragsgegnerin anzuweisen, aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen den Antragsteller zu 1. bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu unterlassen. Die Antragsgegnerin ist dem entgegen getreten und hat dargelegt, dass es keinen Grund gebe, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen.

Mit Beschluss vom 30. September 2003 - 4 E 1008/03 GE - hat das Verwaltungsgericht Gera den Antrag mit der Begründung abgelehnt, die Antragsgegnerin könne dem Antragsteller zu 1. nur eine auf den Freistaat Thüringen beschränkte Duldung erteilen (§ 56 Abs. 3 Satz 1 AuslG); aus dem gesamten Vortrag der Antragsteller ergebe sich aber, dass der Antragsteller zu 1. einen Aufenthalt bei seiner Ehefrau in Hamburg erreichen wolle. Die vorgetragenen Duldungsgründe rechtfertigten nur einen Aufenthalt in Hamburg, nicht jedoch in Thüringen. Der Antragsteller könne somit einen Antrag auf Duldung nur bei der Freien und Hansestadt Hamburg stellen (vgl. § 64 Abs. 2 S. 1 AuslG).

Gegen den am 7. Oktober 2003 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 21. Oktober 2003 Beschwerde eingelegt und diese am 7. November 2003 unter Vorlage eines neueren ärztlichen Attestes vom 6. November 2003 begründet. Ergänzend haben sie ausgeführt, die Zuständigkeit der Ausländerbehörde in Hamburg stehe nach § 64 Abs. 2 S. 1 AuslG in deren Ermessen. Es bleibe bei der Zuständigkeit der Ausländerbehörde der Antragsgegnerin. Dem Antragsteller zu 1. sei zumindest eine Duldung für den Freistaat Thüringen und eine Besuchserlaubnis für Hamburg zu erteilen.

Die Antragsteller zu 1. und 2. beantragen,

die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Gera vom 30. September 2003 - 4 E 1008/03 GE - anzuweisen, aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen den Antragsteller zu 1. bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu unterlassen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen. Sie nimmt auf die Gründe des Eilbeschlusses Bezug.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte (1 Band) und der beigezogenen Verwaltungsakten (3 Bände) verwiesen, die Gegenstand der Beratung waren.

II.

Prüfungsgegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist nur die einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO mit dem Antrag, Abschiebungsmaßnahmen gegen den Antragsteller zu 1. - im Hinblick auf sein gegen die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis gerichtetes Widerspruchsverfahren und im Hinblick auf die mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2003 beantragte Aufenthaltsbefugnis bzw. Duldung - zu unterlassen. Demgegenüber haben die Antragsteller nicht um vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gegen die von der Antragsgegnerin im Bescheid vom 17. September 2003 erlassene Abschiebungsandrohung nachgesucht (vgl. zur Rechtmäßigkeit einer auf das Ausländergesetz gestützten Abschiebungsandrohung bei einer noch existenten asylverfahrensrechtlichen Abschiebungsandrohung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge: Gemeinschaftskommentar zum Ausländerrecht, im Folgenden: GK-AuslR, Band 1, Stand: September 2002, § 50 AuslG Rn. 4; Bayerischer VGH, Beschluss vom 26. Mai 2003 - 10 CS 03.981 - NVwZ-Beilage I 9/2003, S. 74).

In dieser Auslegung des Rechtsschutzzieles ist die Beschwerde zulässig.

Die fristgerecht eingereichte Beschwerdebegründung genügt dem Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO (vgl. dazu näher Senatsbeschluss vom 14. Juni 2002 - 3 EO 372/02 - n. v.).

Den tragenden Ausführungen der Vorinstanz, eine Duldung könne die Antragsgegnerin nicht erteilen, da die Antragsteller nur Gründe für einen geduldeten Aufenthalt in Hamburg geltend gemacht haben - wofür die Freie und Hansestadt Hamburg analog § 64 Abs. 2 S. 1 AuslG zuständig sei -, haben die Antragsteller entgegengesetzt, nicht Hamburg, sondern nur die Antragsgegnerin sei die zuständige Ausländerbehörde; sie begehrten im Hauptsacheverfahren wenigstens eine Duldung für Thüringen. Damit berufen sie sich darauf, das Verwaltungsgericht habe die Reichweite der §§ 55 ff. AuslG verkannt.

