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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 29.05.2002
Aktenzeichen: 3 KO 540/97
Rechtsgebiete: GG, AsylVfG, AuslG, EuRHÜ, EuRHÜ-Zusatzprotokoll, EuTerrÜ


Vorschriften:

GG Art. 16a
AsylVfG § 26a
AuslG § 51 Abs. 1
AuslG § 51 Abs. 3
AuslG § 53
EuRHÜ Art. 2a
EuRHÜ Art. 22
EuRHÜ-Zusatzprotokoll Art. 4
EuTerrÜ Art. 1
EuTerrÜ Art. 2
EuTerrÜ Art. 8 Abs. 1
1. Niedrig profilierte Exilaktivitäten zugunsten der PKK nahe stehender Organisationen (hier: "Kurdisches Haus Leipzig e. V.") lösen kein beachtliches Verfolgungsrisiko aus (im Anschluss an Senatsurteil vom 25. November 1999 - 3 KO 165/96-).

2. Zum Verfolgungsrisiko wegen geringfügiger Bestrafung nach dem Vereinsgesetz (hier: Geldstrafe von 10 Tagessätzen).


THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 3. Senat - Im Namen des Volkes Urteil

3 KO 540/97

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Asylrechts,

hier: Berufung

hat der 3. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Lindner, den Richter am Oberverwaltungsgericht Best und den an das Gericht abgeordneten Richter am Verwaltungsgericht Thull aufgrund der mündlichen Verhandlung

vom 29. Mai 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des - gerichtskostenfreien - Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der sein Asylbegehren verfolgende Kläger ist Staatsangehöriger der Türkei kurdischer Volkszugehörigkeit. Er lebte seinen eigenen Angaben zufolge vor seiner Ausreise nach Deutschland in dem ca. 12 km entfernt von der Kreisstadt P gelegenen Dorf K in der Provinz K.

Er reiste, wie er angeben hat, am 29. Oktober 1995 auf dem Landweg mit Hilfe eines Schleppers aus der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 13. November 1995 meldete er sich in der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Schwalbach als Asylbewerber. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 2. November 1995 stellte er bei der Außenstelle des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) in Schwalbach und darüber hinaus persönlich am 14. November 1995 bei der Außenstelle in Jena einen Asylantrag.

Im vorgenannten Schreiben führte der Kläger zu seinen Asylgründen aus:

Die türkische Regierung habe beim Europarat eine Note hinterlegt, wonach die Europäische Menschenrechtskonvention im Zuständigkeitsbereich des Ausnahmezustandsgouverneurs nicht anzuwenden sei. Es sei in Betracht zu ziehen, dass es sich beim Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte um unmittelbar staatliche Verfolgungsmaßnahmen handele. Eine Verfolgungsgefahr bestehe bereits allein im Hinblick auf die kurdische Volkszugehörigkeit. Dies belege auch ein Brief des Niedersächsischen Innenministers an das Bundesinnenministerium ausweislich eines Zeitungsberichts der Frankfurter Rundschau vom 10. Dezember 1994 ("Nach Kurden-Urteil Abschiebung gestoppt"). Der Mitteilung des Vorsitzenden des Istanbuler Menschenrechtsvereins zufolge seien Vereinbarungen mit den türkischen Behörden über den Schutz abgeschobener Kurden wertlos. Ferner seien im Rahmen der Würdigung des Vorbringens des Klägers die Erfahrungen und Erkenntnisse des Behandlungszentrums für Folteropfer in Berlin zu berücksichtigen, die in der Schrift "Gedächtnisstörungen bei Flüchtlingen mit Foltererfahrung" niedergelegt seien. Hiernach seien jedenfalls zögerliche Erzählweise, ungenaue Datennennung und bruchstückhafte Erinnerung als ein Indiz für eine erlittene Misshandlung zu werten. Auch die Menschenrechtsverletzungen in der Südostregion der Türkei aufgrund des Guerillakrieges und von Umsiedlungs- und Vergeltungsaktionen der Sicherheitskräfte seien in die Betrachtung einzubeziehen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass er im Jahre 1994 festgenommen worden sei und nach seiner Freilassung einer Meldeauflage unterlegen habe, die zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus der Türkei nicht aufgehoben gewesen sei.

Am 15. November 1995 wurde der Kläger vor dem Bundesamt persönlich zu seinen Asylgründen angehört. Im Rahmen dieser Anhörung gab er im Wesentlichen an:

Im Juni 1994 oder - wie es im Protokoll an anderer Stelle heißt - im Juni 1995 hätten er und andere kurdische Mitschüler in der Schule während der Pause Fernsehnachrichten gesehen. Darin sei über die Entführung zweier Lehrer durch zehn Terroristen in der Nähe der Stadt D berichtet worden. Anlässlich dieser Nachrichten hätten sich einzelne Schüler mit dem anwesenden Mathematiklehrer über die Terroristen unterhalten. Im Rahmen dieses Gesprächs habe der Lehrer alle Kurden mit Teufeln bzw. Terroristen gleichgesetzt. Seit diesem Zeitpunkt habe er ihn, den Kläger, und andere kurdische Mitschüler nicht mehr zum Unterricht zugelassen. Nach dem Ende des Schuljahres habe er sie bei der Gendarmerie angezeigt.

Er selbst und sein Vater seien von Angehörigen der Gendarmerie im Juni 1995 zu Hause festgenommen und zur Gendarmerie von P gebracht worden. Dort seien sie in zwei verschiedenen Räumen verhört worden. Man habe ihm vorgeworfen, er habe sich dem Lehrer gegenüber als Terrorist dargestellt und ihm gegenüber Morddrohungen ausgesprochen. Er sei gefoltert, geschlagen und dann in einer Arrestzelle eingesperrt worden. Darin sei es sehr dunkel gewesen. Auf dem Boden habe sich Wasser befunden. Oben habe eine Schnur gehangen. Zwei- bis dreimal sei er ins Wasser geschoben und bedroht worden. Man habe von ihm verlangt, dass er über Aktivitäten der PKK in seinem Heimatdorf und über Ideen seiner kurdischen Schulfreunde berichte. Eine Auflage sei ihm gegenüber erlassen worden, wonach er sich jeden zweiten Tag auf der Station von P habe melden müssen. Diese Meldeauflage habe er auch befolgt. Dabei sei er jedes Mal bedroht, manchmal auch geschlagen worden.

Als im September 1995 ein neues Schuljahr begonnen habe, seien sein Name und die Namen anderer kurdischer Mitschüler in der Anwesenheitsliste der Schule nicht mehr enthalten gewesen. Er habe sich deshalb beim Lehrer beschwert, der ihn zum Direktor der Schule geschickt habe. Dieser habe von ihm verlangt, dass er seinen Nüfus (Personalausweis) abgebe. Er habe ihm erklärt, dass er eine Woche später eine Bescheinigung über die Entlassung aus der Schule erhalten werde. Den Personalausweis könne er sich dann wieder abholen. Er, der Kläger, habe nicht abgewartet, bis ihm die genannte Bescheinigung ausgestellt und ihm der Personalausweis zurückgegeben worden sei. Er sei vorher ausgereist. Der Direktor habe ihm vorgeworfen, er habe seinen Lehrer bedroht und sich als Anhänger oder Sympathisant der PKK bekannt, weshalb er von der Schule verwiesen werde. Nach der Entlassung habe er auch keine andere Schule besuchen können, weil der betreffende Vorfall in einer Akte vermerkt worden sei.

"Draußen" habe er gehört, dass auch andere Namen genannt und manche Schüler festgenommen worden seien bzw. noch verhaftet werden sollten. Ein Mitschüler bzw. Freund habe ihm erzählt, dass vier Freunde bzw. Mitschüler festgenommen worden seien, und ihm zur Flucht geraten. Der Freund habe von der Ausstellung eines Haftbefehls gegen ihn, den Kläger, gewusst. Die vier Verhafteten kämen aus seinem Heimatdorf. Zwei von ihnen befänden sich noch immer im Gefängnis. Dies wisse er von Schulfreunden. Er müsse mit einer Gefängnisstrafe von zwei bis drei Monaten rechnen, weil er dem Lehrer die Meinung gesagt und ihn angeblich bedroht habe. Außerdem sei er der Meldeauflage nicht mehr nachgekommen.

Vor dem besagten Vorfall habe er weder mit den Lehrern seiner Schule noch mit den türkischen Behörden irgendwelche Probleme gehabt. Im Zeugnis habe in Mathematik die Note "9-10" gestanden. Dies sei in der Mittelschule die bestmögliche Note gewesen. Sonstige Asylgründe habe er nicht. Auch gehöre er keiner Partei oder politischen Organisation an.

"Seit" seiner Festnahme habe sein Vater seine Ausreise organisiert, so dass er, der Kläger, "einen Tag später" seine Ausreise habe antreten können. Hierfür habe sein Vater 8.000 DM gezahlt. Er, der Kläger, habe sich auf der Ladefläche eines türkischen LKW versteckt, in dem Textilien transportiert worden seien. Es sei ein kleiner Raum gewesen, in dem "alles Nötige" wie Toilette und Essen vorhanden gewesen sei. Am 22. Oktober 1995 sei er in G in den LKW eingestiegen. Am 29. Oktober 1995 sei er in Frankfurt/Main in einem Wald ausgestiegen, wo schon ein Taxi auf ihn gewartet habe. Es habe ihn in die Stadt gebracht, wo er mit seinem Cousin S (S, N) telefoniert habe. Dieser habe ihn dann abgeholt. Er habe nicht sofort nach seiner Ankunft in Deutschland Asyl beantragt, weil er krank gewesen sei. Bis zu seiner Asylantragstellung habe er bei seinem Cousin gelebt. Sein Bruder S (B) habe ebenfalls in Deutschland Asyl beantragt. Ein anderer Bruder (S) lebe seit fünf bzw. sechs Jahren in Frankreich und sei als Asylberechtigter anerkannt.

Mit Bescheid vom 9. Januar 1996 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asyl berechtigter ab und stellte fest, dass in seiner Person die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Ferner forderte es den Kläger - unter Androhung der Abschiebung in die Türkei - auf, die Bundesrepublik Deutschland binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass das tatsächliche Vorbringen des Klägers teilweise unglaubhaft und teilweise asylrechtlich unerheblich sei. Soweit der Kläger vermute, es sei ein Haftbefehl gegen ihn ausgestellt worden, habe er es nicht vermocht, nähere Umstände, insbesondere konkrete zeitliche Angaben, darzulegen. Der Kläger unterliege auch keiner Verfolgung im Hinblick auf seine Zugehörigkeit zur Gruppe der in der Türkei beheimateten kurdischen Volkszugehörigen; insoweit scheide insbesondere eine auf den Südosten des Landes beschränkte regionale Gruppenverfolgung aus. Außerdem bestehe insoweit eine inländische Fluchtalternative im Westen der Türkei.

Gegen den Bescheid des Bundesamtes hat der Kläger am 16. Januar 1996 durch seinen Bevollmächtigten vor dem Verwaltungsgericht Gera Klage erhoben (Az.: 6 K 20036/96 GE). Zur Begründung hat er vorgetragen: Die Ausländerbehörde habe seine persönlichen Daten wie Name, Geburtsort, letzter Wohnsitz in der Türkei und Aufenthaltszweck an die Behörden seines Heimatlandes zwecks Beschaffung gültiger Reisedokumente übermittelt. Daraus ergebe sich für ihn eine besondere Gefährdungslage im Falle seiner Rückkehr in die Türkei. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass die Auferlegung polizeilicher Meldeauflagen in der Türkei nach wie vor tatsächlich üblich sei. Ob das Institut der polizeilichen Meldepflicht rechtlich bestehe, sei nicht entscheidend. Deswegen müsse er bei einer Rückkehr in die Türkei befürchten, verhaftet zu werden. Jeder zurückkehrende Asylbewerber müsse mit der Überprüfung seiner Person rechnen, die mit entsprechenden Nachfragen bei den Heimatbehörden verbunden sei. Im Falle einer Registrierung etwa auf Grund einer bestehenden Meldeauflage würde er zur weiteren Abklärung den Heimatbehörden überstellt werden, so dass ihm asylerhebliche Verfolgungsmaßnahmen drohten. Soweit das Bundesamt seinen Vortrag hinsichtlich der Einbehaltung des Nüfus durch das Direktorat seiner Schule wegen einer fehlenden Rechtsgrundlage für eine solche Maßnahme als unglaubhaft würdige, sei dem nicht zu folgen. Ebenso wenig wie die Behörden der Bundesrepublik Deutschland halte sich der türkische Staat ausnahmslos an die gesetzlichen Vorschriften.

Am 17. Dezember 1996 wurde der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Gera angehört. Bei dieser Anhörung hat er weiter gehend ausgeführt: Er habe im April 1995 zusammen mit fünf Freunden in der Schule Plakate verteilt. Darauf hätten die Parolen: "Es lebe Kurdistan", "Es lebe die Brüderlichkeit der Völker" und "Es lebe der Führer Apo" gestanden. Ferner habe er Zeitschriften, die von der PKK herausgegeben worden seien und die er von einem Freund erhalten habe, an linksorientierte kurdische Freunde verteilt. Es handele sich um die Zeitschriften "Ö G", "A" und "W". Er habe nicht versucht, die Schule zu wechseln, denn zwei Freunde von ihm seien festgenommen und zwei weitere gesucht worden. Er selbst sei einen Tag lang inhaftiert gewesen. Von dem gegen ihn ausgestellten Haftbefehl habe er gewusst, weil er von Freunden gehört habe, dass er gesucht werde und in der Schule nach ihm gefragt worden sei. Ein Freund habe angegeben, dass er, der Kläger, Plakate geklebt und Transparente getragen habe. Ungefähr 15 Mal habe er sich jeden zweiten Tag bei der Gendarmerie gemeldet.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des den Asylantrag ablehnenden Bescheides des Bundesamtes vom 9. Januar 1996 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und die Voraussetzungen des § 53 AuslG vorliegen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides bezogen.

Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat sich im erstinstanzlichen Verfahren nicht geäußert.

Mit auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17. Dezember 1996 ergangenem Urteil (Az.: 6 K 20036/96 GE) hat das Verwaltungsgericht Gera die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Feststellung, dass Abschiebungshindernisse nach §§51 Abs. 1, 53 AuslG vorliegen, bestehe nicht. Die erforderliche politische Verfolgung sei nicht festzustellen. Eine Gruppenverfolgung kurdischer Volkszugehöriger im Südosten der Türkei allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit habe weder im Zeitpunkt der Ausreise bestanden noch sei eine solche zum Zeitpunkt der Urteilsfindung festzustellen. Eine individuelle Verfolgung sei nicht nachgewiesen. Den vom Kläger geltend gemachten Repressalien seitens der Gendarmerie fehle die für eine Verfolgungsmaßnahme erforderliche hinreichende Intensität. Es handele sich um eine nur einmalige Festnahme. Nach seiner Entlassung im Juni 1995 sei der Kläger bis zu seiner Ausreise Ende Oktober 1995 keinen weiteren Belästigungen mehr ausgesetzt gewesen. Wegen der Verteilung bzw. Verbreitung von Transparenten und Plakaten habe er nach seinem eigenen Sachvortrag keine Beeinträchtigungen durch die türkischen Behörden erlitten. Seine Angaben rechtfertigten auch nicht die Annahme, ein Haftbefehl sei gegen ihn ergangen. Zudem habe er eine inländische Fluchtalternative im Westen der Türkei, da er sich nicht in herausragender Stellung politisch engagiert habe. Auch subjektive oder objektive Nachfluchtgründe seien nicht ersichtlich. Im Übrigen stehe seiner Anerkennung als Asylberechtigter entgegen, dass er auf dem Landweg und damit über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei.

Gegen das am 16. Januar 1997 zugestellte Urteil hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Gera am 28. Januar 1997 die Zulassung der Berufung beantragt. Er hat bereits im Zulassungsverfahren u. a. geltend gemacht, dass eine Person, die - wie er - in ihrer Heimatregion polizeilich wegen prokurdischer Äußerungen aufgefallen sei, auch im Falle eines Wohnsitzwechsels innerhalb der Türkei eine Festnahme und damit verbundene Misshandlungen insbesondere dann befürchten müsse, wenn sie einer Meldeauflage unterliege.

Der Senat hat durch Beschluss vom 29. Mai 1997 (Az.: 3 ZKO 103/97) die Berufung zugelassen.

