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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 22.01.2008
Aktenzeichen: 10 S 1669/07
Rechtsgebiete: GG, StVG, FeV, GKG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
StVG § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
StVG § 28 Abs. 3 Nr. 3
FeV § 34 Abs. 1
GKG § 52 Abs. 2
1. Wird gegen einen Fahrradfahrer wegen eines Rotlichtverstoßes eine Geldbuße von 40,- EUR oder mehr verhängt und erfolgt diesbezüglich eine Eintragung in das Verkehrszentralregister mit der Folge, dass bei Inhabern einer Fahrerlaubnis auf Probe nach § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StVG die Teilnahme an einem Aufbauseminar anzuordnen ist, so liegt dem keine unzulässige Gleichbehandlung von Fahrradfahrern und Kraftfahrzeugführern zugrunde.

2. Der Streitwert einer Klage gegen die Anordnung eines Aufbauseminars ist entgegen der in Nr. 46.15 des Streitwertkatalogs 2004 enthaltenen Empfehlung mit dem Auffangwert zu bemessen.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

10 S 1669/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar

hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29. November 2006 - 4 K 1766/05 - ist insoweit unwirksam.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29. November 2006 - 4 K 1766/05 - zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am xx.xx.1985 geborene Kläger ist seit dem 29.07.2003 im Besitz der Fahrerlaubnis der Klasse B. Diese war zunächst auf Probe erteilt worden.

Am 14.11.2004 missachtete der Kläger um 21.24 Uhr als Radfahrer das Rotlicht einer Lichtzeichenanlage in Freiburg, wobei die Rotphase bereits länger als 1 Sekunde angedauert hatte. Wegen dieses Verkehrsverstoßes wurden gegen den Kläger unter dem 13.12.2004 rechtskräftig eine Geldbuße in Höhe von 62,50 EUR verhängt und im Verkehrszentralregister 1 Punkt eingetragen.

Mit Bescheid vom 22.03.2005 ordnete die Beklagte die Teilnahme des Klägers an einem Aufbauseminar bis spätestens 22.06.2005 an und setzte eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 31,20 EUR fest.

Der Kläger legte hiergegen am 21.04.2005 Widerspruch ein, der durch Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 07.09.2005 unter gleichzeitiger Festsetzung einer Widerspruchsgebühr in Höhe von 25,60 EUR zurückgewiesen wurde.

Am 16.09.2005 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Freiburg erhoben und zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.

Durch Beschluss vom 29.12.2005 (4 K 1767/05) hat das Verwaltungsgericht Freiburg den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes als unbegründet zurückgewiesen. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Beschwerde blieb erfolglos (Senatsbeschl. v. 11.05.2006 - 10 S 218/06 -).

