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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 29.06.2007
Aktenzeichen: 3 ZO 1098/06
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 87a
VwGO § 87a Abs. 1 Nr. 2
VwGO § 87a Abs. 1 Nr. 3
VwGO § 87a Abs. 3
Wird ein Rechtsstreit im vorbereitenden Verfahren vor dem OVG durch Rücknahme (Verzicht, Anerkenntnis) oder durch beiderseitige Erledigungserklärung beendet (vgl. § 87a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 VwGO), so ist der Vorsitzende oder der Berichterstatter auch für die Entscheidung über eine Beschwerde zuständig, die sich gegen die Ablehnung eines PKH-Gesuchs durch die erste Instanz richtet (wie OVG Hamburg, Beschluss vom 12.09.2006 - 3 Bs 387/05 -, NVwZ-RR 2007, 211).

Demgegenüber dürfte der Senat (in der Besetzung mit drei Richtern) für die Entscheidung über eine Beschwerde im PKH-Verfahren zuständig sein, wenn eine solche Verfahrensbeendigung (z. B. durch Klagerücknahme) bereits in erster Instanz eingetreten ist (und daher der erstinstanzliche Berichterstatter nach Maßgabe des § 87a Abs. 1 Nr. 2 und 3 und Abs. 3 VwGO entschieden hat).


THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 3. Senat - Beschluss

3 ZO 1098/06 In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Schwerbehindertenrechts,

hier: Beschwerde (PKH) nach Antrag

hat der 3. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schwachheim als Berichterstatter am 29. Juni 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Ablehnung ihres Prozesskostenhilfegesuchs durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gera vom 22. November 2006 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.

1. Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde gegen die Ablehnung des erstinstanzlichen Prozesskostenhilfegesuchs ist in entsprechender Anwendung der §§ 87a Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3, 125 Abs. 1 VwGO der Berichterstatter (und nicht der Senat in der Besetzung mit drei Richtern).

Dem steht nicht entgegen, dass in § 87a Abs. 1 Nr. 3 VwGO ausdrücklich nur von "Antrag auf Prozesskostenhilfe" die Rede ist:

Durch die Ergänzung der Bestimmungen der Nummern 2 und 3 des § 87a Abs. 1 VwGO jeweils um den Passus "auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe" durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 (BGBl. I 2198) hat der Gesetzgeber für das vorbereitende Verfahren in erster Instanz geregelt, dass dann, wenn ein Verfahren durch Rücknahme (Verzicht, Anerkenntnis) oder durch beiderseitige Erledigungserklärung beendet wird, der Vorsitzende oder der Berichterstatter (§ 87a Abs. 3 VwGO) - anders als nach bis dahin gültig gewesenem Recht - auch im "Annexverfahren" über ein Prozesskostenhilfegesuch entscheidet. Der Vorsitzende oder Berichterstatter (im Folgenden wird der Vereinfachung halber nur noch auf die Zuständigkeit des Berichterstatters abgestellt) soll nunmehr also dann, wenn er für die abschließende Entscheidung in der "Hauptsache" zuständig ist, auch über die "Nebensache" Prozesskostenhilfe entscheiden. Dadurch wird im Sinne einer prozessökonomischen Vereinfachung vermieden, dass sich unterschiedliche gesetzliche Richter mit inhaltlich oft identischen Streitverhältnissen befassen müssen. Die Befassung nur eines Richters mit dem Prozesskostenhilfeverfahren anstelle des Spruchkörpers mit drei Richtern verringert zugleich den Arbeitsaufwand und trägt so zur erwünschten Entlastung der Gerichte bei. Zudem wird der - zumindest theoretisch bestehenden - "Gefahr" begegnet, dass Entscheidungen getroffen werden, die sich inhaltlich widersprechen, wie es etwa der Fall sein könnte, wenn der Berichterstatter nach beiderseitiger Erledigungserklärung die Kosten des Verfahrens dem i. S. d. Prozesskostenhilferechts bedürftigen Kläger auferlegt, weil seiner Ansicht nach die Klage keinerlei Aussicht auf Erfolg hat, während die Kammer in ihrer Entscheidung über den PKH-Antrag in der Besetzung mit drei Richtern mehrheitlich immerhin hinreichende Erfolgsaussichten i. S. d. § 114 ZPO bejaht.

Gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO gilt (u. a.) § 87a VwGO für das zweitinstanzliche Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht entsprechend. Schon wegen dieser nur entsprechenden Anwendung der Vorschriften über das erstinstanzliche Verfahren auch für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht erscheint eine eng an dem Wortlaut "Antrag auf Prozesskostenhilfe"- und nicht "Beschwerde" (gegen eine Entscheidung über einen Prozesskostenhilfeantrag) - orientierte Argumentation, wonach es sich verbiete, "eine die Vorschriften über den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) modifizierende Ausnahmevorschrift ... über ihren Wortlaut hinaus erweiternd auszulegen", nicht eben nahe liegend (anders aber: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. November 2006 - 11 S 1918/06 -, Juris, Rdn. 3 a. E.). Es dürfte unstreitig sein, dass der Berichterstatter beim Oberverwaltungsgericht gemäß § 87a VwGO sowohl bei einer Rücknahme der Klage als auch bei einer Rücknahme der Berufung zu entscheiden hat - obwohl § 87a Abs. 1 Nr. 2 VwGO "wortlautmäßig" nur den ersten Fall erfasst. Die gesetzliche Anweisung des § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO gibt - gleichsam selbstverständlich - vor, dass die Zuständigkeit des Berichterstatters gemäß § 87a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VwGO in zweiter Instanz nicht nur bei Rücknahme der Klage, sondern auch bei Rücknahme der Berufung gilt.