Die Beschwerde ist in dem tenorierten Umfang auch begründet.

Das Oberverwaltungsgericht hat im Beschwerdeverfahren im Grundsatz nur die dargelegten Gründe zu prüfen (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO). Die Sachprüfung ist damit gemäß § 146 Abs. 4 S. 3 VwGO an der Beschwerdebegründung orientiert (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschluss vom 11. Februar 2003 - 3 EO 387/02 - ThürVGRspr. 2003, 173 = EZAR 040 Nr. 6 m. w. N.). Unter Beachtung dieser Maßgabe hat das Verwaltungsgericht Gera den Antrag nach § 123 VwGO zu Unrecht abgelehnt.

Der Eilantrag beider Antragsteller ist zulässig. Die Antragstellerin zu 2. ist antragsbefugt, da sie in ihrem durch Art. 6 GG geschützten Recht, mit dem Antragsteller zu 1. in ehelicher Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zu leben, verletzt sein kann (st. Rspr., vgl. nur BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. Juni 1993 - 2 BvR 900/93-InfAuslR 1994,311).

Der Antrag ist überwiegend begründet. Die Antragsteller haben Anspruch darauf, dass der Antragsteller zu 1. im tenorierten Umfang von Abschiebungsmaßnahmen verschont bleibt.

Das Verlangen nach Abschiebungsschutz richten die Antragsteller zu Recht gegen die Antragsgegnerin, deren Ausländerbehörde für aufenthaltsrechtliche Maßnahmen hinsichtlich des Antragstellers zu 1. - auch nach Abschluss des Asylverfahrens - örtlich zuständig geblieben ist.

Die örtliche Zuständigkeit der - nach § 63 Abs. 1 AuslG für den Antragsteller zu 1. sachlich zuständigen - Ausländerbehörde des Landkreises (vgl. § 2 der Zweiten Thüringer Verordnung zur Bestimmung von Zuständigkeiten im Geschäftsbereich des Innenministeriums vom 12. Februar 1992 [GVBl. S. 66], zuletzt geändert durch die Zweite Änderungsverordnung vom 5. Mai 2000 [GVBl. S. 103]) richtet sich gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 a ThürVwVfG danach, wo der Antragsteller zu 1. seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte.

Für die Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts ist die Legaldefinition des § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I maßgebend (BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1997 - 1 C 25.96 - NVwZ-RR 1997, 751). Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand danach dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Für die demgemäß anzustellende Prognose kommt es regelmäßig auf die Umstände im Zeitpunkt der Begründung des Aufenthalts, nicht auf dessen tatsächliche Dauer an. Zu den maßgeblichen Umständen gehören auch ausländer- und asylbehördliche Entscheidungen, insbesondere Aufenthaltsbeschränkungen; darauf ist im vorliegenden Fall abzustellen. Unerheblich ist insoweit, dass sich der Antragsteller zu 1. mindestens seit Juli 2003 in Hamburg tatsächlich aufhält. Sein Verbleiben kann jederzeit zwangsweise gemäß § 36 AuslG beendet werden. Denn der Antragsteller zu 1. war und ist verpflichtet, sich an den zugewiesenen Aufenthaltsort nach Weimar zu begeben. Dies folgt aus der auch nach dem rechtskräftigen Abschluss des asylrechtlichen Verfahrens zu beachtenden räumlichen Beschränkung des Aufenthalts des Antragstellers zu 1. auf das Gebiet der Antragsgegnerin, die mithin zuständigkeitsbestimmend wirkt.

Die räumliche Beschränkung des Aufenthalts aus der Aufenthaltsgestattung (§§ 55, 56 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) ist mit der Unanfechtbarkeit der Entscheidung des Bundesamtes erloschen (§ 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG). Während des Asylverfahrens vollzieht diese Beschränkung nach, was durch die Zuweisung in den Bezirk einer Ausländerbehörde bereits gilt.

