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Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 26.11.2003
Aktenzeichen: 4 EO 627/02
Rechtsgebiete: VwGO
Vorschriften:
VwGO § 146 Abs. 4 S. 3 |
2. Maßgeblich für die fristgerechte Darlegung der Beschwerdegründe gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ist allein, dass innerhalb der laufenden Beschwerdebegründungsfrist entscheidungserhebliche Tatsachen vorgetragen werden, die eine andere Beurteilung der Rechtssache in der Rechtsmittelinstanz erwarten lassen. Es kommt nicht darauf an, ob die vorgetragenen Umstände (hier: Neubekanntmachung einer Erschließungsbeitragssatzung) vor oder nach Erlass der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bzw. während der Beschwerdebegründungsfrist eingetreten sind oder erst unmittelbar bevorstehen.
THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 4. Senat - Beschluss
In dem Verwaltungsstreitverfahren
wegen Erschließungsbeiträge,
hier: Beschwerde nach §§ 80, 80a VwGO
hat der 4. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Prof. Dr. Aschke, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Blomenkamp und den Richter am Oberverwaltungsgericht Gravert am 26. November 2003 beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 26.08.2002 - 1 E 862/01.Me - abgeändert. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Erschließungsbeitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 14.09.2001 wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens im ersten und zweiten Rechtszug hat der Antragsteller zu tragen.
Der Streitwert wird in Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für das Verfahren im ersten und im zweiten Rechtszug auf jeweils 1.086,48 € festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Die Beschwerde ist fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Beschwerdebegründung genügt auch den Formanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO in der Fassung des am 01.01.2002 in Kraft getretenen Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20.12.2001 (BGBl. I S. 3987). Dabei ist unschädlich, dass die Antragsgegnerin weder in der Beschwerdeschrift vom 10.09.2002 noch in der Beschwerdebegründung vom 01.10.2002 ausdrücklich einen bestimmten Antrag formuliert hat. Das gesetzliche Formerfordernis eines "bestimmten Antrages" gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ist auch dann erfüllt, wenn sich das Rechtsschutzziel des Beschwerdeführers aus der Beschwerdebegründung oder bereits aus der Beschwerdeschrift durch Auslegung unzweifelhaft ermitteln lässt (so auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 01.07.2002 - 11 S 1293/02 - ESVGH 53, 57 = NVwZ 2002, 1388; OVG HH, Beschluss vom 03.12.2002 - 3 Bs 253/02 - NordÖR 2003, 303). Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung dieser Vorschrift für die Antragstellung im Beschwerdeverfahren ein strengeres Formerfordernis schaffen wollte, als es für die insoweit gleichlautenden Vorschriften betreffend die Antragstellung im Berufungs- und Revisionsverfahren gilt (vgl. § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung des 6. VwGOÄndG vom 01.11.1996 (BGBl. I S. 1626) und § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO). Auch hier lässt die Rechtsprechung es für eine bestimmte Antragstellung genügen, wenn das Antragsbegehren aus der Begründung eindeutig erkennbar ist (vgl. hierzu etwa: BVerwG, Urteil vom 20. Juni 1991 - 3 C 6.89 - NJW 1992, 703). Nach der Beschwerdebegründung der Antragsgegnerin ist ihr Rechtsschutzziel erkennbar darauf gerichtet, im Beschwerdeverfahren die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und die Ablehnung des Eilantrages zu erreichen.
Die Beschwerdebegründung legt auch die Gründe dar, aus denen die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern ist und setzt sich mit der angefochtenen Entscheidung hinreichend auseinander.
Das Verwaltungsgericht hat die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Erschließungsbeitragsbescheid der Antragsgegnerin darauf gestützt, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Bescheides bestünden. Bereits bei der gebotenen summarischen Prüfung ergebe sich, dass die maßgebliche Erschließungsbeitragssatzung der Antragsgegnerin aus mehreren Gründen nicht rechtswirksam zustande gekommen und damit nichtig sei. Der Beitragsanspruch sei deshalb noch nicht entstanden. Als Gründe für die Unwirksamkeit der Erschließungsbeitragssatzung führt das Verwaltungsgericht an, dass der vom Gemeinderat beschlossene Satzungstext in § 19 (Inkrafttreten) nicht mit dem ausgefertigten und veröffentlichten Text übereinstimme. Darüber hinaus sei die Satzung nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden, weil sie entsprechend der Bekanntmachungsregelung in einer noch nicht wirksam in Kraft getretenen Hauptsatzung erfolgt sei. Schließlich fehle es an der nach § 246a Abs. 1 Nr. 4 BauGB in der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung erforderlichen Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde.
