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Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 26.09.2005
Aktenzeichen: 4 EO 817/03
Rechtsgebiete: ThürKAG
Vorschriften:
ThürKAG § 12 Abs. 2 S. 4 |
Entscheidung wurde am 20.02.2006 korrigiert: die Rechtsgebiete und Vorschriften wurden geändert, Stichworte, Sachgebiete und ein Orientierungssatz wurden hinzugefügt
2. Die arbeitsleistungsbezogene Gewichtung bei der Staffelung der Grundgebührensätze knüpft bei der Verwendung eines auf die Nennweite des Anschlusskanals abstellenden Maßstabs nicht an den Innendurchmesser des Anschlusskanals an, sondern an die Durchflussmenge, die bei einem Anschlusskanal mit einer bestimmten Nennweite möglich ist.
3. Zum fehlenden Regelungsgehalt einer im Gebührenbescheid ausgewiesenen "offenen Forderung", die bereits zuvor festgesetzt, angefordert und fällig war, wenn keine Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Abänderung der Fälligkeit bestehen (im Anschluss an den Senatsbeschluss vom 26.07.2005 - 4 EO 131/02).
THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 4. Senat - Beschluss
In dem Verwaltungsstreitverfahren
wegen Benutzungsgebühren,
hier: Beschwerde nach §§ 80, 80a VwGO
hat der 4. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Prof. Dr. Aschke, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Blomenkamp und den Richter am Oberverwaltungsgericht Gravert am 26. September 2005 beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Gera vom 15.07.2003 - 5 E 281/03 GE - abgeändert und der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Gebührenbescheid des Antragsgegners vom 03.02.2003 auch insoweit abgelehnt, als es die Abwassergebühr in Höhe von 481,-- €, die Vorauszahlungen für Abwasser in Höhe von 120,-- € im Quartal und die angegebene "offene Forderung" in Höhe von 862,87 € betrifft.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen hat die Antragstellerin zu tragen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 455,97 € festgesetzt.
Gründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg. Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Gebührenbescheid des Antragsgegners vom 03.02.2003 ist entgegen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts insgesamt abzulehnen.
Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes insoweit stattgegeben, als es die Festsetzung und Forderung der Abwassergebühr für das Abrechnungsjahr 2002, die Festsetzung und Fälligstellung der Vorauszahlungen für die Abwassergebühren 2003 und die im Bescheid ausgewiesene "offene Forderung" in Höhe von 862,87 € betrifft. Insoweit erweise sich der Gebührenbescheid vom 03.02.2003 bereits auf Grund der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung als rechtswidrig. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht hierzu ausgeführt, dass die Bekanntmachung der für den angegriffenen Gebührenbescheid maßgeblichen Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung des Antragsgegners vom 28.09.2002 (bekannt gemacht im "Amtsblatt des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt, der Städte Saalfeld, Rudolstadt und Bad Blankenburg" vom 09.10.2002 sowie im "Amtsblatt des Ilm-Kreises" vom 08.10.2002) - BGS-EWS - nach summarischer Prüfung ordnungsgemäß sei. Die Regelung über die Erhebung der Grundgebühr in § 12 Abs. 2 und 3 BGS-EWS vom 28.09.2002 erweise sich jedoch als nichtig, weil sie gegen das Äquivalenzprinzip und das Willkürverbot verstoße. Die Staffelung der Abwassergrundgebühren nach der Nennweite des Anschlusskanals bzw. nach dem auf dem Grundstück vorhandenen Nutzraum beruhe auf der Überlegung, dass mit steigendem Durchmesser des Anschlusskanals mehr Abwasser abgeleitet werde bzw. bei größerem Nutzraum der Kleinkläranlage mehr Klärgut abgefahren werde. Damit erhöhe sich auch die vorzuhaltende und abrufbare Leistung und der Umfang der Vorhalteleistung. In der vom Antragsgegner