Die Zuweisungsentscheidung selbst ordnet die räumliche Beschränkung an. Im Rahmen der für die Länder jeweils geltenden Aufnahmequote (§§ 45, 46 AsylVfG) trifft die zuständige Länderbehörde die genannte Entscheidung nach § 50 Abs. 4 AsylVfG, wonach der Asylbewerber landesintern einer bestimmten Ausländerbehörde zugewiesen wird, in deren Bezirk er seine Wohnung zu nehmen hat (§ 50 Abs. 3, 4 und 6 AsylVfG); diesen Bezirk darf er nur ausnahmsweise verlassen (§ 58 AsylVfG).

Im Freistaat Thüringen ergeht diese Verteilungsentscheidung durch das Landesverwaltungsamt (§ 3 Abs. 2 Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetz - ThürFlüAG - vom 16. Dezember 1997, GVBl. S. 541). Diese Zuweisung, die in der Regel die Verpflichtung zum Wohnen in einer Gemeinschaftsunterkunft anordnet (§ 53 Abs. 1 AsylVfG, § 3 Abs. 2 ThürFlüAG), bleibt unabhängig vom einstweiligen Aufenthaltsrecht nach dem erfolglosen Abschluss des Asylverfahrens in Geltung. § 44 Abs. 6 AuslG ordnet u. a. an, dass räumliche und sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem Gesetz und nach anderen Gesetzen auch nach Wegfall der Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung in Kraft bleiben, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nach § 42 Abs. 1 bis 4 AuslG nachgekommen ist. Anderes Gesetz in diesem Sinne ist auch das Asylverfahrensgesetz. Wird von Gesetzes wegen die Fortgeltung von Nebenbestimmungen zu aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen oder im Vollstreckungsverfahren als selbständige Regelung (Duldung) bestimmt, kann nichts anderes angenommen werden, wenn der zeitweilige Aufenthalt nur mit einer Aufenthaltsgestattung nach dem Asylverfahrensgesetz erlaubt war, die nicht Aufenthaltsgenehmigung i. S. v. § 5 AuslG ist (arg. a maiore ad minus). Es wäre sachwidrig, wenn der Ausländer während seines rechtswidrigen Aufenthalts (nach Abschluss des Asylverfahrens) besser stehen würde, als zuvor während des rechtmäßigen Aufenthalts mit Aufenthaltsgestattung (vgl. GK-AuslR, § 44 Rn. 83). Den gesetzgeberischen Willen, die räumliche Beschränkung fortwirken zu lassen, bestätigt zudem § 71 Abs. 7 AsylVfG; für das Verfahren zu einem asylrechtlichen Folgeantrag regelt die Norm, dass im Fall des räumlich beschränkten Aufenthalts während des früheren Asylverfahrens die letzte räumliche Beschränkung fortgilt, solange keine andere Entscheidung getroffen wird (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 2. Juli 2003 - 3 EO 166/03 - NJ 2003, 613 mit Anm. Renner).

Nicht zuletzt ergibt sich auch aus den Aufgaben des Zuweisungsverfahrens, dass die Verpflichtung, sich am zugewiesenen Ort aufzuhalten, nicht durch die unanfechtbare Ablehnung des Asylantrags ihr Ende findet. Denn der Sinn und Zweck der Zuweisungsentscheidung besteht darin, einen angemessenen Ausgleich der durch die große Anzahl der Asylbewerber entstehenden Lasten unter den Bundesländern zu ermöglichen. Dieser Zweck entfällt nicht dadurch, dass der Ausländer seinen Asylantrag zurücknimmt oder dieser endgültig abgelehnt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. März 1992 - 9C 155/90 - NVwZ 1993, 276 zur Zuweisungsentscheidung nach § 22 AsylVfG a. F.).