Demgegenüber macht die Antragsgegnerin in der Beschwerdebegründung geltend, das Verwaltungsgericht sei von einem falschen Prüfungsmaßstab ausgegangen, weil es formale Satzungsmängel zum Gegenstand seiner Entscheidung im Eilverfahren gemacht habe, die noch im Verlauf des Verwaltungsstreitverfahrens geheilt werden könnten. Zudem bestünden die angeführten Satzungsmängel nicht. Der beschlossene und der veröffentlichte Satzungstext stimmten hinsichtlich der Regelung über das Inkrafttreten der Satzung überein. Insofern sei auch von einer ordnungsgemäßen Ausfertigung auszugehen. Die Bekanntmachung der am 19.05.1995 beschlossenen und am 16.07.1996 ausgefertigten Erschließungsbeitragssatzung - EBS 1996 - sei unter dem 16.07.1996 durch Aushang erfolgt und habe der bereits 1990 von der Antragsgegnerin beschlossenen Hauptsatzung entsprochen. Im Übrigen seien die gerügten Mängel durch die am 05.09.2002 beschlossene, gegenüber der Rechtsaufsichtsbehörde angezeigte und am 30.09.2002 ausgefertigte neue Erschließungsbeitragssatzung - EBS 2002 - geheilt, die in der Zeit vom 30.09. - 10.10.2002 entsprechend der Bekanntmachungsregelung in der 1996 beschlossenen, ausgefertigten und veröffentlichten Hauptsatzung der Antragsgegnerin durch Aushang bekannt gemacht worden sei.
Damit genügt die Antragsgegnerin dem Darlegungserfordernis in § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ungeachtet des Umstandes, dass sie in ihrem Vortrag nicht auf alle tragenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung zur offensichtlichen Nichtigkeit der EBS 1996 der Antragsgegnerin eingegangen ist, insbesondere nicht hinreichend auf das vom Verwaltungsgericht verlangte Genehmigungserfordernis (vgl. zu den entsprechenden Darlegungsanforderungen im Verfahren auf Zulassung der Berufung: Senatsbeschlüsse vom 11.08.2003 - 4 ZKO 396/03 - und vom 01.09.2000 - 4 ZKO 131/00 - NVwZ-RR 2001, 212). Denn entgegen dem Beschwerdevorbringen hat die Rechtsaufsichtsbehörde die EBS 1996 am 23.05.1995 nicht genehmigt, sondern nur den Eingang der angezeigten Satzung gemäß § 2 Abs. 5 ThürKAG bestätigt. Für eine hinreichende Darlegung ist jedoch ausreichend, dass die Antragsgegnerin innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist in zulässiger Weise neue Umstände vorgetragen hat, nach denen es auf die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht mehr ankommt. Denn nach dem Beschwerdevortrag sind die vom Verwaltungsgericht aufgezeigten Mängel der EBS 1996 durch die inzwischen beschlossene, angezeigte und zur Veröffentlichung ausgehängte Neufassung der EBS 2002 nicht mehr entscheidungserheblich.