geregelten Staffelung der Abwassergrundgebühren steige die Grundgebühr jedoch stärker an als die Nennweiten der Anschlusskanäle und entspräche nicht dem arbeitsleistungsbezogenen Gewichtungsfaktor. Die nicht unerheblich von dem arbeitsleistungsbezogenen Maßstab abweichende Gebührenbelastung habe der Antragsgegner nicht nachvollziehbar erläutert. Die Nichtigkeit der Grundgebührenregelung habe die Nichtigkeit der Benutzungsgebührenregelung zur Folge. Die für 2003 festgesetzten Vorauszahlungen seien daher ebenso rechtswidrig wie die für 2002 festgesetzten Abwassergebühren. Ferner sei der Gebührenbescheid rechtswidrig, soweit er unter der Rubrik "offene Forderung/Guthaben - Zahlbetrag" ein Leistungsgebot in Höhe von 862,87 € beinhalte, ohne dass ersichtlich sei, aus welchen vorhergehenden Bescheiden sich dieser Betrag zusammensetze. Insoweit sei diese Regelung zu unbestimmt. Zwar möge in dem bloßen Aufführen einer noch ausstehenden, offenen Forderung keine erneute Festsetzung einer Gebührenschuld zu sehen sein, anders sehe es jedoch aus, wenn dieser offene Betrag in den Zahlungsbetrag eingerechnet und die gesamte Summe zum 05.03.2003 fällig gestellt werde. Vorliegend sei nicht auf die fällige Forderung aus anderen Bescheiden hingewiesen, sondern die offene Forderung ausdrücklich und mit neuem Fälligkeitstermin zur Zahlung angemahnt worden. Dieser neue Verwaltungsakt des Antragsgegners sei nicht hinreichend bestimmt.
Soweit es die vom Verwaltungsgericht als nichtig angesehene Staffelung der Grundgebühren betrifft, macht der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren zunächst geltend, dass die veranschlagten Gebühren nicht kostendeckend seien, sodass es wegen fehlerhaft bemessener Grundgebühren auch nicht zur Festsetzung von zu hohen Abwassergebühren komme. Die Erhebung von zu niedrigen Gebühren könne mangels Belastung für die Betroffenen nicht zu einer Rechtsverletzung führen. Diesen Vortrag hat er vor Ablauf der Begründungsfrist dahingehend ergänzt, dass die Staffelung der Grundgebühren in rechtmäßiger Weise erfolgt sei. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, welche Auswirkungen eine Erhöhung des Durchmessers auf die mögliche Durchflussmenge der Anschlusskanäle habe. Ein Kanal mit DN 300 habe zwar nur den doppelten Durchmesser, aber die vierfache Querschnittsfläche eines Kanals DN 150. Entsprechend den Grundsätzen des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes gelange man im Ergebnis dazu, dass durch ein Rohr mit doppeltem Durchmesser in der Regel die vierfache Abwassermenge fließe, nicht nur die doppelte. Daran habe sich die Bemessung der Grundgebühren orientiert und dies sei nicht zu beanstanden. Wegen der Wirksamkeit der Regelung über die Abwassergebühren könnten auch die Vorauszahlungen auf die Abwassergebühren nicht beanstandet werden.
Mit diesen vorgetragenen Gründen, auf deren Nachprüfung der Senat im Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, hat der Antragsgegner Erfolg. Zwar geht er fehl in der Annahme, dass fehlerhaft bemessene Grundgebühren im Falle nicht kostendeckend kalkulierter und deshalb zu niedrig festgesetzter Gebührensätze nicht zu einer Rechtsverletzung der betroffenen Gebührenpflichtigen führen könnten. Denn bei der Überprüfung der Staffelung der Grundgebührensätze geht es um die Rechtmäßigkeit des Grundgebührenmaßstabs, nicht darum, ob der jeweilige Grundgebührensatz im Ergebnis überhöht ist. Ein gegen geltendes Recht verstoßender Grundgebührenmaßstab hat die Nichtigkeit der satzungsrechtlichen Gebührenregelung zur Folge, weil es nach der Bedeutung der Grundgebührenregelung im Satzungsgefüge ohne diese an einem zwingenden Mindestbestandteil der Satzung gemäß § 2 Abs. 2 ThürKAG fehlt (vgl. hierzu im Einzelnen das Senatsurteil vom 12.12.2001 - 4 N 595/94 - ThürVGRspr. 2002, 96 = LKV 2002, 534 und den Senatsbeschluss vom 10.02.2003 - 4 ZKO 780/02 -).