Die hier vertretene Rechtsauffassung zu den zeitlichen Wirkungen der räumlichen Beschränkung aus dem durchgeführten Asylverfahren wird überwiegend in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte geteilt (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 23. Oktober 2000 - 8 S 21.00 - InfAuslR 2001, 165; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 10. April 2000 - 3 M 132/99 - zitiert nach Juris; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 3. September 1996 - 4 L 31/96 - zitiert nach Juris; a. A. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 16. Juni 2000 - 4 M 2124/00 -FEVS52, 124).

Die räumliche Beschränkung folgt somit im Falle des Antragstellers zu 1. aus der asylverfahrensrechtlichen Verweisung im Rahmen der Aufnahmequote des § 45 AsylVfG in den Freistaat Thüringen und der landesinternen Verteilung in den Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin mit Bescheid des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 5. Februar 1999. Zudem hat ihn die Antragsgegnerin fortlaufend ab 3. Januar 2002 geduldet und diese Entscheidungen mit einer Beschränkung seines Aufenthalts auf das Gebiet der Stadt Weimar verbunden. Diese Bestimmung des Aufenthalts ist auch nicht dadurch erloschen, dass der Antragsteller zu 1. das Bundesgebiet zwecks Heirat in Schweden verlassen hat. Darin liegt keine Ausreise im Sinne des § 44 Abs. 6, § 42 Abs. 1 bis 4 AuslG. Eine Ausreise in diesem Sinne ist nicht jedes Verlassen des Geltungsbereichs des Ausländergesetzes. Zur Erfüllung der Pflicht bedarf es vielmehr einer tatsächlichen Beendigung des Aufenthaltes im Bundesgebiet und dessen Verlegung in einen anderen Staat. Es genügt nicht, wenn sich der Ausländer nur kurzfristig ins Ausland begibt, um alsbald wieder einzureisen (vgl. GK-AuslR § 44 AuslG Rn. 87; § 50 AuslG Rn. 64 ff., 81.1; Hailbronner, Handbuch des Ausländerrechts, Band 1, Stand: Mai 2003, § 42 AuslG Rn. 9).

Für einen Wechsel der Zuständigkeit entsprechend § 64 Abs. 2 S. 1 AuslG ist in Fällen der vorliegenden Art kein Raum. Abs. 2 S. 2 der zitierten Vorschrift schließt Regelungen anderer Ausländerbehörden aus, wenn der Aufenthalt nach den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt ist.

In der Sache haben die Antragsteller ihren Antrag - dem Sicherungscharakter der einstweiligen Anordnung entsprechend - darauf beschränkt, dass die Abschiebung vorläufig unterbleibt, mithin keine weiteren Vollstreckungsmaßnahmen vor dem rechtskräftigen Abschluss des Widerspruchsverfahrens ergriffen werden. Zwar lässt im Hauptsacheverfahren die Systematik des Ausländergesetzes keinen Raum für einen ungeregelten Aufenthalt. Vielmehr geht das Gesetz davon aus, dass ein ausreisepflichtiger Ausländer entweder abgeschoben wird oder zumindest eine Duldung erhält. Die tatsächliche Hinnahme des Aufenthalts außerhalb einer förmlichen Duldung, ohne dass die Vollstreckung der Ausreisepflicht betrieben wird, sieht das Gesetz nicht vor (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2000 - 1 C 23/99 - BVerwGE 111, 62 = NVwZ 2000, 938). Jedoch steht im Rahmen der Sicherungsanordnung nur die Erhaltung des status quo - die Untersagung schlichten Verwaltungshandelns - und nicht die Erlangung einer bislang nicht oder nicht mehr inne gehabten Rechtsposition, einer Duldung, im Vordergrund. Dem trägt der Antrag Rechnung. Die Frage, ob der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Form einer Duldung sicherungsfähig ist (wegen des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache verneinend: Hessischer VGH, Beschluss vom 18. Februar 1993 - 13 TG 2743/92 - NVwZ-RR 1993, 666; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. November 1999 - 19 B 1599/98 - zitiert nach Juris; bejahend: VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 29. März 2001 - 13 S 2643/00 - InfAuslR 2001, 283 und vom 22. Dezember 2000 - 13 S 2540/99 - VBlBW 2001, 228; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 17. Mai 2001 - 4 MA 911/01 - InfAuslR 2001, 387; OVG Saarland, Beschluss vom 17. Juli 2000 - 1 W 1/99 - NVwZ 2001, Beilage Nr. 2, 21; jeweils zitiert nach Juris) kann somit offen bleiben (vgl. auch Beschluss des Senats vom 8. Oktober 2002 - 3 EO 803/00 - m. w. N.).

