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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 31.05.2005
Aktenzeichen: 4 KO 1109/04
Rechtsgebiete: BGS-EWS 2002, ThürKGG


Vorschriften:

BGS-EWS 2002 § 5 Abs. 2
BGS-EWS 2002 § 5 Abs. 2 Buchst. b)
BGS-EWS 2002 § 5 Abs. 2 Buchst. bb) Ziffer 1
VwGO § 61 Nr. 1
VwGO § 78 Abs. 1 Nr. 1
VwGO § 113 Abs. 2 Satz 3
VwGO § 154 Abs. 1
VwGO § 155 Abs. 1 Satz 1
ThürKGG § 19 Abs. 1 Satz 1
ThürKGG § 19 Abs. 1 Satz 3
ThürKGG § 19 Abs. 1 Satz 4
1. Der Erlass einer Beitrags- und Gebührensatzung durch einen nachträglich erstmals wirksam entstandenen Zweckverband ist nicht geeignet, einen Beitragsbescheid zu heilen, den nicht dieser Zweckverband erlassen hat, sondern ein vormals fehlerhafter Zweckverband gleichen Namens.

2. Im Thüringer Zweckverbandsrecht ist der Übergang von Rechten und Pflichten eines nicht existent gewordenen, fehlerhaften Zweckverbandes auf einen später wirksam entstandenen Zweckverband im Wege der Funktionsnachfolge zulässig und geboten, wenn der neue Zweckverband für seine Verbandsmitglieder die Aufgaben des fehlerhaften Verbandes in vergleichbarer Weise übernommen hat und dessen Aufgabe und Funktion insoweit fortführt.

3. Allerdings führt die Funktionsnachfolge nicht dazu, dass die vom fehlerhaften Zweckverband erlassenen und mangels hoheitlicher Befugnis rechtswidrigen Verwaltungsakte kraft Funktionsnachfolge als Verwaltungsakte des nunmehr wirksam gegründeten Hoheitsträgers gelten und auf diese Weise geheilt würden.


THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 4. Senat - Im Namen des Volkes Urteil

4 KO 1109/04

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Beiträgen,

hier: Berufung

hat der 4. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Prof. Dr. Aschke, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Blomenkamp und den Richter am Oberverwaltungsgericht Gravert auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 31. Mai 2005 für Recht erkannt :

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 26. März 2003 - 6 K 2816/00.We - abgeändert, soweit darin die Klage abgewiesen wird, und der Beitragsbescheid des "Wasser- und Abwasserzweckverbandes Gotha und Landkreisgemeinden" vom 09.02.1999 aufgehoben, soweit darin ein Beitrag von mehr als 2.472,66 DM (= 1.264,25 €) festgesetzt wird.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Beklagte 7/10 und die Klägerin 3/10.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte und die Klägerin dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der jeweils festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks in Gotha, F_____________, Flur 12, Flurstück a_, mit einer Größe von 907 m². Sie wendet sich im Klageverfahren und im zugelassenen Berufungsverfahren gegen die Heranziehung zu Abwasserbeiträgen durch den Beklagten.

Mit Bescheid vom 09.02.1999 setzte der "Wasser- und Abwasserzweckverband Gotha und Landkreisgemeinden" gegenüber der Klägerin für das oben genannte Grundstück einen Beitrag zur Deckung des Investitionsaufwandes für die öffentliche Entwässerungseinrichtung in Höhe von 8.244,63 DM fest. In Anrechnung bereits überwiesener 2.200,-- DM wurde in dem Bescheid die Zahlung von noch 6.044,63 DM gefordert. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 04.03.1999 Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Unter dem 04.01.2000 teilte der "Zweckverband" der Klägerin mit, ihrem Widerspruch nicht abhelfen zu können und legte ihn der Widerspruchsbehörde zur Entscheidung vor.