Entsprechend dem fristgerecht ergänzten Beschwerdevorbringen des Antragsgegners bestehen jedoch entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bei der im Verfahren auf Gewährleistung vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung keine Anhaltspunkte dafür, dass der vom Antragsgegner in § 12 Abs. 2 und 3 BGS-EWS festgelegte Grundgebührenmaßstab für die Bemessung der Abwassergebühr nach der Nennweite des Anschlusskanals offensichtlich gegen das Äquivalenzprinzip verstößt oder willkürlich ist.
Das Verwaltungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der gewählte Grundgebührenmaßstab, der an die Nennweite des Anschlusskanals anknüpft, nicht als offensichtlich ungeeigneter Wahrscheinlichkeitsmaßstab für die Bemessung einer Abwassergrundgebühr angesehen werden kann. Wie der Senat im Zusammenhang mit der Staffelung von Grundgebühren für die Inanspruchnahme einer Wasserversorgungseinrichtung entschieden hat (vgl. das Senatsurteil vom 12.12.2001 - 4 N 595/94 - a. a. O.), ist die Grundgebühr eine Benutzungsgebühr, die für die Inanspruchnahme der Lieferungs- bzw. Betriebsbereitschaft einer Einrichtung erhoben wird. Sie kann nach § 12 Abs. 2 Satz 4 ThürKAG zur Deckung der verbrauchsunabhängigen Kosten erhoben werden (Vorhaltekosten oder auch sog. fixe oder invariable Kosten, die durch das Bereitstellen und die ständige Vorhaltung der Einrichtung entstehen). Wegen der Unabhängigkeit vom tatsächlichen Verbrauch wird die Grundgebühr nicht nach dem Maß der Benutzung (Inanspruchnahme), sondern - verbrauchsunabhängig - nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab bemessen, der sich an Art und Umfang der aus der Lieferbereitschaft folgenden abrufbaren Arbeitsleistung (z. B. Nenngröße des Wasserzählers) als Anhalt für die vorzuhaltende Höchstlastkapazität orientiert. Bei der Wahl des Verteilungsmaßstabes muss der Satzungsgeber innerhalb seines Satzungsermessens einen geeigneten Gebührenmaßstab wählen, der sachgerecht am Ausmaß der Benutzung ausgerichtet ist und nicht auf willkürlichen Kriterien beruht. Der Gebührenmaßstab muss zudem unter Beachtung des in § 12 Abs. 4 ThürKAG für das Gebührenrecht konkretisierten Äquivalenzprinzips eine leistungsgerechte Differenzierung der Gebühr festlegen, sofern die Benutzung der öffentlichen Einrichtung unterschiedlich zu bemessende Leistungen gewährt (vgl. Urteil des Senats vom 11.06.2001 - 4 N 47/96). Das Äquivalenzprinzip des § 12 Abs. 4 ThürKAG ersetzt das dem Satzungsgeber bei der Wahl des Gebührenmaßstabes zustehende Satzungsermessen nicht vollständig zugunsten strikter Vorgaben, sondern schränkt es nur ein. Der Satzungsgeber ist deshalb grundsätzlich nicht verpflichtet, ohne Rücksicht auf den damit verbundenen Verwaltungsaufwand oder auf nachteilige Auswirkungen für die Erfüllung der Aufgabe einen Wirklichkeitsmaßstab zu wählen. Er ist ebensowenig verpflichtet, denjenigen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu wählen, der dem wirklichen Maß der Inanspruchnahme am nächsten kommt (vgl. ebenfalls das Urteil des Senats vom 12.12.2001 - 4 N 595/94 - a. a. O. sowie das Urteil vom 11.06.2001 - 4 N 47/96 - zur Abfallgebührenbemessung).
