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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 16.12.2008
Aktenzeichen: 4 EO 435/03
Rechtsgebiete: ThürKAG


Vorschriften:

ThürKAG § 7 Abs. 1 S. 1
Ein ca. 35 m langer Stichweg, der von einer Bundesstraße abzweigt, ist nach dem landesrechtlichen Straßenausbaubeitragsrecht als selbständige Verkehrsanlage zu behandeln (§ 7 Abs. 1 Satz 1 ThürKAG).
THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 4. Senat - Beschluss

4 EO 435/03 In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausbaubeiträge,

hier: Beschwerde nach §§ 80, 80a VwGO

hat der 4. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Prof. Dr. Aschke, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Blomenkamp und den Richter am Oberverwaltungsgericht Gravert am 16. Dezember 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Weimar vom 3. April 2003 - Az. 3 E 131/02.We - wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens im ersten und zweiten Rechtszug hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.389,83 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag.

Die Antragsgegnerin veranlagte den Antragsteller durch Bescheid vom 28.11.2001 für das Grundstück in der Gemarkung M , Flur 6, Flurstück a , zu einem Straßenausbaubeitrag für die Verbesserung der Teileinrichtungen Gehweg, Straßenbeleuchtung und Straßenbegleitgrün der B 84/176 in M in Höhe von 10.873,12 DM. Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 18.12.2001, das am 19.12.2001 bei der Antragsgegnerin einging, ließ der Antragsteller gegen diesen und einen weiteren Beitragsbescheid für das Flurstück b Widerspruch erheben und beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung. Der Widerspruch wurde damit begründet, die Grundstücke würden nicht durch die B 84/176 erschlossen. Zwischen der Straße und den Flurstücken lägen jeweils andere Flurstücke, die nicht im Eigentum des Antragstellers stünden. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung durch Schreiben vom 11.01.2002 ab.

Am 04.02.2002 stellte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz. Zur Begründung führte er aus, dass die Herstellung einer Erschließungsanlage nur einem dadurch erschlossenen Grundstück einen Vorteil verschaffe. Dafür sei entscheidend, dass eine Zuwegung vorhanden sei. Daran fehle es hier. Die Flurstücke a und b würden seit etwa 1950 als Sportplatz genutzt. In einem von der Antragsgegnerin selbst in Auftrag gegebenen Gutachten des Gutacherausschusses für Grundstückswerte sei festgestellt worden, dass auf Grund der Errichtung des Sportplatzes eine Zuwegung zu dem Grundstück nicht mehr vorhanden und es auch nicht mit Ver- und Entsorgungsleitungen erschlossen sei. Die Lage der Grundstücke habe der Gutachterausschuss als Außenbereich oder zumindest Außenbereich im Innenbereich eingestuft und bei der Bewertung die Entwicklungsstufe begünstigten Ackerlandes unterstellt. Unerheblich sei, dass die Grundstücke des Antragstellers an das im Eigentum der Antragsgegnerin stehende Flurstück c__ angrenzten, das seinerseits eine Grenze mit der abgerechneten Bundesstraße habe. Über das Flurstück c___ werde nämlich tatsächlich keine Zuwegung zu den Grundstücken des Antragstellers hergestellt. Das Flurstück sei nicht als Weg gewidmet worden und sei teilweise Bestandteil des Sportplatzes, getrennt durch dessen Einzäunung. Die Bewohner des Grundstücks d___ hätten die Fahrbahn auf eigene Kosten befestigt. Selbst wenn man aber eine Zuwegung annehme, sei der Bescheid rechtswidrig, weil er eine erheblich größere beitragspflichtige Fläche zugrunde lege, als sich nach der Satzung ergebe (wird ausgeführt).