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger vorgetragen: Nach § 2 a Abs. 2 Nr. 1 StVG sei ein Aufbauseminar zwingend dann anzuordnen, wenn innerhalb der Probezeit eine schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen worden seien. Diese unbestimmten Rechtsbegriffe würden in Abschnitt A Anlage 12 zu § 34 FeV konkretisiert. Dabei würden jedoch ohne Differenzierung sämtliche Rotlichtverstöße mit Fahrzeugen als schwerwiegende Zuwiderhandlung eingeordnet. Es werde nicht unterschieden, ob die Zuwiderhandlung mit einem fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeug oder mit einem fahrerlaubnisfreien Fahrzeug erfolgt sei. Auch das Vorliegen oder Art und Ausmaß einer konkreten Gefährdung spielten keine Rolle. Die Behörde habe auch keine Möglichkeit, im Einzelfall von der Anordnung abzusehen. Diese Regelung sei verfassungswidrig. Die Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar, die mit der Verlängerung der Probezeit um zwei Jahre verbunden sei, bedeute einen erheblichen Grundrechtseingriff. Sie sei bei Verstößen mit einem Fahrrad nicht angemessen. Ein Verkehrsteilnehmer, der mit dem Fahrrad trotz Rotlichts eine Kreuzung überquere, wenn eine konkrete Gefährdung ausgeschlossen sei, würde an der gleichen Stelle mit dem Kraftfahrzeug hingegen abwarten, bis die Grünphase begonnen hätte. Dies könne als allgemein kundige Tatsache gelten. Es fehle daher bereits an der Eignung der Maßnahme. Unabhängig davon sei sie auch nicht erforderlich, weil bereits infolge des auferlegten Bußgeldes und der Eintragung eines Punktes in das Verkehrszentralregister künftig von der Begehung gleich gearteter Verstöße abgehalten werde. Jedenfalls sei die Maßnahme nicht angemessen bzw. verhältnismäßig. Der mit einem Fahrrad begangene Rotlichtverstoß sei mit dem Überfahren eines Rotlichts mit dem Kraftfahrzeug nicht vergleichbar, weshalb auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz gegeben sei. Die Anlage 12 zu § 34 FeV sei wegen eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht nicht anwendbar. Sie halte sich nicht im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage. Denn der mit einem nicht motorbetriebenen Fahrzeug getätigte Verkehrsverstoß könne nicht als schwerwiegende Zuwiderhandlung i. S. des § 2 a Abs. 2 Nr. 1 StVG angesehen werden.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Missachtung des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage könne aus Verkehrssicherheitsgründen auch dann nicht hingenommen werden, wenn sie lediglich vom Führer eines fahrerlaubnisfreien Fahrzeugs begangen worden sei. Sie werde deshalb auch beim Führen eines Fahrrads nach § 24 Abs. 1 StVG als Ordnungswidrigkeit geahndet. Wenn der Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe nach der Fahrschulausbildung gleichwohl mit einem Fahrrad das Rotlicht einer Lichtzeichenanlage bedenkenlos missachte, lasse dies auf eine sicherheitsrelevante Risikobereitschaft schließen, die auch Rotlichtmissachtungen als Führer eines Kraftfahrzeugs nahe legten. Die Anordnung verstoße daher auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Durch Urteil vom 29. November 2006 hat das Verwaltungsgericht Freiburg die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Anfechtungsklage sei weiterhin zulässig, insbesondere habe sich der Rechtsstreit