Der vom Antragsgegner für die Bemessung der Abwassergrundgebühren gewählte Maßstab nach der Nennweite des Anschlusskanals ist ein arbeitsleistungsbezogener Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Er beruht, wie das Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung bereits sinngemäß ausgeführt hat, auf der Annahme, dass die Nennweite des Anschlusskanals Rückschlüsse auf die mögliche Durchflussmenge des in die Entwässerungseinrichtung eingeleiteten und vom Antragsgegner zu beseitigenden Abwassers zulässt und damit auf den Umfang der abrufbaren Arbeitsleistung als Anhalt für die vorzuhaltende Höchstlastkapazität. Die Nennweite des Anschlusskanals, d. h. der jeweilige Innendurchmesser der Anschlussleitung, ermöglicht die Berechnung des Umfangs (Volumens) der Abwassermenge, die über diesen Kanal der Entwässerungseinrichtung zugeführt werden kann. Es ist nicht offensichtlich unsachgerecht oder willkürlich anzunehmen, dass mit steigender Nennweite des Anschlusskanals auch die mögliche Abwassermenge steigt und mithin der Umfang der vorzuhaltenden und abrufbaren Vorhalteleistung des Antragsgegners für die Abwasserbeseitigung. Ob dieser Maßstab im konkreten Fall hinreichend geeignet ist, allen sich aus dem Äquivalenzprinzip und dem Gleichheitssatz gebotenen Differenzierungen entsprechend den Gegebenheiten im Entsorgungsgebiet des Antragsgegners Rechnung zu tragen, ist nicht im Beschwerdeverfahren, sondern allenfalls in einem sich anschließenden Hauptsacheverfahren zu klären.
Eine offensichtliche Ungeeignetheit des gewählten Grundgebührenmaßstabs nach der Nennweite der Anschlusskanäle folgt insbesondere nicht daraus, dass - wie die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren geltend macht - die Nennweite des Anschlusskanals nicht zu einer linearen Steigerung der Durchflussmenge führe und deshalb nicht in Zusammenhang mit der Steigerung der Vorhaltekosten stehe. Anknüpfungspunkt für die Steigerung der Vorhalteleistung und damit auch der Vorhaltekosten ist nicht die Nennweite selbst, sondern die auf Grund der Nennweite des Anschlusskanals mögliche Abwassermenge. Die Annahme, dass die Vorhaltekosten des Antragsgegners umso mehr steigen, je größer die nach der jeweiligen Nennweite des Anschlusskanals zu erwartende Abwassermenge und damit die abrufbare und vorzuhaltende Entsorgungsleistung ist, ist im Beschwerdeverfahren nicht zu beanstanden. Ob die Nennweite der Anschlusskanäle zu einer linearen Steigerung der Durchflussmenge und damit der Vorhaltekosten führt, ist keine Frage der Geeignetheit des Maßstabs, sondern seiner inhaltlichen Ausgestaltung, d. h. der Staffelung der Grundgebührensätze entsprechend einem arbeitsleistungsbezogenen Gewichtungsfaktor.