Der Antragsteller hat beantragt,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid Nr. 10000033 vom 28.11.2001 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie hat den angegriffenen Bescheid unter anderem damit verteidigt, dass es sich bei der abgerechneten Maßnahme um die Verbesserung der Teileinrichtungen einer endgültig hergestellten Straße handele, die gemäß § 7 ThürKAG beitragsfähig sei. Eine Zuwegung zu den Grundstücken des Antragstellers sei vorhanden. Denn sie grenzten an eine erschließungsrechtlich unselbständige öffentliche Zuwegung, nämlich das Flurstück c___. Dieses Flurstück sei von der Widmung der öffentlichen Anlage erfasst (§ 52 Abs. 6 Thüringer Straßengesetz). Dass Anlieger die Zuwegung auf eigene Kosten befestigt hätten, ändere daran nichts. Auch wenn der hintere Teil als Sportplatz genutzt werde, handele es sich um eine öffentliche Fläche. Das Gutachten sei insoweit unrichtig. Die Grundstücke des Antragstellers seien entsprechend ihrer Nutzung als Sportplatz gemäß der Satzung bewertet und die Grundstücksfläche sei mit dem Faktor 0,5 vervielfacht worden. Die Lage der Grundstücke im Innen- oder Außenbereich sei für diese Bewertung unerheblich.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag durch Beschluss vom 03.04.2003 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die SAB von 1996 offenkundig fehlerhaft bekannt gemacht worden und nichtig sei. Bei der Bekanntmachung vom 07.11.1996 sei aus dem Impressum des Amtsblatts nicht ersichtlich, ob der Einzelbezug kostenlos oder nur entgeltlich möglich sei. Vor allem fehle es an der zwingenden Voraussetzung, dass die Form der Bekanntmachung von Satzungen in einer gültigen Hauptsatzung geregelt sein müsse (§ 21 Abs. 1 Satz 2 ThürKO i. V. m. § 1 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 ThürBekVO). Die Bekanntmachungsregelung in der Hauptsatzung vom 01.01.1994 der Antragsgegnerin sei ungültig, weil die "Form" der Bekanntmachung nicht, wie gesetzlich vorgeschrieben, hinreichend deutlich festgelegt sei. Aus den gleichen Gründen ließe sich eine fehlerfreie Bekanntmachung der SAB auch nicht auf die vorangegangenen Hauptsatzungen von 1991 und 1994 stützen. Darüber hinaus sei die Satzung auch materiell nichtig, weil sie in § 1 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 und 2 SAB widersprüchliche Regelungen über den Kreis der Beitragspflichtigen enthalte. Auch die Straßenausbaubeitragssatzung vom 23.04.2002 (SAB 2002) und die 1. Änderungssatzung vom 12.12.2002 böten keine Rechtsgrundlage, weil sie aus den gleichen Gründen nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden seien. Außerdem ergebe sich die Nichtigkeit aus der Perplexität der §§ 1 und 9 SAB 2002. Die SAB 2002 sei nicht durch die 1. Änderungssatzung geheilt worden, weil nur punktuelle Änderungen erfolgt seien. Der Beitrag lasse sich auch nicht auf die Straßenausbaubeitragssatzung vom 16.07.1992 stützen, weil die Satzung ohne Datum ausgefertigt worden sei und zudem wegen der zwischenzeitlichen Gesetzesänderungen ungültig geworden wäre.

Gegen diesen am 15.04.2003 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 17.04.2003 Beschwerde eingelegt und am 08.05.2003 begründet. Darin macht sie geltend, die Straßenausbaubeitragssatzung sei auch bei Anlegung strenger Maßstäbe ordnungsgemäß veröffentlicht worden. Der Hinweis auf den Einzelbezug im Impressum sei bei verständiger Würdigung dahin auszulegen, dass das Amtsblatt auch im Einzelbezug kostenlos erhältlich sei. Des Weiteren sei die Bekanntmachungsregelung in der Hauptsatzung nicht unwirksam. Die gesetzliche Forderung, die "Form" der Bekanntmachung in der Hauptsatzung zu regeln, erfülle die Bestimmung in § 12 Abs. 1 Satz 1 der Hauptsatzung, dass Bekanntmachungen im "Bad Langensalzaer Heimatboten" erfolgen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die Satzung auch in materieller Hinsicht wirksam. §§ 1 und 9 SAB widersprächen sich nicht, insbesondere sei § 9 für die Bestimmung des Beitragspflichtigen die speziellere Norm. Auch reiche es aus, dass eine als nichtig erkannte Satzungsbestimmung im Wege einer Änderungssatzung isoliert neu gefasst werde. Vorsorglich sei am 10.07.2003 eine neue Hauptsatzung und am 11.09.2003 eine neue Straßenausbaubeitragssatzung beschlossen worden.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den angefochtenen Beschluss abzuändern und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht habe zu Recht begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids festgestellt. Es habe zutreffend festgestellt, dass die Bezugsmöglichkeiten und -bedingungen nicht ordnungsgemäß angegeben seien. Richtig sei auch, dass die Bekanntmachungsregelung in der Hauptsatzung vom 01.11.1994 ungültig sei, weil sie nicht angebe, ob die Bekanntmachungen in einem amtlichen Verkündungsblatt oder in einer Zeitung erfolgten. Aus der Bezeichnung "Bad Langensalzaer Heimatbote" sei dies nicht zu erkennen. Soweit die Beschwerde die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur materiellen Wirksamkeit der Beitragssatzung vom 24.05.1996 angreife, überzeuge dies nicht, weil eine widerspruchsfreie Auslegung der §§ 1 und 9 der Beitragssatzung nicht möglich sei. Auch nachfolgendes Satzungsrecht könne die Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheids nicht beseitigen. Fehle im Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheids eine gültige Beitragssatzung, so sei dies ein so schwerwiegender Fehler, dass der Verwaltungsakt nichtig sei. Ein nichtiger Verwaltungsakt könne aber nicht dadurch wirksam werden, dass nach seinem Erlass eine normative Grundlage geschaffen werde.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat keinen Antrag gestellt und zur Sache nicht Stellung genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenvorgänge (7 Hefter Verwaltungsvorgänge) Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung waren.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag im Ergebnis zu Recht stattgegeben.

