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Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 25.05.2004
Aktenzeichen: 4 ZKO 890/00
Rechtsgebiete: ThürKAG
Vorschriften:
ThürKAG § 5 Abs. 1 |
2. Zur Bestimmtheit eines Steuertatbestandes in einer Vergnügungssteuersatzung durch Auslegung unter Berücksichtigung des höherrangigen Rechts.
3. Unentgeltliche Betätigungen kommen als Besteuerungsobjekt für die Vergnügungssteuer nicht in Betracht, weil der Spieler keinen wirtschaftlichen Aufwand erbringt und mangels eines - in welcher Form auch immer erhobenen - Entgelts die Steuer auch nicht auf ihn überwälzt werden könnte.
THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 4. Senat - Beschluss
In dem Verwaltungsstreitverfahren
wegen Kommunale Steuern,
hier: Antrag auf Zulassung der Berufung
hat der 4. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Prof. Dr. Aschke, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Blomenkamp und den Richter am Oberverwaltungsgericht Gravert
am 25. Mai 2004 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 4. September 2000 - 6 K 2270/98.We - wird abgelehnt.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstands wird auch für das Zulassungsverfahren auf 720,-- DM (entspricht 368,13 Euro) festgesetzt.
Gründe:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind nicht erfüllt. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne bestehen nur dann, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Erfolg des Rechtsmittels - hier der Berufung - wahrscheinlicher ist als der Misserfolg. Ob solche Zweifel vorliegen, hat das Rechtsmittelgericht grundsätzlich nur anhand der Gesichtspunkte zu überprüfen, die zur Begründung des geltend gemachten Zulassungsgrundes dargelegt werden. Das Zulassungsvorbringen lässt jedoch derartige Fehler nicht hervortreten.
Der Kläger rügt, dass die Vergnügungssteuersatzung der Beklagten vom 26.06.1996 (nachfolgend: VS 1996), die das Verwaltungsgericht dem angegriffenen Bescheid zu Grunde gelegt hat, wegen der nachfolgenden Bekanntmachung eines ganzen Bündels von Satzungen wieder aufgehoben worden sei. Der Kläger meint, dass durch die erneute Bekanntmachung früherer Fassungen der Vergnügungssteuersatzung im Amtsblatt vom 14.02.1997 und durch deren rückwirkendes In-Kraft-Treten völlige Konfusion darüber entstanden sei, welche Satzung gelten solle. Nach dem Grundsatz, dass die später erlassene Rechtsnorm Vorrang vor der älteren Rechtsnorm habe, sei lediglich klar, dass die VS 1996 außer Kraft getreten sei.
Dieser Einwand greift jedoch nicht durch. Die VS 1996 ist im Amtsblatt vom 02.08.1996 bekannt gemacht worden und bestimmt in § 21, dass sie am Tag nach ihrer Bekanntmachung in Kraft tritt und gleichzeitig alle dieser Satzung entgegenstehenden Vorschriften außer Kraft treten. Die VS 1996 wurde durch die Bekanntmachung mehrerer älterer Fassungen der Vergnügungssteuersatzung im Amtsblatt vom 14.02.1997 nicht außer Kraft gesetzt und auch nicht durch eine entstandene Ungewissheit ihrer Geltung beraubt. Zwar ist dem Kläger einzuräumen, dass die Veröffentlichung mehrerer älterer Satzungsfassungen in dieser Weise auf den ersten Blick wenig übersichtlich ist; ein einleitender redaktioneller Hinweis und der zusätzliche Abdruck der VS 1996, die aktuell gelten soll, hätte das Verständnis gewiss erleichtert. Gleichwohl ist für den Leser, der das Amtsblatt vom 14.02.1997 und - was stets unterstellt werden muss - das Amtsblatt vom 02.08.1996 mit der VS 1996 gelesen hat, erkennbar, dass es sich in der Ausgabe vom 14.02.1997 lediglich um eine Neubekanntmachung älterer Satzungen handelt, mit der ersichtlich nur frühere Formfehler geheilt werden sollten. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass schon im Inhaltsverzeichnis des Amtsblatts vom 14.02.1997 die Vergnügungssteuersatzungen und Nachtragssatzungen unter der Überschrift "Erneute öffentliche Bekanntmachung" aufgeführt sind. Ab der Seite 3 des Amtsblatts folgen dann unter einer eingerahmten Überschrift "Erneute öffentliche Bekanntmachung der Stadt Heilbad Heiligenstadt" unter anderem die verschiedenen Fassungen der Vergnügungssteuersatzung. Schon das Inhaltsverzeichnis und die Überschrift geben demnach dem Leser einen Hinweis darauf, dass es sich nicht um aktuell beschlossenes Satzungsrecht handelt, sondern um Satzungen, die bereits früher einmal veröffentlicht wurden. Weiteren Aufschluss geben die Satzungen selbst, die Ausfertigungsvermerke sowie die jeweiligen Bekanntmachungsanordnungen. So enthält die Vergnügungssteuersatzung in der Fassung der 1. Nachtragssatzung (vom 23.10.1991, S. 5 bis 7 des Amtsblatts) in § 21 die Bestimmung, dass die Satzung rückwirkend zum 08.12.1991 in Kraft tritt und die Satzung vom 30.10.1990 außer Kraft tritt. In gleicher Weise regelt die spätere Vergnügungssteuersatzung (vom 29.09.1993, S. 8 bis 10 des Amtsblatts) in §21, dass die Satzung am 30.10.1993 in Kraft tritt und die Vergnügungssteuersatzung vom 30.10.1990, die 1. Nachtragssatzung vom 23.10.1991, die 2. Nachtragssatzung vom 18.12.1991 sowie die 3. Nachtragssatzung vom 16.12.1992 außer Kraft treten. Aus diesen In-Kraft-Tretens-Bestimmungen folgt schon, dass jeweils nur frühere, vor dem 08.12.1991 bzw. 30.10.1993 beschlossene Satzungen außer Kraft treten sollten. Auch der Blick auf die insgesamt vier "Nachtragssatzungen" führt zu keiner anderen Beurteilung. Zwar enthalten sie als Änderungssatzungen naturgemäß keine Bestimmung darüber, welche frühere Vergnügungssteuersatzung außer Kraft tritt. Jedoch ist weiter zu berücksichtigen, dass bei den schon erwähnten vollständigen Vergnügungssteuersatzungen und allen Änderungssatzungen die mit abgedruckten (ersten) Ausfertigungsvermerke sowie die rechtsaufsichtlichen Genehmigungen allesamt Daten von 1993 und 1994 tragen und damit eindeutig erkennen lassen, dass es sich um ältere Satzungen handelt. Schließlich liefert der bei allen Satzungen abgedruckte zweite Ausfertigungsvermerk ("erneut ausgefertigt ... 30.01.1997") eine zusätzliche klarstellende Erläuterung, warum die Beklagte die älteren Satzungen in ihrem Amtsblatt nochmals bekannt machte. Durch diesen Hinweis und vor allem die erkennbar älteren Ursprungsdaten war die Veröffentlichung der früheren Satzungen im Amtsblatt vom 14.02.1997 nicht so zu verstehen, dass damit die Vergnügungssteuersatzung vom 26.06.1996 außer Kraft treten sollte.
Der Kläger rügt weiter, dass die VS 1996 auch materiell zu beanstanden sei, weil sie die Tendenz der Vorgängersatzungen fortführe und den Steuertatbestand uferlos ausweite. Jedes spielerische Verhalten in Gastwirtschaften werde zum Besteuerungsgegenstand gemacht. Es seien nicht einmal Spielgeräte für Kleinkinder oder Unterhaltungs- und Geschicklichkeitsspiele ausgenommen. Auch vom Gastwirt vorgehaltene Karten- und Knobelspiele wären Besteuerungsobjekte. Das Verwaltungsgericht versuche ohne Erfolg, weitere einschränkende Tatbestandsmerkmale zu postulieren. Solche ergäben sich aus der VS 1996 nicht. § 1 Abs. 1 Nr. 5 VS 1996 erfasse sogar unentgeltliche Vergnügungen wie Seilspringen und Einradfahren und überschreite damit die Ermächtigung in § 5 Abs. 1 ThürKAG.