Unbeachtlich für die Wahl des Grundgebührenmaßstabs ist ferner, dass die Satzungsmuster des Thüringer Innenministeriums für die Bemessung der Grundgebühren einen Maßstab empfehlen, der sich nicht an der Nennweite des Anschlusskanals, sondern an dem Nenndurchfluss der verwendeten Wasserzähler orientiert (vgl. § 13, 1. Alternative des Satzungsmusters einer BGS-EWS, ThürStAnz. 2001, 1675; ThürStAnz. 2005, 595). Es ist dem Satzungsermessen des Einrichtungsträgers zu überlassen, für welchen von mehreren grundsätzlich geeigneten Maßstäben er sich auch unter Berücksichtigung von Praktikabilitätsaspekten entscheidet. Im Bereich der Abwasserbeseitigung ist es schwieriger als im Bereich der Wasserversorgung, einen tauglichen Anhaltspunkt für die wahrscheinliche Inanspruchnahme der Arbeits- und Vorhalteleistung der öffentlichen Entwässerungseinrichtung zu finden (vgl. hierzu Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: 32. Erg.Lfg. März 2005, Rn. 227 zu § 6). Die in der Rechtsprechung bisher als geeignet anerkannten Grundgebührenmaßstäbe für eine Abwasserentsorgungseinrichtung (z. B. nach der Nenngröße der verwendeten Wasserzähler oder der Anzahl der Wohneinheiten, vgl. Schulte/Wiesemann in Driehaus, a. a. O., Rn. 367 zu § 6) geben ebenfalls nur ungefähre Anhaltspunkte für den wahrscheinlichen Umfang der in Anspruch genommenen Vorhalteleistung für die Abwasserbeseitigung. So lässt etwa der Maßstab nach der Nenngröße der Wasserzähler gewisse Rückschlüsse auf den wahrscheinlichen Umfang der Schmutzwassereinleitung zu (BVerwG, Beschluss vom 25.10.2001 - 9 BN 4.01 - NVwZ-RR 2003, 300; SächsOVG, Beschluss vom 11.12.2000 - 5 BS 137/00 - zitiert nach Juris), bietet aber keine Anhaltspunkte für die bei einer einheitlichen Entwässerungseinrichtung ebenfalls vorgehaltene Leistung der Niederschlagswasserbeseitigung. Dass die durch den Antragsgegner vorgehaltene Arbeitsleistung der Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung auch eine getrennte Erhebung von Grundgebühren für Schmutz- und Niederschlagswasser gebiete, wird im Beschwerdeverfahren nicht geltend gemacht, ist nach den dem Senat hier vorliegenden Unterlagen nicht erkennbar und wäre allenfalls in einem Hauptsacheverfahren zu klären.
Die Staffelung der Grundgebührensätze in § 12 Abs. 2 und 3 BGS-EWS vom 28.09.2002 verstößt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht gegen das in § 12 Abs. 4 ThürKAG niedergelegte Äquivalenzprinzip und das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Willkürverbot. Der Anstieg der Grundgebührensätze steht in einer annähernden Relation zu der von der Nennweite des Anschlusskanals abhängigen höchst möglichen Durchflussmenge des Abwassers und damit zum Anstieg der von der Abwassermenge abhängigen Vorhalteleistung des Antragsgegners. Die Staffelung folgt daher einem arbeitsleistungsbezogenen Gewichtungsfaktor und ist nicht willkürlich:
Wie der Senat zur Staffelung der Grundgebührensätze bei einer Wasserversorgungseinrichtung entschieden hat, muss die Höhe der jeweiligen Grundgebühr in eine zumindest annähernde Beziehung zu diesem Nutzungsumfang gesetzt werden, um nicht willkürlich zu sein (vgl. hierzu ebenfalls das Urteil des Senats vom 12.12.2001 - 4 N 595/94 - a. a. O.). In welcher Relation die Gebührenhöhe im Bereich der Wasserversorgung bei Verwendung des Zählermaßstabs zum Anstieg der Arbeitsleistung unterschiedlich großer Wasserzähler und damit zum wahrscheinlichen Umfang der Inanspruchnahme stehen soll, gewichtet der Satzungsgeber unter Beachtung des Äquivalenzprinzips und des Gleichheitssatzes nach dem ihm zustehenden Satzungsermessen. Der Gewichtungsfaktor ist Teil der nach § 2 Abs. 2 ThürKAG in der Gebührensatzung zu bestimmenden Maßstabsregelung und nicht nur ein variabler Berechnungsfaktor in der Gebührenkalkulation. Gibt die Maßstabsregelung nicht ausdrücklich eine andere Gewichtung vor, folgt bei Verwendung des reinen Zählermaßstabes aus der arbeitsleistungsbezogenen Staffelung der Grundgebühren regelmäßig ein den unterschiedlichen Nennleistungen der Wasserzähler entsprechender Gewichtungsfaktor. Dies bedeutet, dass die Gebührensätze für unterschiedlich große Wasserzähler im Wesentlichen gleichmäßig entsprechend dem Anstieg der Nennleistungen der verschieden großen Wasserzähler steigen (= lineare Staffelung). Die Höhe der Nennleistung der verschiedenen Wasserzähler gibt dabei den arbeitsleistungsbezogenen Gewichtungsfaktor vor (z. B. Gewichtungsfaktor 1 für den kleinsten verwendeten Wasserzähler mit einem Nenndurchfluss von bis zu 2,5 m³/h und Gewichtungsfaktor 4 für vierfach größere Wasserzähler mit einem Nenndurchfluss von bis zu 10 m³/h).