Im Berufungsverfahren führt der Kläger aus:

Abgelehnte kurdische Asylbewerber seien rückkehrgefährdet. Eine asylerhebliche Verfolgungsgefahr bestehe bereits, wenn sich bei der obligatorischen Durchsuchung bzw. Befragung nach der Abschiebung ein Verdacht der PKK-Mitgliedschaft oder Unterstützung ergebe. Das sei bei denjenigen Personen der Fall, die schon einmal unter einem solchen Verdacht festgenommen worden seien. Es sei auch möglich, dass die Verfolgung nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Einreise in die Türkei, sondern erst bei der Rückkehr in die Heimatregion beginne. Eine Rückkehrgefährdung bestehe auch, wenn ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Flucht aus der Türkei und früheren Zusammenstößen von Sicherheitskräften mit der PKK im Heimatdorf des Betreffenden oder in der unmittelbaren Umgebung vorliege. Kurden, Aleviten und politisch links stehende Personen unterlägen im Falle der Abschiebung in die Türkei dort einer großen Gefahr, Foltermaßnahmen, Misshandlungen und Freiheitsentziehungsmaßnahmen von nicht unerheblicher Dauer unterworfen zu werden. Die nur geringe Zahl dokumentierter Fälle beruhe darauf, dass Opfer dieser Verfolgungspraxis die betreffenden Geschehen aus Angst vor weiteren Repressalien nicht bekannt machten.

Ferner sei in Betracht zu ziehen, dass die türkischen Behörden im Wege des Strafnachrichtenaustausches von seiner Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz in Kenntnis gesetzt würden. Ihnen würde zugleich der Grund, der Ort und das Datum der Verurteilung und die persönlichen Daten mitgeteilt. Damit sei es den türkischen Behörden ein Leichtes festzustellen, dass er, der Kläger, sich offenbar für die PKK eingesetzt habe. Daraus folge für ihn eine Rückkehrgefährdung in der Form der Festnahme, eines Verhörs und von Misshandlungen. Auch sei für die Gefahrenprognose zu berücksichtigen, dass in der Türkei staatliche Sicherheitskräfte, die einen Angeklagten unter Anwendung von Folter verhörten, vor Gericht als Zeugen vernommen werden könnten.

Die türkischen Strafverfolgungsbehörden hätten ein Verfolgungsinteresse auch bei bloßen Mitläufern von Exilorganisationen. Auslandsaktivitäten würden in der Türkei verfolgt. Die türkischen Sicherheitsbehörden überwachten, registrierten und werteten exilpolitische Betätigungen in großem Umfang aus. Bildmaterial von Demonstrationsteilnehmern in Deutschland werde als Beweismittel in Strafprozessen vor den Staatssicherheitsgerichten in der Türkei verwertet. Eine Änderung der Strafvorschrift des Art. 8 des türkischen Antiterrorgesetzes sei dahin gehend geplant, dass die Strafe bei Begehung der Tat im Ausland auf 3 bis 6 Jahre erhöht werde. Dies führe zu einer Verschärfung der Überwachung "separatistischer" Auslandsaktivitäten. Eine exilpolitische Betätigung, etwa durch Teilnahme an Demonstrationen oder Newroz-Feiern, könne insbesondere ein Strafverfahren in der Türkei nach sich ziehen; inhaltlich gegenläufigen Gutachten und Auskünften werde widersprochen. Bei Straftaten, die einen Bezug zur PKK erkennen ließen, erfolge schon bei Anklageerhebung eine Mitteilung hierüber an die zentrale Beweismittelsammelstelle des Bundesamtes für Verfassungsschutz und an das Bundeskriminalamt. Die türkischen Sicherheitsbehörden hätten zu den dort gespeicherten und archivierten Daten viele Zugriffsmöglichkeiten direkter und indirekter Art. Die gesammelten Daten würden sowohl über einen regelmäßigen Informationsaustausch zwischen den türkischen und deutschen Sicherheitsbehörden als auch über einen vertraglich vereinbarten Datenaustausch im Rahmen der Terrorismusbekämpfung in Europa den türkischen Behörden zugänglich gemacht. Das Europäische Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Januar 1977 eröffne allen Signatarstaaten den Zugriff auf Daten, die bei der zentralen Sammelstelle beim Bundesamt für Verfassungsschutz aufgrund eines eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wegen einer Straftat mit einem Bezug zur PKK erfasst seien. Außerdem hätten türkische Beamte, darunter Verbindungsbeamte, die zur Aus- und Weiterbildung im Bundesamt für Verfassungsschutz und im Bundeskriminalamt tätig seien, Zugang zu den dort archivierten Daten. Ferner könnten auch andere Geheimdienste der Bundesrepublik Deutschland, wie etwa der Bundesnachrichtendienst, auf die Daten zugreifen. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass der Bundesnachrichtendienst seinerseits mit dem türkischen Geheimdienst MIT zusammenarbeite, insbesondere dessen Mitarbeiter ausbilde.

Türkische Sicherheitskräfte forschten weiter nach ihm, dem Kläger. Selbst im Falle eines Freispruchs müsse ein strafrechtlich Verfolgter bei seiner Rückkehr in die Türkei mit einer asylerheblichen Verfolgung bzw. einer intensiveren Befragung rechnen.

Schließlich stamme er, der Kläger, aus einer Familie, die in der Türkei Verfolgungsmaßnahmen erlitten habe, so dass die Gefahr bestehe, dass er im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland dort in die gegen seine Familienangehörigen gerichteten Verfolgungsmaßnahmen einbezogen werde. So sei zu berücksichtigen, dass sein Onkel (S) nach § 51 Abs. 1 AuslG als Flüchtling anerkannt sei. Sein Cousin (S) besitze eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, weswegen davon auszugehen sei, dass er asylberechtigt sei. Einem anderen Cousin (S) sei Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG zuerkannt worden. Sein Bruder S besitze einen von den französischen Behörden ausgestellten Personalausweis, dessen Form darauf schließen lasse, dass er als Flüchtling anerkannt sei.

Im Übrigen sei in Betracht zu ziehen, dass er, der Kläger, Mitglied des Vereins "Kurdisches Haus Leipzig e. V." sei. Dieser Verein sei wiederum Mitglied in der Dachorganisation YEK-KOM.

Der Kläger hat bei seiner gerichtlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 29. Mai 2002 ergänzend u. a. erklärt:

Seine politischen Aktivitäten wurzelten in einer "Sympathie für die Partei", denn in ihrem Dorf habe sich öfter die Guerilla aufgehalten. Durch einen Freund (K) sei er veranlasst worden, sich politisch zu betätigen. Zusammen mit ihm und drei weiteren Freunden hätten sie in bestimmten Stadtteilen von G, wo er während der Schulzeit bei seinen Geschwistern gelebt habe, heimlich die Zeitschriften S, C und W und Plakate mit den Aufschriften "Es lebe A Ö", "Es lebe K" und "Es lebe die Brüderlichkeit der Völker" verteilt bzw. geklebt.

Er sei aus der Haft (im Juni 1995 in P) unter der Bedingung entlassen worden, dass er sich alle zwei Tage auf der Wache der Gendarmerie melde und jedes Mal mitteile, welche Personen den Angehörigen der Guerilla Unterschlupf gewährten und sie beherbergten, und linksorientierte Schüler und "Patrioten" benenne. Jedes Mal, wenn er erschienen sei, sei er beschimpft und geschlagen worden, weil er keine Informationen habe weitergeben können. Nach ein bis anderthalb Monaten habe er dem Druck nicht mehr stand gehalten und habe sich deswegen in der Weise versteckt, dass er manchmal "im Dorf" und manchmal in G bei seinen Geschwistern gewesen sei.

Zu Beginn des neuen Schuljahres Anfang September 1995 habe er festgestellt, dass er von der Schule (Gymnasium) verwiesen worden sei. Der Direktor der Schule habe ihm vorgeworfen, er habe etwas gegen Lehrer "gemacht", sie bedroht und "genau solche Gedanken wie die PKK". Er habe ihn aufgefordert, eine Woche später wieder zu kommen, damit er sich eine Bescheinigung über die Entlassung aus der Schule und seinen Nüfus aushändigen lassen könne. Er, der Kläger, habe in dieser Erklärung des Direktors eine "Falle" gesehen und sich deshalb den Ausweis nicht mehr abgeholt. Nach dem Gespräch mit dem Direktor hätten ihm nämlich die Freunde / und C erzählt, dass die Polizei "bei" ihm gewesen sei und C und K festgenommen worden seien. Diese sollten beim polizeilichen Verhör über ihre Aktivitäten berichtet und mitgeteilt haben, dass sie zusammen die Plakate aufgehängt hätten. Nach dieser Mitteilung der Freunde habe er sich nicht mehr an einem bestimmten Ort aufhalten können. Sein Vater habe begonnen, seine Ausreise zu organisieren. Die Vorbereitungen hierzu hätten etwa ein bis anderthalb Monate lang gedauert.

Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt habe er nicht so ausführlich vortragen können, weil er damals noch nicht lange in Deutschland gewesen sei und den Dolmetscher nicht gekannt habe; er habe es für möglich gehalten, dass es sich bei ihm um einen Agenten des türkischen Staates handele, zumal ihm Leute aus dem Asylbewerberheim Entsprechendes über Dolmetscher erzählt hätten.

Er müsse dem Verein "Kurdisches Haus Leipzig e.V." wohl im Jahre 2000 beigetreten sein. Einen besonderen Anlass hierzu habe es nicht gegeben. Hauptsächliche Aufgabe sei es, zur Bewegung der Kurden etwas beizutragen. Er erkläre sich zu dem bereit, was organisatorisch auf sie zukomme. Er habe zwar keine Verbindung zu Organisationen wie der E. Er nehme jedoch auch an deren Demonstrationen und sonstigen Veranstaltungen teil.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Januar 1996 und unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Gera vom 17. Dezember 1996 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass in seiner Person die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise die Voraussetzungen des § 53 AuslG vorliegen.

Die Beklagte und der Bundesbeauftragte haben im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt.

Der Kläger wurde vom Amtsgericht Altenburg durch Urteil vom 19. April 2000 (Az.: 116 Js 684/99 Ds) rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen wegen Verbreitung von Kennzeichen eines verbotenen Vereins (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VereinsG) in Tateinheit mit Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1 StGB) verurteilt. Nach den strafgerichtlichen Feststellungen klebte er am 17. Dezember 1998 im Stadtgebiet von Altenburg mindestens 35 Plakate mit Fotos von Kriegsmotiven und dem Text: "Die Türkei ist schuldig und gehört vor Gericht" und "ERNK" an verschiedene Litfasssäulen und Plakatwände.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens (2 Bände), insbesondere auf die den Beteiligten übersandte Erkenntnisquellenliste "Türkei, Stand: Mai 2002", die in der - mit gerichtlichen Schreiben vom 22. Mai 2002 - übersandten weiteren Liste ("Ergänzung - Türkei") enthaltenen und die im Einzelnen in der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführten weiteren Erkenntnisse. Die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (1 Aktenhefter) und der Ausländerbehörde (2 Aktenhefter) sowie die das Strafverfahren gegen den Kläger betreffende Akte (1 Band) der Staatsanwaltschaft Gera (Az.: 116 Js 684/99 Ds) waren ebenso Gegenstand der mündlichen Verhandlung; auf ihren Inhalt wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 102 Abs. 2 VwGO trotz Ausbleibens von Vertretern der Beklagten und des Bundesbeauftragten in der mündlichen Verhandlung entscheiden kann, ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Streitgegenstand der Berufung ist das die gesamte Klage abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts.

Die vom Senat zugelassene Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Der Berufungsbegründung nach § 124 a Abs. 3 VwGO i. d. F. des 6. Änderungsgesetzes zur VwGO vom 1. November 1996 - BGBl. I S. 1626 (a. F.) bedurfte es im Hinblick auf die Übergangsregelung in Art. 10 Abs. 1 des zitierten Änderungsgesetzes wegen der vor dem 1. Januar 1997 ergangenen erstinstanzlichen Entscheidung schon nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1998 - 9 C 34/97 - Buchholz § 124 a VwGO Nr. 1 = ThürVBl. 1998, 138 = AuAS 1998, 151). Ungeachtet dessen hat der Kläger, nachdem der Beschluss des Senats über die Zulassung der Berufung am 24. Juni 1997 zugestellt worden war, die Berufung mit am 8.Juli 1997 eingegangenem Schriftsatz vom 7. Juli 1997 und damit innerhalb eines Monats begründet (vgl. § 124a Abs. 3 Satz 1 VwGO a. F.).

Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet, denn das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG (A.) noch auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (B.) oder von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG (C.)- Auch die Abschiebungsandrohung erweist sich in vollem Umfang als rechtmäßig (D.). Daraus ergeben sich die Nebenentscheidungen (E.).

A.

Dem Kläger steht bereits deshalb kein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a GG zu, weil er über einen nach § 26a Abs. 2 AsylVfG "sicheren Drittstaat" in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (vgl. § 26a Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG, Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG). Aufgrund seiner eigenen Angaben ist davon auszugehen, dass der Kläger am 29. Oktober 1995 auf dem Landweg in das Bundesgebiet gekommen ist. Da dieses ausschließlich an Mitgliedstaaten der Europäischen Union und andere "sichere Drittstaaten" i. S. v. § 26a Abs. 2 AsylVfG angrenzt, kann der Kläger nur aus irgendeinem dieser Staaten eingereist sein. Dem Ausschluss des Asylanspruchs (Art. 16a GG) steht nicht entgegen, dass sich der Drittstaat nicht konkret bestimmen lässt, weil weder der Kläger die Transitländer konkret anzugeben vermag noch die dem Gericht bekannten Umstände einen Rückschluss auf den genauen Reiseweg des Klägers zulassen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 7. November 1995 - 9 C 73.95 - NVwZ 1996, 197). Die besonderen Voraussetzungen des § 26a Abs. 1 Satz 3 AsylVfG, unter denen sich ein Ausländer trotz einer Einreise aus einem sicheren Drittstaat ausnahmsweise auf das Asylgrundrecht des Art. 16a GG berufen kann, liegen hier nicht vor.

B.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung der Voraussetzungen eines Abschiebungshindernisses gemäß § 51 Abs. 1 AuslG.

Einem Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG steht hier nicht von vornherein der Ausschlusstatbestand des § 51 Abs. 3 AuslG entgegen. Das gilt insbesondere für einen Ausschluss nach Satz 1 dieser Vorschrift. Hiernach entfällt der Abschiebungsschutz, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist (1. Alt.) oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist (2. Alt.). Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers ersichtlich nicht vor. Insbesondere ergeben die bisher bekannt gewordenen (prokurdischen) Aktivitäten des Klägers für die PKK/ERNK und seine Mitgliedschaft im Verein "Kurdisches Haus Leipzig e.V." keine Umstände, aufgrund deren er aus schwerwiegenden Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland i. S. v. § 51 Abs. 3, 1. Alt. AuslG bedeuten könnte. Eine Gefahr für die innere Sicherheit im vorbezeichneten Sinne kann zwar im Verhalten eines Ausländers liegen, wenn er eine Organisation unterstützt, die ihrerseits die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Das kommt namentlich in Betracht, wenn die Organisation nach den Vorschriften des Vereinsgesetzes verboten ist. Unter diesem Gesichtspunkt kann ein Ausländer aber im Allgemeinen erst dann aus schwerwiegenden Gründen eine Gefahr für die innere Sicherheit darstellen, wenn er eine die Sicherheit des Staates gefährdende Organisation in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt. Die bloße Zugehörigkeit zu einer derartigen Organisation genügt für sich allein ebenso wenig wie etwa die Teilnahme an Veranstaltungen oder finanzielle Zuwendungen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 30. März 1999 - 9 C 31.98 - BverwGE 109, 1 = NVwZ 1999, 1346 = DVBl. 1999, 1213 = InfAuslR 1999, 470). Dementsprechend stellt auch die - zumal hier inzwischen länger zurückliegende - Verbreitung von Propagandamaterial einer solchen Organisation für sich allein kein hinreichend qualifiziertes Engagement eines Ausländers dar. Der Umstand, dass der Kläger wegen dieser Tat in einem Strafverfahren rechtskräftig verurteilt worden ist, verleiht dem Beitrag nicht das erforderliche besondere Gewicht. Seinem tatsächlichen Vorbringen ist ferner nicht zu entnehmen, dass er in dem Verein "Kurdisches Haus Leipzig e.V.", etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, strukturell in einer Weise eingebunden ist, dass er ein etwaiges Gefährdungspotential in eigener Person mitträgt.