Die Antragsgegnerin kann sich in der Beschwerdebegründung auch auf diese neue Rechtsgrundlage für den zuvor erlassenen Beitragsbescheid berufen, obwohl die EBS 2002 nach den vorgelegten Unterlagen erst am 08.10.2002 in Kraft getreten ist (vgl. § 2 Abs. 3 und § 6 Satz 3 ThürBekVO), mithin weder zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts noch bis zum Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist am 05.10.2002 Rechtsgrundlage für die angegriffene Beitragserhebung sein konnte. Maßgeblich ist für die Darlegung der Beschwerdegründe allein, dass die Antragsgegnerin innerhalb der laufenden Beschwerdebegründungsfrist entscheidungserhebliche Tatsachen vorgetragen hat, die eine andere Beurteilung der Rechtssache in der Rechtsmittelinstanz erwarten lassen. Es kommt nicht darauf an, ob die vorgetragenen Umstände vor oder nach Erlass der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bzw. während der Beschwerdebegründungsfrist eingetreten sind oder erst unmittelbar bevorstehen. Entscheidend ist, dass die im Beschwerdeverfahren fristgerecht vorgetragenen Gesichtspunkte für den Erfolg des Rechtsmittels im Zeitpunkt der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts entscheidungserheblich sein können. Die Beschwerde hat ebenso wie die Berufung die Aufgabe einer zweiten Tatsacheninstanz. Das Rechtsmittel umfasst daher eine Überprüfung der angefochtenen Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, weshalb das Rechtsmittelgericht bei seiner Entscheidung alle - auch neuen - Tatsachen oder Änderungen der Rechtslage zu berücksichtigen hat, auf die sich der Rechtsmittelführer fristgerecht beruft und die nach materiellem Recht im Zeitpunkt der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts maßgeblich sind (vgl. so für die entsprechende Rechtslage im Verfahren auf Zulassung der Berufung: BVerwG, Beschluss vom 11.11.2002 - 7 AV 3/02-NVwZ 2003, 490 = DVBl. 2003, 401).
Die zulässige Beschwerde ist auch begründet.
Nach der im Beschwerdeverfahren nur möglichen summarischen Prüfung ist die sachliche Beitragspflicht für das herangezogene Grundstück jedenfalls mit Inkrafttreten der EBS 2002 entstanden und der ggfs. bis dahin rechtswidrige Erschließungsbeitragsbescheid der Antragsgegnerin seither geheilt.
Insofern ist für die im Beschwerdeverfahren vorzunehmende summarische Prüfung der Erfolgsaussichten des Widerspruchs des Antragstellers unerheblich, ob die vom Verwaltungsgericht gerügten Mängel der EBS 1996 ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Erschließungsbeitragsbescheides begründen. Die Frage, ob auf der Grundlage der EBS 1996 bereits die sachliche Beitragspflicht für das Grundstück des Antragstellers entstanden ist oder ob dem entgegensteht, dass die EBS 1996 aus den vom Verwaltungsgericht angeführten Gründen nicht wirksam bekannt gemacht wurde, kann nach dem darauf bezogenen Vortrag im Beschwerdeverfahren abschließend erst in einem Hauptsacheverfahren geklärt werden. Denn danach ist derzeit nicht feststellbar, ob die Bekanntmachung der EBS 1996 übereinstimmt mit der entsprechenden Regelung über die Form der öffentlichen Bekanntmachung von Satzungen in einer zuvor wirksam veröffentlichten Hauptsatzung der Antragsgegnerin. Eine solche Hauptsatzung konnte die Antragsgegnerin bisher auch im Beschwerdeverfahren nicht vorlegen, was aber ihre Existenz und Nachweisbarkeit in einem Hauptsacheverfahren nicht ausschließt. Soweit es die vom Verwaltungsgericht bemängelte Übereinstimmung der beschlossenen Inkrafttretensregelung in § 19 EBS 1996 mit dem ausgefertigten und veröffentlichten Satzungstext betrifft, weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass nach seiner Rechtsprechung Widersprüche zwischen der beschlossenen und der veröffentlichten Inkrafttretensregelung in einer Satzung nicht zwingend zur Nichtigkeit der gesamten Satzung führen (vgl. hierzu das Senatsurteil vom 12.12.2001 - 4 N 595/94 - ThürVGRspr. 2002, 96; S. 18 f. des Entscheidungsumdrucks).
