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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 27.12.2000
Aktenzeichen: 11 S 1592/00
Rechtsgebiete: AsylVfG


Vorschriften:

AsylVfG § 15 Abs. 1 S. 1
AsylVfG § 15 Abs. 2 Nr. 6
Der Erlass einer auf § 15 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG beruhenden Aufforderung zur Ausfüllung und Vorlage eines Antrags auf Ausstellung eines Passes gegenüber einem noch bleibeberechtigten Asylbewerber durch die Ausländerbehörde zu dem Zweck der Vorbereitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen begegnet keinen rechtlichen Bedenken, wenn die Behörde zugleich erklärt, dass vor Abschluss des Asylverfahrens keine Passbeschaffung bei einer Vertretung des Heimatlandes des Asylbewerbers eingeleitet werde.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

11 S 1592/00

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Auflage hinsichtlich der Beschaffung eines Passes

hat der 11. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Peter, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Jakober und den Richter am Verwaltungsgericht Kümpel ohne mündliche Verhandlung

am 27. Dezember 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 10. Dezember 1999 - A 13 K 11066/99 - insoweit geändert, als das Verwaltungsgericht Ziff. 2 der Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 7. Juni 1999 aufgehoben hat. Die Klage wird hinsichtlich Ziff. 2 der genannten Verfügung abgewiesen.

Der Kläger trägt 1/3 der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und die Kosten des Berufungsverfahrens, der Beklagte trägt 2/3 der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, ein iranischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen eine ihm auferlegte Verpflichtung zur Ausfüllung und Vorlage von Passanträgen.

Der am 23.8.1956 in Shemiran/Iran geborene Kläger reiste eigenen Angaben zufolge am 12.11.1998 über den Flughafen Frankfurt/Main in das Bundesgebiet ein, worauf er unter dem 13.11.1998 um Asyl nachsuchte. Mit Bescheid vom 29.6.1999 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nicht vorliegen sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht gegeben sind. Zugleich forderte es ihn auf, das Bundesgebiet innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieser Entscheidung, im Falle einer Klageerhebung innerhalb eines Monats nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens, zu verlassen, und für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise drohte es ihm die Abschiebung in den Iran an. Über eine gegen diesen Bescheid gerichtete Klage (VG Karlsruhe, Az. A 13 K 11383/99, neu: A 3 K 11838/99) ist noch nicht entschieden.

Anlässlich der Stellung seines Asylantrags hatte der Kläger außer einer Geburtsurkunde keine Ausweispapiere vorgelegt. Im Mai 1999 hatte er es gegenüber der für seinen Unterbringungsort zuständigen Ausländerbehörde abgelehnt, ein Formular zur Passbeschaffung auszufüllen und zu unterschreiben sowie Passbilder abzugeben. Hierauf forderte das Regierungspräsidium Karlsruhe den Kläger mit Verfügung vom 7.6.1999 dazu auf, sämtliche in seinem Besitz befindlichen Originaldokumente (Personaldokumente) innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung der Verfügung der unteren Ausländerbehörde vorzulegen (Ziff. 1). Für den Fall des Nichtbesitzes gültiger Reisedokumente wurde er aufgefordert, binnen 14 Tagen nach Zustellung der Verfügung beigefügte Passanträge auszufüllen und zusammen mit vier Passfotos der unteren Ausländerbehörde vorzulegen (Ziff. 2). Ferner wurde ihm für den Fall, dass er den Aufforderungen nicht fristgerecht Folge leistet, die Festsetzung eines Zwangsgelds in Höhe von 2.500,- DM angedroht (Ziff. 3). Zur Begründung der Verfügung führte das Regierungspräsidium aus: Ausländer, die in das Bundesgebiet einreisten und sich darin aufhalten wollten, müssten nach § 4 AuslG einen gültigen Pass besitzen. Sie seien gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 4 AsylVfG verpflichtet, den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden einen Pass oder Passersatz vorzulegen. Nach § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG bestehe die Verpflichtung, im Falle des Nichtbesitzes eines gültigen Passes oder Passersatzes bei der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken. Zur Klärung der Staatsangehörigkeit des Klägers sei es erforderlich, die beigefügten Passanträge vollständig auszufüllen. Rechtsgrundlage für die Verpflichtung zur persönlichen Vorsprache und Auskunft sei § 15 Abs. 2 Nrn. 1, 3 AsylVfG. Die Verpflichtung zur Vorlage der erforderlichen Nachweise ergebe sich aus § 15 Abs. 2 Nr. 5 AsylVfG. Es werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass vor Abschluss des Asylverfahrens keine Passbeschaffung bei der Botschaft des Heimatlandes eingeleitet werde.