Bei der Entscheidung über einen einstweiligen Rechtsschutzantrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine Abwägung zwischen dem privaten Interesse an der aufschiebenden Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs einerseits und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits vorzunehmen. Für die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts ist dabei ein besonderes öffentliches Interesse erforderlich, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt, unabhängig davon, ob die sofortige Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts einer gesetzlichen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO) oder einer behördlichen Anordnung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) entspringt (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 18.07.1973, 1 BvR 23, 155/73, BVerfGE 35, 382 [402]; Beschluss des Zweiten Senats vom 21.03.1985, 2 BvR 1642/83, BVerfGE 69, 220 [228, 229]). Im Falle der Erhebung öffentlicher Abgaben und Kosten im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage allerdings regelmäßig nur in Betracht, wenn gemäß § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung für den Abgaben- und Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen vor, wenn auf Grund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Dabei ist Gegenstand der Rechtmäßigkeitsprüfung durch das Gericht in erster Linie der Abgabenbescheid selbst und die ihm bei summarischer Prüfung offensichtlich anhaftenden Fehler. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides können sich im Einzelfall auch aus sich aufdrängenden Satzungsmängeln der zu Grunde liegenden kommunalen Abgabensatzung ergeben. Derartige Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Abgabensatzung müssen dann jedoch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren so offensichtlich und eindeutig sein, dass im Hauptsacheverfahren eine andere rechtliche Beurteilung nicht zu erwarten ist (vgl. Beschluss des Senats vom 23.04.1998, 4 ZEO 6/97, LKV 1999, S. 70 [71], m. w. Nw.).

Nach diesem Maßstab bestehen an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids ernstliche Zweifel (§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO), die es gebieten, das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Beitragsbescheids gegenüber dem Aufschubinteresse des Antragstellers zurückstehen zu lassen. Denn nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung sprechen überwiegende Gründe dafür, dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache Erfolg haben wird.

Der Senat hat bereits in mehreren parallelen Streitverfahren die Rechtmäßigkeit von Beiträgen für den Ausbau derselben Anlage geprüft. Dabei ist er nach summarischer Prüfung - abweichend von der erstinstanzlichen Entscheidung - zu dem Ergebnis gelangt, dass die zugrundeliegende Straßenausbaubeitragssatzung nicht offensichtlich unwirksam ist; auch die verschiedenen Rügen gegen die Berechnung des Beitragssatzes zeigten keine offenkundigen Fehler zu Lasten der Beitragspflichtigen auf (vgl. Beschluss vom 22.12.2003, 4 EO 439/03, ThürVBl. 2004, S. 120 ff.; Beschluss vom 27.12.2006, 4 EO 446/03). Gegen den hier angegriffenen Beitragsbescheid bestehen allerdings aus anderen Gründen erhebliche rechtliche Bedenken, weil das veranlagte Grundstück nicht durch die abgerechnete Anlage erschlossen wird und das den Zugang vermittelnde Flurstück c___ wohl nicht als unselbständiger Teil der Bundesstraße zu werten ist.