Es kann auch dahinstehen, ob das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass die EBS 1996 einem Genehmigungserfordernis nach § 246a Abs. 1 Nr. 4 BauGB unterlag. Insoweit hat das Verwaltungsgericht in seiner Begründung nicht berücksichtigt, dass die durch den Einigungsvertrag vom 31.08.1990 (BGBl. II S. 889) eingefügte Vorschrift des § 246a Abs. 1 Nr. 4 Baugesetzbuch (Art. 8 EV i. V. m. Anlage I Kap. XIV Abschnitt II Nr. 1, BGBl. II S. 889) - BauGB a. F. - durch das zum 01.05.1993 in Kraft getretene Inv.-WoBaulG (BGBl. I S. 466) geändert wurde. Seither bedurften nicht mehr alle Satzungen nach diesem Gesetzbuch (wie Erschließungsbeitragssatzungen im Sinne des § 132 BauGB) einer Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde, sondern nur noch Bebauungspläne und anzeigepflichtige andere Satzungen nach diesem Gesetzbuch. Ob hierzu auch Erschließungsbeitragssatzungen zu zählen sind, erscheint dem Senat unter dem Gesichtspunkt zweifelhaft, dass sich die Anzeigepflicht von Erschließungsbeitragssatzungen - anders als etwa bei Sanierungssatzungen nach § 143 Abs. 1 Satz 1 BauGB a. F. - gerade nicht aus dem BauGB ergab, sondern aus den einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften (hier: §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 5 ThürKAG in der Fassung des 2. KAG-ÄndG vom 10.11.1995, GVBl. S. 342). Ob § 246a Abs. 1 Nr. 4 BauGB in der seit dem 01.05.1993 bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung auch für die nur nach Landesrecht anzeigepflichtigen Satzungen galt, wird einer Klärung im Hauptsacheverfahren vorzubehalten sein.
Selbst wenn die sachliche Beitragspflicht für das herangezogene Grundstück nicht auf der Grundlage der EBS 1996 entstanden sein sollte und daher ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 14.09.2001 zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung begründet gewesen sein sollten, bestehen diese jedenfalls nach Inkrafttreten der EBS 2002 nicht mehr. Nach den im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen hat der Gemeinderat der Antragsgegnerin die Satzung am 05.09.2002 beschlossen. Die zuständige Kommunalaufsichtsbehörde hat den Eingang der angezeigten Satzung unter dem 26.09.2002 bestätigt und die vorzeitige Bekanntmachung zugelassen (§ 2 Abs. 5 ThürKAG in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.09.2000, GVBl. S. 301). Die am 30.09.2002 vom Bürgermeister der Antragsgegnerin ausgefertigte EBS 2002 wurde am 30.09.2002 an den vorgesehenen Verkundungstafeln angeschlagen und am 10.10.2002 abgenommen. Sie ist somit voraussichtlich gemäß §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 2 Abs. 3 und § 6 Satz 3 ThürBekVO am 07.10.2002, dem letzten Tag der siebentägigen Anschlagfrist, wirksam bekannt gemacht worden und gemäß § 20 EBS 2002 am Tag danach, dem 08.10.2002 in Kraft getreten. Mit Inkrafttreten der EBS 2002 ist nach derzeitiger Erkenntnislage auch die sachliche Beitragspflicht für das herangezogene Grundstück entstanden, da die Erschließungsbeitragspflicht ohne eine wirksame Satzungsgrundlage nicht entstehen kann (ständige Rechtsprechung des BVerwG, vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 6. Auflage 2001, Rn. 13 zu § 19 m. w. N.).
Die vom Antragsteller insoweit geltend gemachten Satzungsmängel und im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Zweifel an einer Eignung der EBS 2002 als Rechtsgrundlage für den bereits zuvor erlassenen Bescheid greifen nicht.
Soweit der Antragsteller geltend macht, die EBS 2002 habe rückwirkend in Kraft gesetzt werden müssen, um die EBS 1996 als Rechtsgrundlage ersetzen zu können, übersieht er, dass es weder nach Bundesrecht noch nach Thüringer Landesrecht der rückwirkenden Inkraftsetzung einer Beitragssatzung bedarf, um eine zuvor erlassene und nicht wirksam gewordene Satzung ersetzen und bereits erlassene Beitragsbescheide heilen zu können (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 25.11.1981 - 8 C 14.81 - BVerwGE 64, 218 [219 ff.]; ebenso zum landesrechtlichen Beitragsrecht: ThürOVG, Beschlüsse vom 18.03.2002 - 4 ZEO 669/01 - ThürVBl. 2002, 281 und vom 29.09.1999 - 4 ZEO 844/98 - ThürVGRspr. 1999, 181 = ThürVBl. 2000, 16 = LKV 2000, 258).
