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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 14.07.2003
Aktenzeichen: 4 EO 810/02
Rechtsgebiete: ThürKAG, ThürKO, ThürWG, BauGB


Vorschriften:

ThürKAG § 7 Abs. 1 S. 1
ThürKO § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2
ThürKO § 20 Abs. 2 S. 2
ThürWG § 58
BauGB § 34
BauGB § 35
1. Eine Befreiung vom Anschlusszwang kann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht kommen, wenn die zur Beseitigung des Abwassers verpflichtete Gemeinde den Anschlusszwang nicht durchsetzen darf, weil er sich im Einzelfall als unverhältnismäßig darstellt. Dabei dürfen die Anschlusskosten nicht absolut betrachtet werden, sondern in Relation zum anzuschließenden Grundstück (Größe, Lage, Verkehrswert).

2. Ist bei der Ermittlung des Beitrags eine bauplanungsrechtliche Beurteilung vorzunehmen (Abgrenzung Innen-/Außenbereich), weil die Bemessung der beitragspflichtigen Fläche solchen baurechtlichen Kriterien folgt, dann hat eine bestandskräftige Baugenehmigung gleichwohl keine förmliche Bindungswirkung für die beitragsrechtliche Veranlagung. Die Bewertung der Bauaufsichtsbehörde ist nur maßgebend, soweit sie auch zutrifft.


THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

- 4. Senat - 4 EO 810/02

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen

Ausbaubeiträge,

hier: Beschwerde nach §§ 80, 80a VwGO

hat der 4. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Prof. Dr. Aschke, den Richter am Oberverwaltungsgericht Gravert und den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Hinkel am 14. Juli 2003 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Weimar vom 28.10.2002 - 7 E 1239/02.We - geändert und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 16. April 2002 (Objekt Nr. 0038 007 00 01, Flurstück a_) angeordnet, soweit der geforderte Beitrag 5.853,90 Euro übersteigt.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens im ersten und zweiten Rechtszug haben der Antragsteller zu 11/20 und die Antragsgegnerin zu 9/20 zu tragen.

Der Streitwert wird zugleich unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für das Verfahren im ersten und zweiten Rechtszug auf 2.625,61 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat teilweise Erfolg.

Bei der Entscheidung über einen einstweiligen Rechtsschutzantrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine Abwägung zwischen dem privaten Interesse an der aufschiebenden Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs einerseits und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits vorzunehmen. Für die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts ist dabei ein besonderes öffentliches Interesse erforderlich, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt, unabhängig davon, ob die sofortige Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts einer gesetzlichen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO) oder einer behördlichen Anordnung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) entspringt (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 18.07.1973 - 1 BvR 23, 155/73 -, BVerfGE 35, 382 [402]; Beschluss des Zweiten Senats vom 21.03.1985 - 2 BvR 1642/83 -, BVerfGE 69, 220 [228, 229]). Im Falle der Erhebung öffentlicher Abgaben und Kosten im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage allerdings regelmäßig nur in Betracht, wenn gemäß § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung für den Abgaben- und Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen vor, wenn auf Grund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Dabei ist Gegenstand der Rechtmäßigkeitsprüfung durch das Gericht in erster Linie der Abgabenbescheid selbst und die ihm bei summarischer Prüfung offensichtlich anhaftenden Fehler. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides können sich im Einzelfall auch aus sich aufdrängenden Satzungsmängeln der zu Grunde liegenden kommunalen Abgabensatzung ergeben. Derartige Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Abgabensatzung müssen dann jedoch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren so offensichtlich und eindeutig sein, dass im Hauptsacheverfahren eine andere rechtliche Beurteilung nicht zu erwarten ist (vgl. Beschluss des Senats vom 23.04.1998 - 4 ZEO 6/97 -, LKV 1999, S. 70 [71], m. w. Nw.).

An der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids bestehen zum Teil ernstliche Zweifel (§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO), die es gebieten, das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Beitragsbescheids gegenüber dem Aufschubinteresse des Antragstellers insoweit zurückstehen zu lassen. Denn nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache teilweise Erfolg haben wird. Allerdings ist der Senat bei der Nachprüfung im zweiten Rechtszug auf das Vorbringen in der Beschwerde beschränkt; denn das Oberverwaltungsgericht hat nur die dargelegten Gründe zu prüfen (§ 146 Abs. 4 Satz 5 VwGO).