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind zunächst insofern gegeben, als ein Anordnungsgrund, insbesondere die Eilbedürftigkeit, vorliegt. Der Antragsteller zu 1. ist aufgrund des bestandskräftigen Asylbescheides vom 9. Februar 1999, in dem ihm die Abschiebung in den Sudan oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht wurde, vollziehbar ausreisepflichtig. Die Vollstreckung daraus ist nicht davon abhängig, dass sich der ausdrücklich genannte Zielstaat als nicht zutreffend herausgestellt hat.

Der Antragsteller zu 1. hat als weitere Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung auch einen Anordnungsanspruch.

Entgegen der Auffassung der Antragsteller kommt als zu sicherndes Recht nicht der Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis gemäß §§ 23 Abs. 1 Nr. 1, 17 Abs. 1 AuslG in Betracht. Nach dem Akteninhalt liegen zwar keine gesicherten Anhaltspunkte für eine Scheinehe vor. Unabhängig davon steht der Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung aber folgendes entgegen:

Die Aufenthaltserlaubnis (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AuslG) wird - auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruches nach diesem Gesetz - versagt, wenn der Ausländer - wie der Antragsteller zu 1. - ohne erforderliches Visum eingereist ist (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG). Diese Bestimmung findet auf ehemalige Asylbewerber dann Anwendung, wenn sie ein von der angegebenen politischen Verfolgung unabhängiges Aufenthaltsrecht erstreben (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1997 - 1 C 19/96 - BVerwGE 106, 13 = NVwZ 1998, 742 und Urteil vom 3. Juni 1997 - 1 C1.97 - BVerwGE 105, 28 = NVwZ 1998, 187; Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 4. Mai 2001 - 4 Bs 324/00 - NVwZ-RR 2002, 308; Oberverwaltungsgericht Saarland, Beschluss vom 17. Juli 2000 - 1 W 1/99 - InfAuslR 2001, 12). So liegt es hier. Der Antragsteller zu 1. war weder von der Einholung eines Sichtvermerkes befreit, noch durfte er den Sichtvermerk nach der Einreise einholen (§§ 1 ff., §§ 5 ff. DVAuslG). Die Aufenthaltserlaubnis kann dem Antragsteller zu 1. auch nicht abweichend von § 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 AuslG erteilt werden. Die Voraussetzungen eines Anspruches auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach diesem Gesetz sind nicht offensichtlich erfüllt. Ausweisungsgründe scheiden angesichts der falschen Angaben des Antragstellers zu 1. zu seinen Personalien und seiner wiederholten Verstöße gegen die Vorschriften der räumlichen Beschränkungen des AsylVfG und das Betäubungsmittelgesetz gemäß § 46 Nr. 1 und 2 AuslG nicht von vornherein aus, so dass über die Aufenthaltsgenehmigung nach Ermessen zu entscheiden ist (§ 23 Abs. 3, § 17 Abs. 5 AuslG). Der Antragsteller zu 1. war auch nicht nur wegen des Zweckes oder der Dauer des beabsichtigten Aufenthalts, sondern wegen seiner Staatsangehörigkeit visumpflichtig (vgl. GK-AuslR § 9 AuslG Rn. 10 m. w. N.).