Es ist für die Eignung der EBS 2002 als Rechtsgrundlage für den angegriffenen Bescheid auch nicht entscheidungserheblich, ob in der EBS 2002 die in § 5 enthaltene Tiefenbegrenzungsregelung geändert wurde und nunmehr auf 20 m statt auf 50 m festgelegt wurde. Denn unabhängig davon, ob die alte oder die neue Tiefenbegrenzungsregelung zulässig ist und die Antragsgegnerin sich dabei zutreffend an der ortsüblichen Tiefe der baulichen Nutzung orientiert hat, kann die Tiefenbegrenzung allenfalls bei der Heranziehung übertiefer Grundstücke im unbeplanten Innenbereich Berücksichtigung finden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine satzungsrechtliche Tiefenbegrenzungsregelung für Grundstücke unzulässig, die - wie das des Antragstellers - im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplanes liegen (BVerwG, Urteil vom 19.02.1982 - 8 C 27.81 - BVerwGE 65, 61 ff.). Selbst wenn die für alle Grundstücke im unbeplanten Innenbereich vorgesehene Tiefenbegrenzungsregelung von 20 m sich in einem Hauptsacheverfahren als unwirksam erweisen sollte, ließe dies keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der EBS 2002 im Übrigen erwarten. Die Unwirksamkeit einer satzungsmäßigen Tiefenbegrenzung hat im Erschließungsbeitragsrecht keinen Einfluss auf die Gültigkeit der Verteilungsregelung (BVerwG, Urteil vom 19.03.1982 - 8 C 34.81 - DÖV 1982, 992).
Ebenso wenig ist die EBS 2002 schon deshalb bei summarischer Prüfung nichtig, weil in § 5 EBS 2002 keine Regelung über die Abgrenzung der anzusetzenden Grundstücksflächen bzw. keine Festlegung sog. Abgeltungsflächen enthalten ist. Der Erschließungsbeitragspflicht gemäß §§ 131 Abs. 1, 133 Abs. 1 BauGB unterliegt in (qualifiziert) beplanten Gebieten grundsätzlich das jeweilige Buchgrundstück mit seiner gesamten, im Plangebiet gelegenen Fläche (vgl. Driehaus, a. a. O., Rn. 41 zu § 17 m. w. N.). Für eine zwingende generelle satzungsrechtliche Flächenabgrenzung der vom Antragsteller sinngemäß beschriebenen Art, etwa wegen einer beschränkten Erschließungswirkung, besteht im Erschließungsbeitragsrecht keine Notwendigkeit, denn diese hängt von den jeweiligen Verhältnissen im Einzelfall ab und bedarf keiner satzungsrechtlichen Festlegung. Gleiches gilt für die vom Antragsteller geforderte Festlegung sog. Abgrenzungsflächen. Soweit deren satzungsrechtliche Festlegung von der Rechtsprechung im Anschlussbeitragsrecht gefordert wird, betrifft dies die Bestimmung der beitragspflichtigen Fläche eines Grundstücks im Außenbereich, das jedoch im Erschließungsbeitragsrecht keiner Beitragspflicht unterliegt (vgl. hierzu Blomenkamp in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: Juli 2003, Rn. 1461 zu § 8 m. w. N.).
Eine offensichtliche Nichtigkeit der EBS 2002 ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Vortrag des Antragstellers, dass in der EBS 2002 kein Beitragssatz für die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung bereits technisch abgeschlossene und abrechenbare erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage festgelegt wurde und es damit an dem in § 2 Abs. 2 ThürKAG vorgeschriebenen Mindestinhalt fehle. Denn diese Vorschrift gilt gemäß § 1 Abs. 3 ThürKAG für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen nach dem BauGB nur insoweit, als gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Anforderungen an den Inhalt einer Erschließungsbeitragssatzung sind bundesgesetzlich in § 132 BauGB geregelt. Zu den danach (bedingt) erforderlichen Satzungsbestimmungen gehört statt der Festlegung eines Beitragssatzes nach § 132 Nr. 2 BauGB die Festlegung der Art der Ermittlung und der Verteilung des Aufwandes sowie der Höhe des Einheitssatzes, sofern Erschließungsbeiträge gemäß § 130 Abs. 1 BauGB nach Einheitssätzen erhoben werden (vgl. hierzu auch Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, a. a. O., Rn. 27 zu § 11). Letzteres sieht die EBS 2002 nicht vor, sodass die Festlegung eines Beitragssatzes nicht zum notwendigen Mindestinhalt der Erschließungsbeitragssatzung gehört (so im Ergebnis auch Ritthaler, ThürKAG, 1994, Anm. 2 zu § 2).