Bei der Anwendung dieser auf den Zählermaßstab bezogenen Grundsätze hat das Verwaltungsgericht verkannt, dass die arbeitsleistungsbezogene Gewichtung bei der Verwendung eines auf die Nennweite des Anschlusskanals abstellenden Maßstabs nicht an den Innendurchmesser des Anschlusskanals anknüpft, sondern an die Durchflussmenge, die bei einem Anschlusskanal mit einer bestimmten Nennweite möglich ist. Während die Nennleistung des Wasserzählers als Maßstab der Wassergrundgebühr bereits die möglichen Durchflussmengen beziffert, die den Anhaltspunkt für die Zuordnung unterschiedlicher Vorhalteleistungen bilden, bedarf es bei der Nennweite, also dem Innendurchmesser des Abwasserkanals als Anknüpfungspunkt für die Staffelung der Abwassergrundgebühr noch einer Umrechnung in die jeweils möglichen Durchflussmengen, die erst einen Rückschluss auf die entsprechende Vorhalteleistung des Einrichtungsträgers rechtfertigen. Insofern hat der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren zutreffend vorgetragen, dass ein Anschlusskanal der Größe DN 300 (entsprechend einem Rohrinnendurchmesser von 300 mm oder 30 cm) zwar nur den doppelten Durchmesser eines Anschlusskanals der Größe DN 150 (entsprechend einem Rohrinnendurchmesser von 150 mm oder 15 cm) aufweist, jedoch das vierfache Volumen fasst, also die vierfache Abwassermenge ermöglicht. Ein Anschlusskanal der Größe DN 200 (entsprechend einem Rohrinnendurchmesser von 200 mm oder 20 cm) weist den 1,33-fachen Durchmesser eines Anschlusskanals der Größe DN 150 auf, fasst jedoch die 1,78-fache Durchflussmenge. Wie sich aus nachstehender Tabelle ergibt, folgt der Anstieg der Grundgebührensätze in § 12 Abs. 2 und 3 ThürKAG einem Gewichtungsfaktor, der dem Anstieg der möglichen Durchflussmengen der jeweiligen Anschlusskanäle entspricht. Diese arbeitsleistungsbezogene, an der höchst möglichen Abwassermenge orientierte Gewichtung bei der Staffelung der Grundgebührensätze steht nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zur wahrscheinlichen Inanspruchnahme der Entwässerungseinrichtung und ist nicht willkürlich.