Nachdem der Kläger dieser Verfügung nicht nachgekommen war, setzte das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Verfügung vom 13.7.1999 ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500,- DM fest und drohte die Festsetzung eines weiteren Zwangsgeldes von 5.000,- DM an.

Gegen diese Verfügungen hat der Kläger am 18.6. bzw. 26.7.1999 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe jeweils Klage erhoben. Zur Begründung der Klagen hat er geltend gemacht, er besitze keinerlei Originaldokumente und sei auch nicht bereit, Passantragsformulare auszufüllen, weil er dabei Angaben über seine gesamte Familie im Iran machen müsse und diese bei Weiterleitung der Antragsformulare in große Gefahr gerate. Solange sein Asylverfahren noch nicht beendet sei, sei er - entsprechend dem Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 6.10.1998 (Az. A 9 S 856/98) - nicht zur Vorlage von Passanträgen an die Behörden des Heimatlandes verpflichtet. Mit Schriftsatz vom 24.11.1999 hat der Kläger nachtragen lassen, dass er nunmehr im Besitz eines iranischen Personalausweises sei, der nur unter erheblichen Sicherheitsrisiken habe beschafft werden können. Den Personalausweis hat der Kläger dem Regierungspräsidium überlassen.

Das beklagte Land ist der Klage entgegengetreten und hat ausgeführt, aus dem von dem Kläger angeführten Urteil des VGH Baden-Württemberg ergebe sich nicht, dass gegen einen Asylbewerber keine Maßnahmen zur Vorbereitung einer Aufenthaltsbeendigung ergriffen werden dürften, solange dieser noch ein vorläufiges Bleiberecht habe. Hierzu bestehe im Gegenteil gemäß § 24 Abs. 3 und § 43 b S. 2 AsylVfG eine ausdrückliche Verpflichtung. In der Verfügung vom 7.6.1999 sei der Kläger im Übrigen ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass vor Abschluss seines Asylverfahrens keine Passbeschaffung bei der Botschaft des Heimatlandes erfolgen würde.

Einen zwischenzeitlich von dem Kläger ausgefüllten und unterzeichneten Antrag auf Ausstellung eines Passierscheins für die Rückreise, den er dem Regierungspräsidium in Kopie übermittelte, hat dieses nicht als vollständig angesehen.

Nach Verbindung der Klageverfahren hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 10.12.1999 - A 13 K 11066/99 - die Verfügungen vom 7.6. und 13.7.1999 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Rechtliche Bedenken gegen die Verfügung vom 7.6.1999 bestünden bereits deswegen, weil die iranische Staatsangehörigkeit des Klägers nie streitig gewesen und mittlerweile auch urkundlich belegt sei. Die Verfügung könne aber auch dann nicht aufrechterhalten werden, wenn sie der Vorbereitung einer möglichst frühzeitigen Abschiebung des Klägers dienen solle. Nach § 15 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 Nr. 5 AsylVfG sei der Ausländer zwar verpflichtet, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken und dabei insbesondere alle erforderlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, die in seinem Besitz seien, den mit der Ausführung des Asylverfahrensgesetzes betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen. Diese Regelungen dienten jedoch vorrangig der Prüfung und Durchsetzung des geltend gemachten Asylanspruchs einschließlich etwaigen Abschiebeschutzes, wofür allein das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zuständig sei. Insbesondere während eines laufenden Asylerstverfahrens sei die Ausländerbehörde daneben nicht gleichermaßen befugt, sich pauschal sämtliche im Besitz des Asylbewerbers befindlichen Originaldokumente vorlegen oder aushändigen zu lassen. Die Vorschrift des § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG, wonach der Ausländer im Falle des Nichtbesitzes eines gültigen Passes oder Passersatzes an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken habe, sei nach dem Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 6.10.1998 - A 9 S 856/98 - einschränkend dahingehend auszulegen, dass die allgemeine Ausländerbehörde von dem Asylbewerber nicht verlangen könne, sich zur Ausstellung eines Identitätspapiers an eine Vertretung seines Heimatstaates zu wenden, solange seine Aufenthalts-gestattung nicht erloschen sei. Auch wenn von dem Kläger nur verlangt worden sei, einen Passantrag auszufüllen und zu unterschreiben, um diesen sodann bei der Ausländerbehörde zu hinterlegen, bleibe auch diese Anordnung eine asylrechtlich sensible Entscheidung, solange noch keine Vorentscheidung in dem eigentlichen Asylverfahren getroffen worden sei. Es sei als asylrechtlich sensibel anzusehen, wenn dem Asylbewerber noch vor der entscheidenden Prüfung seines Begehrens der Eindruck vermittelt werde, man bereite bereits seine Abschiebung vor. Dadurch werde ein Misstrauen des Asylbewerbers gegenüber den Bediensteten des Bundesamtes sowie den Richtern der Asylgerichte hervorgerufen, was eine offene, ehrliche und vertrauensvolle Haltung des Asylbewerbers gegenüber Behörde und Gericht beeinträchtige. Aus diesem Grund stehe die Maßnahme auch erkennbar außer Verhältnis zu dem Gewicht der mit ihr verfolgten öffentlichen Belange.