Ein Abschiebungsschutz des Klägers nach § 51 Abs. 1 AuslG scheitert indessen am Fehlen einer Gefahrenlage im Sinne der Vorschrift. Nach der genannten Bestimmung darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Das Abschiebungsverbot des § 51 Abs. 1 AuslG schützt - ebenso wie Art. 16a Abs. 1 GG - den Personenkreis der politisch Verfolgten. Seine Voraussetzungen sind mit den Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter deckungsgleich, soweit es um die Verfolgungshandlung, die geschützten Rechtsgüter und den politischen Charakter der Verfolgung geht (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 1993 - 9 C 50.92 - InfAuslR 1993, 119). Auch gilt für die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG derselbe Prognosemaßstab wie nach Artikel 16a Abs. 1 GG (vgl. BVerwG, Urteile vom 5. Juli 1994 - 9 C 1.94-NVwZ 1995, 391 und vom 3. November 1992 - 9 C 21.92 - BVerwGE 91, 150).

Das Asylgrundrecht des Art. 16a Abs. 1 GG beruht auf dem Zufluchtgedanken und setzt grundsätzlich einen kausalen Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht voraus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 - BVerfGE 74, 51, 64; Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502, 1000, 961/86 - BVerfGE 80, 315, 344). Entsprechendes gilt für den Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG. Deshalb ist es regelmäßig von entscheidender Bedeutung, ob der Asylsuchende verfolgt oder unverfolgt ausgereist ist. Bei einem nicht vorverfolgten Asylbewerber ist eine politische Verfolgung zu bejahen, wenn ihm im Falle einer Rückkehr in seinen Heimatstaat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer politischen Verfolgung droht, so dass es ihm nicht zuzumuten ist, dorthin zurückzukehren (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urteile vom 13. Januar 1987 - 9 C 53.86 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 61 und vom 5. November 1991 -9 C 118.90-BVerwGE 89, 162, 169, jeweils m. w. N.). Für den Asylbewerber, der dagegen bereits vorverfolgt ausgereist ist, gilt anstelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit ein herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab. In seinem Fall genügt es, wenn Anhaltspunkte vorliegen, die die Möglichkeit abermals einsetzender Verfolgung als nicht ganz entfernt erscheinen lassen, er also vor politischer Verfolgung nicht hinreichend sicher ist. Sein Asylbegehren darf nur abgewiesen werden, wenn geltend gemachtes Vorbringen hierfür zur Überzeugung der jeweils zuständigen Instanz entkräftet werden kann oder sich eine Wiederholungsverfolgung ohne ernsthafte Zweifel an der Sicherheit des Asylbewerbers im Falle der Rückkehr in den Heimatstaat ausschließen lässt (ebenso st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urteil vom 25. September 1984 - 9 C 17.84 - BVerwGE 70, 169, 171 m. w. N.).

Asylberechtigt im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG und abschiebungsschutzberechtigt nach § 51 Abs. 1 AuslG ist weiterhin nur, wer aufgrund politischer Verfolgung in seinem Heimatstaat überall schutzlos ist. Wer in anderen Teilen seines Heimatlandes eine zumutbare Zuflucht finden kann (inländische Fluchtalternative), ist nicht politisch verfolgt. Eine solche inländische Fluchtalternative setzt voraus, dass der Verfolgte an einem anderen Ort in seinem Heimatland vor erneuter politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm jedenfalls dort auch keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen, sofern diese existentielle Gefährdung am Herkunftsort so nicht bestünde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989-2 BvR 502, 1000, 961/86 - a. a. O., S. 343 f. m. w. N.; BVerwG, Urteile vom 15. Mai 1990 - 9 C 17.89 - BVerwGE 85, 139, vom 20. November 1990 - 9 C 72.90 - BVerwGE 87, 141 und vom 14. Dezember 1993 - 9 C 45.92 - DVBl. 1994, 524).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Kläger nicht vorverfolgt ausgereist (L). Einer Rückkehr in die Türkei stehen auch keine rechtlich erheblichen Nachfluchtgründe entgegen (II.).

I.

Der Kläger ist nicht verfolgt aus der Türkei ausgereist.

Vorverfolgt sind nur Personen, bei deren Ausreise aus dem Heimatstaat politische Verfolgung schon eingetreten war oder denen bereits zu diesem Zeitpunkt politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohte (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1993 - 9 C 45.92 - Buchholz 402.25 AsylVfG § 1 Nr. 166, 403).

Im Zeitpunkt seiner Ausreise im Oktober 1995 war der Kläger individuellen -rechtserheblichen - Verfolgungsmaßnahmen in der Türkei nicht ausgesetzt (1.). Ebenso wenig unterlag er dort einer Verfolgungsgefahr unter dem Gesichtspunkt einer Gruppenverfolgung wegen seiner kurdischen Volkszugehörigkeit (2.).

1. Der Kläger war insbesondere nicht persönlich von nach § 51 Abs. 1 AuslG erheblichen Verfolgungshandlungen betroffen.

Die Beantwortung der Frage, ob ein Asylbewerber sein Heimatland aufgrund politischer Verfolgung verlassen hat, erfordert die uneingeschränkte richterliche Überzeugungsgewissheit. Dies bedeutet, dass das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit und nicht etwa nur von der Wahrscheinlichkeit des vom Asylbewerber behaupteten individuellen Schicksals erlangt haben muss. Lediglich der Nachweis der Tatsachen ist wegen des insoweit bestehenden sachtypischen Beweisnotstandes erleichtert. Anstelle des vollen Nachweises genügt eine Glaubhaftmachung des Asylvortrages in dem Sinne, dass sich das Gericht von seiner Wahrheit überzeugen kann. Der Asylbewerber ist insoweit aufgrund seiner Mitwirkungspflicht gehalten, die in seine eigene Erlebnissphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse von sich aus substantiiert, nachvollziehbar und widerspruchsfrei so zu schildern, dass sein Vortrag insgesamt geeignet ist, seinen Asylanspruch bzw. Schutzanspruch nach § 51 Abs. 1 AuslG lückenlos zu tragen. Weist ein Sachvortrag erhebliche Widersprüche oder Steigerungen auf, kann dem Kläger nur bei einer überzeugenden Auflösung der Unstimmigkeiten geglaubt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 - BverwGE 71, 180, m. w. N. und Urteil vom 30. Oktober 1990 - 9 C 64.89 - Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 165).

Hiervon ausgehend ist es dem Kläger nicht gelungen, ein etwaiges früheres individuelles Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Seine Sachdarstellung zu den Geschehnissen in der Türkei, insbesondere zu den Repressalien, denen er dort ausgesetzt gewesen sein will, weist nicht unerhebliche innere Widersprüche und Ungereimtheiten auf, aufgrund derer der Senat von der Wahrheit der geschilderten Verfolgungsmaßnahmen nicht überzeugt ist.

Insbesondere erweist sich das tatsächliche Vorbringen des Klägers zu seinem Verhalten in der Schule, das den Grund für die geltend gemachten Repressalien (Schulverweis, eintägige Inhaftierung und Haftbefehl) bilden könnte, als unstimmig. Der Kläger berichtete bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt (15. November 1995) lediglich über das Gespräch mit dem Mathematiklehrer, in dessen Folge sowohl er, der Kläger, als auch andere kurdische Schüler Repressalien ausgesetzt gewesen seien, und gab an, er habe keinerlei Verbindungen zu Parteien oder politischen Organisationen. Von einem eigenen politischen Engagement war damals nicht ansatzweise die Rede. Erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht (17. Dezember 1996) erwähnte der Kläger, dass er bereits im April 1995 Plakate prokurdischen Inhalts und Zeitschriften der PKK verteilt habe. Eine plausible Begründung für dieses nachträgliche gesteigerte Vorbringen hat der Kläger nicht anzugeben vermocht. Dass er die genannten Aktivitäten nicht schon von Anfang an zur Sprache gebracht hat, erscheint umso weniger nachvollziehbar, als ein Freund das politische Engagement des Klägers verraten haben soll. Da erst die Verteilung der Zeitschriften und Plakate die Verfolgung des Klägers durch die Gendarmerie besonders plausibel erscheinen lässt, hatte der Kläger aber von vornherein allen Anlass, die genannten Aktivitäten in das Zentrum seiner Sachverhaltsschilderung zu stellen. Seine diesbezügliche Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, er habe bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt nicht so ausführlich zu dem Erlebten in der Türkei Stellung nehmen können, weil er sich damals noch nicht lange in Deutschland aufgehalten, den Dolmetscher nicht gekannt und außerdem befürchtet habe, dass dieser ein Agent des türkischen Staates sei, überzeugt nicht.

Des weiteren stellt sich der Vortrag des Klägers zu den politischen Aktivitäten in der Türkei in mehrfacher Hinsicht als widersprüchlich dar. So gab er in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht an, er habe zusammen mit Freunden in der Schule Plakate prokurdischen Inhalts und Zeitschriften der PKK verteilt. Hiervon abweichend hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, sie hätten die Zeitschriften und Plakate in bestimmten Stadtteilen von G heimlich verteilt bzw. geklebt. Ein inhaltlicher Widerspruch zwischen den tatsächlichen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht einerseits und gegenüber dem Senat andererseits besteht ferner hinsichtlich der konkreten Zeitschriften, die der Kläger zusammen mit seinen Freunden verteilt haben will. Benannte der Kläger vor dem Verwaltungsgericht die Zeitschriften "Ö G", "A" und "W", so hat er demgegenüber vor dem Senat die Zeitschriften S, C und W erwähnt.

Die Angaben des Klägers zum Zeitpunkt seiner Festnahme durch die Gendarmerie sind ebenfalls nicht nachvollziehbar. Insoweit trug er in der schriftlichen Stellungnahme zu seinen Asylgründen vom 2. November 1995 als auch zunächst bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt vor, die Festnahme sei im Jahre 1994 bzw. im Juni 1994 erfolgt. Im späteren Verlauf derselben Anhörung hat er diese Angabe auf den Zeitpunkt "Juni 1995" korrigiert, nachdem ihn der Anhörer auf einen Widerspruch zwischen der ersten Zeitangabe und seinem übrigen Vorbringen hinwies. Zugunsten des Klägers erklärt sich nicht, weshalb ihm sowohl in der schriftlichen Stellungnahme als auch zu Beginn seiner Anhörung vor dem Bundesamt jeweils ein Irrtum hinsichtlich des Zeitpunktes der behaupteten Verhaftung unterlaufen sein soll, zumal er diese Angaben vor dem Bundesamt erstmals im selben Jahr (1995) machte, auf das er - nach seinem späteren Vorbringen - die Festnahme bezieht.

Hinzu kommt, dass die zeitliche Einordnung der Verfolgungshandlungen, die der Kläger in einen Zusammenhang mit dem Schulbesuch gebracht hat, auch aus anderen Gründen fragwürdig geblieben ist. Die ausführliche Befragung und die Vorhalte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben nicht dazu beitragen können, hinreichend zu erklären, warum der Kläger nur über einen bis zum 31. Dezember 1994 gültigen Ausweis verfügte, obwohl er noch im Jahre 1995 Schüler gewesen sein will (vgl. dazu näher die Verhandlungsniederschrift S. 7 bis 9).

Ungereimtheiten sind auch hinsichtlich weiterer Umstände festzustellen:

Die Behauptung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, er sei nach seiner Entlassung aus der Haft jedesmal, wenn er - einer Meldeauflage entsprechend - auf der Wache der Gendarmerie in P erschienen sei, beschimpft und geschlagen worden, weil er keine Informationen habe weitergeben können, erweist sich als inhaltlich gesteigertes Vorbringen. Gegenüber dem Bundesamt gab er noch an, er sei, wenn er sich bei der Gendarmerie gemeldet habe, lediglich manchmal geschlagen worden.

Ferner stellt sich der Tatsachenvortrag des Klägers zu den Vorbereitungen seiner Ausreise aus der Türkei als nicht nachvollziehbar und widersprüchlich dar. Er hat bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt insoweit vorgetragen, "seit seiner Festnahme" habe sein Vater die Ausreise organisiert, so dass er, der Kläger, "einen Tag später" seine Ausreise habe antreten können. Diese Erklärungen sind schon für sich allein betrachtet unschlüssig. Ein längerer zeitlicher Rahmen steht zudem einem angeblich gedrängten Geschehen gegenüber. Ferner stehen diese Angaben nicht im Einklang mit der späteren Erklärung des Klägers vor dem Senat, sein Vater habe, nachdem er, der Kläger, von der Fahndung der türkischen Polizei erfahren habe (September 1995), angefangen, seine Ausreise (22. Oktober 1995) zu organisieren, und diese Vorbereitungen hätten ein bis anderthalb Monate gedauert.

In dieses Bild einer unzureichend gebliebenen Darstellung des persönlichen Schicksals trotz ausführlicher Anhörung fügen sich die Angaben des Klägers zur Ausreise ohne Personalausweis (Nüfus) ein. Insoweit behauptete er zunächst gegenüber dem Bundesamt, er habe nicht abgewartet, bis ihm der Ausweis durch den Direktor der Schule wieder zurückgegeben worden sei, sondern sei vorher ausgereist. Demgegenüber hat er erstmals gegenüber dem Senat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, er habe in der Aufforderung des Direktors, eine Woche später wieder zu kommen und sich die Bescheinigung über die Entlassung aus der Schule und den Nüfus aushändigen zu lassen, eine "Falle" gesehen und sich deshalb den Ausweis nicht mehr abgeholt.

In Ansehung der Vielzahl der aufgezeigten inneren Widersprüche und der sonstigen substantiellen Mängel scheitert die Glaubhaftmachung des gesamten klägerischen Sachvortrages zum geltend gemachten Verfolgungsschicksal, weshalb eine Ausreise des Klägers aus individuellen Verfolgungsgründen ausscheidet.

2. Der Kläger unterlag auch keiner Vorverfolgung unter dem Gesichtspunkt einer politischen Gruppenverfolgung wegen seiner kurdischen Volkszugehörigkeit. Es kann offen bleiben, ob zum behaupteten Ausreisezeitpunkt (Oktober 1995) Kurden im Südosten der Türkei einer - gegebenenfalls auf das Herkunftsgebiet des Klägers (Kreis P / Provinz K) beschränkten - regionalen oder örtlich begrenzten Gruppenverfolgung unterlagen. Der Kläger hatte zum damaligen Zeitpunkt jedenfalls eine inländische Fluchtalternative im Westen der Türkei.

Der Senat hat bereits mit Urteil vom 25. November 1999 - 3 KO 165/96 - entschieden, dass Kurden aus dem Südosten der Türkei grundsätzlich in der Westtürkei eine solche inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht, sofern sie nicht wegen tatsächlicher oder vermuteter separatistischer Aktivitäten, insbesondere der Unterstützung der PKK, in das Blickfeld der türkischen Sicherheitsorgane in einer Weise geraten sind, dass daraus ein entsprechender individuell gegen den Betreffenden gerichteter Verdacht erwachsen ist. Der Senat hat dazu im Wesentlichen festgestellt:

Im vorgenannten Sinne nicht vorbelastete kurdische Volkszugehörige aus dem Südosten der Türkei sind insbesondere im Westen der Türkei vor politischer Verfolgung hinreichend sicher. Im Regelfall haben Kurden in diesem Teil des Landes ein Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte in den für die Ausnahmezustandsgebiete im Südosten des Landes typischen Formen nicht zu erwarten. Dort üblich gewesene Aktionen wie die Evakuierung und Zerstörung von Dörfern und die Vertreibung der Bevölkerung gibt es in der übrigen Türkei nicht. Auch die Maßnahmen der Polizeikräfte gegenüber tatsächlichen und vermuteten PKK-Angehörigen und Sympathisanten in der Westtürkei stellen - angesichts einer Zahl von sechs bis acht Millionen Kurden in der Westtürkei insgesamt und von zwei bis drei Millionen zugewanderten Kurden - diese grundsätzliche Sicherheit nicht ernstlich in Frage. In den Großstädten, in die eine große Zahl von Kurden aus dem Südosten ziehen, finden zwar überdurchschnittlich häufig Polizeirazzien mit dem Ziel der Ergreifung von PKK-Mitgliedern und -Sympathisanten statt. Dabei kommt es auch zu zahlreichen vorläufigen Festnahmen und immer wieder zu Übergriffen der Sicherheitskräfte einschließlich der Anwendung von Folter. Razzien mit einer beachtlichen Zahl von langandauernden Festnahmen - ohne konkrete Verdachtsmomente oder unter willkürlichen Beschuldigungen - in den Städten der Westtürkei sind aber nicht in erheblichem Umfang bekannt geworden. Im Regelfall erfolgen diese Razzien zudem nicht flächenbezogen, sondern betreffen lediglich Einzelpersonen oder kleine Personengruppen. Zugewanderte und nicht durch "Separatismus" aufgefallene Kurden sind in der Westtürkei auch hinreichend sicher davor, bei routinemäßigen Personenkontrollen menschenrechtswidrig behandelt zu werden. Zwar geraten Kurden aus dem Südosten leichter in den Verdacht, "Separatisten" zu sein, sie zu unterstützen oder mit ihnen zu sympathisieren. Auch wenn die kurdische Volkszugehörigkeit ermittelt wird, werden die Betreffenden jedoch ohne weitere Verdachtsmomente nicht in nennenswerter Anzahl verhaftet, zur Wache mitgenommen und dort unter Folter verhört.