nicht erledigt, obwohl der Kläger an dem angeordneten Aufbauseminar inzwischen teilgenommen habe. Denn mit der Anordnung habe sich kraft Gesetzes gemäß § 2 a Abs. 2 a StVG auch die Probezeit um zwei Jahre verlängert und laufe noch bis zum 29.07.2007. Der angegriffene Bescheid der Beklagten und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Rechtsgrundlage seien § 2 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG und § 34 FeV i.V.m. der Anlage 12 zur FeV. Hiernach habe die Fahrerlaubnisbehörde gegenüber dem Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe die Teilnahme an einem Aufbauseminar anzuordnen und hierfür eine Frist zu setzen, wenn gegen diesen wegen einer innerhalb der Probezeit begangenen Straftat oder Ordnungswidrigkeit eine rechtskräftige Entscheidung ergangen sei, die in das Verkehrszentralregister einzutragen gewesen sei und wenn er eine schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen habe. Nach § 34 Abs. 1 FeV erfolge die Bewertung der Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Rahmen der Fahrerlaubnis auf Probe entsprechend der Anlage 12. Hiernach hätten die Voraussetzungen für die Anordnung einer Nachschulung vorgelegen. Der Kläger habe als Fahrradfahrer das Rotlicht der Lichtzeichenanlage in Freiburg missachtet, wobei die Rotphase länger als 1 Sekunde angedauert habe. Deswegen sei gegen ihn eine Geldbuße von 62,50 EUR festgesetzt worden, die als Ordnungswidrigkeit in das Verkehrsregister einzutragen gewesen sei und mit einem Punkt bewertet worden sei. Nach Anlage 12 zur FeV (Abschnitt A Ziff. 2.1) gehörten zu den Ordnungswidrigkeiten, die als schwerwiegende Zuwiderhandlungen zu bewerten seien, u.a. Verstöße gegen die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung über das Verhalten an Wechsellichtzeichen, Dauerlichtzeichen und Zeichen 206 sowie gegenüber Haltezeichen von Polizeibeamten, somit also auch Rotlichtverstöße. Dabei würden auch Verkehrsverstöße erfasst, die mit einem nicht fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeug, wie mit einem Fahrrad oder Mofa, begangen würden. Es sei aber zu beachten, dass nach § 28 Abs. 3 Nr. 3 nur rechtskräftige Entscheidungen wegen einer Ordnungswidrigkeit einzutragen seien, wenn eine Geldbuße von mindestens 40,- EUR festgesetzt worden sei. Einige der mit einem Fahrrad begangenen Verkehrsverstöße würden aber zu einem Bußgeld von weniger als 40,- EUR führen, denn nach § 3 Abs. 6 BKatV sei der im Bußgeldkatalog angegebene Bußgeldregelsatz bei Ordnungswidrigkeiten, die nicht von motorisierten Verkehrsteilnehmern begangen würden, in der Regel um die Hälfte zu ermäßigen. In diesen Fällen würde der Verkehrsverstoß keine Nachschulungsanordnung nach sich ziehen. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht sei nicht ersichtlich. Insbesondere lasse sich die Bewertung eines mit dem Fahrrad begangenen Rotlichtverstoßes als schwerwiegende Zuwiderhandlung rechtlich nicht beanstanden. Die Unterscheidung zwischen fahrerlaubnispflichtigen und nicht fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen sei entgegen der Auffassung des Klägers weder im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG noch aus anderen Gründen verfassungsrechtlich geboten. Der Kläger weise zwar zu Recht darauf hin, dass ein Rotlichtverstoß mit dem Kraftfahrzeug in der