Auf Antrag des beklagten Landes hat der Senat mit Beschluss vom 18.7.2000 - 11 S 226/00 - die Berufung gegen dieses Urteil insoweit zugelassen, als das Verwaltungsgericht Ziff. 2 der Verfügung vom 7.6.1999 aufgehoben hat.

Zur Begründung der Berufung führt das beklagte Land aus: Allein die Vorlage eines iranischen Personalausweises sei für die Rückführung des Klägers nicht ausreichend, da die iranische Seite hierfür einen Pass bzw. ein iranisches Rückkehrdokument fordere, weshalb die Stellung eines Passantrags weiterhin erforderlich sei. Hierzu könne der Ausländer gemäß § 15 Abs. 2 Nrn. 4 und 5 AsylVfG angehalten werden. Aus den Bestimmungen des § 15 Abs. 2 AsylVfG und aus der einschlägigen Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 12/4450 S. 18) ergebe sich, dass die darin geregelten Mitwirkungspflichten grundsätzlich auch während eines laufenden Asylverfahrens bestünden. Sofern der ausgefüllte Passantrag nicht vor dem rechtskräftigen negativen Abschluss des Asylverfahrens an die Auslandsvertretung des Heimatlandes weitergeleitet werde, könne auch das notwendige Vertrauen zwischen dem Asylbewerber und deutschen Stellen nicht beeinträchtigt werden. Das Regierungspräsidium sei für den Erlass einer entsprechenden Passauflage zuständig, auch sei es zum Erlass von Maßnahmen zur Vorbereitung einer Aufenthaltsbeendigung für den Fall eines Erlöschens des Bleiberechtes ausdrücklich gesetzlich verpflichtet.

Das beklagte Land beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 10. Dezember 1999 - A 13 K 11066/99 - insoweit zu ändern, als das Verwaltungsgericht Ziff. 2 der Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 7. Juni 1999 aufgehoben hat, und die Klage hinsichtlich Ziff. 2 der genannten Verfügung abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er macht sich die Ausführungen des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Urteil zu eigen.

Dem Verwaltungsgerichtshof liegen die zur Sache gehörenden Gerichts- und Ausländerakten vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligen gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der genannten Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO).

Die auf die verwaltungsgerichtliche Aufhebung der Ziff. 2 der Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 7.6.1999 beschränkte Berufung des Beklagten ist zulässig, nachdem der Senat sie zugelassen hat und die Voraussetzungen des § 124 a Abs. 3 VwGO erfüllt sind.

Die Berufung ist auch begründet.

Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts war wie erkannt zu ändern, weil die in Ziff. 2 der Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 7.6.1999 enthaltene Regelung, mit der der Kläger aufgefordert worden ist, binnen 14 Tagen nach Zustellung der Verfügung Passanträge auszufüllen und zusammen mit vier Passfotos der unteren Ausländerbehörde vorzulegen, rechtmäßig ist und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Bei der im Berufungsverfahren allein im Streit stehenden Aufforderung des Klägers zur Ausfüllung und Vorlage von Passanträgen handelt es sich der Sache nach um eine verwaltungsbehördliche Konkretisierung der einem Asylbewerber durch die Regelungen des § 15 AsylVfG auferlegten Mitwirkungspflichten im Rahmen des im zweiten Abschnitt des Asylverfahrensgesetzes (§§ 12 bis 43 b AsylVfG) im Einzelnen normierten Asylverfahrens. Unter dem Begriff des Asylverfahrens ist insoweit nicht nur das eigentliche Verfahren zur Entscheidung über den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG bzw. von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (vgl. § 13 Abs. 2 und § 24 Abs. 2 AsylVfG) zu verstehen, sondern hierzu rechnet etwa auch die Befassung der Grenzbehörde (§ 18 AsylVfG) oder der Ausländerbehörde und der Polizei (§ 19 AsylVfG) mit einem Asylgesuch sowie - bei Erfolglosigkeit des Asylbegehrens - das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (§§ 34 ff. AsylVfG), bei welchem sowohl dem Bundesamt als auch den Ausländerbehörden der Länder eine (sachliche) Zuständigkeit zukommt (vgl. zu der insoweit bestehenden Aufgabenverteilung BVerwG, Urt. v. 25.9.1997, NVwZ 1998, 299). Im Rahmen der im ersten Unterabschnitt des zweiten Abschnitts des AsylVfG (§§ 12 bis 17 AsylVfG) geregelten allgemeinen Verfahrensvorschriften für das Asylverfahren bezieht sich danach die Regelung des § 15 Abs. 1 S. 1 AsylVfG, wonach der Ausländer persönlich verpflichtet ist, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, nicht nur auf das eigentliche Anerkennungsverfahren vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, sondern ebenso auf die übrigen Verfahrensabschnitte, in welchen den erwähnten weiteren Behörden eine Zuständigkeit zukommt (vgl. Renner, Ausländerrecht, Komm., 7. Aufl., § 15 AsylVfG RdNr. 6; Marx, AsylVfG, Komm., 4. Aufl., § 15 AsylVfG RdNr. 2; Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Ausländerrecht, Stand Juli 1994, § 7 AuslG RdNr. 9). Dass die Regelungen des § 15 AsylVfG nicht allein das Verfahren vor dem Bundesamt betreffen, lässt sich im Übrigen aus den Vorschriften des § 15 Abs. 2 Nrn. 1, 4 und 5 AsylVfG ableiten, welche alle "mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden" ansprechen, sowie aus der Vorschrift des § 15 Abs. 3 Nr. 5 AsylVfG, die sich ausdrücklich auch auf ausländerrechtliche Maßnahmen zur Feststellung und Geltendmachung einer Rückführungsmöglichkeit in einen anderen Staat bezieht.

Jede der mit der Ausführung des Asylverfahrensgesetzes befassten Behörden darf danach - in den Grenzen ihres eigenen Aufgabenbereichs - eine Mitwirkung des Ausländers bei der Aufklärung des für sie erheblichen Sachverhalts verlangen. Die Regelungen des § 15 AsylVfG dienen demnach auch den Behörden der Länder zur Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgabe, die Ausreisepflicht eines Asylbewerbers, dessen Anerkennungsverfahren vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge erfolglos geblieben ist und gegenüber dem das Bundesamt - in eigener Zuständigkeit - gem. § 34 Abs. 1 AsylVfG eine Abschiebungsandrohung erlassen hat, durchzusetzen (vgl. auch die amtliche Begründung zu § 15 Abs. 2 Nr. 6 AuslG < BT-Drs. 12/4450 S. 18 >, wonach durch eine Mitwirkung des Ausländers bei der Beschaffung von Identitätspapieren erreicht werden soll, dass nach negativem Ausgang des Asylverfahrens dessen Rückführung in den Herkunftsstaat nicht verzögert oder verhindert wird).

Die Befugnis zum Erlass einer den Asylbewerber zu einer bestimmten Handlung verpflichtenden Verfügung lässt sich den Regelungen des § 15 AsylVfG zwar nicht unmittelbar entnehmen. Es ist indes anerkannt, dass eine ausdrückliche gesetzliche Regelung einer derartigen Ermächtigung nicht erforderlich ist. Vielmehr reicht es für den Erlass eines belastenden Verwaltungsakts aus, dass zwischen dem Träger hoheitlicher Gewalt, dem die Behörde angehört, und dem Adressaten des Verwaltungsakts hinsichtlich der fraglichen Angelegenheit ein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht, wie dies hier zwischen einem (abgelehnten) Asylbewerber und den mit der Ausführung des Asylverfahrensgesetzes betrauten Behörden der Fall ist. Die Behörden sind danach auch zum Erlass von Verwaltungsakten ermächtigt, mit denen die Mitwirkungspflichten im Einzelfall konkretisiert und eine Grundlage für Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung geschaffen werden sollen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 2.11.1995 - A 13 S 3017/95 -, ESVGH 46, 152 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BVerwG; Urteil vom 6.10.1998 - A 9 S 856/98 -, InfAuslR 1999, 287 = VBlBW 1999, 229).