Kurden sind in der Westtürkei auch nicht anderen Nachteilen und Gefahren ausgesetzt, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Beeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen und am Herkunftsort so nicht bestehen. Insbesondere droht ihnen bei der gebotenen generalisierenden Betrachtung nicht auf Dauer ein Leben unter dem Existenzminimum, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tod führt. Vielmehr können Kurden in der Westtürkei im Allgemeinen eine, wenn auch bescheidene, wirtschaftliche Existenz finden, und zwar selbst dann, wenn sie über keine Schulbildung verfügen und der türkischen Sprache nicht mächtig sind. Die weit überwiegende Mehrheit der über 2 Millionen Zuwanderer aus dem Südosten findet dementsprechend in den größeren Orten und Städten im Westen der Türkei ihr - wenn auch oft bescheidenes - Auskommen. Lebensverhältnisse unterhalb des Existenzminimums sind selten anzutreffen. Die für kurdische Zuwanderer bestehenden Probleme sozialer und wirtschaftlicher Integration, insbesondere die Schwierigkeiten, Wohnung und Arbeit zu finden, werden häufig aufgrund des sehr starken Zusammenhalts in kurdischen Großfamilien und auch im Stammesverband mit Hilfe von "Bezugspersonen" gelöst. Zuwanderer aus dem Südosten siedeln sich zumeist dort an, wo sich schon früher Verwandte, Bekannte, ehemalige Nachbarn oder Landsleute aus dem gemeinsamen Herkunftsort oder der gemeinsamen Heimatregion niedergelassen haben. Dementsprechend ist selbst bei Fehlen eigener Erwerbschancen die Annahme einer Existenzgefährdung nur im Ausnahmefall gerechtfertigt, nämlich dann, wenn ausgeschlossen erscheint, dass der Betreffende finanzielle Unterstützung von im Ausland lebenden Familienmitgliedern erhält oder sich staatliche Stellen oder eine der wohltätigen Stiftungen, insbesondere religiöser Art, seiner Person annehmen.

Diese auf den Zeitpunkt Ende 1999 bezogenen Feststellungen lassen sich ebenso für den Zeitraum der Jahre 1995 und 1996 treffen. Das dem Senat dazu vorliegende Erkenntnismaterial legt für diesen Zeitpunkt keine abweichende Beurteilung nahe. Vielmehr rechtfertigen die Erkenntnisquellen die Annahme, dass schon damals nicht wegen separatistischer Aktivitäten (Unterstützung der PKK o.a.) vorbelastete Kurden im Westen der Türkei vor politischer Verfolgung hinreichend sicher waren. Zwar lässt sich auch für den vorgenannten Zeitpunkt - ebenso wie für frühere Jahre - eine Vielzahl von Zugriffen auf kurdische Volkszugehörige im Westen der Türkei feststellen (vgl. Oberdiek vom 9. Januar 1995 an VG Hannover zu 11 A 4955/92, vom 12. Mai 1995 an VG Braunschweig zu 5 A 5102/94 u. a., vom 26. Mai 1995 an VG München zu M 24 K 94.51527 und vom 20. Dezember 1996 an Schleswig-Holsteinisches OVG zu 4 L 18/95; GfbV vom 1. Februar 1995 an VG Köln zu 18 K 1932/93.A, vom 3. März 1995 an VG Aachen zu 8 K2070/92.A und vom 13. Dezember 1995 an Bürgerinitiative "Inländer für Ausländer", Burgwedel-Thönse; Connection e. V. vom 7. Februar 1995 an VG Darmstadt zu 8 E 5315/93.A(3); a. i. vom 3. März 1995 an VG Köln zu 18 K 192/93.A; Situationsbericht vom Oktober 1995; Auskunft vom 17. Juli 1996 an VG München zu M 24 K 94.51527; IHD (Menschenrechtsverein), Dokumentation vom November 1995 in kurdistan aktuell Extra Nr. 7; AA, Lageberichte vom 7. Dezember 1995, 17. April 1996, 13. August 1996 und vom 4. Dezember 1996). Diese Verfolgungsmaßnahmen standen jedoch einer Verfolgungssicherheit für nicht vorbelastete Kurden nicht entgegen (vgl. zu dieser Einschätzung: AA, Lageberichte vom 17. Januar 1995, 13. März 1995, 30. Juni 1995, 7. Dezember 1995, 17. April 1996, 13. August 1996 und vom 4. Dezember 1996). Nach Art und Intensität erhebliche Verfolgungsmaßnahmen ohne konkrete Verdachtsmomente oder unter willkürlichen Beschuldigungen erfolgten zwar häufig, behalten aber - unter Berücksichtigung einer Gesamtzahl von sechs bis acht Millionen Kurden in der Westtürkei - immer noch in der Gesamtbetrachtung den Charakter von Einzelgeschehnissen. Gerade dies lassen gegenteilige Einschätzungen einzelner sachkundiger Stellen unberücksichtigt, soweit sie eine Verfolgungssicherheit schon im Hinblick auf großflächig und willkürlich vorgenommene Verhaftungen von Kurden durch die türkische Polizei im Westen der Türkei verneinen (vgl. Oberdiek vom 26. Mai 1995 an VG München zu M 24 K 94.51527; a. i., Situationsbericht vom Oktober 1995 und Auskunft vom 17. Juli 1996 an VG München zu M 24 K 94.51527).

Darüber hinaus waren auch in den Jahren 1995 und 1996 Kurden in der Westtürkei, insbesondere in den Großstädten, keinen anderen - nach Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung vergleichbaren - Nachteilen oder Gefahren ausgesetzt, die im Osten der Türkei nicht bestanden. Für diesen Zeitpunkt ergeben sich aus den vorliegenden Erkenntnisquellen insbesondere keine tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Gefährdung des wirtschaftlichen Existenzminimums kurdischer Zuwanderer (vgl. zu dieser Einschätzung: AA, Lageberichte vom 17. Januar 1995, 13. März 1995, 30. Juni 1995, 7. Dezember 1995, 17. April 1996, 13. August 1996 und 4. Dezember 1996). Zwar war es Flüchtlingen kurdischer Herkunft kaum möglich, Arbeit zu finden und sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, weshalb sich die meisten Kurden als Straßenhändler oder Tagelöhner, insbesondere im Baugewerbe, verdingten (vgl. Oberdiek vom 9. Januar 1995 an VG Hannover zu 11 A 4955/92; IHD (Menschenrechtsverein), Dokumentation vom November 1995 in Kurdistan aktuell Extra Nr. 7). In solchen Nischen konnten sie einen kargen Lebensunterhalt erwerben (vgl. GfbV vom 1. Februar 1995 an VG Köln zu 18K193/93.A, vom 3. März 1995 an VG Aachen zu 8 K2070/92.A und vom 13. Dezember 1995 an Bürgerinitiative "Inländer für Ausländer", Burgwedel-Thönse). Für kurdische Zuwanderer kamen in den westlichen Großstädten Tätigkeiten im Dienstleistungsgewerbe, Handwerk und Kleinhandel in Betracht, die das Existenzminimum sichern konnten (vgl. AA vom 11. November 1996 an VG Gera zu 6 K 20646/94 GE). Die allgemeine Arbeitslosigkeit, niedrige Löhne für Gelegenheitsarbeit, Benachteiligung bei der Arbeitssuche und Behinderung von Straßenhändlern durch die türkischen Behörden mag zwar bei vielen Flüchtlingsfamilien zu einem Leben geführt haben, das unterhalb des Existenzminimums lag (vgl. Oberdiek vom 9. Januar 1995 an VG Hannover zu 11 A 4955/92, vom 12. Mai 1995 an VG Braunschweig zu 5 A 5102/94 u. a., vom 26. Mai 1995 an VG München zu M 24 K 94.51527 und vom 20. Dezember 1996 an Schleswig-Holsteinisches OVG zu 4 L 18/95). Eine Existenzgefährdung im engeren Sinne wurde damit aber im Regelfall nicht ausgelöst. Auch bei den beschriebenen Schwierigkeiten für kurdische Flüchtlinge war selbst in den ärmsten Vierteln türkischer Großstädte - wie etwa Izmir und Istanbul - niemand aufgrund von Hunger verurteilt zu sterben, wie die Erkenntnisse des Auswärtigen Amtes belegen (vgl. AA, Lageberichte vom 17. Januar 1995, 13. März 1995, 30. Juni 1995, 7. Dezember 1995, 17. April 1996, 13. August 1996 und 4. Dezember 1996).

Mit dieser Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse zur inländischen Fluchtalternative im Jahre 1995 befindet sich der Senat im Grundsatz in Übereinstimmung mit der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung, wenn diese auch in Einzelpunkten differiert (vgl. HessVGH, Urteil vom 20. Februar 1995 - 12 UE 1658/94 -; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 16. Mai 1995 - 11 L 6012/91 -; Schleswig-Holsteinisches OVG, Urteil vom 22. Juni 1995 - 4 L 262/94 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Dezember 1995 - A 12 S 2279/93 -; Urteil vom 4. November 1996 -A 12 S 3220/95 -; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 22. Januar 1996 - OVG Bf V 25/90-; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. März 1996 -25 A 5801/94.A-; OVG Saarland, Urteil vom 29. März 2000 - 9 R 3/99 -; a. A. Schleswig-Holsteinisches OVG, Urteil vom 26. April 1995 -4 L 18/95- und Urteil vom 22. Juni 1995 -4 L 30/94-, aufgehoben durch BVerwG, Urteile vom 30. April 1996 -9 C 170.95- und -9 C 171.95-).

Von dieser Gesamtbeurteilung im Anschluss an die bisherige Senatsrechtsprechung ausgehend wäre für den Kläger eine hinreichende Sicherheit vor Verfolgung und damit eine inländische Fluchtalternative im Westen der Türkei nur entfallen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür sprächen, dass er von den türkischen Sicherheitsbehörden der Unterstützung der PKK o.a. verdächtigt und deshalb gesucht wurde. Wie ausgeführt, fehlen jedoch tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kläger entsprechend betätigte oder von den Sicherheitsbehörden bereits erfasst war. Umstände, die es rechtfertigen könnten, den Kläger aus der generalisierenden Betrachtung hinsichtlich fehlender anderer Nachteile und Gefahren für Kurden in der Westtürkei herauszunehmen, liegen nicht vor.

II.

Der damit unverfolgt ausgereiste Kläger kann Abschiebungsschutz gemäß § 51 Abs. 1 AuslG auch nicht aufgrund eines Nachfluchttatbestandes beanspruchen.

Weder die kurdische Volkszugehörigkeit im Hinblick auf eine Gruppenverfolgung (1.) noch der längere Auslandsaufenthalt und das Asylverfahren in Deutschland (2.) begründen eine beachtliche Rückkehrgefährdung. Ebenso wenig wird der Kläger unter Berücksichtigung seiner individuellen Situation, namentlich im Hinblick auf seine Mitgliedschaft im Verein "Kurdisches Haus Leipzig e. V.", bei einer Rückkehr in die Türkei staatlichen Verfolgungsmaßnahmen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt sein (3.). Das gilt auch bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände (4.).

1. Insbesondere ist der Kläger auch gegenwärtig nicht schon allein wegen seiner kurdischen Volkszugehörigkeit Verfolgungsmaßnahmen seitens der türkischen Behörden ausgesetzt. Für den (jetzigen) Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung lassen sich die Voraussetzungen weder einer landesweiten noch einer - auf den Südosten der Türkei oder das Herkunftsgebiet des Klägers (Kreis P / Provinz K) beschränkten - regionalen oder örtlich begrenzten Gruppenverfolgung von Kurden in der Türkei feststellen.

Der Senat hat bereits mit Urteil vom 25. November 1999 -3 KO 165/96- entschieden, dass Kurden im Südosten der Türkei insbesondere keiner unmittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung im vorbezeichneten Sinne ausgesetzt sind. Er hat insoweit festgestellt, dass die nachweisbaren Verfolgungshandlungen türkischer Sicherheitskräfte insbesondere gegenüber Kurden im Südosten der Türkei nicht die für die Annahme einer entsprechenden Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte erreichen und zudem auch kein Verfolgungsprogramm besteht, wonach der türkische Staat die Kurden als ethnische Minderheit physisch vernichten, ausrotten oder aus seinem Staatsgebiet vertreiben will. Hieran ist auch für den jetzigen Zeitpunkt festzuhalten.

Die seit Erlass des Urteils bekannt gewordenen und in das Verfahren eingeführten neueren Erkenntnisse zur Verfolgung von Kurden in der Türkei ergeben keinen Anlass für eine Änderung oder Modifizierung dieser Senatsrechtsprechung. Ihnen lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass sich die Lage der Kurden in der Türkei seitdem in entscheidungserheblicher Weise verschlechtert hat (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 7. Oktober 1999 - A 12 S 981/97 und A 12 S 1021/97-; Urteil vom 10. November 1999 - A 12 S 2013/97 -; Urteil vom 24. Februar 2000 - A 12 S 1825/97-; Urteil vom 13. September 2000 - A 12 S 2112/99 -; Urteil vom 5. April 2001 - A 12 S 198/00 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Januar 2000 - 8 A 1292/96.A -; nur auf die Notstandsprovinzen beschränkte örtlich begrenzte Gruppenverfolgung: HessVGH, Urteil vom 13. Dezember 1999 - 12 UE 2984/97.A -; Urteil vom 27. März 2000 - 12 UE 583/99.A -; Urteile vom 4. Dezember 2000 - 12 UE 968/99.A und 12 UE 2931/99.A -; Urteil vom 14. Dezember 2001 - 6 UE 3681/98.A -; offen lassend: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 22. April 1999 - 3 L 3/95 -; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29. April 1999 - A 1 S 155/97 -; OVG Saarland, Urteil vom 29. März 2000 - 9 R 10/98 -; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 18. Januar 2000 - 11 L 3404/99 -; Urteil vom 30. August 2000 -11 L 1255/00 -; teilweise offen lassend: Hamburgisches OVG, Urteil vom 1.September 1999 -5Bf2/92.A-; Beschluss vom 3. Dezember 1999 - 5 Bf 5/95.A -).

2. Dem Kläger drohen bei einer Rückkehr in die Türkei ferner nicht politische Verfolgungsmaßnahmen aus individuellen Gründen allein wegen seines Aufenthalts im Bundesgebiet und der Durchführung des Asylverfahrens. Ein längerer Auslandsaufenthalt und eine Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland begründen für einen türkischen Staatsangehörigen im Allgemeinen selbst dann keine beachtliche Rückkehrgefährdung, wenn es sich um einen aus dem Südosten der Türkei stammenden Kurden handelt (vgl. Senatsurteil vom 25. November 1999 - 3 KO 165/96 - m. w. N.: keine Rückkehrgefährdung wegen hinreichender Sicherheit). Diese Einschätzung des Senats entspricht - soweit ersichtlich - auch der Rechtsprechung sämtlicher anderer Obergerichte (vgl. insbesondere OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 22. April 1999 -3 L 3/95-; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29. April 1999 - A 1 S 155/97 -; OVG Hamburg, Urteil vom 1. September 1999 - 5 Bf 2/92.A -; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 18. Januar 2000 - 11 L 3404/99 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Januar 2000 - 8 A 1292/96.A und 8 A 2221/96.A -; OVG Saarland, Urteil vom 29. März 2000 - 9 R 3/99 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27 Juli 2001 - A 12 S 228/99 -; HessVGH, Beschluss vom 14. Dezember 2001 - 6 UE 3681/98.A -).