Ohne Erfolg wendet der Antragsteller ein, dass er überhaupt nicht beitragspflichtig sei. Er macht geltend, dass ein Anschluss an die Kanalisation nach Auskunft eines Fachunternehmens überhaupt nicht durchführbar sei. Selbst wenn der Anschluss doch möglich sei, dann nur mit Einrichtung besonderer Anlagen (Hebeanlagen). Ein Anschluss würde unverhältnismäßig hohe Kosten auslösen. Nach den Voranschlägen des Fachunternehmens betrügen die Kosten für den bloßen Kanalanschluss, d. h. ohne Hebeanlagen, insgesamt 42.091,02 Euro (9.278,74 Euro für Flurstück a_, 8.071,80 Euro für Flurstück b_, und 24.740,48 Euro für das Flurstück c). Angesichts dieser Umstände müsse ihm gemäß § 6 der Entwässerungssatzung (EWS) Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang gewährt werden.

Der Senat geht jedoch davon aus, dass der Antragsteller seine Grundstücke an das öffentliche Kanalnetz anschließen muss. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EWS sind die zum Anschluss Berechtigten verpflichtet, bebaute und auch unbebaute Grundstücke, wenn dort Abwasser anfällt, an die öffentliche Entwässerungsanlage anzuschließen (Anschlusszwang). Ein Anschlusszwang besteht allerdings nicht, wenn der Anschluss rechtlich oder tatsächlich unmöglich ist (§ 5 Abs. 1 Satz 2 EWS).

Der aktenkundige Sach- und Streifstoff bietet keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Anschluss der Grundstücke an die Kanalisation überhaupt nicht möglich wäre. Die Anschlusspunkte sind nach den unwidersprochenen Angaben der Antragsgegnerin an die Nordseite der Grundstücke verlegt worden, um für den Antragsteller den Anschluss an das Kanalnetz zu erleichtern. Anderenfalls hätte der Anschluss gegen das natürliche Gefälle und über den Mühlgraben geführt werden müssen, was jedenfalls eine Hebeanlage notwendig gemacht hätte. Die Antragsgegnerin hat Stellungnahmen des Ingenieurbüros L___ vom 04.02.2003 und 12.02.2003 zu den Akten gereicht. Darin wird ausgeführt, dass keine Vermessungsunterlagen zur Verfügung gestanden hätten, aber nach einem Ortstermin eingeschätzt werden könne, dass dem Anschluss keine technischen Hindernisse entgegenstehen; die Höhendifferenzen zwischen den Sohlen der Anschlussschächte und den Grundstücksentwässerungen seien ausreichend, um die Anschlüsse an das öffentliche Kanalnetz als Freispiegelleitungen im Gefälle von 1 : 100 oder 1 : 50 ausführen zu können. Nur der Anschluss des Flurstücks c erscheine wegen der baulichen Gegebenheiten im und um das Haus aufwändiger, sei aber technisch realisierbar. Da bei stärkeren Niederschlägen mit einem Rückstau in die Hausanschlussleitungen gerechnet werden müsse, sei der Einbau von Rückstausicherungen (Rückstauverschlüsse oder Rückstaupumpanlagen) zu empfehlen.

Der Senat sieht keinen genügenden Anlass, an dieser fachtechnischen Einschätzung zu zweifeln. Sie ist auch ohne exakte Vermessungsdaten u. a. durch die angegebenen Schachttiefen plausibel und eingehend begründet. Sie wird nicht durch den vage gehaltenen Einwand des Antragstellers in Frage gestellt, dass die Begutachtung des Ingenieurbüros nur nach Sichtkontrolle erfolgt sei und daher insgesamt unklar bleibe, ob und mit welchem Aufwand die Grundstücke angeschlossen werden könnten. Daran ändert auch nichts die vom Antragsteller vorgelegte Bescheinigung des Fachunternehmens, in dem darauf hingewiesen wird, dass bei Einbau einer Rückstausicherung das Abwasser nicht mehr ordnungsgemäß ablaufen könne. Denn dies lässt die Möglichkeit, eine Rückstaupumpanlage oder Hebeanlage einzubauen, außer acht.

Ob eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang, wie sie der Antragsteller einfordert, die Beitragspflicht überhaupt entfallen ließe, kann der Senat offen lassen (dazu Klausing in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 1056). Er lässt weiter offen, ob schon im Eilverfahren gegen einen Beitragsbescheid eingewandt werden kann, dass die in einem gesonderten Verwaltungsverfahren beantragte Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang erteilt werden müsse. Denn die Voraussetzungen für eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang dürften nicht erfüllt sein.