Regel als gravierender zu bewerten sei als ein solcher mit dem Fahrrad. Er werde deshalb auch in der Regel härter geahndet. So wäre gegen den Kläger als Kraftfahrer voraussichtlich eine Geldbuße von 125,- EUR und ein Fahrverbot verhängt worden. Dies ändere aber nichts daran, dass auch das Nichtbeachten einer roten Ampel mit einem Fahrrad in der Regel ebenso als schwerwiegende Zuwiderhandlung im Sinne der genannten Regelungen über den Führerschein auf Probe anzusehen sei wie einige andere ebenfalls nur mit einem Punkt bewerteten Verkehrsverstöße. Sinn und Zweck des § 2 a Abs. 2 StVG sei nämlich nicht eine nochmalige Ahndung von Verkehrsverstößen. Mit der Einführung der Fahrerlaubnis auf Probe sei vielmehr als Reaktion auf die Entwicklung der Unfallzahlen, für den Fahranfänger eine Art Bewährungszeit geschaffen worden, in der von ihm besondere Vorsicht und Rücksicht im Straßenverkehr verlangt und in der Verstöße gegen die gesetzlichen Pflichten besonders stark gewichtetet würden. Werde der Fahranfänger in dieser Zeit durch eine der in der Anlage 12 zu § 34 FeV genannten schwerwiegenden Verkehrstraftaten oder Verkehrsordnungswidrigkeiten auffällig, vermute das Gesetz, dass die Bewährung noch nicht vorliege. Die jeweilige Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit werde somit insoweit gerade nicht danach beurteilt, welche Sanktionen dafür angemessen seien, sondern systemgerecht nur danach, ob die Auffälligkeit so gewichtig sei, dass sie die Annahme der Nichtbewährung rechtfertige. Bei anfängertypischen bzw. gravierenden Regelverstößen solle eine Nachschulung angeordnet werden. Um einen solchen Verstoß handele es sich auch bei der Nichtbeachtung einer roten Ampel oder eines Haltezeichens eines Polizeibeamten. Dies lasse auf ein gewisses allgemeines Einstellungsdefizit schließen, das sich auch beim Führen eines erlaubnispflichtigen Fahrzeugs auswirken könne. Angesichts der nachweisbar erhöhten Gefahren im Straßenverkehr durch Fahranfänger stehe es insbesondere nicht außer Verhältnis zu den angeführten Zwecken, dass der Verordnungsgeber jeder der aufgelisteten Verstöße gegen Haltezeichen und Gebote durch Lichtzeichenanlage, die in das Verkehrszentralregister einzutragen seien, als schwerwiegend betrachte mit der Folge, dass eine Nachschulungsanordnung ergehe. Wäre ein Verstoß ausnahmsweise tatsächlich als weniger gravierend anzusehen gewesen, könne auch vom Regelsatz abgewichen und ein Bußgeld unter 40,- EUR verhängt werden mit der Folge, dass ein Eintrag in das Verkehrszentralregister nicht erfolge. Somit müsse nicht jeder Rotlichtverstoß zwingend zur Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar führen. Die Nachschulung sei auch ein geeignetes Mittel zur Erhöhung der Verkehrssicherheit durch Verminderung der Risikobereitschaft bei in der Probezeit auffällig gewordenen Fahranfängern. Der für eine Nachschulung zu erbringende Aufwand halte sich in angemessenen zeitlichen und finanziellen Grenzen und sei dem Fahranfänger wegen der von ihm zuvor begangenen Verkehrszuwiderhandlung grundsätzlich zumutbar. Die Beklagte sei daher verpflichtet gewesen, die angefochtene Anordnung ohne einen Ermessensspielraum zu lassen. Sie habe dabei nicht mehr zu prüfen gehabt, ob die Maßnahme im konkreten Fall geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sei.