Die neueren Erkenntnisquellen bestätigen, dass zurückkehrende Asylbewerber kurdischer Volkszugehörigkeit nicht routinemäßig, nämlich ohne Vorliegen von Besonderheiten, allein aufgrund eines längeren Auslandsaufenthalts und einer Asylantragstellung damit rechnen müssen, bei der Einreise in die Türkei inhaftiert und asylerheblichen Misshandlungen oder Folter ausgesetzt zu werden. Seit 1999 bekannt gewordene Übergriffe auf Rückkehrer beschränken sich nur auf Einzelfälle (vgl. AA, Lageberichte vom 24. Juli 2001 und 20. März 2002; Auskunft vom 12. Juli 2000 an VG Bremen - 514-516.50/1406; Aydin vom 17. März 1999 an VG Berlin zu VG 36 X 21.99 und 22.99; a.i. vom 23. November 2000 an VG Augsburg zu Au 4 K 98.30203; IMK, Wocheninformationsdienst Nr. 109-110 vom 24. Mai - 5 Juni 2001). Einerseits wird bemängelt, dass es zu einem großen Teil insoweit nach wie vor an Informationen über die konkreten Umstände fehlt, die den jeweiligen Festnahmen und Repressalien zugrunde lagen (Rumpf vom 23. Januar 2001 an VG Augsburg zu Au 4 K 98.30203). Andererseits weisen bekannt gewordene Übergriffe schon erkennbar bestimmte Besonderheiten bei der Einreise in die Türkei, wie beispielsweise der fehlende Besitz gültiger Personaldokumente oder die Entdeckung von Propagandamaterial im Reisegepäck der betroffenen Person, auf (vgl. AA, Lagebericht vom 24. Juli 2001: Fälle "Murat P." 1999, "Hüseyin Ö" 1999, "H A 1999, "Y D" 2000, "M K." 2000; Auskunft vom 12. Juli 2000 an VG Bremen: Fall "A" 1998). Jedenfalls geben einzelne Referenzfälle angesichts der Gesamtzahl der abgeschobenen Rückkehrer - nach dem Lagebericht des AA vom 20. März 2002 im Jahre 1999: 6.083 Personen, im Jahre 2000: 5.003 Personen und im Jahre 2001: 4.121 Personen- keinen Grund zu der Annahme, dass eine asyl- und abschiebungsrechtlich erhebliche Rückkehrgefährdung für alle türkischen Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit zu bejahen ist. Das gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, dass sich viele Fälle nicht verifizieren lassen oder vielfach hinreichend bestimmte Angaben zu den Hintergründen der einzelnen Geschehnisse fehlen, so dass sich nicht mit Sicherheit feststellen lässt, ob neben der Asylantragstellung und dem längeren Auslandsaufenthalt besondere - die Verfolgung auslösende - Umstände vorlagen. Etwas anderes folgt in vergleichender Betrachtung zu den Gesamtzahlen abgeschobener Personen auch nicht daraus, dass nach einer Mitteilung des Internationalen Vereins für Menschenrechte der Kurden (IMK) vom Juni 2001 insgesamt 35 Misshandlungsfälle kurdischer Rückkehrer in den vorausgegangenen zwei Jahren nachgewiesen worden sein sollen (vgl. IMK, Wocheninformationsdienst Nr. 109-110 vom 24. Mai - 5. Juni 2001). Angesichts der wiedergegebenen Zahlenverhältnisse müssten wegen der intensiven Beobachtung des Rückkehrergeschehens vermehrt einschlägige Erkenntnisse vorliegen.

Vor diesem Hintergrund ist auch die Einschätzung der überwiegenden Zahl sachkundiger Stellen zu würdigen, die übereinstimmend eine Rückkehrgefährdung türkischer Staatsbürger kurdischer Volkszugehörigkeit ausschließlich wegen eines längeren Auslandsaufenthalts und einer Asylantragstellung verneinen (vgl. nur AA, Lagebericht vom 20. März 2002; Auskunft vom 10. April 2001 an VG Schleswig zu 2 A 25/97; Österr. Bundeskanzleramt, Gutachten vom 9. Mai 2000 an den Unabhängigen Bundesasylsenat). Damit steht auch die Stellungnahme der Menschenrechtsorganisation amnesty international, wonach abgeschobene Personen kurdischer Volkszugehörigkeit einer Rückkehrgefährdung unterliegen können, wenn mehrere zusätzliche Umstände sie aus der Sicht der türkischen Sicherheitskräfte als (mutmaßliche) Separatisten erscheinen lassen (vgl. a.i. vom 23. November 2000 an VG Augsburg zu Au 4 K 98.30203), in Einklang. Ferner stehen der vorgenannten Einschätzung zur Rückkehrgefährdung die Ausführungen des IMK zu einer bloßen kurzfristigen Gewahrsamnahme von in die Türkei zurückkehrenden Asylbewerbern im Rahmen behördlicher Nachforschungen, etwa zur Identitätsfeststellung, unmittelbar nach der Einreise nicht entgegen (vgl. IMK, Wocheninformationsdienst Nr. 51 vom 27. Januar 2000 unter Hinweis auf eine schriftliche Auskunft des Türkischen Menschenrechtsvereins (IHD) vom 24. Januar 2000; K vom 28. Dezember 2000 an VG Augsburg zu Au 4 K 00.30311; Rat der Europäischen Union vom 30. August 2001, Bericht über eine Informationsreise des Direktoriums für Einwanderung und Staatsangehörigkeit des Vereinigten Königreiches in die Türkei vom 17. - 23. März 2001).

3. Dem Kläger droht bei einer Rückkehr in die Türkei auch nicht politische Verfolgung wegen etwaiger Besonderheiten seiner individuellen Situation, insbesondere wegen nach der Einreise entwickelter Aktivitäten.

a) Das gilt namentlich für eine Rückkehrgefährdung aufgrund seiner exilpolitischen Betätigung in Deutschland.

aa) Nicht besonders profilierten Mitgliedern, Aktivisten, sonstigen Unterstützern oder Sympathisanten der PKK, ihrer Teilorganisationen oder ihr politisch nahestehender Vereinigungen drohen wegen exilpolitischer Aktivitäten im Falle einer Rückkehr in die Türkei staatliche Verfolgungsmaßnahmen nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.

Der Senat hat in seiner Grundsatzentscheidung vom 25. November 1999 - 3 KO 165/96 - festgestellt, dass eine entsprechende exilpolitische Betätigung von Kurden nur dann eine Rückkehrgefährdung begründen kann, wenn sie exponiert ist, d. h. der Betreffende i. d. R. durch regelmäßige und langjährige Übernahme unterschiedlicher Aufgaben in kurdischen Gruppierungen als verlässlicher Aktivist bei diesen als auch darüber hinaus einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt hat. Der Senat hat als solche exponierten Regimegegner insbesondere solche Personen angesehen, die unmittelbar zur Führungsebene der im Bundesgebiet aktiven kurdischen Organisationen oder zu den maßgeblichen Trägern der dort durchgeführten Veranstaltungen gehören oder als prominente Parteifunktionäre, Rechtsanwälte oder Schriftsteller Einfluss auf die türkische Innenpolitik zu nehmen versuchen. Im Übrigen wachse das Verfolgungsrisiko desto mehr, je stärker der Betreffende sich mit seinem Engagement in seinem Umfeld und darüber hinaus als Aktivist einen Namen mache.

Diese Beurteilung gilt unverändert fort. Die seit Erlass der genannten Senatsentscheidung bekannt gewordenen Erkenntnisse lassen eine relevante Verschärfung der allgemeinen Verfolgungssituation von Rückkehrern, die sich in der beschriebenen Weise exilpolitisch betätigt haben, nicht erkennen (vgl. OVG Saarland, Urteil vom 29. März 2000 - 9 R 10/98 -; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 30. August 2000 - 11 L 1255/00 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22. März 2001 - A 12 S 280/00 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. Juli 2001 - 10 A 10128/01.OVG -).

aaa) Für die Annahme, es bestehe für in ihr Heimatland zurückkehrende Kurden, die sich in nicht hervorgehobener Weise exilpolitisch für die PKK oder ihr nahestehende Organisationen betätigt haben, ein beachtliches Verfolgungsrisiko, sprechen zwar bekannt gewordene Fälle von verfolgten Rückkehrern (vgl. AA, Lageberichte vom 24. Juli 2001 und 20. März 2002; Auskunft vom 12. Juli 2000 an VG Bremen - 514-516.50/1406 -; K vom 5. Mai 2001 an VG Schleswig zu 2 A 25/97; Förderverein PRO ASYL e. V./Förderverein Niedersächsischer Flüchtlingsrat e. V., Dokumentation vom Juni 2000; Aydin vom 17. März 1999 an VG Berlin zu VG 36 X 21.99 und 22.99; a.i. vom 23. November 2000 an VG Augsburg zu Au 4 K 98.30203; IMK, Wocheninformationsdienst Nr. 109-110 vom 24. Mai - 5. Juni 2001; T vom 25. Juli 2000 an VG Oldenburg zu 5 A 3935/99). Diese Fälle rechtfertigen indessen nicht allein die Schlussfolgerung, sämtliche Rückkehrer unterlägen - bereits wegen nur untergeordneter Exilaktivitäten - einer beachtlichen Rückkehrgefährdung. Es handelt sich bei den seit 1999 bekannt gewordenen Übergriffen gegen Rückkehrer mit exilpolitischem Hintergrund immer noch um Einzelfälle, die zum Teil nicht einmal selbst voll bestätigt sind. Ferner lassen sie nicht durchgängig eine Zuordnung in der Weise zu, dass sie mit dem Regelfall eines kurdischen Rückkehrers mit exilpolitischem Hintergrund - im Hinblick auf das Verfolgungsinteresse der türkischen Behörden -vergleichbar erscheinen, so dass sie nur teilweise als Referenzfälle herangezogen werden können. Wie ebenfalls bereits festgestellt, fehlt es zum Teil an Informationen über die die Verfolgungsmaßnahmen auslösenden konkreten Umstände (vgl. Rumpf vom 23. Januar 2001 an VG Augsburg zu Au 4 K 98.30203) und weisen zu einem anderen Teil die Fälle gar erkennbar bestimmte Besonderheiten hinsichtlich der Einreise in die Türkei auf (vgl. AA, Lagebericht vom 24. Juli 2001; Auskunft vom 12. Juli 2000 an VG Bremen).

bbb) Indiz für die Verfolgungsprognose ist unter diesen Umständen weiterhin der Umgang der türkischen Behörden mit Mitgliedern/Unterstützern der bezeichneten Organisationen. Dieser Umgang ist geprägt durch den seit 20 Jahren geführten Kampf zwischen der PKK und den türkischen Sicherheitskräften im Südosten der Türkei, in dessen Verlaufe ca. 30.000 Menschen getötet wurden. Auch wenn die PKK inzwischen weitgehend militärisch besiegt ist und es innerhalb der Türkei nur noch zu ganz sporadischen Zusammenstößen kommt, sieht der türkische Staat die PKK weiterhin als separatistisch terroristische Organisation an, hält am Kampf gegen sie fest und lehnt Verhandlungen mit ihr ab (AA, Lagebericht vom 20. März 2002; Rat der Europäischen Union vom 30. August 2001, Bericht über eine Reise in die Türkei vom 17.-23. März 2001; Förderverein PRO ASYL e. V./Förderverein Niedersächsischer Flüchtlingsrat e.V., Dokumentation vom Juni 2000). Dementsprechend gelten Mitglieder und Unterstützer der PKK nach wie vor als Staatsfeinde (vgl. Oberdiek vom 12. Dezember 2000 an VG Sigmaringen zu A 8 K 10264/99). Jegliche Unterstützungshandlungen für die PKK werden in der Türkei weiterhin (strafrechtlich) verfolgt (vgl. Rat der Europäischen Union vom 30. August 2001; Förderverein PRO ASYL e. V./Förderverein Niedersächsischer Flüchtlingsrat e. V., Dokumentation vom Juni 2000; Österr. Bundeskanzleramt vom 9. Mai 2000 an den Unabhängigen Bundesasylsenat; SFH vom 1. Juni 2001, "Türkei im Mai 2001"). Das gilt insbesondere auch bei Werbung für die PKK (vgl. K vom 15. Juni 2001 an VG Sigmaringen zu A 8 K 10299/99; T vom 12. Mai 2001 an VG Ansbach zu AN 16 K 98.34275; a.i., Bericht vom 19. Januar 2001).

Bei Inlandsaktivitäten ist danach das Verfolgungsinteresse nach wie vor hoch. Für die Beurteilung der Gefährdung aufgrund von Auslandsaktivitäten ist deshalb eine weitergehende Abschätzung der Verfolgungsprognose erforderlich.

ccc) Die Verfolgungsgefahr für in die Türkei zurückkehrende Kurden, die sich in Deutschland exilpolitisch betätigt haben, wird von den sachkundigen Stellen unterschiedlich beurteilt:

Nach Auffassung des Auswärtigen Amtes laufen sämtliche türkischen Staatsangehörigen, die sich im Ausland in Organisationen betätigen, die in der Türkei verboten sind, Gefahr, im Falle ihrer Rückkehr in die Türkei verfolgt zu werden. Das gelte insbesondere dann, wenn sie in herausgehobener oder jedenfalls erkennbarer Stellung für eine solche Organisation gearbeitet hätten, denn der türkische Staat sei namentlich an der Feststellung derjenigen Personen interessiert, die als Auslöser separatistisch erachteter Aktivitäten oder als Anstifter oder Aufwiegler angesehen würden (vgl. AA, Lagebericht vom 20. März 2002). Dementsprechend hat das Auswärtige Amt in früheren Auskünften eine Rückkehrgefährdung lediglich für den letztgenannten Personenkreis bejaht und dies jedenfalls teilweise damit begründet, den türkischen Behörden sei bekannt, dass viele Türken mit der Behauptung politischer Aktivitäten versuchten, ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zu erlangen (vgl. AA vom 29. Oktober 2001 an VG Saarlouis zu 6 K 473/97.A und vom 1. März 2001 an VG Schleswig zu 2 A 70/97).

Die Menschenrechtsorganisation Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) führt aus, Personen, die Verantwortung in regionalen Kurdenvereinigungen übernähmen, sich in konstanter Weise politisch betätigten und sich regelmäßig aktiv an Demonstrationen oder Hungerstreiks beteiligten, seien bei einer Rückkehr in die Türkei gefährdet. Dieser Einschätzung liegt die Annahme zugrunde, dass die türkischen Behörden Exiltätigkeiten äußerst detailliert beobachteten und registrierten (vgl. SFH vom 1. Juni 2001, "Türkei im Mai 2001").

amnesty international trifft keine eindeutige Aussage zur Rückkehrgefährdung wegen Exilaktivitäten. Die Menschenrechtsorganisation geht von einer besonderen Gefährdungslage für Kurden aus, die in irgendeiner Weise mit Aktivitäten zugunsten einer Selbstbestimmung des kurdischen Volkes in Verbindung gebracht werden könnten (vgl. a.i. vom 24. Februar 1999 an VG Berlin, erörtert im Senatsurteil vom 25. November 1999 - 3 KO 165/96 -). Es sei zu berücksichtigen, dass nicht nur diejenigen Personen, die sich in exponierter Weise an prokurdischen Aktivitäten beteiligt hätten, in den Verdacht einer Mitgliedschaft oder Unterstützung einer verbotenen Vereinigung geraten könnten. Vielmehr könnten beispielsweise auch Demonstrationsteilnehmer einen solchen Verdacht auf sich ziehen. Diese Einschätzung beruhe nicht nur auf Belegfällen aus der Vergangenheit (vgl. a.i. vom 3. Februar 1999 an VG Sigmaringen, erörtert im Senatsurteil vom 25. November 1999 - 3 KO 165/96 -, und vom 24. Februar 1999 an VG Berlin). Es sei auch mit erheblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der türkische Geheimdienst prokurdische exilpolitische Aktivitäten in Deutschland beobachte (vgl. a.i. vom 24. Februar 1999 an VG Berlin).

K vertritt die Ansicht, es sei nicht zu erwarten, dass neben den Funktionären und aktiven Mitgliedern eines auf die Linie der PKK ausgerichteten kurdischen Vereins in Deutschland auch einfache Mitglieder den türkischen Sicherheits- und Nachrichtendienstbehörden bekannt werden (K vom 25. Juli 2001 an VG Köln zu 3 K 1737/96.A). Sofern hingegen trotzdem - etwa aufgrund von Nachforschungen anlässlich der Einreise in die Türkei - bekannt werde, dass der betreffende Rückkehrer während seines Auslandsaufenthalts Kontakt zur kurdischen nationalen Opposition gepflegt und sich an deren Aktionen beteiligt hat, werde er von der zuständigen Sicherheitsbehörde - unter Ausübung psychischen und physischen Druckes - verhört (vgl. K vom 28. Dezember 2000 an VG Augsburg zu Au 4 K 00.30311).

T hält es im Falle eines wegen gemeinschaftlicher Nötigung nach einer Straßenblockade verurteilten Kurden für nicht ausgeschlossen, dass die türkischen Behörden von dieser Verurteilung Kenntnis erlangt haben, in ihren Augen deshalb der Betroffene als Unterstützer einer illegalen Organisation erscheint und bei einer Rückkehr in die Türkei politisch verfolgt würde (vgl. T vom 12. Mai 2001 an VG Ansbach zu AN 16 K 98.34275). Eine solche Rückkehrgefährdung bestehe ebenso für einen Kurden, der sich in aktiver Funktion in einer von der PKK direkt kontrollierten Vereinigung in der Bundesrepublik Deutschland betätige (vgl. T vom 25. Juli 2000 an VG Oldenburg zu 5 A 3935/99).