Innerhalb der Verwaltung des beklagten Landes kommt dem Regierungspräsidium die sachliche Zuständigkeit zum Erlass der streitgegenständlichen Aufforderung zur Ausfüllung und Vorlage von Passanträgen zu. Gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 der Verordnung der Landesregierung und des Innenministeriums über Zuständigkeiten nach dem Ausländergesetz und dem Asylverfahrensgesetz (AAZuVO) sind die Regierungspräsidien für Maßnahmen und Entscheidungen zur Beendigung des Aufenthaltes abgelehnter Asylbewerber einschließlich ihrer Familienangehörigen zuständig. Diese Zuständigkeit umfasst insbesondere die Beschaffung der erforderlichen Heimreisedokumente, soweit dies nicht im Wege der Amtshilfe durch das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle erfolgt (§ 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AAZuVO, vgl. auch § 43 b S. 1 AsylVfG). Die Aufforderung eines abgelehnten Asylbewerbers zur Ausfüllung eines Passantrags stellt eine Maßnahme zur Beschaffung erforderlicher Heimreisedokumente im Sinne dieser Vorschrift dar.

Die Aufforderung des Klägers zur Ausfüllung und Vorlage von Anträgen auf Ausstellung eines iranischen Reisepasses beruht auf § 15 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG. Hiernach ist der Ausländer insbesondere verpflichtet, im Falle des Nichtbesitzes eines gültigen Passes oder Passersatzes an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken. Unter einem Identitätspapier ist dabei nicht nur ein bloßes Ausweispapier, sondern auch ein Dokument zu verstehen, mit dessen Hilfe der Ausländer in sein Heimatland zurückgeführt werden kann. Wie der 9. Senat des erkennenden Gerichtshofs in dem Urteil vom 6.10.1998 (a.a.O.) hierzu ausgeführt hat, ist es ein Zweck der Pflicht des Ausländers nach § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG sowie der ihr korrespondierenden Ermächtigung der Behörde, die Rückreise des Ausländers nach einem negativen Ausgang des Asylverfahrens zu ermöglichen. Identitätspapier im Sinne von § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG sind daher jedenfalls die für die Rückreise des Ausländers benötigten Papiere. Die dem Ausländer obliegende "Mitwirkung" umfasst alle Tat- und Rechtshandlungen, die zur Beschaffung eines fehlenden Identitätspapiers oder zur Verlängerung seiner Gültigkeit erforderlich sind und nur von ihm persönlich vorgenommen werden können (vgl. auch bereits VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 10.3.1995 - A 13 S 571/95 -, NVwZ-RR 1996 und Beschl. v. 2.11.1995 - A 13 3017/95 - , a.a.O.).

Der 9. Senat des erkennenden Gerichtshofs hat in dem angeführten Urteil vom 6.10.1998 ausgesprochen, allein aus den verfahrensrechtlichen Vorwirkungen des Asylgrundrechts des Art. 16 a Abs. 1 GG ergebe sich noch nicht, dass während des Bestehens des vorläufigen Bleiberechtes eines Asylbewerbers keine Maßnahmen ergriffen werden dürften, welche die Aufenthaltsbeendigung für den Fall eines Erlöschens des Bleiberechts vorbereiteten. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Dem genannten Urteil zufolge ist § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG aus materiell-rechtlichen Gesichtspunkten im Hinblick auf Art. 16a Abs. 1 GG dahin einschränkend auszulegen, dass die Ausländerbehörde von einem Asylbewerber so lange nicht verlangen kann, sich um ein Identitätspapier an eine Auslandsvertretung seines Heimatstaates in Deutschland zu wenden, als seine Aufenthaltsgestattung nicht erloschen ist (vgl. hierzu auch VG Chemnitz, Beschl. v. 4.8.1999, NVwZ-Beilage 2000, 44). Das spielt im hier zu beurteilenden Fall jedoch keine Rolle. Denn der Kläger ist mit der streitgegenständlichen Verfügung gerade nicht dazu verpflichtet worden, mit den von ihm auszufüllenden Anträgen zu dem Zweck der Beantragung eines Reisepasses oder eines anderen Rückreisedokuments bei einer Auslandsvertretung seines Heimatlandes vorzusprechen; das Regierungspräsidium hat ihn vielmehr im Gegenteil in der streitgegenständlichen Verfügung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass vor Abschluss seines Asylverfahrens keine Passbeschaffung bei der Botschaft des Heimatlandes eingeleitet werde.