Der "Wasser- und Abwasserzweckverband Gotha und Landkreisgemeinden", zu dem ausweislich der Verbandssatzung auch die Stadt Gotha gehört, sollte bereits im Jahre 1992 gegründet und zur Entstehung gebracht werden. Nach dem Senatsurteil vom 09.12.2003 - 4 KO 583/03 - ist er im Jahre 1992 mangels wirksamer Bekanntmachung seiner Verbandssatzung und ihrer Genehmigung nicht zur Entstehung gelangt. Auch die Bekanntmachung der Verbandssatzung im Amtsblatt des Landkreises Gotha vom 19.11.1997 konnte - obgleich das Amtsblatt des Landkreises Gotha nunmehr das richtige Verlautbarungsorgan war - nicht zur Entstehung als Zweckverband führen. Entstanden ist der Beklagte danach jedoch als namensgleicher Zweckverband mit der Bekanntmachung seiner Verbandssatzung und ihrer Genehmigung im Amtsblatt des Landkreises Gotha vom 27.03.2002, nämlich am Tag nach dieser Bekanntmachung, mithin am 28.03.2002. In dieser bekannt gemachten Fassung der Verbandssatzung wird die Stadt Gotha ebenfalls als Verbandsmitglied aufgeführt.

Die Klägerin hat am 23.11.2000 beim Verwaltungsgericht Weimar - 6 K 2816/00.We - gegen den Abwasserbeitragsbescheid Klage erhoben.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 09.02.1999 (Reg. Nr. 112-01736/1102) aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Während des laufenden Klageverfahrens hat der Beklagte am 02.09.2002 die 2. Neufassung der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung - BGS-EW S 2002 - beschlossen und diese am 27.11.2002 im "Amtsblatt des Landkreises Gotha" veröffentlicht. Diese Satzung sollte hinsichtlich der wesentlichen beitragsrechtlichen Regelungen rückwirkend zum 01.01.1993 in Kraft treten. Im Gegensatz zur Vorläufersatzung, der BGS-EWS 1997, wurde insbesondere die Tiefenbegrenzungsregelung in § 5 Abs. 2 BGS-EWS 2002 neu gefasst.

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten durch das am 23.04.2003 verkündete, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.03.2003 ergangene Urteil verpflichtet, den Beitragsbescheid vom 09.02.1999 unter Anwendung der Tiefenbegrenzungsregelung in § 5 Abs. 2 Buchst. b) bb) Ziffer 1 der BGS-EWS des Beklagten vom 02.09.2002 abzuändern. Die Bemessungsgrundlagen im Übrigen blieben unberührt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei als Untätigkeitsklage zulässig. Der Beklagte sei als Zweckverband am 10.09.1992 wirksam entstanden. Die BGS-EWS 1997 sei wegen einer fehlerhaften Tiefenbegrenzungsregelung unwirksam gewesen, aber durch die BGS-EWS 2002 geheilt worden. Die in ihren wesentlichen beitragsrechtlichen Bestimmungen rückwirkend zum 01.01.1993 in Kraft getretene BGS-EWS 2002 begegne keinen Rechtmäßigkeitszweifeln. Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Beitragspflicht der Klägerin lägen vor. Allerdings läge das Grundstück nur zum Teil im Innenbereich und im Übrigen im Außenbereich und falle damit in den Anwendungsbereich der Tiefenbegrenzungsregelung. Da die Ermittlung der danach anzusetzenden Grundstücksfläche und damit auch die Ermittlung der korrekten Beitragshöhe für das Gericht einen nicht unerheblichen Aufwand bedeute, habe das Gericht bei der Tenorierung von der Möglichkeit des § 113 Abs. 2 Satz 2 VwGO Gebrauch gemacht. Die daraus resultierenden Verpflichtungen des Beklagten ergäben sich aus § 113 Abs. 2 Satz 3 VwGO.

