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Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 22.09.2008
Aktenzeichen: 4 VO 1109/06
Rechtsgebiete: VwGO, BRAGO, RVG, Gebührenverzeichnis
Vorschriften:
VwGO § 162 Abs. 1 | |
BRAGO § 28 Abs. 1 | |
BRAGO § 28 Abs. 2 | |
RVG Anl. 1 zu § 2 Abs. 2 S. 1 | |
Gebührenverzeichnis Nr. 7000 | |
Gebührenverzeichnis Nr. 7003 |
THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 4. Senat - Beschluss
4 VO 1109/06 In dem Verwaltungsstreitverfahren
wegen Ausbaubeiträgen,
hier: Beschwerde (Kostenansatz)
hat der 4. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Prof. Dr. Aschke, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Blomenkamp und den Richter am Oberverwaltungsgericht Gravert am 22. September 2008 beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Kläger werden der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 24. März 2006 und der Beschluss des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 21. November 2006 - Az. 1 K 740/02.Me - geändert. Der Betrag der den Klägern zu erstattenden Kosten wird auf 1.903,56 € festgesetzt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu 10/11 und die Beklagte zu 1/11 zu tragen.
Gründe:
Die Beschwerde ist zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstands beträgt 248,61 € und übersteigt damit den Mindestwert von 200,-- € gemäß § 146 Abs. 3 VwGO. Die Beschwerde hat teilweise Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Beschluss ausgeführt, dass die Kläger nicht die volle Gesprächs- und Besprechungsgebühr von 10/10 verlangen könnten. Nach dem hier noch anzuwendenden § 118 Abs. 1 BRAGO erhalte ein Rechtsanwalt für die Tätigkeit im Vorverfahren als Geschäftsgebühr 5/10 bis 10/10 der vollen Gebühr. Dabei handele es sich um eine Rahmengebühr, deren Höhe nach § 12 Abs. 1 BRAGO im Einzelfall nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers zu bestimmen sei. Das Verwaltungsgericht hat weiter ausgeführt, dass die hier in erster Linie aufgeworfene Frage, ob das Grundstück durch die abgerechnete Baumaßnahme einen Vorteil erlangt habe, an Hand der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur nicht schwierig zu beantworten gewesen sei. Lediglich der vom Bevollmächtigten der Kläger betriebene Aufwand, nämlich die Inaugenscheinnahme, rechtfertige es, eine Mittelgebühr von 7,5/10 anzunehmen. Hiergegen machen die Kläger geltend, dass es sich nicht um einen durchschnittlichen Fall gehandelt haben könne, weil ansonsten das Landratsamt bereits im Widerspruch richtig entschieden und dem Widerspruch stattgegeben hätte. Auch die Bearbeitungszeit des Rechtsstreits beim Verwaltungsgericht zeige, dass es sich um einen schwierigen Rechtsstreit gehandelt habe. Es sei zudem nicht offensichtlich gewesen, dass das Grundstück im Außenbereich liege.
Dieses Vorbringen ändert jedoch an der Feststellung des Verwaltungsgerichts nichts. Der Befund, dass es sich hier höchstens um einen Fall von durchschnittlicher Schwierigkeit gehandelt habe, weil das Grundstück der Kläger eindeutig im Außenbereich liege, ist offensichtlich richtig. Das Argument der Kläger, dass die Widerspruchsbehörde dies bereits hätte erkennen müssen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Es kommt erfahrungsgemäß immer wieder vor, dass im Vorverfahren auch einfache Rechtsfragen falsch entschieden oder ganz übersehen werden. Die Einfachheit einer Rechtsfrage muss auch nicht dazu führen, dass die Sache bei Gericht nach kürzerer Laufzeit entschieden wird, wenn das Gericht die Streitsachen - wie verbreitet üblich - nach der Reihenfolge der Eingänge bearbeitet.