Gemäß § 6 Abs. 1 EWS wird auf Antrag von der Verpflichtung zum Anschluss ganz oder zum Teil befreit, wenn der Anschluss aus besonderen Gründen auch unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Gemeinwohls nicht zumutbar ist. Davon kann nach Auffassung des Senats jedoch nur ausnahmsweise ausgegangen werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat zu dieser Problematik grundsätzlich ausgeführt, dass sich durch den Anschluss- und Benutzungszwang mit größtmöglicher Sicherheit eine Verunreinigung des Grundwassers durch Abwässer ausschließen lasse. Ein Verzicht auf dieses Maß an Sicherheit führe bereits zu einer dem Allgemeinwohl widersprechenden Gefährdung des Schutzgutes. Das Eigentumsrecht des Grundeigentümers, der z. B. auf seinem Grundstück eine private Kläranlage betreibe, sei von vornherein dahin eingeschränkt, dass er seine Anlage nur solange benutzen dürfe, bis die Gemeinde von der ihr gesetzlich zustehenden Befugnis Gebrauch mache, die Abwasserbeseitigung im öffentlichen Interesse in ihre Verantwortung zu übernehmen und hierfür den Anschluss- und Benutzungszwang anzuordnen. Besonderen Ausnahmefällen, in denen die Ausübung des Anschluss- und Benutzungszwangs mit Blick auf Art. 14 GG und das Verhältnismäßigkeitsgebot zu unbilligen Härten führen würde, könne durch die Möglichkeit der Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang Rechnung getragen werden. Dabei dürfe insbesondere berücksichtigt werden, dass die Errichtung und der Betrieb einer zentralen Abwasserbeseitigungsanlage mit Blick sowohl auf die Gewährleistung des Gewässerschutzes als auch die Wirtschaftlichkeit einer solchen Einrichtung grundsätzlich nur bei einem Anschluss möglichst aller Grundstücke des Einzugsgebiets sinnvoll sind. Freilich könnten einzelne private Kläranlagen behördlich daraufhin überwacht werden, ob sie ordnungsgemäß funktionieren. Die durch die Prüfung entstehenden Kosten könnten auf die Betreiber privater Kläranlagen abgewälzt werden. Das alles könnte jedoch nichts daran ändern, dass die Gemeinde ihre zentrale Entwässerungsanlage so dimensionieren müsse, dass sämtliche Grundstücke im Einzugsgebiet angeschlossen werden können (Defekt oder Stilllegung der privaten Kläranlage). Die Kosten für die Vorhaltung solcher Anschlussmöglichkeiten für Grundstücke mit privaten Kläranlagen fielen entweder der Gemeinde oder den Eigentümern der an die Einrichtung angeschlossenen Grundstücke zur Last. Beides widerspräche der mit der Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs neben dem Gewässerschutz bezweckten gleichmäßigen Verteilung der entstehenden Kosten auf möglichst sämtliche Grundstückseigentümer. (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.12.1997 - 8 B 234/97 -, NVwZ 1998, S. 1080 [1081]).

Vor diesem Hintergrund und angesichts der Entscheidung des Landesgesetzgebers zu Gunsten einer zentralen Abwasserbeseitigung (vgl. § 58 ThürWG) kann die Befreiung vom Anschlusszwang nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht kommen, wenn die zur Beseitigung des Abwassers verpflichtete Gemeinde den Anschlusszwang nicht durchsetzen darf, weil er sich im Einzelfall als unverhältnismäßig darstellt (vgl. BayVGH, Urteil vom 24.07.1997 - 23 B 94.1935 -, BayVBl. 1998, S. 721 [722]; Nds. OVG, Beschluss vom 14.06.1999 - 9 L 1160/99 -, NVwZ-RR 1999, S. 678; OVG NW, Beschluss vom 12.02.1996 - 22 A 4244/95 -, ZfW 1997, S. 118 [120 f.]). Hier sind keine hinreichenden Gründe dafür zu erkennen, dass der technische oder finanzielle Aufwand für den Antragsteller unzumutbar und die Durchsetzung des Anschlusszwangs unverhältnismäßig wäre. Das würde auch dann gelten, wenn der Anschluss nur mit Hilfe einer Hebeanlage möglich wäre. Denn eine solche Anlage gehört noch zu den standardmäßigen technischen Maßnahmen, um ein Grundstück an die öffentliche Entwässerungseinrichtung anzuschließen (vgl. auch § 9 Abs. 4 EWS). Es gilt erst recht, wenn nach der Stellungnahme des Ingenieurbüros der Einbau von Rückstausicherungen oder Rückstaupumpanlagen genügt und nur die Rohrlängen und die Bebauung des anzuschließenden Grundstücks erhöhte Kosten verursachen. Darin sind noch keine "besonderen Gründe" im Sinne des § 6 Abs. 1 EWS zu sehen, die den Anschluss unzumutbar erscheinen ließen.