Auf den von der Klägerin erhobenen Antrag auf Zulassung der Berufung gegen die Klageabweisung im Umfang von 1.199,-- € hat der Senat mit Beschluss vom 13.07.2004 - 4 ZKO 690/03 - die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass der "Wasser- und Abwasserzweckverband Gotha und Landkreisgemeinden" entsprechend dem Senatsurteil vom 09.12.2003 - 4 KO 583/03 - erst mit der Bekanntmachung seiner Verbandssatzung und ihrer Genehmigung im Amtsblatt des Landkreises Gotha vom 27.03.2002 wirksam als Zweckverband entstanden sei. Vorherige Bekanntmachungen hätten keine konstitutive Wirkung entfaltet. Demnach sei der Beklagte zum Erlass des hier angegriffenen Beitragsbescheides vom 09.02.1999 nicht ermächtigt und der Bescheid zum Zeitpunkt seines Erlasses entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung insgesamt rechtswidrig gewesen. Ob die von einem nachträglich erstmals als öffentlich-rechtliche Körperschaft entstandenen Zweckverband mit Wirkung für die Zeit nach seiner Entstehung erlassene Beitragssatzung geeignet sein könne, Beitragsbescheide zu heilen, die nicht diese Körperschaft erlassen hat, sondern ein anderes Rechtssubjekt ohne Hoheitsgewalt, sei zweifelhaft und im Berufungsverfahren zu klären.

Im Berufungsverfahren macht die Klägerin geltend, der Beklagte sei auch im Jahre 2002 und bis jetzt nicht wirksam als Zweckverband entstanden, weil die veröffentlichte Verbandssatzung nicht mit dem unterzeichneten Original übereinstimme. Insbesondere die Gemeinden Friemar und Pferdingsleben seien gegen ihren Willen in der Mitgliederliste aufgeführt. Die BGS-EWS 2002 sei inhaltlich unwirksam. Die Verfassungsmäßigkeit von § 19 Abs. 1 Satz 3 und 4 ThürKGG sei zweifelhaft. Die BGS-EWS 2002 sei auch wegen ihrer Rückwirkung zum 01.01.1993 unwirksam.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 26.03.2003 - 6 K 2816/00.We - abzuändern, soweit darin die Klage abgewiesen wird, und den Bescheid des Beklagten vom 09.02.1999 - Register-Nr. 112-01736/1102 - aufzuheben, soweit die Klägerin zu einem Abwasserbeitrag von mehr als 1.264,25 € herangezogen wird.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt im Berufungsverfahren vor, der Vortrag der Klägerin habe sich durch das Senatsurteil vom 09.12.2003 im Wesentlichen erledigt. Trotz dieses Urteils werde der angegriffene Bescheid nicht aufgehoben. Es bedürfe der Klärung, ob Beitragsbescheide, die der zunächst rechtlich nicht existent gewordene Beklagte erlassen habe, nicht dadurch geheilt werden könnten, dass der Beklagte im laufenden Widerspruchs- bzw. Gerichtsverfahren nachträglich erstmals wirksam entstanden sei und eine entsprechende neue Beitragssatzung erlassen habe.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten (2 Bände) und die Behördenvorgänge des Beklagten (1 Hefter) sowie eine Heftung Amtsblätter des Landkreises Gotha, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

I.

Die auf den klageabweisenden Teil des erstinstanzlichen Urteils bezogene und in ihrem Umfang beschränkte Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.

Der Beitragsbescheid des "Wasser- und Abwasserzweckverbandes Gotha und Landkreisgemeinden" vom 09.02.1999 ist entgegen dem Urteil des Verwaltungsgerichts insgesamt rechtswidrig und in dem im Berufungsverfahren begehrten Umfang aufzuheben, weil er von einem rechtlich nicht wirksam entstandenen Zweckverband erlassen wurde, dem mangels Hoheitsgewalt die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten fehlte (1). Der rechtswidrige Beitragsbescheid konnte nicht dadurch geheilt werden, dass nach seinem Erlass und vor Abschluss des Widerspruchs- und Gerichtsverfahrens der Beklagte als Zweckverband gleichen Namens mit überwiegend gleichem Mitgliederbestand und Aufgabenkreis wirksam entstanden ist, und dieser nach seiner Beitragssatzung Beiträge für die Herstellung seiner Entwässerungseinrichtung erhebt (2). Der wirksam als Zweckverband entstandene Beklagte ist im Verfahren um die Aufhebung des angegriffenen Beitragsbescheides eines fehlerhaften Zweckverbandes der richtige Klagegegner, weil er im konkreten Fall die Funktionsnachfolge des fehlerhaften Zweckverbandes für die Aufgabe der Abwasserbeseitigung im Bereich der Stadt Gotha angetreten hat (3).