Auch diese Rüge verfängt nicht. Der Senat teilt insbesondere nicht die Auffassung des Klägers, dass der Steuertatbestand uferlos wäre. Vielmehr kann er durch Auslegung näher bestimmt und dabei auch eingegrenzt werden. Einer solchen Auslegung steht nicht entgegen, dass nach Auffassung des Klägers eine geltungserhaltende Reduktion bei Rechtsnormen nicht stattfinde. Die Notwendigkeit der Auslegung einer Bestimmung nimmt ihr noch nicht die Bestimmtheit, die der Rechtsstaat von einer Norm fordert. Dem Bestimmtheitserfordernis ist vielmehr genügt, wenn Auslegungsschwierigkeiten mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden können. Auch für Satzungen gelten die allgemeinen Auslegungsgrundsätze. Eine Auslegung nach den anerkannten juristischen Auslegungsmethoden muss sich auch an den einschlägigen verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorschriften orientieren. Dabei kann das höherrangige Recht eine Auslegung in bestimmter Weise gebieten, wenn der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der Regelungen und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zulassen, von denen nur eine zu einem verfassungs- oder gesetzeskonformen Ergebnis führt (vgl. Beschluss des Senats vom 28.11.2002 - 4 N 563/02 -, Juris). Der vorliegende Fall fordert keine trennscharfe Abgrenzung, was nach der Satzung der Beklagten im Einzelnen noch als steuerbares Vergnügen zu qualifizieren wäre und was nicht. Jedenfalls bieten sowohl die Grundsätze des Vergnügungssteuerrechts als auch die satzungsrechtlichen Bestimmungen selbst hinreichende Anhaltspunkte, den Besteuerungstatbestand in einer Weise auszulegen, dass er bestimmbare Konturen erfährt und insbesondere die vom Kläger angeführten alltäglichen Betätigungen aus der Besteuerung herausfallen.
Wie der Senat im Anschluss an die herrschende Rechtsprechung bereits ausgeführt hat, gehört die Vergnügungssteuer traditionell zu den örtlichen Aufwandsteuern. Sie soll die in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit belasten und knüpft wirtschaftlich an den Aufwand desjenigen an, der sich des Gerätes oder Spiels zu seinem Vergnügen bedient. Die Vergnügungssteuer wird zur Vereinfachung beim Veranstalter erhoben, soll aber letztlich von demjenigen aufgebracht werden, der sich vergnügt und den von der Steuer erfassten Aufwand betreibt. Als Aufwandsteuer kann die Vergnügungssteuer nur angesehen werden, wenn sie vom Veranstalter des Vergnügens auf die Spieler abgewälzt werden kann. Für die Abwälzbarkeit genügt es, dass der Veranstalter den Steuerbetrag kalkulatorisch auf den Konsumenten überwälzen kann; es ist nicht erforderlich, dass der Veranstalter den als Steuer gezahlten Betrag durch Erhöhung des Spieleinsatzes direkt vom Konsumenten ersetzt erhält (vgl. Beschluss des Senats vom 19.12.2002 - 4 EO 489/02 -, KStZ 2004, S. 71 ff.). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommen unentgeltliche Betätigungen von vornherein als Besteuerungsobjekt nicht in Betracht, weil der Spieler keinen wirtschaftlichen Aufwand erbringt und mangels eines - in welcher Form auch immer erhobenen - Entgelts die Steuer auch nicht auf ihn überwälzt werden könnte. Das kommt auch in der VS 1996 der Beklagten zum Ausdruck, indem die Steuererhebung grundsätzlich an die erbrachten Entgelte anknüpft. So ist die Steuer, die entweder als Karten- oder als Pauschsteuer erhoben wird, nach Preisen oder Roheinnahmen zu berechnen; nur bei den Spiel- und Unterhaltungsapparaten sowie Unterhaltungsspielen wird die Steuer nach dem sog. Stückzahlprinzip bemessen (vgl. §§ 