Nennweite des Anschlusskanals | Gewichtungsfaktor nach Durchflussmenge | Grundgebührensatz entsprechend Gewichtungsfaktor | Grundgebührensatz nach § 12 Abs. 2 BGSEWS |
bis DN 150 | 1 | 8,-- € | 8,-- €/mtl. |
bis DN 200 | 1,78 | 14,24 € | 14,-- €/mtl. |
bis DN 300 | 4 | 32,-- € | 32,-- €/mtl. |
Nennweite eines zusätzlich genutzten Anschlusskanals | Gewichtungsfaktor nach Durchflussmenge | Grundgebührensatz entsprechend Gewichtungsfaktor | Grundgebührensatz nach § 12 Abs. 3 BGSEWS |
bis DN 150 | 1 | 3,-- € | 3,-- €/mtl. |
bis DN 200 | 1,78 | 5,34 € | 5,-- €/mtl. |
bis DN 300 | 4 | 12,-- € | 12,-- €/mtl. |
Ist demnach die Staffelung der Grundgebührensätze in § 12 Abs. 2 und 3 BGS-EWS im Beschwerdeverfahren nicht zu beanstanden, ist der Gebührenteil der BGS-EWS nicht offensichtlich unwirksam. Weder die Gebührenfestsetzung und -forderung für das Jahr 2002 noch die Festsetzung und -forderung von Vorauszahlungen für 2003 in dem angegriffenen Gebührenbescheid erweisen sich daher wegen einer inhaltlich rechtswidrigen Gebührensatzung im Beschwerdeverfahren als voraussichtlich rechtswidrig.
Soweit die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren vorträgt, der angegriffene Gebührenbescheid sei unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Grundgebührenmaßstabs in der Gebührensatzung schon deshalb rechtswidrig, weil der Antragsgegner nicht wirksam als Zweckverband entstanden sei bzw. weil die BGS-EWS vom 28.09.2002 nicht wirksam bekannt gemacht worden sei, ist dieser Vortrag nicht geeignet, das Entscheidungsergebnis des Verwaltungsgerichts zu rechtfertigen.
Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss unter Zugrundelegung des im vorläufigen Rechtsschutzverfahren geltenden Prüfungsmaßstabs davon ausgegangen ist, dass der Antragsgegner im März 1992 als Zweckverband wirksam entstanden ist (vgl. hierzu bereits den Senatsbeschluss vom 05.08.2004 - 4 EO 152/02 -).
Ferner kommt es nicht darauf an, ob die BGS-EWS vom 28.09.2002 aus den von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen fehlerhaft bekannt gemacht worden ist. Denn falls sich diese Fassung der BGS-EWS als unwirksam erweisen sollte, fände der Gebührenbescheid des Antragsgegners seine Rechtsgrundlage in der BGS-EWS des Antragsgegners vom 06.01.2005, die im "Amtsblatt des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt, der Städte Saalfeld, Rudolstadt und Bad Blankenburg" vom 26.01.2005 sowie im "Amtsblatt des Ilm-Kreises" vom 08.02.2005 veröffentlicht wurde. Die Grundgebührenregelung in § 12 BGS-EWS vom 06.01.2005 wurde rückwirkend zum 01.01.1995 in Kraft gesetzt und stimmt inhaltlich für die ab dem 01.01.2002 geltenden Gebührensätze mit der Regelung in § 12 BGS -EWS vom 28.09.2002 überein. Offenkundige Bekanntmachungsfehler der BGS-EWS vom 06.01.2005 hat die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht vorgetragen und sind auch dem Senat nicht ersichtlich.