1. Der Beitragsbescheid vom 09.02.1999 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil er durch einen nicht wirksam entstandenen Zweckverband erlassen wurde, dem mangels Hoheitsgewalt die Ermächtigung zum Erlass eines Beitragsbescheides fehlte.

Wie der Senat mit Urteil vom 09.12.2003 - 4 KO 583/03 - entschieden hat, ist der "Wasser- und Abwasserzweckverband Gotha und Landkreisgemeinden" weder auf Grund der Bekanntmachung seiner Verbandssatzung im "Gothaer Wochenblatt" vom 09.09.1992 entsprechend den Anforderungen des § 19 Abs. 1 Satz 1 und 3 des Thüringer Gesetzes über die kommunale Gemeinschaftsarbeit - ThürKGG - wirksam als Zweckverband entstanden noch durch die spätere Bekanntmachung im "Amtsblatt des Landkreises Gotha" vom 19.11.1997. Existent ist der beklagte "Wasser- und Abwasserzweckverband Gotha und Landkreisgemeinden" als Zweckverband und Hoheitsträger vielmehr erst seit dem Tag nach der Bekanntmachung der Verbandssatzung und ihrer Genehmigung im "Amtsblatt des Landkreises Gotha" vom 27.03.2002, mithin seit dem 28.03.2002 (S. 29 des Urteilsabdrucks). Die Entstehung des Beklagten hat jedoch nur Wirkung für die Zukunft, denn eine rückwirkende Entstehung eines Zweckverbandes als Hoheitsträger mit Wirkung für die Vergangenheit sieht das Thüringer Landesrecht nicht vor (vgl. hierzu die Senatsurteile vom 30.08.2001 - 4 KO 199/00 - ThürVGRspr. 2002, 217 = LKV 2002, 138 = ThürVBl. 2002, und vom 26.02.2003 - 4 N 1325/97 -). Sie kann daher insbesondere dem zuvor handelnden "fehlerhaften Zweckverband" nachträglich keine Hoheitsgewalt verleihen (vgl. hierzu das Grundurteil des Senats vom 25.02.2004 - 4 KO 703/01 - ThürVGRspr. 2004, 129). Der Beitragsbescheid vom 09.02.1999 ist somit mangels Hoheitsgewalt des ihn erlassenden "Zweckverbandes" rechtswidrig, wenn auch nicht nichtig; denn die Nichtexistenz des "Wasser- und Abwasserzweckverbandes Gotha und Landkreisgemeinden" vor dem 28.03.2002 war zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses nicht offenkundig (vgl. zur fehlenden Nichtigkeit des von einem nicht existenten Zweckverband erlassenen Bescheides den Senatsbeschluss vom 05.11.2002 - 4 ZKO 834/01 -, ThürVGRspr. 2003, 201 = ThürVBl. 2003, 38).

2. Der rechtswidrige Beitragsbescheid vom 09.02.1999 konnte nicht dadurch geheilt werden, dass der Beklagte nach dem Bescheiderlass und vor Abschluss des Widerspruchs- und Gerichtsverfahrens als Zweckverband gleichen Namens mit überwiegend gleichem Mitgliederbestand und Aufgabenkreis wirksam entstanden ist sowie eine Beitragssatzung erlassen hat, nach der er Beiträge für die Herstellung seiner Entwässerungseinrichtung erhebt.

Der Erlass einer Beitrags- und Gebührensatzung durch den am 28.03.2002 erstmals als Zweckverband entstandenen Beklagten ist nicht geeignet, einen Beitragsbescheid zu heilen, den nicht der Beklagte erlassen hat, sondern ein anderes Rechtssubjekt, nämlich ein fehlerhafter Zweckverband gleichen Namens:

Zwar kann der Erlass einer wirksamen Beitragssatzung bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des Senats und des Bundesverwaltungsgerichts einen zunächst mangels wirksamer Satzungsgrundlage rechtswidrigen Beitragsbescheid mit Wirkung ex nunc heilen (vgl. nur den Beschluss vom 18.03.2002 - 4 ZEO 669/01 - m . w . Nw.; im Einzelnen zur Rechtsprechung des BVerwG: Driehaus u. a. in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Band 2 und 3, Stand 32. Erg.Lfg. März 2005, Rnn. 172 ff., 726, 1511 zu § 8 m . w . Nw.). Die Heilungswirkung der nachträglich in Kraft getretenen Beitragssatzung eines Hoheitsträgers erstreckt sich jedoch nur auf Verwaltungsakte eben des Hoheitsträgers, der die Beitragssatzung erlassen hat. Sie kann daher keine Rechtswirkung für Bescheide eines anderen Rechtssubjekts entfalten, hier eines mangels Hoheitsgewalt fehlerhaften Zweckverbandes. Die BGS-EWS 2002 des Beklagten kommt demzufolge nur als Rechtsgrundlage für Verwaltungsakte in Betracht, die der Beklagte seit seiner Entstehung selbst erlassen hat. Der Beitragsbescheid gegenüber der Klägerin vom 09.02.1999 stammt jedoch aus der Zeit vor der Entstehung des Beklagten am 28.03.2002 und mithin nicht von ihm. Ein Verwaltungsakt, der dem Beklagten zugerechnet und als geheilt angesehen werden könnte, existiert nicht. Der Beklagte hat bis zur mündlichen Verhandlung des Senats keine Verwaltungsentscheidung getroffen, aus der sich ergeben könnte, dass er sich den rechtswidrigen Bescheid des nicht wirksam entstandenen Zweckverbandes zu eigen gemacht hat, indem er beispielsweise die Regelungen des Beitragsbescheides vom 09.02.1999 inhaltsgleich oder abgeändert nach Maßgabe seiner nun geltenden Satzungsgrundlagen übernommen hätte. Auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein solches "Zueigenmachen" zulässig wäre, kommt es daher nicht im Einzelnen an.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach ein nachträglicher Zuwachs der Kompetenz einen zuvor wegen Fehlens der sachlichen Zuständigkeit fehlerhaften Bescheid heilen kann (BVerwG, Urteil vom 29.09.1982 - 8 C 48.82 - DVBl. 1983, 137). Diese Rechtsprechung setzt voraus, dass der Rechtsträger, der nachträglich zuständig wird, den Verwaltungsakt erlassen hat. Ein solcher Fall liegt hier gerade nicht vor. Die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Beitragsbescheides beruht nicht auf einer fehlenden sachlichen Zuständigkeit, sondern auf einer fehlenden Legitimation zum Erlass eines Verwaltungsaktes mangels Hoheitsgewalt, also einem Fehler in der materiell-rechtlichen Ermächtigung zum Erlass eines Verwaltungsaktes, der sog. Verwaltungsakts-Befugnis. Dieser Fehler ist auch nicht geheilt worden. Der fehlerhafte Zweckverband, der den angegriffenen rechtswidrigen Beitragsbescheid erlassen hat, wird weder durch die spätere Entstehung eines namensgleichen Zweckverbandes als neuer Hoheitsträger noch durch den Erlass einer Beitragssatzung dieses Zweckverbandes nachträglich mit Hoheitsgewalt ausgestattet und zum Erlass von Verwaltungsakten ermächtigt (vgl. ähnlich zur Rechtslage in Sachsen auch SächsOVG, Urteil vom 05.11.2003 - 5 B 310/03 - LKV 2004, 364).

3. Obwohl der Beklagte den angegriffenen rechtswidrigen Beitragsbescheid vom 09.02.1999 nicht selbst erlassen hat, ist er im Verfahren um die Aufhebung des Beitragsbescheides der richtige Klagegegner, weil er im konkreten Fall die Funktionsnachfolge des fehlerhaften Zweckverbandes für die Aufgabe der Abwasserbeseitigung im Bereich der Stadt Gotha angetreten hat.