Nach dem vorliegenden Kartenmaterial und dem insoweit übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten grenzen die Flurstücke a und b nicht an die Bundesstraße B 84/176. Zwischen den Flurstücken des Antragstellers und der Bundesstraße befindet sich das im Eigentum der Antragsgegnerin stehende Flurstück c___, das vom Sportplatz aus den Zugang zur Bundesstraße ermöglicht. Der Senat muss nach Aktenlage weiter davon ausgehen, dass es sich bei dem Flurstück c___ um einen öffentlichen Weg handelt, der die anliegenden Grundstücke erschließt, insbesondere diejenigen, die wie die Grundstücke des Antragstellers nicht direkt an der Bundesstraße liegen. In dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Grundbuchauszug ist zwar als Nutzungsart "Gebäude- und Freifläche" angegeben. Diese Bezeichnung im Grundbuch ist allerdings allenfalls ein Indiz und beitragsrechtlich nicht verbindlich. Im Auszug aus der Liegenschaftskarte ist das Flurstück hingegen als "Weg" bezeichnet. Auch auf den von der Antragsgegnerin eingereichten Lichtbildern erscheint das Flurstück als kurze Straße. Auf dem noch zur Bundesstraße gehörenden Grundstück wird die Einmündung in das Flurstück c__ von einem abgesenkten Tiefbord abgegrenzt. Jedoch wird der Gehweg durch eine abweichende Pflasterung in Gestalt einer verbreiterten Zufahrt unterbrochen. Dahinter schließt sich das Flurstück c__ an. Dieses ist bis zum Beginn des Sportplatzgeländes (westliche Grenze des Flurstücks e____), d. h. auf eine Länge von ca. 35 m und über eine Breite von ca. Zweidritteln offenbar mit Naturstein gepflastert; das verbleibende Drittel ist zunächst durch eine Reihe Großsteinpflaster abgesetzt und mit Betonsteinpflaster angelegt. Diese Ausstattung vermittelt dem unbefangenen Betrachter den Eindruck, dass es sich nicht um eine Hoffläche oder Hofeinfahrt handelt, sondern um eine aus Fahrbahn und Gehweg bestehende Stichstraße. Diese Straße ist nach dem insoweit unbestrittenen Vortrag der Antragsgegnerin auch als öffentlich anzusehen. Da der Sportplatz bereits in den 50er Jahren angelegt wurde, ist zudem ohne weiteres möglich, dass auch der Weg seit dieser Zeit vorhanden ist und, wie die Antragsgegnerin vorträgt, gemäß § 52 Abs. 6 Thüringer Straßengesetz als gewidmet gilt. Dass die Herrichtung der Oberfläche, insbesondere die Pflasterung, erst später und möglicherweise durch Anlieger erfolgte, ändert daran nichts.

Diese Stichstraße wäre nach den hierzu entwickelten Maßstäben als unselbständiger Bestandteil der Straße anzusehen, von der sie abzweigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für die Beantwortung der Frage, ob im Einzelfall eine befahrbare Verkehrsanlage als unselbständige Zufahrt oder als selbständige Anbaustraße zu qualifizieren ist, ausschlaggebend auf den Gesamteindruck abzustellen, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter von der zu beurteilenden Anlage vermitteln. In diesem Zusammenhang kommt neben ihrer Ausdehnung und der Zahl der durch sie erschlossenen Grundstücke vor allem dem Maß der Abhängigkeit zwischen ihr und der Straße, in die sie einmündet, Bedeutung zu. Dabei ist davon auszugehen, dass grundsätzlich alle abzweigenden befahrbaren Verkehrsanlagen als erschließungsrechtlich unselbständig zu qualifizieren sind, die nach den tatsächlichen Verhältnissen den Eindruck einer Zufahrt vermitteln, d. h. die wie eine Zufahrt aussehen. Da eine Zufahrt typischerweise ohne Weiterfahrmöglichkeit endet, typischerweise nur eine bestimmte Tiefe aufweist und ebenso typischerweise gerade, also nicht in Kurven verläuft, hat das Bundesverwaltungsgericht erkannt, eine bis zu 100 m tiefe, nicht verzweigte im Sinne von nicht abknickende Stichstraße oder Sackgasse ähnele einer typischen Zufahrt derart, dass sie wie diese in der Regel als unselbständig zu qualifizieren sei (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.11.1984, 8 C 77.83, BVerwGE 70, 247 [250 f.]; Urteil vom 23.06.1995, 8 C 30.93, BVerwGE 99, 23 [25 f.]). Diese zum Erschließungsbeitragsrecht ergangene Rechtsprechung ist grundsätzlich auch auf das landesrechtliche Ausbaubeitragsrecht zu übertragen. Denn der Begriff der beitragsfähigen Einrichtung (Anlage) im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 ThürKAG ist wegen des engen Zusammenhangs der ausbaubeitragsrechtlichen Vorschriften des Thüringer Landesrechts mit der erschließungsbeitragsrechtlichen Überleitungsvorschrift in § 242 Abs. 9 BauGB bei öffentlichen Verkehrsanlagen grundsätzlich deckungsgleich mit dem Erschließungsanlagenbegriff des Baugesetzbuchs (vgl. Beschluss des Senats vom 22.01.2008, 4 EO 660/03, Abdruck S. 5, veröffentlicht auf der Internetseite des Gerichts www.thovg.thueringen.de). Auf dieser Grundlage wäre das Flurstück c___ als unselbständige Stichstraße und "Anhängsel" der Hauptstraße anzusehen, weil es eine Länge von lediglich ca. 35 m aufweist, nur wenige (vier) Grundstücke erschließt und nach den tatsächlichen Verhältnissen auch keine sonstigen Merkmale aufweist, die es als selbständige Erschließungsanlage erscheinen lassen.