Durch Beschluss vom 18.07.2007 (10 S 231/07) - dem Kläger am 25.07.2007 zugestellt - hat der Senat im Hinblick auf § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf den Antrag des Klägers hin die Berufung zugelassen.

Am 23.08.2007 hat der Kläger unter Stellung von Anträgen die Berufung wie folgt begründet: Die in der Anlage 12 zu § 34 FeV erfolgte Konkretisierung der Vorgaben des § 2 Abs. 2 a StVG verstoße gegen den Gleichheits- und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Schon die unmittelbaren und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Folgen der Tat, nämlich die Verhängung eines Bußgeldes und die Eintragung von Punkten im Verkehrszentralregister, stelle eine verhältnismäßig strenge Sanktionsfolge für Rotlichtverstöße mit dem Fahrrad dar. Ob diese Folge ihrerseits verfassungsmäßig sei, sei vorliegend nicht relevant. Denn es fehle - anders als im Falle von Verstößen mit Kraftfahrzeugen - bereits an der Geeignetheit und Erforderlichkeit der angefochtenen Verfügung zur Erreichung des gesetzlichen Ziels. Jedenfalls sei die angefochtene Verfügung unverhältnismäßig. Selbst wenn man unter Zugrundelegung des vorliegenden einschlägigen Erstverstoßes und der hier nur angeordneten Teilnahme am Aufbauseminar noch eine Zumutbarkeit bejahte, so hätte die Systematik des Gesetzes zur Folge, dass ein gleichartiger Verstoß auch für den Fall, dass er nach bereits zwei anderen unzweifelhaft auch materiell als schwerwiegende Verstöße einzuordnenden Verfehlungen geschähe, als schwerwiegend betrachtet werden müsste, da das Gesetz gerade nicht zwischen den verschiedenen Anwendungsstufen differenziere. Werde z.B. ein Rotlichtverstoß mit dem Pkw begangen und sodann nach Ableistung des Aufbauseminars ein weiterer und schließlich nach Ablauf von 2 Monaten ein Rotlichtverstoß mit dem Fahrrad, so wäre die Zumutbarkeit jenes letzten folgenden, aber sehr einschneidenden Eingriffs, nämlich die Entziehung der Fahrerlaubnis sicher nicht gegeben. Insoweit liege eine vergleichbare Fallgestaltung wie bei der Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung vor. Hier wie dort werde der Eingriff dadurch gesteigert, dass bei Verweigerung der angeordneten Maßnahme die Entziehung der Fahrerlaubnis ins Haus stehe. Auf der anderen Seite stehe mit dem nur mit dem Fahrrad begangenem Verstoß eine eher geringfügige Verkehrsauffälligkeit. Gingen mit einem Rotlichtverstoß mit dem Pkw erheblich abstrakte Gefahren einher, so bestehe bei einem Radfahrer eine ähnlich niedrigere abstrakte Gefährdung anderer wie bei einem Fußgänger. Im Vordergrund stehe hier eher eine Selbstgefährdung als eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer. Auch gebe es keinen Beleg dafür, dass derjenige, der eine solche Verkehrsauffälligkeit begehe, auch zu anderen Verkehrsauffälligkeiten, etwa mit Kraftfahrzeugen neige. In der Abwägung überwiege daher die Grundrechtsposition des Klägers ohne weiteres das öffentliche Interesse. Auch liege ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor. Es gebe keinen hinreichenden sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung von Radfahrern und Fußgängern einerseits und für die Gleichbehandlung von Radfahrern mit Kraftfahrzeugführern andererseits. Der Rotlichtverstoß mit dem Fahrrad habe kein höheres Gefährdungspotential als der von Fußgängern. In beiden Fällen stünden dem Verkehrsteilnehmer nur die eigenen Körperkräfte zur Verfügung. Im Regelfall gefährdeten sich die Angehörigen beider Gruppen vornehmlich selbst. Wegen der erheblichen Unterschiede von motorisierten und nicht motorisierten Verkehrsteilnehmern sei darüber hinaus jedoch sogar generell ein Differenzierungsgebot anzunehmen, das nicht nur Rotlichtverstöße von Fußgängern, sondern auch von Fahrradfahrern von der Einordnung als schwerwiegende Zuwiderhandlung ausnehmen müsse. Im Übrigen sei diese Differenzierung bei § 7 StVG im Zusammenhang mit der Gefährdungshaftung jedenfalls insoweit relevant, als der Gesetzgeber sehr wohl die Unterschiedlichkeit der beiden Gruppen von Verkehrsteilnehmern erkannt und entsprechend berücksichtigt habe. Soweit auf die konkrete Höhe des Bußgeldes hingewiesen worden sei, spreche dies eher für seine Rechtsauffassung. Die Differenzierung zeige, dass sie hier eine unterschiedliche Behandlung der Rotlichtverstöße notwendig sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29.11.2006 (4 K 1766/05) zu ändern und die Verfügung der Beklagten vom 22.03.2005 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 07.09.2005 aufzuheben, soweit hierin eine Verwaltungs- bzw. Widerspruchsgebühr festgesetzt wurden; im Übrigen wird der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Die Beklagte stimmt der Erledigungserklärung zu und beantragt im Übrigen,