Die Antragsteller haben - auch nach Vorlage einer neueren ärztlichen Bescheinigung - einen Sicherungsanspruch im Hinblick auf die beantragte Aufenthaltsbefugnis bzw. Duldung zwar nicht in dem Sinne glaubhaft gemacht, dass ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist. Aus ihrem Vorbringen ergeben sich aber solche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Anspruchs gemäß § 30 Abs. 3 AuslG, § 55 Abs. 2 und 4 AuslG wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung, dass nach derzeitiger Sach- und Rechtslage sowohl ein Obsiegen der Antragsteller als auch der Antragsgegnerin im Hauptsacheverfahren in Betracht kommt. Der Erlass der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO beruht somit auf einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen.

Da der Asylantrag des Antragstellers zu 1. unanfechtbar abgelehnt worden ist, darf gemäß § 30 Abs. 5 AuslG eine Aufenthaltsbefugnis nur nach Maßgabe der Absätze 3 und 4 erteilt werden. Nach § 30 Abs. 3 AuslG kann einem Ausländer, der unanfechtbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltsbefugnis abweichend von § 8 Abs. 1 AuslG erteilt werden, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 AuslG für eine Duldung vorliegen, weil seiner freiwilligen Ausreise und seiner Abschiebung Hindernisse entgegenstehen, die er nicht zu vertreten hat. Ein solches Hindernis kann im Einzelfall eine Erkrankung des Ehepartners sein, wenn er wegen dieser fortlaufender Hilfen bedarf, die vom gesunden Partner erbracht werden. Ein solcher Sachverhalt ist von den Antragstellern im Ansatz glaubhaft gemacht. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Gemäß § 55 Abs. 2 AuslG wird einem Ausländer eine Duldung erteilt, solange seine Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist (oder nach den §§ 53 Abs. 6, 54 AuslG ausgesetzt wird). Rechtlich unmöglich ist die Abschiebung, wenn sie aus rechtlichen Gründen nicht durchgeführt werden darf, weil ein Abschiebungsverbot (§ 51 Abs. 1 AuslG) oder ein zwingendes Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG oder auf Grund vorrangigen Rechts, namentlich der Grundrechte, gegeben ist. Ein zwingendes Abschiebungshindernis liegt insbesondere auch dann vor, wenn es dem Ausländer - jedenfalls auch nicht vorübergehend - nicht zuzumuten ist, seine ehelichen oder familiären Beziehungen zu sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Personen durch eine Ausreise zu unterbrechen; hierin liegt zugleich ein seiner freiwilligen Ausreise und seiner Abschiebung entgegenstehendes, von ihm nicht zu vertretendes Hindernis im Sinne des § 30 Abs. 3 AuslG.

Art. 6 Abs. 1 GG, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt, kann unter bestimmten Voraussetzungen zu einem Abschiebungshindernis im vorbezeichneten Sinne führen. Diese Grundrechtsnorm gewährt zwar unmittelbar keinen Anspruch auf Aufenthalt; die entscheidende Behörde hat aber die ehelichen und familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, bei der Anwendung offener Tatbestände und bei der Ermessensausübung pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz von Ehe und Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 Abs. 1 GG, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über den Aufenthalt seine Bindungen an im Bundesgebiet berechtigterweise lebende Familienangehörige und Ehepartner angemessen berücksichtigen (st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 31. August 1999 - 2 BvR 1523/99 - AuAS 2000, 43; Beschluss vom 1. August 1996 - 2 BvR 111/96 - NVwZ 1997, 479, m. w. N. sowie Beschluss vom 18. April 1989 - 2 BvR 1169/84 - BVerfGE 80, 81 [93]; BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1997 - 1 C 19/96 - a. a. O., S. 17, m.w. N.).