Die von dem Antragsteller angegebenen Kosten für den Anschluss scheinen nach den vorgelegten Kostenvoranschlägen reichlich bemessen. Doch muss dem nicht nachgegangen werden. Auch in der veranschlagten Höhe sind die Kosten noch keineswegs unverhältnismäßig. Insbesondere dürfen sie nicht absolut betrachtet werden, sondern in Relation zum anzuschließenden Grundstück. Dass der Anschluss der Grundstücke an die öffentliche Kanalisation größeren technischen Aufwand und erhöhte Kosten verursacht, hat seinen Grund vor allem in der weit überdurchschnittlichen Größe der Grundstücke. Dazu ins Verhältnis gesetzt, erscheinen die Kosten bereits unter einem anderen Licht. Die Größe macht eine lange Abwasserleitung bis zum Anschlusspunkt erforderlich. Sie ist aber auch ein wesentlicher wertbestimmender Faktor. Hinzu kommt die exponierte, etwas abgeschiedene Lage der Grundstücke. Auch dabei handelt es sich um eine besondere Eigenschaft, die - darauf deutet schon das Kartenmaterial hin - den Grundstücken einen besonderen Wohn- und höheren Verkehrswert verleiht (vgl. ähnlich OVG HH, Urteil vom 08.03.1994 - Bf VI 31/93 -, zitiert nach Juris).

Bei den Flurstücken a und b spricht noch ein weiterer Umstand gegen die Unzumutbarkeit des Anschlusses. Denn dem Antragsteller war seit längerem aus verschiedenen Vorgängen bekannt, dass seine Grundstücke mittelfristig an das öffentliche Abwassernetz anzuschließen sein würden, wenn auf ihnen nach Durchführung baulicher Maßnahmen Abwasser anfällt und sobald der bereits geplante öffentliche Kanal mit der Möglichkeit zum Kanalanschluss geschaffen ist.

Dies ergibt sich u. a. aus der wasserrechtlichen Erlaubnis vom 25.08.1992, der Teilungsgenehmigung vom 26.11.1996, der weiteren Teilungsgenehmigung vom 23.06.1998 und der Baugenehmigung vom 21.03.1996, die an den Schwiegersohn des Antragstellers erging. Da dies dem Antragsteller noch vor der Errichtung der Diskothek und vor dem Umbau der Scheune zum Wohnhaus bekannt war oder bekannt sein musste, konnte er nicht schutzwürdig darauf vertrauen, die Grube bzw. eine eigene Abwasserbehandlungsanlage länger als nur vorübergehend zu nutzen.

Die Beschwerde hat allerdings Erfolg, soweit es die Höhe des Beitrags betrifft. Es spricht vieles dafür, dass das Grundstück zu Unrecht als Innenbereichsgrundstück veranlagt wurde. Der Senat kann den Befund des Verwaltungsgerichts, es sei schon im Ansatz keine Außenbereichslage zu erkennen, nicht nachvollziehen. Unerheblich ist auch, dass die untere Bauaufsichtsbehörde etwa im Bauschein vom 21.03.1996 von einer Innenbereichslage ausging und dieser Bescheid bestandskräftig ist. Zwar ist auch bei der Ermittlung des Beitrags eine bauplanungsrechtliche Beurteilung vorzunehmen, wenn die Bemessung der beitragspflichtigen Fläche solchen baurechtlichen Kriterien folgt. Das bauaufsichtliche Verfahren hat jedoch keine förmliche Bindungswirkung für die beitragsrechtliche Veranlagung. Die Bewertung der Bauaufsichtsbehörde ist daher nur maßgebend, soweit sie auch zutrifft. Nach summarischer Prüfung an Hand der vorliegenden Akten ist allerdings davon auszugehen, dass alle drei Grundstücke vollständig im Außenbereich liegen. Der erste Blick auf das Kartenmaterial weist in diese Richtung. Auch bei näherer Betrachtung wird dieser Befund eher bestätigt.

Ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil im Sinne des § 34 BauGB setzt voraus, dass die vorhandene Bebauung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit erweckt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Das muss wohl verneint werden. Bei den Grundstücken südlich der Straße "Vor der Pforte" handelt es sich um das Gelände einer ehemaligen LPG. Die dort befindlichen Gebäude sind offenkundig als landwirtschaftliche Wirtschaftsgebäude und Stallungen errichtet worden. Solche Gebäude können zunächst keinen im Zusammenhang bebauten Ortsteil bilden (BVerwG, Urteil vom 17.02.1984 - 4 C 55.81 -, DÖV 1984, S. 855). Sie wären heute als privilegierte Außenbereichsvorhaben zu qualifizieren (§ 35 Abs. 1. Nr. 1 BauGB). Zwischenzeitlich sind sie für gewerbliche Zwecke (Lager, Büro, Produktion) und in mindestens einem Fall auch für Wohnzwecke umgenutzt worden. Gleichwohl können diese Gebäude keinen Bebauungszusammenhang zu den Grundstücken des Antragstellers herstellen. § 34 BauGB findet nur dort Anwendung, wo die vorhandene Bebauung einen städtebaulichen Ordnungsfaktor für zukünftige Bauvorhaben darstellt. Es ist aber höchst zweifelhaft, ob die südlich gelegenen Grundstücke maßstabsbildend für das historische Mühlengrundstück und das Flurstück mit der zum Wohnhaus umgebauten Scheune sein können. Soweit die Unterlagen erkennen lassen, sind die Grundstücke südlich der Straße "Vor der Pforte" nach ihrer Lage am Ortsrand, ihrer Bebauung und der Anordnung der Bebauung immer noch eindeutig als ehemaliges LPG-Gelände erkennbar. Für dieses verhältnismäßig gleichförmige Gebiet erscheint die Straße "Vor der Pforte" funktional und logisch als Abschluss. Wenn die Gebäude jetzt gewerblich genutzt werden, mag das diese Wirkung eher noch verstärken. Sofern das nach Aktenlage beurteilt werden kann, liegt es keineswegs nahe, dass sich der Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit über die Straße hinweg fortsetzt und die Grundstücke des Antragstellers in den Bebauungszusammenhang einbezogen werden. Ob eine Straße einen Bebauungszusammenhang herstellt oder ob ihr trennende Funktion zwischen Innen- und Außenbereich zukommt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.02.1988 - 4 B 19/88 -, BRS 48 Nr. 44). Die trennende Wirkung der Straße ergibt sich aber hier daraus, dass die Straße "Vor der Pforte" von der Ortslage ab im wesentlichen einseitig, nämlich an der südlichen Seite bebaut ist, während nördlich davon nur vereinzelt Blockhütten stehen, bis nach einigem Abstand schließlich die Gebäude auf den Grundstücken des Antragstellers folgen. Wesentlich verstärkt wird die trennende Wirkung durch den laut Akten ständig wasserführenden Mühlgraben. Über diesen führen zwei Brücken, damit die Grundstücke des Antragstellers überhaupt von der Straße her erreichbar sind. Der Graben hat ausweislich des Kartenmaterials eine Gesamtbreite ähnlich der Straße, umgibt die Grundstücke des Antragstellers zumindest teilweise und grenzt sie so vom ganzen südlichen Gelände und nicht nur von der südlichen Bebauung ab. Wenn die Grundstücke des Antragstellers an dem Bebauungszusammenhang südlich der Straße nicht teilnehmen, so sind sie auch für sich genommen nicht in der Lage, einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil zu bilden. Dazu reicht die aufstehende Bebauung von lediglich drei Hauptgebäuden nicht aus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.04.1994 - 4 B 77.94 -, UPR 1994, S. 305).

Das Grundstück ist demnach (insgesamt) als Außenbereichsgrundstück gemäß § 6 Abs. 5 der Beitrags- und Gebührensatzung zur EWS zu veranlagen. Dabei bemisst sich die beitragspflichtige Grundstücksfläche nach der Grundfläche der an die Abwasseranlage angeschlossenen Baulichkeiten geteilt durch die Grundflächenzahl 0,5. Die Antragsgegnerin hat den sich daraus ergebenden Beitrag auf Anforderung des Senats errechnet. Insoweit sind Bedenken weder ersichtlich noch vorgetragen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und folgt in etwa dem Verhältnis des gegenseitigen Obsiegens und Unterliegens.

Die Festsetzung des für die Kostenberechnung maßgebenden Streitwerts beruht auf §§ 25 Abs. 2 Satz 1, 14, 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Der Senat setzt den Streitwert in abgabenrechtlichen Eilverfahren auf ein Viertel des streitigen Beitrags fest, mithin auf 2.625,61 Euro. Ein Abzug war hier nicht deshalb zu machen, weil in dem Bescheid eine bereits erbrachte Vorauszahlung angerechnet wird und das Leistungsgebot geringer ist als der festgesetzte Gesamtbeitrag. Denn der Rechtsschutzantrag ist in der Höhe nicht beschränkt und nicht nur gegen das Leistungsgebot gerichtet; auch mit der Begründung richtet sich der Antragsteller grundsätzlich gegen die Veranlagung. Die Befugnis zur Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung folgt aus § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG.

Hinweis: Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 2 Satz 3 GKG).



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