Die Kläger machen allerdings - im Grundsatz - mit Erfolg geltend, dass die Kosten für die von ihrem Bevollmächtigten hergestellten Fotokopien erstattungsfähig sind (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO, nunmehr Nr. 7000 des Gebührenverzeichnisses als Anl. 1 zu § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG). Die Schriftstücke, von denen Fotokopien gefertigt wurden, waren dem Schriftsatz des Beklagten vom 20.01.2004 als Anlagen beigefügt. Gemäß § 86 Abs. 4 Satz 3 VwGO sind die Schriftsätze den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln. Zu diesem Zweck sollen der Klage und allen Schriftsätzen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden (§ 81 Absatz 2 VwGO). Dies gilt auch für in Bezug genommene Urkunden, die den Schriftsätzen in Urschrift oder in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen sind (§ 86 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Eine Ausnahme gilt dann, wenn die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich sind; in diesem Fall genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren (§ 86 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus folgt, dass von den Anlagen zum Schriftsatz vom 20.01.2004 von vornherein Ablichtungen für die Kläger hätten beigefügt werden müssen. Denn die Anlagen waren nicht umfangreich und den Klägern auch unbekannt; dies gilt in Anbetracht des auswärtigen Wohnsitzes der Kläger wohl auch für das Amtsblatt. Selbst wenn die Satzungsunterlagen zur Vervollständigung der vorgelegten Behördenakten eingereicht worden wären, d.h. nicht als Anlage zu einem Schriftsatz, sondern als beigezogene Verwaltungsvorgänge, wäre es nicht als sachwidrig anzusehen, solche Unterlagen im Rahmen einer Akteneinsicht zu fotokopieren. Dies mag bei umfangreichen Unterlagen, die nur zu einem Teil erheblich sind, anders zu beurteilen sein. Bei einem Amtsblatt von wenigen Seiten ist es jedoch durchaus sachgerecht, zumindest den amtlichen Teil abzulichten, wie es der Bevollmächtigte nach seinem Vortrag getan hat. Auch der Senat begnügt sich bei der Anforderung von Amtsblättern in der Regel nicht lediglich mit dem Deckblatt, der Seite mit der bekanntzumachenden Satzung sowie dem Impressum, weil sich in manchen Fällen aus weiteren Teilen des Amtsblatts entscheidungserhebliche Gesichtspunkte ergaben. Auch wenn der Standpunkt der Kläger mithin richtig ist, sind für die erstattungsfähigen Kosten dennoch nur 18 Fotokopien zugrunde zu legen, weil der Bevollmächtigte nach eigenen Angaben nur den amtlichen Teil fotokopiert hat und diesen 2-seitig. Des Weiteren mussten Kopien nicht für jedes Verfahren gesondert angefertigt werden. Es ist zumutbar, für mehrere gleichgelagerte Verfahren Satzungsunterlagen in einfacher Ausfertigung vorzuhalten. Hieraus ergibt sich für die Fotokopiekosten ein Mehrbetrag gegenüber dem angegriffenen Beschluss von 2,90 € (18 Fotokopien : 2 = 9 x 0,50 € = 4,50 € zzgl. MwSt = 5,22 €).
Überwiegend begründet ist die Beschwerde auch hinsichtlich der geltend gemachten Fahrtkosten nach M . Das Verwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass der Bevollmächtigte der Kläger gehalten gewesen sei, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten und daher die kürzeste Wegstrecke zu wählen. Der Bevollmächtigte habe jedoch einen deutlich längeren Reiseweg über W gewählt, statt den kürzeren über und . Hiergegen lassen die Kläger einwenden, dass sich der Bevollmächtigte auf einen renommierten Routenplaner (hier von ___) habe verlassen dürfen. Bei diesem Routenplaner werde als schnellste Wegstrecke die Route von 293,69 km über angegeben, wobei er nicht, wie vom Routenplaner empfohlen, durch durchgefahren, sondern auf der Autobahn geblieben und über das Kreuz gefahren sei. Die kürzere Reisezeit habe es gerechtfertigt, die Route über zu wählen. Auch die Umfahrung der Innenstadt sei nicht zu beanstanden, weil die Autobahn herkömmlich als der schnellere Fahrweg angesehen werden dürfe. Die zusätzlichen Kilometer seien dann dadurch zustande gekommen, dass der Bevollmächtigte mehrfach aufgrund vorhandener Staus Umleitungsstrecken habe fahren müssen.