Im Rahmen dieser Ermessensausübung drängt die Pflicht des Staates, Ehe und Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig dann zurück, wenn ein aufenthaltsberechtigter Ehepartner oder ein aufenthaltsberechtigtes Familienmitglied auf die Lebenshilfe des anderen Ehepartners bzw. Familienmitglieds angewiesen ist und diese Hilfe sich nur in der Bundesrepublik Deutschland erbringen lässt. Dem ausreisepflichtigen Ehegatten ist ein - auch nur vorübergehendes - Verlassen des Bundesgebietes jedenfalls dann nicht zuzumuten, wenn einer der Ehegatten auf Grund individueller Besonderheiten, Krankheit etc., mehr als im Regelfall auf persönlichen Beistand angewiesen ist. Sind diese Voraussetzungen einer ehelichen oder familiären Beistandsgemeinschaft gegeben, ist es dem Ausländer kraft Verfassungsrechts nicht zuzumuten, seine ehelichen oder familiären Beziehungen längerfristig durch Ausreise zu unterbrechen: mithin liegt ein Duldungsgrund i.S. d. § 55 Abs. 2 AuslG vor (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1997 - 1 C 9/95 - BVerwGE 105, 35; zur familiären Beistandsgemeinschaft: Beschluss des Senats vom 15. November 2002 - 3 EO 438/02 - S. 6 ff. des amtlichen Abdrucks, n. v.).

Gemessen an diesen Maßstäben, die auch weitere Oberverwaltungsgerichte ihrer Rechtsprechung zu Grunde legen (vgl. nur VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 5. Juli 1999 - 13 S 1101/99 - NVwZ1999, Beilage Nr. 10, 97 = VBlBW 1999, 468, vom 29. März 2001 - 13 S 2643/00 - InfAuslR 2001, 283 und vom 19. April 2001 - 13 S 555/01 - InfAuslR 2001, 381; OVG Hamburg, Beschluss vom 23. August 1991 - BS V 100/91 -; HessVGH, Beschluss vom 30. April 2001 - 3 TZ 757/01 .A -; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 16. Januar 2003 - 13 ME 28/03 - InfAuslR 2003, 332; OVG Saarland, Beschluss vom 25. Mai 2000 - 9 W 1/00 - sowie vom 17. Juli 2000 - 1 W 1/99 - InfAuslR 2001,12; jeweils zitiert nach Juris), erscheint es bei summarischer Prüfung derzeit durchaus als möglich, dass jedenfalls eine solche eheliche Beistandsgemeinschaft besteht und daher ein zwingendes Abschiebungshindernis vorliegt.

In den eingereichten ärztlichen Bescheinigungen vom 25. August 2003, 4. September 2003 und 6. November 2003 wird - ohne dass die Ausführungen zur Anamnese, Diagnose und Prognose der gesundheitlichen Gefährdung der ehemals drogenabhängigen Antragstellerin zu 2. pauschal bleiben - dargelegt, dass die Genannte durch die Bekanntschaft mit dem Antragsteller zu 1. seit 2002 eine gesundheitliche Besserung erfahren habe und bei einer Abschiebung des Antragstellers zu 1. ein Rückfall und damit ein "desaströser körperlicher und psychischer Zustand" bis hin zu Selbstmordtendenzen drohe.

Zwar mag es angesichts der wegen Verdachts auf Drogenhandel erfolgten Verhaftungen des Antragstellers zu 1. zweifelhaft erscheinen, dass dieser Auslöser des dargelegten gebesserten gesundheitlichen Zustandes der Antragstellerin zu 2. sein soll. Zwingend ist dieser Schluss aber nicht. Die Bescheinigungen der behandelnden Ärzte weisen in eine andere Richtung. Danach soll die gelebte Beziehung der Antragstellerin zu 2. zum Antragsteller zu 1. zur Vermeidung von Gefahren für ihr Leben ganz erheblich beitragen.

Ob dies so ist, bedarf somit weiterer Aufklärung, gegebenenfalls durch entsprechende Gutachten. Die bislang vorgelegten medizinischen Stellungnahmen reichen nicht aus, um die Frage abschließend zu beantworten, ob und in welchem Maße die Antragstellerin zu 2. tatsächlich ohne hinnehmbare Unterbrechung auf die Hilfe des Antragstellers zu 1. angewiesen ist. Die Antwort auf diese Frage ist bei der Gegenüberstellung der öffentlichen (insbesondere der einwanderungspolitischen) Interessen und der privaten, durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Belange von nicht unerheblicher Bedeutung.