die Berufung zurückzuweisen.

In der Sache sei das angegriffene Urteil nicht zu beanstanden.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Dem Gericht lagen die von der Beklagten geführten Akten sowie die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Freiburg und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Freiburg vor.

Entscheidungsgründe:

Soweit die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO (i.V.m. § 125 Abs. 1 S. 1 VwGO) eingestellt; das Urteil des Verwaltungsgerichts war insoweit für unwirksam zu erklären.

Die Berufung ist im Übrigen zulässig, insbesondere wurde sie unter Stellung von Anträgen rechtszeitig begründet.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind nach der beiderseitigen Erledigungserklärung nur noch die im Bescheid der Beklagten vom 22.03.2005 sowie im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 07.09.2005 erfolgten Festsetzungen der Verwaltungs- und der Widerspruchsgebühr. Diese waren gem. § 22 Abs. 1 VwKostG i.V.m. § 6 GebOSt unmittelbar kraft Gesetzes zum Streitgegenstand des Klage- wie auch des Berufungsverfahrens geworden. Der Kläger hatte insoweit auch uneingeschränkt die Aufhebung der angegriffenen Bescheide beantragt.

Rechtsgrundlage der angegriffenen Gebührenbescheide sind die §§ 1 Abs. 1 und 4 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt i.V.m. mit den Nr. 210 und 400 der Anlage. Voraussetzung einer Gebührenerhebung ist dabei, dass die entsprechende Amtshandlung, d.h. die ursprünglich im Streit gewesene Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar rechtmäßig war (vgl. hierzu OVGNW, B.v. 07.11.2007 - 9 A 4822/05 - juris; OVGRP, B.v 25.08.2005 - 12 A 10678/05 - NVwZ-RR 2006, 252). Dieses war indes der Fall.

Der Senat macht sich in erster Linie die zutreffenden und überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil zu eigen und verweist zu Vermeidung von Wiederholungen hierauf (vgl. § 130b S. 2 VwGO).

Ergänzend und vertiefend ist mit Rücksicht auf das Berufungsvorbringen noch folgendes auszuführen: Der Senat teilt nicht die Auffassung des Klägers, dass eine Gleichbehandlung von motorisierten und nicht motorisierten Fahrzeugführern nicht gerechtfertigt sei und gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoße, vielmehr sogar ein Gleichbehandlungsgebot zwischen Fußgängern und Fahrradfahrern bestehe. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfG, B.v. 02.02.1999 - 1 BvL 8/97 - BVerfGE 100, 195 <205>; stRspr). Dabei ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will. Der Gesetzgeber muss allerdings eine Auswahl sachgerecht treffen und nachvollziehbare Gründe anführen (vgl. BVerfG, B.v. 09.03.1994 - 2 BvL 43/92 u.a. - BVerfGE 90, 226 <239>; B.v. 18.05.2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerfGE 110, 370).

Den hier maßgeblichen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften liegt die unbedenkliche Annahme des Normgebers zugrunde, dass auch Fahrradfahrer, die ein Rotlicht, dessen Phase bereits länger als eine Sekunde gedauert hatte (vgl. Ziffern 132.2 BKatV), missachten, typischerweise ein erhebliches Gefährdungspotential darstellen, wobei immerhin der Bußgeldsatz von 125,- EUR gem. § 3 Abs. 6 BKatV regelmäßig um die Hälfte zu reduzieren ist. Im vorliegenden Fall würde allerdings die für eine Eintragung erhebliche Grenze von 40,- EUR gem. § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG gleichwohl überschritten, wobei im Übrigen nichts dafür ersichtlich ist, dass die konkrete Ahndung im rechtkräftigen Bußgeldbescheid vom 13.12.2005 mit 62,50 EUR unangemessen gewesen sein könnte. Dieses Gefährdungspotential ist schon deshalb nicht mit dem von Fußgängern ausgehenden vergleichbar, weil sich Fahrradfahrer typischerweise mit deutlich größerer Geschwindigkeit fortbewegen und damit die durch einen Rotlichtverstoß eines Fahrradfahrers hervorgerufenen Verkehrssituationen für andere Verkehrsteilnehmer, die auf die Beachtung des Rotlichts vertrauen, deutlich weniger beherrschbar sind. Vor diesem Hintergrund ist es unerheblich, ob es zutrifft, wie der Kläger eher spekulativ behauptet, dass ein Kraftfahrer in der gleichen Situation, in der der Fahrradfahrer den Rotlichtverstoß begehe, regelmäßig stehen bleibe. Denn jedenfalls legt ein Fahrradfahrer, der einen Rotlichtverstoß begeht, ein Verhalten an den Tag, das gerade unter verkehrssicherheitsrechtlichen Aspekten nach der Einschätzung des Normgebers zu Recht gewichtige Zweifel an der Fähigkeit und/oder Bereitschaft zur Einhaltung elementarer Regeln des Straßenverkehrs begründet und somit - auch unter dem Aspekt der Erforderlichkeit - verfassungsrechtlich unbedenklich bei Fahranfängern die Verpflichtung zu einer Nachschulung auslöst. Weshalb eine solche - neben der repressiven Ahndung verwirkte - Nachschulung ungeeignet sein soll, den Betroffenen die Notwendigkeit eines normgemäßen Verhaltens deutlich vor Augen zu halten, erschließt sich dann aber dem Senat nicht. Wenn der Gesetzgeber typisierend in § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG davon ausgeht, dass jedes verwirkte Bußgeld von 40,- EUR und mehr eintragungswürdig ist und dabei unmittelbar an die Entscheidung der Bußgeldbehörde bzw. der Gerichts in Ordnungswidrigkeitssachen anknüpft, so ist dieses Vorgehen nicht als sachwidrig anzusehen. Insbesondere wird einem Betroffenen nichts unzumutbares angesonnen, wenn er zur Vermeidung einer Eintragung einen Rechtsbehelf gegen einen seiner Auffassung nach unangemessenen Bußgeldbescheid einlegen muss.