Richtiger Klagegegner im Verfahren um die Aufhebung eines Verwaltungsaktes ist gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO grundsätzlich der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat und der beteiligungsfähig i. S. d. § 61 Nr. 1 VwGO ist - im Falle der Anfechtung eines Beitragsbescheides also die den Beitragsbescheid erlassende kommunale Körperschaft. Vorliegend wurde der angefochtene Bescheid jedoch nicht von einem Hoheitsträger erlassen, sondern von einem rechtlich nicht wirksam entstandenen, fehlerhaften Zweckverband. Unter einem "fehlerhaften Zweckverband" versteht der Senat einen mangels konstitutiver Bekanntmachung der Verbandssatzung und ihrer Genehmigung nach der Thüringer Rechtslage nicht wirksam entstandenen Zweckverband, der jedoch regelmäßig faktisch im Rechtsverkehr (zivilrechtlich wie öffentlich- rechtlich) als öffentlich-rechtliche Körperschaft und als Hoheitsträger aufgetreten ist und angesehen wurde. Ein solcher fehlerhafter Zweckverband ist nach der Senatsrechtsprechung in einem Prozess über gegen ihn gerichtete Ansprüche solange als beteiligten- und prozessfähig anzusehen, bis ein Mangel der rechtlichen Existenz und ein daraus resultierender Mangel der Beteiligten- und Prozessfähigkeit im Verhältnis der Parteien rechtskräftig festgestellt ist. Er ist kein rechtliches "nullum", sondern ein nicht rechtsfähiger, körperschaftlich strukturierter öffentlich-rechtlicher Verband eigener Art, dem keine Hoheitsrechte zustehen, der jedoch für die Rückabwicklung von fehlgeschlagenen öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen im eigenen Namen teilrechtsfähig und im Verwaltungsprozess beteiligtenfähig ist. Aus der beschränkten Teilrechtsfähigkeit im oben genannten Sinne erwachsen dem fehlerhaften Zweckverband keine Hoheitsrechte, er hat daher keine Ermächtigung zum Erlass von Satzungen oder sonstigen Hoheitsakten (vgl. hierzu im Einzelnen das Grundurteil des Senats vom 25.02.2004 - 4 KO 703/01 - a. a. O.).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist im Verfahren um die Aufhebung des angegriffenen Beitragsbescheides grundsätzlich der fehlerhafte Zweckverband richtiger Klagegegner, der den Bescheid erlassen hat. Zwar könnte dieser vom Gericht nicht zur Aufhebung des erlassenen Bescheides verpflichtet werden, da ihm mangels Hoheitsgewalt die Ermächtigung zum Erlass eines wirksamen (Aufhebungs-)Verwaltungsaktes fehlt. Der angefochtene Bescheid wäre aber im Anfechtungsprozess gegen den fehlerhaften Verband durch das Gericht aufzuheben.

Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn die Aufgaben des fehlerhaften Zweckverbandes vor Anhängigkeit des gerichtlichen Verfahrens oder währenddessen von einem wirksam entstandenen Hoheitsträger übernommen wurden und dieser als Funktionsnachfolger für den fehlerhaften Verband in den Prozess eingetreten ist. So ist es hier.

Der als Zweckverband und Hoheitsträger wirksam entstandene Beklagte hat ausweislich der am 27.03.2002 bekannt gemachten Verbandssatzung, die zu seiner Entstehung geführt hat, für seine Mitgliedsgemeinden u. a. die Aufgabe übernommen, die im Verbandsgebiet anfallenden Abwässer vom Erzeuger abzuleiten, zu behandeln, Abwasseranlagen einzurichten, zu betreiben und zu unterhalten. Damit hat er für die in § 1 der Verbandssatzung genannten Mitgliedsgemeinden die öffentlich-rechtlichen Aufgaben übernommen, die diese zuvor dem nicht zur Entstehung gelangten, fehlerhaften Zweckverband gleichen Namens übertragen hatten. Der Beklagte ist durch die Übernahme der Aufgaben, die zuvor der fehlerhafte Zweckverband inne hatte, nicht zu dessen Rechtsnachfolger geworden, weil es im Thüringer Landesrecht an einer erforderlichen ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage für eine wirksame Rechtsnachfolge nicht wirksam entstandener Zweckverbände fehlt (vgl. zu den Voraussetzungen für eine Rechtsnachfolge bei Trägern öffentlicher Verwaltung etwa Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Auflage 1994, Rn. 16 ff. zu § 41; a. A. zur Rechtsnachfolge schon durch satzungsrechtliche Regelung Pencereci/Bluhm, LKV 1998, 172 ff. [176]; zur Rechtsnachfolge durch ausdrückliche gesetzliche Regelung in Sachsen etwa SächsOVG, Urteil vom 05.11.2003, a. a. O.; zu entsprechenden gesetzlichen Rechtsnachfolgeregelungen in Sachsen-Anhalt: Klausing in Driehaus, a. a. O., Rn. 950e zu § 8).