Das Österreichische Bundeskanzleramt differenziert in der Beurteilung der Rückkehrgefährdung nach der Qualität der Exilaktivitäten: Es führt aus, die einfache Mitgliedschaft in einer größeren in der Türkei verbotenen Partei wie etwa der PKK, nicht jedoch in einer kleineren Partei, die keine ernsthafte Bedrohung für den türkischen Staat darstelle, begründe eine Verfolgungsgefahr. Die Teilnahme an einer Demonstration löse, sofern diese durch Medien begleitet werde, nur dann ein Verfolgungsrisiko aus, wenn die betreffende Person dabei exponiert auftrete wie etwa durch Skandieren oder Tragen von Plakaten oder wenn sie sich in der Nähe von exponierten Personen (Plakatträger, Demonstrationsführer etc.) aufhalte. Hinsichtlich der Teilnahme an Veranstaltungen, die in der Türkei verboten sind wie beispielsweise das Newoz-Fest, ergebe sich eine Verfolgungsgefährdung nur bei aktiver Teilnahme, indessen nicht bei bloßem "Besuch". Bezüglich der Teilnahme an Veranstaltungen politischer Parteien sei auf die konkrete Partei abzustellen; nur dann, wenn es sich um eine in der Türkei verbotene Partei handele, die nicht nur eine kleine Splittergruppe darstelle und deren Teilnehmer deshalb in das Blickfeld der türkischen Behörden geraten könnten, sei eine Verfolgungsgefahr anzunehmen (vgl. Österr. Bundeskanzleramt vom 9. Mai 2000 an den Unabhängigen Bundesasylsenat).

Im Ergebnis bleibt danach festzuhalten: Die dargestellten Stellungnahmen der auskunftgebenden Stellen zur Rückkehrgefährdung von (mutmaßlichen) Mitgliedern, Aktivisten oder sonstigen Unterstützern der PKK, ihrer Teilorganisationen oder ihr politisch nahestehender Vereinigungen wegen exilpolitischer Aktivitäten lassen eine eindeutige Prognose nicht zu. Die Gefährdung niederer Funktionäre und einfacher Parteimitglieder oder -anhänger ist aus den Stellungnahmen in den genannten Quellen mit Ausnahme derjenigen des Sachverständigen K, der eine Gefahr des Bekanntwerdens und damit eine Rückkehrgefährdung für die Gruppe einfacher Mitglieder eines der PKK nahestehenden kurdischen Vereins verneint (vgl. Auskunft vom 25. Juli 2001 an das VG Köln), nicht im Sinne einer eindeutigen Prognose abzuleiten. Die sachkundigen Äußerungen der Menschenrechtsorganisation amnesty international und des Sachverständigen T weisen vielmehr eher auf die bloße Möglichkeit von Verfolgungsmaßnahmen wegen untergeordneter exilpolitischer Betätigung für die PKK oder ihr nahestehender Organisationen hin. Die Stellungnahmen des Österreichischen Bundeskanzleramtes und der Menschenrechtsorganisation Schweizerische Flüchtlingshilfe differenzieren in der Beurteilung nach der Qualität der Exilaktivitäten. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Einschätzung des Auswärtigen Amtes. Für die Verfolgungsprognose sind deshalb - nachfolgend - Art und Umfang der Beobachtung des Exilantengeschehens im Ausland näher zu erörtern.

ddd) Zu Art und Umfang der Auslandsüberwachung exilpolitischer Tätigkeiten kurdischer Volkszugehöriger durch die türkischen Behörden ist bekannt (soweit nicht oben bereits erörtert):

Der türkische Staat fühlt sich durch die Aktivitäten der kurdischen nationalen Opposition, insbesondere derjenigen der PKK und ihr nahestehender Vereine und Organisationen in Europa, beunruhigt und sammelt deshalb über diese Organisationen und deren Aktivitäten Informationen, um sie unter seine Kontrolle zu bringen, ihren Einfluss zu verringern, ihren Aktivitäten Einhalt zu gebieten oder sie zumindest zu minimieren (vgl. K vom 5. Mai 2001 an VG Schleswig zu 2 A 25/97 und vom 21. August 2000 an VG Oldenburg zu 5 A 3935/99). Zu diesem Zweck hat der türkische Nachrichtendienst MIT insbesondere auch in Deutschland besondere neue Organisationsstrukturen geschaffen (vgl. K vom 21. August 2000 an VG Oldenburg zu 5 A 3935/99), die über die nachrichtendienstlichen Aktivitäten seiner professionellen Agenten und der Mitarbeiter in den Auslandsvertretungen hinausgehen (vgl. K vom 28. Februar 2000 an VG Frankfurt/Oder zu 3 K 1467/97.A). Der Nachrichtendienst ist in Deutschland durch seine Abteilung "Nachrichtenbeschaffung und Nachrichtenauswertung Ausland" mit einer Reihe von "Dienststellen" vertreten, die ihren Sitz bei der Botschaft und an Generalkonsulaten haben. Die MIT-Mitarbeiter sind als Attaches akkredidiert und unmittelbar der Zentrale in Ankara unterstellt, von der aus Anweisungen und Aufträge an die einzelnen MIT-Dienststellen erfolgen (BAFI, "Türkei - Information, Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes MIT in Deutschland", August 2000, m. w. N.). Der türkische Nachrichtendienst ergreift in Deutschland die Abwehrmaßnahmen entweder direkt oder über die türkischen Auslandsvertretungen (vgl. K vom 29. September 2000 an VG Sigmaringen zu A 8 K 12435/98). Er verfügt über mehrere Informationsquellen, um die Aktivitäten der PKK zu beobachten. Hierzu zählen in erster Linie "zivile Beamte", die in den türkischen Konsulaten tätig und offiziell meistens für Aufgaben wie "Bewachung" oder "Schutz" dieser Gebäude zuständig sind (vgl. T vom 16. Januar 2001 an VG Oldenburg zu 5 A 3288/99). Im Rahmen der Bekämpfung der PKK und anderer von ihr abhängiger Gruppierungen bedient sich der Nachrichtendienst türkischer Vereine und Moscheen, weiter der Inhaber von Reiseagenturen, Lehrer, Arbeiter, Studenten, Dolmetscher oder auch in die Organisationen eingeschleuster Spitzel (vgl. K vom 29. September 2000 an VG Sigmaringen zu A 8 K12435/98 und vom 28. Februar 2000 an VG Frankfurt/Oder zu 3 K 1467/97.A).

Der Sachverständige K stellt zur Überwachung von Exilaktivitäten durch den türkischen Staat fest, sie führe indessen nicht dazu, dass dieser alle oppositionellen Kräfte gleichermaßen beobachte und über jede einzelne Aktivität und jeden einzelnen Aktivisten Informationen sammele. Maßgeblich dafür, ob bestimmte Exilaktivitäten beobachtet würden, sei insoweit vielmehr, welcher Bedeutung einer Aktivität und einzelnen Aktivisten beigemessen werde. Ungeachtet dessen hänge die Informationsbeschaffung stets von der Kapazität der Mitarbeiter und Agenten ab (vgl. K vom 28. Februar 2000 an VG Frankfurt/Oder zu 3 K 1467/97.A). Diese Beurteilung zu Art und Umfang der Auslandsüberwachung durch die türkischen Behörden weicht von der Einschätzung des Sachverständigen T ab, wonach davon auszugehen sei, dass die türkischen Behörden alle Aktivitäten im Ausland, die auch nur annähernd mit der Türkei in Verbindung gebracht werden könnten, ganz aufmerksam verfolgten (vgl. T vom 16. Januar 2001 an VG Oldenburg zu 5 A 3288/99).

Aus diesen Erkenntnissen zur Auslandsüberwachung exilpolitischer Aktivitäten durch die türkischen Behörden lässt sich zur Überzeugung des Senats nur folgern, dass das Bekanntwerden öffentlichkeitswirksamer, hervorgehobener exilpolitischer Tätigkeiten von Kurden überwiegend wahrscheinlich ist. Für den Bereich der nur untergeordneten exilpolitischen Tätigkeiten, durch die eine Person noch nicht in besonderer Weise als Regimegegner öffentlich in Erscheinung tritt, wie z. B. die bloße Teilnahme an Demonstrationen, Verteilen von Werbematerial und Entrichtung von Mitgliedsbeiträgen oder Zahlung von Spenden, ergibt sich aus den gutachterlichen Stellungnahmen kein eindeutiges Bild. Weder enthalten sie eine ausdrückliche Aussage zum Bekanntwerden auch solcher untergeordneten Exilaktivitäten noch äußern sie sich näher und substantiiert zu Art und Umfang der Auslandsüberwachung durch die türkischen Behörden oder eingeschaltete Informanten. Die Einschätzung des Sachverständigen T, derzufolge der türkische Staat alle Aktivitäten im Ausland, die annähernd eine Verbindung mit der Türkei aufwiesen, genau beobachteten (vgl. T vom 16. Januar 2001 an VG Oldenburg zu 5 A 3288/99), bildet, sofern ihr angesichts der gegenläufigen Stellungnahme des Sachverständigen K (vom 28. Februar 2000 an VG Frankfurt/Oder zu 3 K 1467/97.A) überhaupt zu folgen ist, keine hinreichende Grundlage für die Annahme, dass jeder Kurde aufgrund von nur untergeordneten Exilaktivitäten identifiziert wird und als Regimegegner in das Blickfeld des türkischen Geheimdienstes gerät.

eee) Für die Einschätzung zur Rückkehrgefährdung aufgrund von Exilaktivitäten ist deshalb ferner die konkrete Ausgestaltung der türkischen Grenzkontrollen in den Blick zu nehmen. Insoweit gilt Folgendes:

Bei der Einreise in die Türkei hat sich jeder türkische Staatsangehörige einer Personenkontrolle zu unterziehen. Personen, die ein gültiges türkisches, zur Einreise berechtigendes Reisedokument, insbesondere einen türkischen Reisepass oder ein vom zuständigen türkischen Konsulat zum Zwecke der Rückkehr ausgestelltes Passersatzpapier, besitzen, können die Grenzkontrolle normalerweise ungehindert passieren (vgl. AA, Lagebericht vom 20. März 2002). Etwas anderes gilt jedoch, wenn es sich bei dem betreffenden Rückkehrer um eine in der Türkei landesweit gesuchte Person handelt, etwa weil er sich schon vor seiner Ausreise aus seiner Heimat oder aber während des Aufenthalts in Deutschland erkennbar nachhaltig für die Sache der Kurden eingesetzt hatte und deshalb der türkische Staat schon vor seiner Rückkehr ein Interesse an seiner Person als ernst zu nehmendem politischen Gegner oder als Träger wichtiger Informationen über die im Bundesgebiet aktiven kurdischen Organisationen und deren Engagement geltend gemacht hat. In diesen Fällen kommt es zu Eintragungen in eine Fahndungsliste, die von den Grenzbehörden über EDV-Anlagen abgerufen werden können. Schon allein wegen solcher Eintragungen besteht die Gefahr, dass der Rückkehrer bei der Grenzkontrolle verhaftet wird (vgl. a.i. vom 3. Februar 1999 an VG Sigmaringen; ferner Senatsurteil vom 25. November 1999 - 3 KO 165/96 - m. w. N.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. Februar 2000 - 10 A 11821/98.OVG - m. w. N.).

Im Übrigen kommt es auch dann zu einer näheren Überprüfung - in Form einer Routinekontrolle -, wenn die türkische Grenzpolizei feststellt, dass es sich um eine abgeschobene Person handelt oder der Betreffende keine gültigen Reisedokumente besitzt oder sich aus seinem Reisepass ergibt, dass er sich ohne Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland aufgehalten bzw. ein Asylverfahren durchlaufen hat (vgl. AA, Lagebericht vom 20. März 2002; a.i. vom 23. November 2000 an VG Augsburg zu Au 4 K 98.30203; IMK, Wocheninformationsdienst Nr. 51 vom 27. Januar 2000). Diese dauert zwischen wenigen Stunden und mehreren Tagen. Die polizeiliche Überprüfung geht hierbei zum einen mit einer intensiven persönlichen Befragung, gegebenenfalls der Vornahme eines Abgleichs mit dem Fahndungsregister im Hinblick auf strafrechtlich relevante Umstände und gegebenenfalls mit zusätzlichen Rückfragen bei den für seinen Heimatort zuständigen Sicherheitsbehörden sowie auch des Zentralen Amtes für Sicherheit in Ankara oder der zuständigen Staatsanwaltschaft einher (vgl. AA, Lageberichte vom 24. Juli 2001 und 20. März 2002; Auskunft vom 28. Januar 2002 an OVG Hamburg zu 4 Bf 4/92.A; Rat der EU vom 30. August 2001, Bericht über eine Informationsreise in die Türkei vom 17.-23. März 2001; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. Februar 2000 -10 A 11821/98.OVG - m. w. N.). Diese Ermittlungen dienen nicht nur der Feststellung der Personalien des Rückkehrers, sondern auch seiner politischen Einstellung. So können sich insbesondere die Fragen der Vernehmungsbeamten außer zu den Personalien auf Grund und Zeitpunkt der Ausreise aus der Türkei, Grund der Abschiebung, eventuelle Vorstrafen in Deutschland, Asylantragstellung und auf Kontakte zu illegalen türkischen Organisationen beziehen (vgl. AA, Lagebericht vom 20. März 2002; Rat der EU vom 30. August 2001). Wenn sich anlässlich der Rückfragen und Durchsuchung des Gepäcks Anhaltspunkte für eine Unterstützung der PKK oder anderer illegaler Organisationen ergeben, wird die betreffende Person den zuständigen Sicherheitsbehörden übergeben (AA, Lagebericht vom 20. März 2002; K vom 28. Dezember 2000 an VG Augsburg zu Au 4 K 00.30311; a.i. vom 23. November 2000 an VG Augsburg zu Au 4 K 98.30203; IMK, Wocheninformationsdienst Nr. 51 vom 27. Januar 2000). Erst ab diesem Zeitpunkt besteht eine erhöhte Gefahr intensiver Verhöre einschließlich Folter (vgl. AA, Lagebericht vom 20. März 2002; Senatsurteil vom 25. November 1999 - 3 KO 165/96-m. w. N.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. Februar 2000 - 10 A 11821/98.OVG - m. w. N.).

Vor diesem Hintergrund muss ein türkischer Asylbewerber kurdischer Volkszugehörigkeit zwar regelmäßig befürchten, bei der Einreise in die Türkei von der türkischen Grenzpolizei zunächst einer eingehenden Routinekontrolle unterzogen zu werden, weil sich seinen Reisedokumenten ohne Weiteres entnehmen lässt, dass er sich in Deutschland ohne Aufenthaltsgenehmigung aufgehalten hat und nach Beendigung seines Asylverfahrens zur Rückkehr in die Türkei gezwungen ist. Es ist indessen nicht beachtlich wahrscheinlich, dass in diesen Fällen die Grenzpolizei im Rahmen einer persönlichen Befragung des Rückkehrers oder durch etwaige Rückfragen bei der für seinen Heimatort örtlich zuständigen Polizeibehörde oder bei der Generalsicherheitsdirektion in Ankara von seiner politischen Einstellung erfährt. Da diese Untersuchungsmaßnahmen im Regelfall nicht mit Misshandlungen des Rückkehrers einhergehen, wird dieser grundsätzlich nicht gezwungen sein, eine Regimegegnerschaft oder eine Verbindung zu illegalen Organisationen zu offenbaren. Ebenso wenig ist es wahrscheinlich, dass Nachfragen bei den zuständigen Sicherheitsbehörden aus der Sicht der Grenzpolizei entsprechende Anhaltspunkte zu Tage fördern, falls die betreffende Person bis dahin nicht in das Blickfeld der Sicherheitsorgane geraten ist. Unter diesen Umständen ist vielmehr regelmäßig davon auszugehen, dass die Routineüberprüfung ihren Abschluss findet, ohne dass der Rückkehrer noch längere Zeit festgehalten oder gar anderen Sicherheitsbehörden - zum Zwecke einer eingehenderen Untersuchung - übergeben wird, in deren Rahmen er intensive Verhöre und damit verbundene erhebliche Drangsalien wie Freiheitsentzug, Folter oder Misshandlungen zu befürchten hätte. In Anbetracht der konkreten Ausgestaltung der türkischen Grenzkontrollen ist es daher grundsätzlich nicht wahrscheinlich, dass ein Rückkehrer im Hinblick auf frühere politische Aktivitäten, sofern er noch nicht ins Blickfeld der Behörden geraten ist, bei der Einreisekontrolle für längere Zeit festgenommen oder sonstigen asylerheblichen Repressalien ausgesetzt werden wird.

fff) Aufgrund der vorstehenden in die Gefahrenprognose einzustellenden Tatsachen und Erwägungen lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Rückkehrgefährdung wegen einer nur niedrig profilierten exilpolitischen Betätigung für die PKK oder ihr nahestehender politischer Vereinigungen feststellen. Rechtlich erhebliche Verfolgungsmaßnahmen bei exilpolitischen Aktivitäten, durch die sich ein Rückkehrer nicht durch hervorgehobene Tätigkeiten oder sonst öffentlichkeitswirksam als Regimegegner exponiert hat, sind zwar nicht auszuschließen, jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich.