Eine einschränkende Auslegung des § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG, wonach die Vorschrift als rechtliche Grundlage für die hier in Rede stehende Verfügung ausscheiden müsste, ist nicht angezeigt. Soweit das Verwaltungsgericht die angegriffene Passverfügung (in ihrer Gesamtheit) als "asylrechtlich sensibel" bezeichnet und sich hierzu auf das erwähnte Urteil des 9. Senats des erkennenden Gerichtshofs vom 6.10.1998 berufen hat, hat es außer Acht gelassen, dass dieses Urteil den Ausdruck "asylrechtlich sensibel" lediglich zur Kennzeichnung von Sachlagen verwendet, bei denen der Kontakt eines Asylbewerbers zu einer Auslandsvertretung seines Heimatlandes während seines noch nicht abgeschlossenen Asylverfahrens für ihn die Gefahr einer politischen Verfolgung durch den Heimatstaat heraufbeschwören könnte. Die Ausländerbehörden dürften, wie das Urteil in solchem Sinn ausführt, "asylrechtlich sensible" Entscheidungen nur treffen, wenn deren asylrechtliche Unbedenklichkeit auf Grund einer Vorentscheidung im eigentlichen Asylverfahren feststehe oder wegen vergleichbarer Umstände angenommen werden könne (vgl. auch Kohl in: GK-AsylVfG, Stand Januar 1996, § 43 b AsylVfG RdNr. 8, wonach die Beschaffung von Ersatzpapieren erst dann in die Wege geleitet werden dürfe, wenn dadurch keine zusätzliche Gefährdung für den Asylbewerber zu befürchten sei). Das von dem Kläger verlangte bloße Ausfüllen von Passanträgen sowie deren Hinterlegung bei der unteren Ausländerbehörde ist indessen nicht geeignet, den Kläger zu gefährden.

Die streitgegenständliche Verfügung kann auch im Übrigen nicht als rechtswidrig angesehen werden. Zwar erscheint es nicht als ausgeschlossen, dass die Vorbereitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen während eines noch nicht abgeschlossenen Verfahrens auf Anerkennung als Asylberechtigter im Einzelfall etwa bei einem nicht anwaltlich vertretenen Asylbewerber zu Missverständnissen führen kann und hierdurch bei diesem der Eindruck hervorgerufen wird, es stehe bereits fest, dass er das Bundesgebiet wieder verlassen müsse. Abgesehen davon, dass dies bei dem anwaltlich vertretenen Kläger nicht zu erkennen ist, würde ein derartiges Missverständnis nicht zur Rechtswidrigkeit einer Passauflage des hier gegebenen Inhalts führen. Es ist im Übrigen Aufgabe der mit der Ausführung des Asylverfahrensgesetzes betrauten Behörden, entsprechenden Missverständnissen entgegenzuwirken und die betroffenen Asylbewerber entsprechend aufzuklären.

Die streitgegenständliche Aufforderung des Klägers zur Ausfüllung und Vorlage von Passanträgen erweist sich schließlich auch nicht als ermessensfehlerhaft. Sie verletzt insbesondere nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, denn sie ist zur Erreichung des Verwaltungszwecks, für den Fall des negativen Abschlusses des Asylverfahrens die Durchsetzung der Ausreisepflicht des Klägers zu ermöglichen, geeignet. Angesichts der bisherigen Weigerung des Klägers kann ihr auch die Erforderlichkeit nicht abgesprochen werden und schließlich steht das dem Kläger angesonnene Verhalten auch nicht erkennbar außer Verhältnis zum Gewicht der mit der Verfügung verfolgten öffentlichen Belange.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 S. 1 VwGO, 83 b Abs. 1 AsylVfG.

Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.

Beschluss vom 27. Dezember 2000

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 83 b Abs. 2 S. 1 AsylVfG auf 3.000,- DM festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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