Da nach § 162 Abs. 1 VwGO nur diejenigen Aufwendungen erstattungsfähig sind, die eine verständige Partei im Hinblick auf die Bedeutung und rechtliche oder sachliche Schwierigkeit der Sache vernünftigerweise für erforderlich halten durfte, besteht im Außenverhältnis zum Prozessgegner die Pflicht, die Kosten der Prozessführung möglichst gering zu halten. Daher hat ein bevollmächtigter Rechtsanwalt bei der Fahrt zum Gerichtstermin grundsätzlich die kürzeste Fahrtstrecke zu wählen, wenn die Fahrtkosten gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO (nunmehr Nr. 7003 des Gebührenverzeichnisses als Anl. 1 zu § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG) in voller Höhe erstattungsfähig sein sollen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er stets die schlechthin kürzeste Wegstrecke wählen müsste. Vielmehr kann es sich nur um die kürzeste von den vernünftigerweise in Betracht kommenden Strecken handeln. Welche dies ist, lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, beispielsweise ob eine schnellere Strecke einen Umweg bedingt, der im Hinblick auf den Zeitgewinn auch noch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzugswürdig erscheint, ob umgekehrt eine kürzere Fahrtstrecke eine noch vertretbar längere Fahrzeit erfordert, oder ob es sich um eine Fernstrecke handelt, auf der auch ein kostenbewusster Fahrer die Nutzung von Nebenstrecken üblicherweise meidet (vgl. KG, Beschluss vom 25.03.2003, 1 W 50/03; OLG Hamm, Beschluss vom 09.09.1981, 4 Ws 266/81; beide zitiert nach Juris; Gerold/Schmidt - Madert, 15. Aufl. 2002, § 28 BRAGO, Rdnr. 19). Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass es für eine unter diesem Gesichtspunkt sorgfältige Reisevorbereitung ausreicht, die geeignete Strecke über einen im Internet verbreiteten und als bewährt geltenden Routenplaner zu ermitteln. Davon ist bei dem Routenplaner, den der Bevollmächtigte benutzt hat, offensichtlich auszugehen. Bei diesem Routenplaner handelt es sich um den Internetservice eines bekannten kartografischen Verlages; er kann sowohl direkt aufgerufen werden, auf ihn wird aber auch von anderen bekannten Internetseiten direkt oder indirekt verwiesen (beispielsweise von den Internetseiten der , von und ). Als schnellste Route wird die Wegstrecke über mit einer Entfernung von 308 km (nur BAB) und einer Fahrtdauer von drei Stunden und sechs Minuten angegeben. Demgegenüber beträgt die Entfernung für die kürzeste Strecke 234 km bei einer Fahrzeit von vier Stunden und einer Minute. Angesichts des ansonsten zu erwartenden erheblichen Zeitverlustes war der Bevollmächtigte nicht verpflichtet, die kürzere Strecke zu wählen. Dies gilt auch, soweit er bei der Umfahrung von weiter auf der Autobahn gefahren ist, statt auf der Bundesstraße durch die Stadt zu fahren, was jedenfalls auf Fernreisen unüblich und obendrein verkehrspolitisch unerwünscht ist. Die Kläger müssen sich nicht entgegenhalten lassen, dass der vom Kostenbeamten des Verwaltungsgerichts benutzte Routenplaner bei der Wahl der kürzeren Strecke zu einer etwas günstigeren Fahrzeit gelangt. Denn eine sorgfältige Partei ist im Regelfall nicht gehalten, Recherchen bei unterschiedlichen Internet-Routenplanern daraufhin zu unternehmen, inwieweit sich Abweichungen ergeben. Ausreichend ist vielmehr die Recherche bei einem Anbieter, der als qualitativ anerkannt gelten kann. Vor diesem Hintergrund sind hier 308 km für die einfache Wegstrecke anzuerkennen. Bei den darüber hinaus gefahrenen Kilometern reicht die pauschale Angabe, dass Staus zu umfahren gewesen seien, nicht aus. Dazu hätte es genauerer Angaben, z. B. wo diese Staus waren, oder der Ablichtung aus einem Fahrtenbuch bedurft. Damit können die Kläger bei den Fahrtkosten einen Mehrbetrag von 21,70 € beanspruchen (616 km : 2 = 308 x 0,27 = 83,16 € zzgl. MwSt = 96,47 €).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil für das Beschwerdeverfahren lediglich eine Festgebühr nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses als Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG anfällt.
Hinweis: Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Ende der Entscheidung
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