Eine hinreichend hohe Zahl von Referenzfällen fehlt, wie ausgeführt worden ist. Verfolgungshandlungen gegenüber kurdischen Rückkehrern erfassen zwar im Einzelfall auch einfache Anhänger und Mitglieder der PKK oder vergleichbarer politischer Organisationen. Der Schwerpunkt liegt aber bei Übergriffen auf exponierte Funktionäre. Die sachkundigen Stellen sehen die letztgenannte Gruppe als gefährdet an. Für einfache Mitglieder und Anhänger sind hingegen eindeutige und einheitliche prognostische Einschätzungen nicht gesichert. Auch unter Einbeziehung der Auslandsüberwachung des Exilantengeschehens durch den türkischen Sicherheitsapparat lässt sich eine beachtliche Wahrscheinlichkeit des Bekanntwerdens niedrig profilierter Exilaktivitäten nicht feststellen. Ist danach nicht hinreichend wahrscheinlich, dass ein Kurde wegen nur untergeordneter Exilaktivitäten als Regimegegner identifiziert wird, lässt sich ebenso wenig mit Blick auf die beschriebene Ausgestaltung türkischer Grenzkontrollen eine erhebliche Rückkehrgefährdung von Mitgliedern und Anhängern der genannten Organisationen ohne besonderen Funktionärsstatus mit der gebotenen Überzeugungsgewissheit bejahen.

Vielmehr ist festzuhalten, dass an exilpolitische Aktivitäten der beschriebenen Art - im Umfeld der PKK - anknüpfende Verfolgungsmaßnahmen der türkischen Behörden bei Rückkehrern, die sich weder in hervorgehobener Weise noch sonst öffentlichkeitswirksam betätigt haben, nach wie vor nicht überwiegend wahrscheinlich sind.

bb) Ausgehend von den vorbezeichneten Grundsätzen zur Rückkehrgefährdung wegen Exilaktivitäten bietet das tatsächliche Vorbringen des Klägers keinen Anlass, aufgrund seiner exilpolitischen Betätigung einen verfolgungserheblichen Gefährdungsgrad anzunehmen.

Der Kläger gehört nicht zu den führenden Exilpolitikern der PKK, ihrer Teilorganisationen oder ihr politisch nahestehender Vereinigungen. Er ist nach seinem eigenen Vortrag vielmehr nur einfaches Mitglied des Vereins "Kurdisches Haus Leipzig e. V.". Nach der Auskunft des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen vom 23. Mai 2002 an den Senat handelt es sich bei diesem Verein um eine Organisation, die Bezüge zur PKK insofern aufweist, als tatsächliche Anhaltspunkte für eine Beeinflussung des Vereins durch die PKK über deren Front- und Massenorganisationen, insbesondere durch die ERNK (Nationale Befreiungsfront Kurdistans, nunmehr in YDK = Kurdische Demokratische Volksunion umbenannt) und Massenorganisationen HSK (Kurdischer Roter Halbmond e. V.) bestehen. Aus der bloßen Mitgliedschaft in einer politischen Organisation ergibt sich indessen keine exponierte exilpolitische Betätigung. Das gilt auch gerade für den Fall des Klägers. Weder hat er in dem Verein besondere Funktionen inne noch hat er insoweit eigene Aktivitäten entfaltet. Vielmehr stellt sich der Kläger lediglich als politischer Mitläufer dar, der nicht durch Übernahme bestimmter Aufgaben nach außen besonders in Erscheinung tritt.

Eine exponierte Stellung als Regimegegner lässt sich für den Kläger auch nicht allein aufgrund der behaupteten Beteiligung an Demonstrationen und sonstigen Veranstaltungen insbesondere der ERNK (jetzt: YDK) feststellen. Darin liegt noch kein öffentlichkeitswirksames Auftreten, durch das die besondere Aufmerksamkeit türkischer Behörden ausgelöst werden könnte. Weder hat der Kläger etwas vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, inwiefern er aufgrund bestimmter konkreter Umstände von Dritten als (wichtiger) Teilnehmer bestimmter Veranstaltungen identifiziert worden sein könnte.

Entsprechendes gilt grundsätzlich für das Plakatieren von Wänden und Litfasssäulen mit Postern der ERNK (jetzt: YDK) im Dezember 1998 im Stadtgebiet von Altenburg. Diese - einmalige - Aktion des Klägers ist ebenfalls nicht der Ebene einer profilierten exilpolitischen Betätigung zuzuordnen. Insoweit ist auch nicht ersichtlich, dass in diesem Zusammenhang die türkischen Sicherheitsbehörden auf den Kläger aufmerksam geworden sind.

cc) Eine andere Beurteilung des Verfolgungsrisikos ergibt sich ausnahmsweise auch nicht daraus, dass der Kläger wegen dieser Tat in einem Strafverfahren wegen Verbreitung von Kennzeichen eines verbotenen Vereins (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VereinsG) in Tateinheit mit Sachbeschädigung (§ 303 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist.

aaa) Die türkischen Behörden haben zum maßgeblichen - jetzigen - Zeitpunkt der Entscheidung des Senats von der rechtskräftigen Verurteilung des Klägers aufgrund des regulären Strafnachrichtenaustausches zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei noch keine Kenntnis erlangt.

Dazu ist im Einzelnen auszuführen:

Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei findet auf der Grundlage des Art. 22 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen (EuRHÜbk) vom 20. April 1959 (BGBl. 1964 II, S. 1369, 1386; 1976 II, S. 1799) ein regelmäßiger Strafnachrichtenaustausch statt, in dessen Rahmen das Bundesministerium der Justiz das türkische Justizministerium von allen durch deutsche Gerichte ausgesprochenen rechtskräftigen Verurteilungen, die türkische Staatsangehörige betreffen, und nachfolgenden Maßnahmen unterrichtet, die in das Strafregister eingetragen worden sind. Für die Türkei ist das Abkommen am 22. September 1969, für die Bundesrepublik Deutschland am 1. Januar 1977 in Kraft getreten. Die Strafnachrichten werden vom Generalbundesanwalt beim BGH - Dienststelle Bundeszentralregister - erstellt und durch das Auswärtige Amt quartalsweise - automatisch und mittels Sammelberichts - über die türkische Botschaft dem türkischen Justizministerium übermittelt. Inhalt dieser Strafnachrichten sind neben den persönlichen Daten des Betroffenen das Datum der Verurteilung und der (letzten) Straftat, die Bezeichnung des erkennenden Gerichts sowie das Aktenzeichen des Verfahrens, die zur Verurteilung gelangten Straftaten nach ihrer abstrakten Deliktsbezeichnung nebst den entsprechenden Strafvorschriften, Art und Höhe der verhängten Strafe und etwaige Nebenfolgen oder Nebenstrafen. Die Strafnachrichten werden in der Türkei von der Generalsicherheitsdirektion in Ankara erfasst. Die örtlich zuständige Polizeibehörde wird benachrichtigt. Bei einer Ausschreibung zur Fahndung im Fahndungscomputer wird auch das örtlich zuständige Personenstandsamt informiert (vgl. BMJ vom 22. Mai 1998 an VG Freiburg zu A 8 K 12201/95 und vom 2. März 1998 an VG Wiesbaden zu 6 E 31984/94.A(2); AA vom 15. Mai 1998 an VG Freiburg zu A 8 K 12201/95 und vom 3.April 1998 an VG Wiesbaden zu 6 E 6421/90(2); Senatsverwaltung für Justiz vom 13. Mai 1998 an VG Berlin zu VG 36 X 98.96; Generalbundesanwalt vom 23. März 1998 an VG Wiesbaden zu 6 E 6421/90 und vom 27. Juni 1997 an VG Gießen zu 10 E 11337/93.A(4); OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. Februar 2000 - 10 A 11821/98.OVG - m. w. N.).

Im vorliegenden Fall ist das türkische Justizministerium über die rechtskräftige Verurteilung des Klägers bislang, d. h. bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats, nicht unterrichtet worden. Ausweislich des Schreibens des Bundesministeriums der Justiz vom 24. Mai 2002 an den Senat ist zwar über die Verurteilung am 16. Oktober 2001 programmgesteuert eine Strafnachricht erstellt worden, die vom Generalbundesanwalt zusammen mit anderen Strafnachrichten dem Bundesjustizministerium zum Zwecke der Weiterleitung vorgelegt wurde; diese Weitergabe ist indessen aus organisatorischen Gründen bislang unterblieben.

Es ist auch nicht feststellbar, dass die türkischen Behörden auf anderem Wege als im Rahmen eines regulären Strafnachrichtenaustausches Kenntnis von der Verurteilung des Klägers oder die ihr zugrunde liegende Tat erlangt haben könnten, zumal nach dem genannten Schreiben des Bundesjustizministeriums dort ein den Kläger betreffendes türkisches Rechtshilfeersuchen bislang nicht eingegangen ist. Mithin ist allein die mögliche elektronische Übermittlung der Verurteilung in die Verfolgungsprognose einzustellen.

bbb) Es liegt nahe, dass in einem absehbaren Zeitraum die vom Generalbundesanwalt erstellte Strafnachricht über die Verurteilung des Klägers durch das Bundesjustizministerium im Rahmen des regulären Strafnachrichtenaustausches zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei an das türkische Justizministerium (Art. 22 EuRHÜbk) weitergeleitet werden wird, so dass der türkische Staat über die rechtskräftige Verurteilung des Klägers und die abgeurteilte Straftat aufgrund der abstrakten Bezeichnung ("Verbreitung von Kennzeichen eines verbotenen Vereins" u. a.) und der betreffenden Strafvorschriften (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VereinsG u. a.) Kenntnis erlangen wird. Es ist darüber hinaus wohl gesichert, dass die dadurch gewonnenen Informationen von der Generalsicherheitsdirektion in Ankara erfasst werden und die für den Heimatort des Klägers zuständige Polizeibehörde benachrichtigt wird (vgl. AA vom 15. Mai 1998 an VG Freiburg zu A 8 K 12201/95).

(1) Ungeachtet der Nachrichtenübermittlung besteht - im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung des türkischen Grenzregimes - keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger im Falle der Rückkehr bei der Einreisekontrolle verhaftet oder sonstigen asylerheblichen Repressalien ausgesetzt sein wird. Er muss lediglich befürchten, bei der Einreise in die Türkei von der türkischen Grenzpolizei zunächst einer eingehenden Routinekontrolle unterzogen zu werden, weil sich seinen Reisedokumenten ohne Weiteres entnehmen lässt, dass er sich in Deutschland ohne Aufenthaltsgenehmigung aufgehalten hat und nach Beendigung seines Asylverfahrens zur Rückkehr in die Türkei gezwungen ist. Nicht wahrscheinlich ist es hingegen, dass die türkische Grenzpolizei - etwa im Rahmen einer persönlichen Befragung oder durch Rückfragen bei der Generalsicherheitsdirektion oder der für den Heimatort des Klägers örtlich zuständigen Polizeibehörde - von seiner strafrechtlichen Verurteilung erfahren wird.

Im Rahmen der - bei kurdischen Asylbewerbern üblichen - Routineüberprüfung wird der Kläger nicht gezwungen sein, seine strafrechtliche Verurteilung und deren tatsächlichen Hintergrund zu offenbaren. Die in diesem Stadium stattfindenden Untersuchungsmaßnahmen werden, wie ausgeführt worden ist, im Regelfall nicht von Misshandlungen begleitet.

Auch präsente Erkenntnisse zur Verurteilung des Klägers werden den Grenzbehörden nicht zur Verfügung stehen. Es ist insbesondere nicht zu befürchten, dass der Name des Klägers in eine Fahndungsliste eingetragen wird, die gegebenenfalls von den Grenzbehörden über EDV-Anlagen abgerufen würde. Denn eine solche Eintragung würde - wie bereits ausgeführt - nur dann erfolgen, wenn der Kläger eine in der Türkei landesweit gesuchte Person wäre, insbesondere weil die türkischen Behörden ihn als einen ernst zu nehmenden politischen Gegner oder als einen Träger wichtiger Informationen über oppositionelle Organisationen ansähen (vgl. a.i. vom 3. Februar 1999 an VG Sigmaringen; ferner Senatsurteil vom 25. November 1999 - 3 KO 165/96 - m. w. N.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. Februar 2000 - 10 A 11821/98.OVG - m. w. N.). Das liegt fern. Die Gefahr einer landesweiten Fahndung nach dem Kläger ergibt sich noch nicht allein daraus, dass die türkischen Behörden über die geringfügige Verurteilung des Klägers in Deutschland u. a. wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VereinsG) informiert werden. Insoweit ist vor allem in Betracht zu ziehen, dass die türkischen Behörden über Erkenntnisse zum tatsächlichen Tatgeschehen voraussichtlich nicht verfügen werden.

Ein etwaiges Ersuchen der türkischen Behörden auf Übermittlung - über den Inhalt regulärer Strafnachrichten hinausgehender - Informationen über die der Verurteilung zugrunde liegende Straftat würde jedenfalls abgelehnt werden. Zwar kann das Bundesministerium der Justiz dem türkischen Justizministerium - über den regulären Strafnachrichtenaustausch hinaus - auf entsprechendes Ersuchen im Einzelfall grundsätzlich eine Abschrift der in Betracht kommenden Urteile und Maßnahmen sowie weitere diesbezügliche Auskünfte übermitteln (Art. 4 des Zusatzprotokolls vom 17. März 1978 zum EuRHÜbk (BGBl. 1990 II, S. 124, 125; 1991 II, S. 909). Jedoch wird das Ersuchen der türkischen Behörden in Fällen, in denen es sich - wie hier - auf strafbare Handlungen bezieht, die vom ersuchten Staat als politische oder als mit solchen zusammenhängende strafbare Handlungen angesehen werden, regelmäßig nach Art. 2 a EuRHÜbk abgelehnt (vgl. BMJ vom 22. Mai 1998 an VG Freiburg zu A 8 K 12201/95, vom 24. April 1998 an VG Köln zu 15 K 3586/94.A und vom 2. März 1998 an VG Wiesbaden zu 6 E 31984/94.A(2); Senatsverwaltung für Justiz vom 13. Mai 1998 an VG Berlin zu VG 36 X 98.96; Generalbundesanwalt vom 27. Juni 1997 an VG Gießen zu 10 E 11337/93.A(4); OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. Februar 2000 - 10 A 11821/98.OVG - m. w. N.).