Der Stichweg ist dennoch aus Rechtsgründen als selbständige Verkehrsanlage zu behandeln. Dies ist nach wohl überwiegender Rechtsprechung im Straßenausbaubeitragsrecht der Fall, wenn spezifisch straßenausbaubeitragsrechtliche Grundsätze eine Abweichung vom erschließungsbeitragsrechtlichen Anlagenbegriff gebieten. Davon ist insbesondere dann auszugehen, wenn einem Straßenzug, von dem die befahrbare Sackgasse abzweigt, eine andere Verkehrsbedeutung zukommt als der Sackgasse. Denn während im Erschließungsbeitragsrecht die Verkehrsfunktion der abgerechneten Anlage für die Höhe des auf die Beitragspflichtigen umzulegenden Aufwandes keine Bedeutung hat, ist eine Gemeinde im Straßenausbaubeitragsrecht, wenn die Einrichtung neben den Beitragspflichtigen nicht nur unbedeutend auch der Allgemeinheit zugute kommt, verpflichtet, in der Satzung eine Eigenbeteiligung der Kommune vorzusehen, die die Vorteile für die Allgemeinheit angemessen berücksichtigt; d. h. sie muss die Höhe des Gemeindeanteils und damit zugleich des Anliegeranteils nach Straßenarten staffeln (§ 7 Abs. 4 ThürKAG). Sofern die Sackgasse, die nach den tatsächlichen Verhältnissen eigentlich als unselbständig anzusehen wäre, eine andere Verkehrsbedeutung hat als die Straße, in die sie einmündet, so dass Hauptstraße und Sackgasse nach der Straßenausbaubeitragssatzung mit unterschiedlichen Anliegeranteilen abzurechnen wären, sind sie rechtlich als unterschiedliche Einrichtungen zu behandeln (vgl. OVG Nds., Beschluss vom 30.01.1998, 9 M 2815/96, NVwZ-RR 1999, S. 196 [197]; BayVGH, Beschluss vom 21.12.2004, 6 CS 04.1417, zitiert nach Juris; SächsOVG, Beschluss vom 18.08.2008, 5 A 198/08, Juris; HessVGH, Beschluss vom 22.08.2006, 5 TG 1481/06, Juris, mit der - abzulehnenden - wiederum tatsächlichen Einschränkung, dass kurze Wegestücke ohne eigenständige Verkehrsbedeutung das Schicksal des Hauptstraßenzugs teilen sollen; Driehaus, Der Anlagebegriff im Erschließungs- und im Straßenbaubeitragsrecht, ZMR 1997, S. 445 [450]; a. A. OVG Rh.-Pfalz, Beschluss vom 27.09.2006, 6 A 10418/06, Juris).

Bei Anlegung dieser Kriterien ist die auf dem Flurstück c__ hergestellte Stichstraße aus rechtlichen Gründen als eigenständige Verkehrsanlage zu behandeln. Während die Stichstraße nach den vorliegenden Karten und Lichtbildern nur der Erschließung der anliegenden Grundstücke dient, handelt es sich bei der Hauptstraße um eine klassifizierte (Bundes-)Straße, die dem überörtlichen Durchgangsverkehr dient und für die nach der Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten auch bei den Teileinrichtungen abweichende Anliegeranteile vorgesehen sind. Nur ergänzend ist anzufügen, dass die Bildung einer Abrechnungseinheit insoweit ausscheidet. Diese Möglichkeit ist in gewissen Grenzen auf Grund besonderer gesetzlicher Regelung nur bei Erhebung wiederkehrender Beiträge und außerdem nur dann eröffnet, wenn die Gemeinde diese Form der Beitragserhebung für ihr gesamtes Gebiet bestimmt (§ 7a Abs. 1 und 3 ThürKAG). Anzumerken ist schließlich, dass auch dann, wenn die Stichstraße als unselbständig anzusehen wäre, Bedenken gegen die Heranziehung des Antragstellers bestünden, weil die Stichstraße in die Erneuerung der Hauptstraße nicht einbezogen war und die Beklagte wohl auch keine Abschnittsbildung vorgenommen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des für die Kostenberechnung maßgebenden Streitwerts beruht auf §§ 25 Abs. 2 Satz 1, 14, 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG (in der bis zum 30.06.2004 gültigen und hier noch anzuwendenden Fassung).

Hinweis:

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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