Andere Gründe, die zumindest teilweise ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides begründen könnten, sind bei der im Beschwerdeverfahren nur möglichen summarischen Prüfung jedenfalls nicht offensichtlich (vgl. zum Prüfungsmaßstab im abgabenrechtlichen Eilverfahren den Senatsbeschluss vom 23.04.1998 - 4 EO 6/98 - ThürVGRspr. 1998, 177 = ThürVBl. 1998, 184 = LKV 1999, 70). Insofern weist der Senat allerdings darauf hin, dass im Hauptsacheverfahren zu klären sein wird, ob es sich bei den im Beitragsbescheid aufgeführten Flurstücken a__ und b__ um ein Buchgrundstück handelt oder um mehrere, für die ein einheitlicher Beitrag nur unter den Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Grundstückseinheit festgesetzt werden darf (vgl. hierzu Driehaus, a. a. O., Rn. 5 ff. zu § 17 m. w. N.). Auch die Ausdehnung der beitragsfähigen Erschließungsanlage gemäß § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB sowie die richtige Ermittlung des umlagefähigen Aufwandes und seine Verteilung auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke werden im Hauptsacheverfahren einer abschließenden Prüfung zu unterziehen sein. Maßgeblich für die Beantwortung der Frage, wie weit die Fläche einer Anbaustraße reicht, sind nicht etwa "auf dem Papier stehende" planerische Festsetzungen, sondern eine natürliche Betrachtungsweise (vgl. hierzu den Senatsbeschluss vom 30.06.2003 - 4 EO 206/96 - ThürVGRspr. 2003, 145). Nach der Aktenlage im Beschwerdeverfahren hat der Senat Bedenken an der richtigen Bestimmung der Erschließungsanlage, soweit es die Einbeziehung des Teils der Straße "A______" betrifft, der nach der überreichten Flurkarte vor dem eingezeichneten Spielplatz abzweigt und keine unselbstständige Stichstraße zu sein scheint, sondern über die verzeichnete Bebauungsplangrenze hinausragt und in die Straße "A_____" einmündet.
Gleiches gilt für den Teil des Hauptzuges der Straße "A___", der sich an den Einmündungsbereich mit der Straße "A______" anschließt und nach der Flurkarte eher als Teil einer anderen, selbstständigen Anlage anzusehen sein wird, die außerhalb des Bebauungsplanes verläuft und schließlich in die Straße "A____" einmündet. Welche genaue Gestalt eine beitragsrelevante Anlage bei der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise hat, ließe sich jedoch nur durch eine Besichtigung der Örtlichkeit im Rahmen einer Beweisaufnahme feststellen, die nach der Senatsrechtsprechung im verwaltungsgerichtlichen Eil- und Beschwerdeverfahren untunlich ist (vgl. die Beschlüsse des Senats vom 30.06.2003 - 4 EO 206/96 - a.a.O. und vom 22.05.2002 - 4 EO 805/01 -). Zudem ließe eine andere Anlagenbestimmung und Aufwandsermittlung sowie -verteilung die Beitragspflicht des Antragstellers nicht entfallen, sondern nur eine Korrektur der Beitragshöhe erwarten.
Daher war der erstinstanzliche Beschluss abzuändern und der Eilantrag des Antragstellers abzulehnen.
Der Senat hat trotz der vom Antragsteller mit Schriftsatz vom 30.06.2003 gemäß § 130 Abs. 2 VwGO beantragten Zurückverweisung selbst zur Sache entschieden, um mit Blick auf die bereits beim Verwaltungsgericht anhängigen Hauptsacheverfahren eine weitere Verzögerung zu vermeiden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Verfahren im ersten und zweiten Rechtszug ergibt sich aus § 14 GKG i. V. m. §§ 20 Abs. 3 und 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Dabei legt der Senat in Anlehnung an den "Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit" (DVBl. 1996, S. 605 ff.) im Abgabenrecht den Wert der geforderten Abgabe (8.499,87 DM = 4.345,92 €) zu Grunde und ermäßigt diesen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf ein Viertel. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts orientiert sich der Streitwert im abgabenrechtlichen Eilverfahren nicht an der festgesetzten, sondern an der (ggfs. niedrigeren) geforderten Abgabe, deren Vollziehung Gegenstand des Eilverfahrens ist.
Die Befugnis zur Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruht auf § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG.
Hinweis:
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Ende der Entscheidung
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