4 Abs. 1, 5 Satz 1, 13 Abs. 1, 14 VS 1996). Durch die Eingrenzung auf entgeltliche Vorgänge wird der Kreis der steuerbaren Betätigungen in ganz erheblichem Maß reduziert. Das Vorhalten von Kartenspielen und Knobelbechern, das Seilspringen und Einradfahren scheiden als Gegenstand der Besteuerung aus - sofern keine ganz atypische Konstellation vorliegt, die hier vernachlässigt werden kann. Eine weitere tatbestandliche Eingrenzung hat das Verwaltungsgericht vorgenommen, indem es verschiedene Bestimmungen der gesamten Satzung in den Blick genommen und die Wendungen "Halten von Apparaten und Geräten" (§1 Abs. 1 Nr. 5 VS 1996), "Aufstellung" (§ 14 Nr. 5 Satz 1 VS 1996) und "Inbetriebsetzung" (§ 17 Abs. 2 VS 1996) dahin ausgelegt hat, dass nur Geräte und Apparate der Besteuerung unterliegen sollen, die typischerweise dauerhaft aufgestellt werden und die für eine dauerhafte Aufstellung geeignet sind. Da die Beklagte den Kläger nur wegen herkömmlicher Spielautomaten zur Vergnügungssteuer veranlagt hat, muss der Senat hier nicht klären, ob es dieser zusätzlichen Einschränkung überhaupt bedarf und ob er die Lösung des Verwaltungsgerichts in den Einzelheiten exakt nachvollzieht. Die Auslegung des Verwaltungsgerichts ist jedoch in der Tendenz zutreffend und macht deutlich, wie in Zweifelsfällen aus der Vergnügungssteuersatzung selbst abgeleitet werden kann, dass die vom Kläger angeführten Betätigungen und etwaige Bagatellvorgänge nicht der Besteuerung unterliegen sollen.
Aus den vorstehenden Ausführungen folgt weiter, dass die vom Kläger im Hinblick auf die vermeintliche Besteuerung unentgeltlicher Vergnügen geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO) nicht vorliegen.
Schließlich mangelt es dem angegriffenen Bescheid auch nicht an der erforderlichen Bestimmtheit, soweit es die Angabe des Steuerbetrags gemäß § 157 Abs. 1 S. 2 AO 1977 betrifft. Nach der Rechtsprechung des Senats genügt es für die hinreichende Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit, wenn aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, aus dem Zusammenhang, aus der von der Behörde gegebenen Begründung oder aus den den Beteiligten bekannten näheren Umständen des Erlasses im Wege einer am Grundsatz von Treu und Glauben orientierten Auslegung hinreichende Klarheit gewonnen werden kann. Werden durch die (vorrangige) Auslegung des Bescheids etwaige Zweifel an der Bestimmtheit beseitigt, so scheidet die Annahme seiner Nichtigkeit wegen Unbestimmtheit aus. Dabei kommt es nicht darauf an, wie ein außen stehender Dritter, sondern allein wie der Betroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt des angefochtenen Bescheids unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste (vgl. ausführlich Beschluss des Senats vom 01.09.2000 - 4 ZKO 131/00 -, NVwZ-RR 2001, S. 212 f.). Wie das Verwaltungsgericht bereits festgestellt hat, ist der Ausgangsbescheid missverständlich abgefasst. Allerdings traf der Bescheid den Kläger nicht in völliger Unkenntnis. Ihm war als anmeldepflichtiger Aufsteller, aus dem vorangegangenen Besteuerungsverfahren und aus seiner Veränderungsanzeige vom 05.05.1997 bekannt, wie viele Apparate zu besteuern sein würden. Vor allem stellt auch die Auflistung der fälligen Steuerbeträge im Bescheid vom 11.06.1997 klar, welcher Steuerbetrag insgesamt erhoben werden sollte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 25 Abs. 2 Satz 1, 14, 13 Abs. 2 GKG.
Hinweis:
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Ende der Entscheidung
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