Der Antragsgegner wendet sich im Beschwerdeverfahren schließlich zu Recht gegen die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, bei der im Bescheid ausgewiesenen offenen Forderung handele es sich um ein neues Leistungsgebot, also um einen neuen Verwaltungsakt. Wird in einem Gebührenbescheid nicht nur die Gebühr für einen bestimmten Abrechnungszeitraum festgesetzt und zur Zahlung eines (ggfs. in Anrechnung zuvor bereits geleisteter Vorauszahlungen) bestimmten Betrages aufgefordert, sondern daneben auch noch ein Zahlungsrückstand aus früheren Gebührenfestsetzungen und fälligen Zahlungsaufforderungen ausgewiesen, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die Angabe rückständiger Zahlungen lediglich informatorisch erfolgt ist oder Regelungsinhalt des Bescheides in Form einer abgeänderten Festsetzung bzw. Zahlungsaufforderung sein soll. Insofern ist gemäß der im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Auslegungsregel des § 133 BGB nicht der innere, sondern der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Bei dieser Auslegung ist nicht nur darauf abzustellen, ob eine noch nicht bezahlte Restforderung als Teil der Gesamtforderung bezeichnet wird, sondern ob es sich bei dem ausgewiesenen Zahlungsrückstand um eine (erstmalige oder abgeänderte) Fälligstellung und Zahlungsaufforderung oder lediglich um die Information über eine noch nicht beglichene, schon zuvor fällig gestellte Altforderung ohne eigenständigen Regelungsgehalt handelt (vgl. hierzu im Einzelnen den Senatsbeschluss vom 26.07.2005 - 4 EO 131/02 -). Betreffend die im Gebührenbescheid des Antragsgegners vom 03.02.2003 angegebene "offene Forderung" i. H. v. 862,87 € hat der Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass der Ausweisung dieses Betrages, seiner Einbeziehung in den ausgewiesenen "Zahlbetrag" insgesamt sowie der Benennung eines Fälligkeitstermins zum 05.03.2003 ein neuer Regelungsgehalt zukommt. Wie für die Antragstellerin bei objektiver Würdigung hinreichend erkennbar war, handelt es sich bei der "offenen Forderung" um den im Gebührenbescheid des Antragsgegners vom 15.02.2002 geforderten Zahlbetrag, der in diesem Bescheid zum 17.03.2002 fällig gestellt worden war. Die Ausweisung einer bereits zuvor festgesetzten, fälligen und angeforderten Gebührenforderung hat nur informatorischen Charakter. Es ist nicht zu erkennen, dass der Antragsgegner die Festsetzung und/oder Fälligkeit der Gebührenforderung durch den Gebührenbescheid vom 03.02.2003 hätte ändern wollen. Insbesondere kommt der Einbeziehung des Zahlungsrückstandes in den Gesamtzahlungsbetrag und dem gesetzten Fälligkeitstermin kein Regelungsgehalt im Sinne einer Abänderung des bisherigen Fälligkeitstermins der Altforderung vom 17.03.2002 zu. Ist eine Abgabenforderung zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig gestellt worden, kann die Fälligkeit nachträglich durch eine ihrerseits hinreichend bestimmte Änderung der Fälligkeitsbestimmung oder eine Stundung entfallen; die gleiche Wirkung kann möglicherweise die Aussetzung der Vollziehung durch die Behörde oder die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Abgabenbescheid haben (vgl. Lauenroth/Sauthoff in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: 32. Erg.Lfg. März 2005, Rn. 77 ff. zu § 12). Auch wenn die Art der Darstellung in dem Gebührenbescheid des Antragsgegners Anlass zu Unsicherheiten geben mag und verbessert werden könnte, kann die Bestimmung der Fälligkeit zum 05.03.2003 im Gebührenbescheid vom 03.02.2003 bei der gebotenen Auslegung nicht als Abänderung, Stundung oder zeitweise Aussetzung der Vollziehung verstanden, sondern nur bezogen werden auf die Festlegung eines Fälligkeitstermins für die zuvor noch nicht fällig gestellten Gebührenforderungen des Antragsgegners.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des für die Kostenberechnung maßgebenden Streitwerts beruht auf §§ 25 Abs. 2 Satz 1, 14, 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG (in der bis zum 30.06.2004 gültigen und hier noch anzuwendenden Fassung). Dabei legt der Senat in Anlehnung an den "Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit" (Fassung 7/2004: NVwZ 2004, 1327 ff.) im Abgabenrecht den Wert der im Beschwerdeverfahren noch streitigen Abgabe zu Grunde (hier: anteilige Abwassergebühr für 2002 i. H. v. 481,-- €, Vorauszahlungen Abwasser für 2003 i. H. v. 480,-- € und eine "offene Forderung" i. H. v. 862,87 € = 1.823,87 €) und ermäßigt diesen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf ein Viertel.
Hinweis: Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG n. F.).
Ende der Entscheidung
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