Im Lichte der eingangs erwähnten ratio der Neufassung der - unmittelbar nur für das erstinstanzliche Verfahren geltenden - Nummern 2 und 3 des § 87a Abs. 1 VwGO ist daher auf Grund der nach Maßgabe des § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO entsprechenden Anwendung der für das erstinstanzliche Verfahren geltenden Vorschriften der Berichterstatter beim Oberverwaltungsgericht dann, wenn er im Falle der Beendigung des Rechtsstreits durch Rücknahme (Verzicht, Anerkenntnis) oder durch beiderseitige Erledigungserklärung zur Entscheidung in der "Hauptsache" berufen ist, auch für die Entscheidung(en) im "Annexverfahren" über die Prozesskostenhilfe zuständig - gleichviel, ob es sich dabei um einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (für das Verfahren zweiter Instanz) oder eine Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch die erste Instanz handelt. Alles andere liefe dem Ziel, das der Gesetzgeber mit der Neufassung der Nummern 2 und 3 des § 87a Abs. 1 VwGO verfolgt hat, zuwider (im Ergebnis ebenso: OVG Hamburg, Beschluss vom 12. September 2006 - 3 Bs 387/05 -, NVwZ-RR 2007, 211; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. März 2005 - 22 E 958/04 -, Juris).

Anders mag die Zuständigkeitsfrage freilich zu beurteilen sein, wenn das "Hauptsacheverfahren" nicht erst in zweiter Instanz durch Rücknahme (Verzicht, Anerkenntnis) oder durch beiderseitige Erledigungserklärung beendet wird, sondern bereits in erster Instanz (diese Konstellation lag dem Beschluss des Bayerischen VGH vom 11. August 2005 - 24 C 05.1190 -, Juris, vgl. Rdn. 5 f., zu Grunde). Ohne dass dies hier zu entscheiden wäre, spricht jedenfalls vieles dafür, dass in einem solchen Falle (so, wie es der BayVGH in dem vorerwähnten Beschluss entschieden hat) der Senat "in voller Besetzung" (und nicht der Berichterstatter) zur Entscheidung berufen ist. Denn dann gibt es gar keinen Grund für die Konzentration der Zuständigkeit für mehrere zu treffende Entscheidungen beim Berichterstatter. In diesem Falle nämlich hat das Oberverwaltungsgericht nur die eine Entscheidung über die Beschwerde im PKH-Verfahren zu treffen. Eine Zuständigkeit des zweitinstanzlichen Berichterstatters für die Entscheidung in der "Hauptsache" besteht gar nicht; diese Zuständigkeit indes müsste gegeben sein, damit ihm nach Maßgabe der Nummern 2 und 3 des § 87a Abs. 1 VwGO "auch" die Entscheidung im PKH-Verfahren obliegt. Hinzu kommt, dass auch der og. Aspekt der Vermeidung möglicher gegenläufiger Entscheidungen in derselben Instanz hier nicht verfängt, weil das Oberverwaltungsgericht eben nur eine Entscheidung zu treffen hat.

Mithin dürfte dann, wenn das Verfahren in erster Instanz durch Rücknahme (Verzicht, Anerkenntnis) oder durch beiderseitige Erledigungserklärung beendet wird, über eine Beschwerde im Prozesskostenhilfeverfahren der Senat (in voller Besetzung) zu entscheiden haben, weil die Voraussetzungen des § 87a Abs. 1 Nrn. 2 und 3, Abs. 3 VwGO für einen Übergang der Zuständigkeit auf den Berichterstatter nicht vorliegen (insoweit a. A.: OVG Nordrhein-Westfalen, a. a. O.). Tritt eine derart bedingte Verfahrensbeendigung aber - wie hier - erst im vorbereitenden Verfahren zweiter Instanz ein, so folgt die Zuständigkeit für die Entscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren der Zuständigkeit des Berichterstatters für die Entscheidung in der "Hauptsache".

2. Die Beschwerde gegen die Ablehnung des Prozesskostenhilfegesuchs ist unbegründet, weil das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht mangels hinreichender Erfolgsaussichten (vgl. § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO) abgelehnt hat.

Dies ergibt sich bereits aus den Ausführungen im Beschluss vom heutigen Tage im Verfahren 3 EO 1097/06 (betr. die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch denselben Beschluss des Verwaltungsgerichts, gegen den sich auch die hier gegenständliche Beschwerde richtet); auf diese Ausführungen wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug genommen.

Gerichtskosten fallen gemäß § 188 VwGO nicht an; dem Gegner entstandene Kosten werden nicht erstattet (§ 166 VwGO i. V. m. §§ 118 Abs. 1 Satz 4, 127 Abs. 4 ZPO). Daher sind ein gerichtlicher Kostenausspruch und eine Streitwertfestsetzung nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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