Es ist auch nicht ersichtlich, dass die türkischen Behörden über das der Verurteilung zugrunde liegende Tatgeschehen aufgrund einer Übermittlung von Daten an die türkischen Behörden nach Maßgabe des Europäischen Übereinkommens zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Januar 1977 (BGBl. 1978 II, S. 322; 1978 II, S. 907) benachrichtigt worden sind oder jedenfalls noch in einem absehbaren Zeitraum informiert werden. Nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 des Übereinkommens gewähren die Vertragsstaaten einander nur im Zusammenhang mit Verfahren, die in Bezug auf die in Art. 1 oder Art. 2 des Übereinkommens genannten Straftaten eingeleitet werden, Rechtshilfe in Strafsachen. Die abgeurteilte Straftat des Klägers (Verbreitung von Kennzeichen eines verbotenen Vereins, § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VereinsG, in Tateinheit mit Sachbeschädigung, § 303 StGB) unterfällt insbesondere nicht dem abschließenden Katalog des Art. 1 des Übereinkommens, der lediglich Straftaten im Sinne des Übereinkommens zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen (Buchstabe a), des Übereinkommens zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt (Buchstabe b), schwere Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die Freiheit völkerrechtlich geschützter Personen (Buchstabe c), Entführungen, Geiselnahmen, schwere widerrechtliche Freiheitsentziehungen (Buchstabe d), bestimmte gemeingefährliche Straftaten (Buchstabe e), sowie der Versuch oder die Beihilfe zu diesen Straftaten (Buchstabe f) erfasst. Sie stellt ferner keine nach Art. 2 des Übereinkommens relevante Straftat dar. Nach dieser Vorschrift kann ein Vertragsstaat auch bei sonstigen schweren Gewalttaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die Freiheit einer Person (Abs. 1), bei schweren gemeingefährlichen Straftaten gegen Sachen (Abs. 2) oder beim Versuch oder der Beihilfe zu diesen Straftaten (Abs. 3) eine Entscheidung darüber treffen, ob er ungeachtet dessen, ob die betreffende Straftat eine politische darstellt, mit einer solchen zusammenhängt oder auf politischen Beweggründen beruht, Rechtshilfe in Strafsachen grundsätzlich gewährt (vgl. auch Art. 8 Abs. 1 des Übereinkommens). Zwar hat die Bundesrepublik Deutschland von dieser Ermächtigung in Art. 2 des Zustimmungsgesetzes vom 28. März 1978 (BGBl. II, S. 321) - in Bezug auf Straftaten nach Art. 2 Abs. 1 und 2 des Übereinkommens - unter der Voraussetzung Gebrauch gemacht, dass die jeweilige Tat bei Abwägung aller Umstände, insbesondere der Beweggründe des Täters sowie der Art ihrer Ausführung und ihrer verschuldeten Auswirkungen, kein angemessenes Mittel ist, das mit ihr erstrebte Ziel zu erreichen. Indessen handelt es sich weder bei dem Verstoß gegen das Vereinsgesetz (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VereinsG) noch bei der damit in Tateinheit begangenen Sachbeschädigung (§ 303 StGB) um Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die Freiheit einer Person (vgl. Art. 2 Abs. 1 des Übereinkommens) oder um - eine Gemeingefahr für Personen begründende - schwere Straftaten gegen Sachen (Art. 2 Abs. 2 des Übereinkommens).

Ebenso wenig wahrscheinlich sind Rückfragen bei der für den Heimatort des Klägers örtlich zuständigen Polizeibehörde oder der Generalsicherheitsdirektion zu erwarten. Es fehlt an konkreten Anhaltspunkten dafür, dass die grenzpolizeiliche Überprüfung des Klägers über eine persönliche Befragung und die Vornahme eines Abgleichs mit dem Fahndungsregister hinausgehend die Einholung weiterer Auskünfte etwa bei der für seinen Heimatort zuständigen Polizeibehörde oder beim Zentralen Amt für Sicherheit umfassen wird. Solche weitergehenden Untersuchungsmaßnahmen sind zwar im Rahmen des türkischen Grenzregimes schon allein deshalb denkbar, wenn nach den Feststellungen der Grenzpolizei der Betreffende abgeschoben worden ist, keine gültigen Reisedokumente besitzt oder er sich - ausweislich der Eintragungen im Reisepass - ohne Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland aufgehalten bzw. ein Asylverfahren durchlaufen hat (vgl. AA, Lageberichte vom 24. Juli 2001 und 20. März 2002; Auskunft vom 28. Januar 2002 an OVG Hamburg zu 4 Bf 4/92.A; Rat der EU vom 30. August 2001, Bericht über eine Informationsreise in die Türkei vom 17.-23. März 2001; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. Februar 2000 - 10 A 11821/98.OVG-m. w. N.). Den vorliegenden Erkenntnissen ist indessen nicht zu entnehmen, dass sie regelmäßig oder in den meisten Fällen ohne Bestehen entsprechender Verdachtsmomente erfolgen. So spricht das Auswärtige Amt lediglich davon, dass entsprechende Überprüfungsmaßnahmen wie die Durchführung eines Abgleichs mit der Personenstandsbehörde und dem Fahndungsregister nur "unter Umständen" erfolgt bzw. "nicht auszuschließen" sei (vgl. AA vom 28. Januar 2002 an OVG Hamburg zu 4 Bf 4/92.A). Der Rat der Europäischen Union beschränkt sich auf die Feststellung, dass "in bestimmten Fällen ... über andere Behörden ... weitere Auskünfte eingeholt" würden, ohne diese Fallkonstellationen näher zu beschreiben (Rat der EU vom 30. August 2001, Bericht über eine Informationsreise in die Türkei vom 17.-23. März 2001). Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für die Vornahme weitergehender Überprüfungsmaßnahmen kann daraus jedenfalls für diejenigen Fälle, in denen keine zusätzlichen Verdachtsmomente hinsichtlich einer Regimegegnerschaft oder einer Verbindung mit illegalen kurdischen Organisationen vorliegen, nicht abgeleitet werden.

Ist es nach alledem nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die türkische Grenzpolizei von der Verurteilung des Klägers in Deutschland wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VereinsG) Kenntnis erhalten wird, ist davon auszugehen, dass die Überprüfung des Klägers sich in einer ausführlichen persönlichen Befragung und gegebenenfalls der Vornahme eines Abgleichs mit dem Fahndungsregister erschöpfen wird.

(2) Es ist ferner nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr in seine Heimatregion, insbesondere in seinen früheren Wohnort K oder nach G, Verfolgungsmaßnahmen durch die türkischen Sicherheitsbehörden ausgesetzt sein wird. In welchem Umfang die örtlich zuständige Polizeibehörde über eine strafrechtliche Verurteilung eines türkischen Staatsangehörigen in Deutschland informiert wird, ist schon nicht feststellbar.

Die bereits mehrfach zitierte Auskunft des Auswärtigen Amtes beschränkt sich auf die bloße Mitteilung, dass eine Benachrichtigung erfolgt (vgl. AA vom 15. Mai 1998 an VG Freiburg zu A 8 K 12201/95). Auf den Inhalt der Unterrichtung und etwa zu erwartende Maßnahmen bezieht sich die Auskunft nicht. Die anderweitig erhobenen Erkenntnisse vermitteln ebenso kein weiter führendes Bild, obwohl die Sachkunde bestimmter Stellen hier außer Frage steht (vgl. insbesondere BMJ vom 22. Mai 1998 und Generalbundesanwalt vom 16. April 1998 jeweils an VG Freiburg zu A 8 K 12201/95). Selbst wenn man unterstellt, dass auch die örtlich zuständige Polizeibehörde vom gesamten Inhalt einer Strafnachricht Kenntnis erlangt, liegt nach Einschätzung des Senats kein Sachverhalt vor, in Ansehung dessen eine Rückkehrgefährdung zu bejahen wäre. Auch in diesem Fall ist nicht erkennbar, dass aus der Sicht der örtlich zuständigen Sicherheitsbehörden der Kläger aus der allgemeinen Gruppe kurdischer Rückkehrer in erheblicher Weise hervortreten und damit als (mutmaßlicher) Regimegegner in ein besonderes Blickfeld geraten wird. Der Inhalt einer Strafnachricht erschöpft sich - wie bereits ausgeführt - im Wesentlichen in der Mitteilung der persönlichen Daten des Betroffenen, der abgeurteilten Straftaten nach ihrer abstrakten Deliktsbezeichnung nebst den entsprechenden Strafvorschriften und der Art und Höhe der verhängten Strafen und etwaiger Nebenfolgen. Informationen zu dem der Verurteilung zugrunde liegenden Tatgeschehen sind darin nicht enthalten. Entsprechende Anhaltspunkte ergeben sich im vorliegenden Fall nicht schon aus den verwirklichten Straftatbeständen selbst. Das gilt insbesondere für die Verbreitung von Kennzeichen eines verbotenen Vereins (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VereinsG). Unter Berücksichtigung des verhängten außerordentlich geringen Strafmaßes von nur 10 Tagessätzen wegen einer - zudem in Tateinheit mit einem weiteren Delikt begangenen - Straftat ist nicht ohne Weiteres erkennbar, inwiefern sich aus der Sicht einer türkischen Polizeibehörde Hinweise auf die Begehung einer Straftat im engeren Sinne mit politischem Hintergrund ergeben könnten. Die Höhe des Strafmaßes hält sich vielmehr in einem Rahmen, der auch der Ahndung einer Ordnungswidrigkeit entsprechen könnte. Der Inhalt der Strafnachricht allein kann nicht nahe legen, dass die abgeurteilte Tat Aktivitäten für die PKK oder deren Teilorganisationen, die in der Bundesrepublik Deutschland ebenfalls als terroristische politische Organisationen eingestuft werden, zum Gegenstand hat. Das gilt auch im Hinblick auf die kurdische Volkszugehörigkeit des Klägers. Weitere konkrete Umstände, die den Kläger aus der allgemeinen Gruppe kurdischer Rückkehrer hervortreten lassen, liegen hier nicht vor. Solche ergeben sich insbesondere weder aus einem politischen Engagement des Klägers noch aufgrund sonstiger Ereignisse vor seiner Ausreise aus der Türkei, denn der klägerische Sachvortrag zum geltend gemachten Verfolgungsschicksal erweist sich - wie bereits ausgeführt - insgesamt als unglaubhaft.

b) Eine Rückkehrgefährdung des Klägers ergibt sich auch nicht daraus, dass er den türkischen Behörden namentlich bekannt geworden ist, weil die Ausländerbehörde etwa - wie er durch seinen Bevollmächtigten behauptet - seine persönlichen Daten unter Angabe des "Aufenthaltszweckes" zur Ausstellung gültiger Reisedokumente übermittelt hat und er dadurch in ein für ihn gefährliches, besonderes Blickfeld des türkischen Staates geraten ist. Ungeachtet dessen, dass der Kläger substantiierte Angaben hierzu nicht macht und sich insoweit auch den beigezogenen Verwaltungsvorgängen der Ausländerbehörde (2 Aktenhefter) nichts entnehmen lässt, ergeben sich aus einem solchen Vorgehen keine Umstände, aufgrund deren die türkische Botschaft oder andere türkische Behörden den Kläger etwa als Regimegegner eingestuft haben könnten und ihm deshalb eine besondere Aufmerksamkeit zuteil werden könnte. Es ist nicht ersichtlich, dass eine etwaige Korrespondenz zur Beschaffung von Reisepapieren zwischen der türkischen Auslandvertretung und deutschen Behörden zugleich Informationen zur politischen Einstellung des Asylbewerbers, zu exilpolitischen Aktivitäten oder zu dessen Asylverfahren, insbesondere den geltend gemachten Asylgründen zum Gegenstand haben könnte.

c) Zu Gunsten des Klägers kann auch nicht angenommen werden, dass ihm bei einer Rückkehr in die Türkei politische Verfolgung - unter dem Gesichtspunkt einer Sippenhaft - mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Insoweit kann offen bleiben, unter welchen konkreten tatsächlichen Voraussetzungen im Einzelnen überhaupt nahe Familienangehörige in der Türkei in die Verfolgung einbezogen werden können. Jedenfalls scheidet eine Sippenhaftgefährdung von vornherein aus, weil der Tatsachenvortrag des Klägers keine tatsächlichen Umstände enthält, die auf eine solche Gefährdung schließen ließen. Es fehlt schon ansatzweise an einer substantiierten Darlegung von bestimmten politischen Aktivitäten der benannten Familienangehörigen des Klägers in der Türkei oder gegen sie gerichteter Verfolgungsmaßnahmen. Weder genügt dafür die bloße Behauptung des Klägers, er stamme aus einer Familie, deren Mitglieder in der Türkei bereits Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen seien, noch der alleinige Hinweis auf den aufenthaltsrechtlichen Status einzelner Verwandter.

4. Auch bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände, die die innenpolitische Lage insbesondere in Bezug auf die kurdische Bevölkerung in der Türkei (vgl. hierzu näher HessVGH, Urteil vom 4. Dezember 2000 - 12 UE 968/99 -, S. 17-31 und S. 45-55 UA), das Grenzregime bei kurdischen Asylbewerbern, das Vorgehen gegen Anhänger bzw. Mitglieder der PKK im Lande, die persönliche Situation des Klägers, insbesondere seine Exilaktivitäten und die rechtskräftige Verurteilung u. a. wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VereinsG) im Rahmen der Verfolgungsprognose würdigt, ist die Gefahr politischer Verfolgung für den Fall der Rückkehr in die Türkei zwar nicht auszuschließen. Die für den Abschiebungsschutz gemäß § 51 Abs. 1 AuslG erforderliche positive Feststellung, dass dem Kläger politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, lässt sich nach den vorliegenden Erkenntnissen zur Überzeugung des Senats aber nicht treffen.

C.

Dem Kläger ist auch kein Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG zu gewähren.

Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 1 AuslG oder § 53 Abs. 4 AuslG i. V. m. Art. 3 EMRK scheidet bereits deshalb aus, weil nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr in die Türkei seitens der dortigen Behörden der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein wird. Auch in Anbetracht dessen, dass in der Türkei Misshandlungen oder Folter insbesondere während einer Polizeihaft häufig vorkommen, drohen jedenfalls dem Kläger keine solche Maßnahmen, da er gegen ihn gerichtete Verfolgungsmaßnahmen, insbesondere eine Inhaftierung, - wie unter B. dargelegt - nicht zu gewärtigen hat.

Ein Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG kommt ebenfalls nicht in Betracht.

Individuelle Gefahren - wie dies für den Regelfall erforderlich ist (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 15.95 - NVwZ 1996, 476)- bestehen für den Kläger nicht. Besondere Umstände aus seiner Biografie, die darauf hinweisen, dass er Opfer lebens-, leibes- oder freiheitsgefährdender Maßnahmen oder sonstiger Rechtsgutbeeinträchtigungen werden könnte, sind nicht ersichtlich. Die Auswirkungen der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Existenzbedingungen für Rückkehrer kurdischer Volkszugehörigkeit in der Türkei sind allgemeiner Natur, weil sie nahezu alle kurdischen Flüchtlinge gleichermaßen treffen. Sie sind deshalb grundsätzlich nach § 53 Abs. 6 Satz 2 i. V. m. § 54 AuslG auf politischer Ebene zu bewältigen und können keinen Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG begründen.

Eine extreme allgemeine Gefahrenlage in dem Sinne, dass der Kläger gleichsam sehenden Auges den sicheren Tod oder schwerste Verletzungen zu gewärtigen hätte, die ohne Rücksicht auf die Sperrwirkung nach Satz 2 der Vorschrift bei verfassungskonformer Auslegung zu berücksichtigen sind (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 15.95 - NVwZ 1996, 476), ist ebenso auszuschließen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger insbesondere in seiner Heimatregion in der Türkei keine Unterkunft etwa bei Familienangehörigen oder keine wirtschaftliche Existenzgrundlage finden könnte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Ungeachtet einer solchen Möglichkeit droht ihm auch mit Rücksicht auf die schwierigen Existenzbedingungen für kurdische Binnenwanderer in der Türkei jedenfalls nicht landesweit eine extreme Lebens- oder Leibesgefahr im vorbezeichneten Sinne. Ungeachtet der Frage, ob noch für den jetzigen Zeitpunkt das Existenzminimum von Rückkehrern kurdischer Volkszugehörigkeit als grundsätzlich gesichert angesehen werden kann, wie es der Senat im bereits mehrfach zitierten Urteil vom 25. November 1996 - 3 KO 165/96 - für das Jahr 1999 im Rahmen einer angenommenen inländischen Fluchtalternative für den Westen der Türkei bejaht hat, ergeben sich aus den aktuellen in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen unter dem Blickwinkel einer Gefährdung des wirtschaftlichen Existenzminimums jedenfalls keine tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage für kurdische Rückkehrer (vgl. AA vom 6. August 1999 an VG Schleswig zu 12 A 148/98 und vom 5. Juni 2000 an OVG Hamburg zu 5 Bf 1/92.A; Lagebericht vom 20. März 2002; a.i. vom 7. Oktober 1999 an VG Frankfurt/Main zu 1 E 32415/94.A(V); Oberdiek vom 27. April 2000 an OVG Hamburg zu 5 Bf 1/92.A; SFH vom 1. Juni 2001, "Türkei im Mai 2001").

D.

Die erlassene Abschiebungsandrohung ist in vollem Umfang rechtmäßig.

Da der Kläger nicht als Asylberechtigter anzuerkennen ist, keine Aufenthaltsgenehmigung besitzt und keine Abschiebungshindernisse bestehen, war er gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i. V. m. § 50 AuslG unter Androhung der Abschiebung mit Fristsetzung zur Ausreise aufzufordern. Die Bezeichnung der Türkei als Zielstaat einer Abschiebung ist ebenfalls nicht zu beanstanden (vgl. § 50 Abs. 2 AuslG).

E.

Der Kläger hat als unterlegener Rechtsmittelführer auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO). Es entspricht nicht der Billigkeit, ihm auch etwaige außergerichtliche Kosten des Bundesbeauftragten aufzuerlegen, denn dieser hat keinen Antrag gestellt und sich damit im Verfahren keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 154 Abs. 3 VwGO entsprechend).

Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Gründe, aus denen die Revision zuzulassen ist, sind nicht ersichtlich (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Ende der Entscheidung

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