Eine weitere Klärung der offenen Fragen, namentlich durch Einholung eines suchtmedizinisch-psychologischen Gutachtens in diesem Beschwerdeverfahren erscheint angesichts der Besonderheiten des Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes untunlich. Nach Sinn und Zweck eines solchen Verfahrens ist es grundsätzlich nicht Aufgabe der Gerichte, stets eine umfassende rechtliche Prüfung der Hauptsache vorzunehmen. Denn damit würde die Effektivität dieses Verfahrens und damit des gerichtlichen Rechtsschutzes insgesamt geschwächt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Mai 1998 - 2 BvR 378/98 - , NVwZ-RR 1999, 217 [218]).

Die Entscheidung darüber, ob eine einstweilige Anordnung zu erlassen ist oder nicht, war demnach anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der widerstreitenden privaten und öffentlichen Interessen zu treffen. Diese Abwägung fällt hier zugunsten der Antragsteller aus. Sie würden - falls sich später herausstellt, dass der geltend gemachte Duldungsgrund vorliegt - in ihrem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG verletzt. Demgegenüber fällt der Nachteil, der sich für das öffentliche Interesse ergibt, wenn der Antragsteller zu 1. einstweilen nicht abgeschoben wird, sich später aber herausstellt, dass Duldungsgründe nicht vorlagen, weniger ins Gewicht; die Herstellung des rechtmäßigen Zustands durch die Abschiebung des Antragstellers würde dadurch lediglich verzögert.

Um diesen möglichen Nachteil für das öffentliche Interesse auch im Hinblick auf die Tatsache, dass der Antragsteller zu 1. strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, gering zu halten, und im Interesse einer möglichst raschen Klärung ist eine zeitliche Befristung der einstweiligen Anordnung angezeigt. Eine Dauer von knapp sechs Monaten bis zum 30. Juni 2004 sollte genügen, um der Widerspruchsbehörde Gelegenheit zu geben, die nötigen Ermittlungen durchzuführen, z. B. ein aussagekräftiges suchtmedizinisches und/oder psychologisches Gutachten einzuholen, auf dessen Grundlage sie sodann entscheidet. Bis dahin ist das tatsächliche Verbleiben des Antragstellers im Bundesgebiet hinzunehmen. Die vorläufig untersagte Abschiebung hat die örtlich zuständige Ausländerbehörde durch Erteilung einer entsprechend befristeten Duldung, deren Ausgestaltung, z. B. im Hinblick auf etwaige Besuchserlaubnisse, in ihrem pflichtgemäßen Ermessen steht, umzusetzen (vgl. GK-AuslR, § 50 Rn. 134, 136 m. w. N.). Es gilt insbesondere die Maßgabe, dass die Duldung von vornherein räumlich auf das Gebiet des Landes beschränkt ist (§ 56 Abs. 3 AuslG).

Dem auf Erlass einer zeitlich unbefristeten (regelmäßig bis zum rechts- bzw. bestandskräftigen Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache währenden) einstweiligen Anordnung und damit weiter gehenden Antrag kann nicht entsprochen werden. Nach Auffassung des Senates ist nur eine Regelung, die der Antragsgegnerin die weitere Vollstreckung im tenorierten Umfange untersagt, nötig. Daher ist die Beschwerde im Übrigen zurückzuweisen.

Angesichts des teilweisen Unterliegens und Obsiegens beider Seiten ist die Kostenentscheidung nach Maßgabe der § 155 Abs. 1 Satz 1, § 159 S. 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO zu treffen. Es erscheint angemessen die Kosten hälftig auf die Antragsteller, die ihrerseits nach Kopfteilen haften, und die Antragsgegnerin aufzuteilen.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 25 Abs. 2 S. 1, 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2, 14 GKG. Eine Erhöhung des Streitwertes in entsprechender Anwendung von § 5 ZPO scheidet wegen des gleichgerichteten Interesses der Antragsteller aus.

Hinweis:

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 S. 2 GKG).



Ende der Entscheidung

Zurück