Der Beklagte ist nach den konkreten Umständen im vorliegenden Fall jedoch als Funktionsnachfolger des fehlerhaften Zweckverbandes anzusehen, der den Beitragsbescheid erlassen hat. Wenn eine Rechtsnachfolge nicht eingetreten ist, kann im öffentlichen Recht auch eine nur tatsächliche Übernahme von Kompetenzen eines weggefallenen oder handlungsunfähigen Trägers öffentlicher Verwaltung den Übergang von Verpflichtungen und Berechtigungen auf einen neuen Träger der Kompetenzen begründen. Die Funktionsnachfolge wird insbesondere im Interesse der Verwaltungskontinuität für erforderlich gehalten, soweit bisher versehene Funktionen im öffentlichen Interesse weitergeführt werden müssen (vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, a. a. O., Rn. 18 zu § 41). Angeknüpft wird dabei an die Übernahme der Aufgaben eines Verwaltungsträgers durch einen anderen (vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht III, 5. Auflage 2004, Rn. 141 zu § 84). Der Begriff der Funktionsnachfolge hat durch die Rechtsprechung des BGH seit langem eine feststehende Bedeutung im Sinne der generellen Funktionsnachfolge gefunden. Im Zusammenhang mit der Rechtsprechung zur Haftung neuer Rechtsträger für Verbindlichkeiten aus der Zeit der DDR hat der BGH auf dieses von der Rechtsprechung und Literatur nach dem Zusammenbruch des deutschen Reiches entwickelte Institut zurückgegriffen und entscheidend darauf abgestellt, ob der neue Rechtsträger die gleiche oder doch überwiegend gleiche Funktion wie die frühere Einrichtung ausübe (vgl. BGH, Urteil vom 04.11.1994 - LwZR 12/93 - BGHZ 127, 296). Entsprechend diesem Begriffsverständnis nimmt das Bundesverwaltungsgericht auch im Vermögenszuordnungsrecht eine Funktionsnachfolge in Anknüpfung an die Wahrnehmung von vergleichbaren öffentlichen Aufgaben an und stellt auf die im Vergleich zum früheren Rechtsträger überwiegend gleiche Funktionsausübung durch den neuen Rechtsträger als erforderliche und ausreichende Bedingung ab (vgl. BVerwG zu § 11 Abs. 3 VZOG, Urteile vom 14.11.1996 - 3 C 27/96 - BVerwGE 102, 223 und vom 24.09.1998 - 3 C 21/97 - VIZ 1999, 26). Soweit über die Funktionsnachfolge ein Haftungsgrund geschaffen wird, sind dem jedoch enge Grenzen zu setzen: Wie der Senat in seinem Urteil vom 11.06.2001 bereits entschieden hat, kann die richterrechtliche Argumentationsfigur der Funktionsnachfolge als Haftungsgrund allenfalls in extremen Ausnahmelagen zum Zuge kommen, wenn dies zur vorläufigen Behebung eines rechtlichen Notstandes erforderlich ist (Urteil vom 11.06.2001 - 4 KO 52/97 -).