Ausgehend hiervon wäre es im Übrigen - ohne dass es im vorliegenden Kontext darauf ankäme - gleichermaßen unbedenklich, wenn der oder die Betreffende durch einen solchen Verstoß, der eine letzte Eintragung in das Verkehrszentralregister nach sich zöge, die für eine Entziehung der Fahrerlaubnis maßgebliche Schwelle nach § 2 a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG überschritte.

Aus der rechtspolitisch begründeten Entscheidung des Gesetzgebers, in § 7 StVG die zivilrechtliche Gefährdungshaftung generalisierend auf Kraftfahrzeuge zu beschränken, kann nicht auf eine sachwidrige bzw. willkürliche Bewertung des Rotlichtverstoßes von Fahrradfahrern geschlossen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 und 161 Abs. 2 VwGO; es entspricht billigem Ermessen, die anteiligen Kosten des erledigten Rechtsstreits ebenfalls dem Kläger aufzuerlegen, weil er insoweit aus den gleichen Gründen, die der Zurückweisung der Berufung zugrunde liegen, unterlegen wäre.

Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.

Beschluss vom 22. Januar 2008

Der Streitwert wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für das verwaltungsgerichtliche Verfahren sowie für das Berufungsverfahren bis zur teilweisen Erledigung der Hauptsache jeweils auf 5.000,- EUR, im Anschluss hieran auf 56,60 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung und deren Änderung beruhen auf § 63 Abs. 2 und 3 GKG, § 47 GKG und § 52 Abs. 2. Der Senat schließt sich nicht der in Ziffer 46.15 des Streitwertkatalogs 2004 enthaltenen Empfehlung an, wonach der Streitwert für die Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar mit dem halben Auffangwert angesetzt werden soll. Denn sowohl unter dem Aspekt der zeitlichen Inanspruchnahme, der finanziellen Belastung wie auch der durch die Anordnung ausgelösten Verlängerung der Probezeit liegen keine hinreichend aussagekräftigen und gewichtigen Gesichtspunkte vor, die eine Bewertung rechtfertigen könnten, mit der der Auffangwert wesentlich unterschritten würde (vgl. Bader u.a., VwGO, 4. Aufl., Anhang Fn. 101). Eine Erhöhung infolge der gleichfalls angefochtenen Gebührenfestsetzungen findet nach § 43 Abs. 1 GKG nicht statt. Für die Zeit nach teilweiser Erledigung beruht die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 3 GKG (i.V.m. § 36 Abs. 1 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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