Nach diesen Maßgaben hält der Senat im landesrechtlichen Zweckverbandsrecht den Übergang von Rechten und Pflichten eines nicht existent gewordenen, fehlerhaften Zweckverbandes auf einen später wirksam entstandenen Zweckverband im Wege der Funktionsnachfolge für zulässig und geboten, wenn der neue Zweckverband für seine Verbandsmitglieder die Aufgaben des fehlerhaften Verbandes in vergleichbarer Weise übernommen hat und dessen Aufgabe und Funktion insoweit fortführt. Dadurch wird im Interesse der wahrgenommenen öffentlichen Ver- und Entsorgungsaufgaben und der Sicherheit im Rechtsverkehr gewährleistet, dass der neue Hoheitsträger für seine Mitglieder die zuvor oft über Jahre von einem fehlerhaften Zweckverband übernommenen öffentlich-rechtlichen Aufgaben rechtlich gesichert fortsetzen kann. Dem entspricht die Rechtslage im Zivilrecht, wo ein rechtsfähig gewordener Zweckverband für die privatrechtlichen Verpflichtungen einzustehen hat, die er in seiner Gründungsphase eingegangen ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 28.03.1996 - VII ZR 228/94 - NJW -RR 1996, 853 und vorgehend ThürOLG, Urteil vom 08.09.1994 - 1 U 407/93 - OLG-NL 1995, 105; Kollhosser, NJW 1997, 3265 ff. [3270]; Pencereci/Bluhm, LKV 1998, 172 ff. [173]). Als Funktionsnachfolger des fehlerhaften Zweckverbandes kann ein später wirksam entstandener Zweckverband insbesondere in anhängige verwaltungsgerichtliche Verfahren eintreten oder Bescheide aufheben, die der fehlerhafte Zweckverband erlassen hat, aber nicht mehr aufheben könnte.

Allerdings führt auch die Funktionsnachfolge nicht dazu, dass die vom fehlerhaften Zweckverband erlassenen und mangels hoheitlicher Befugnis rechtswidrigen Verwaltungsakte kraft Funktionsnachfolge als Verwaltungsakte des nunmehr wirksam gegründeten Hoheitsträgers gelten und auf diese Weise geheilt würden. Sie führt ebenso wenig dazu, dass die hoheitliche Befugnis, die dem nicht wirksam gegründeten Zweckverband gefehlt hat, im Nachhinein und mit Wirkung für die Vergangenheit aus der hoheitlichen Befugnis des Funktionsnachfolgers abgeleitet werden könnte. Genauso wie der Beklagte Benutzungssatzungen und Beitrags- und Gebührensatzungen neu und erstmalig wirksam erlassen musste, muss er auch Verwaltungsakte auf Grund dieser Satzungen neu erlassen. Die Funktionsnachfolge führt also lediglich dazu, dass öffentlich-rechtliche Verpflichtungen und Berechtigungen, die aus der Tätigkeit des Funktionsvorgängers entstanden sind, in den Grenzen, die sich aus Sinn und Zweck der Funktionsnachfolge ergeben und die hier nicht näher beschrieben werden müssen, dem Funktionsnachfolger zugerechnet werden, nicht aber zu einer Heilungswirkung in Bezug auf die rechtliche Existenz des Funktionsvorgängers und die Rechtmäßigkeit der von ihm erlassenen Rechtsakte wie Satzungen oder Verwaltungsakte.

Der Beklagte ist für den Bereich seiner Mitgliedsgemeinden als Funktionsnachfolger des nicht wirksam als Zweckverband entstandenen "Wasser- und Abwasserzweckverbandes Gotha und Landkreisgemeinden" anzusehen, denn er hat im anhängigen Rechtsmittelverfahren den Prozess als Rechtsmittelgegner fortgeführt und war hierzu betreffend den angefochtenen Beitragsbescheid für ein Grundstück in der Mitgliedsgemeinde Stadt Gotha auch befugt. Als Funktionsnachfolger des fehlerhaften Zweckverbandes hätte er den von diesem erlassenen rechtswidrigen Beitragsbescheid vor der Entscheidung des Senats aufheben können bzw. muss er eine gerichtliche Aufhebung gegen sich gelten lassen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht betreffend das in vollem Umfang erfolgreiche Berufungsverfahren auf § 154 Abs. 1 VwGO. Aufgrund der teilweisen Abänderung des erstinstanzlichen Urteils waren die Kosten für das erstinstanzliche Klageverfahren entsprechend § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO im Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens zu teilen.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO entsprechend.

IV.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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