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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 25.09.2003
Aktenzeichen: 11 S 1795/03
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 56 Abs. 3 Satz 3
Eine aufenthaltsrechtlich erhebliche und insoweit schutzwürdige Eingliederung in die in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Lebensverhältnisse kann während des Aufenthalts eines Ausländers, der sich nicht rechtmäßig in Deutschland aufhält, grundsätzlich nicht erfolgen.
11 S 1795/03

VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Auflage zur Duldung, hier: vorläufiger Rechtsschutz

hat der 11. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schaeffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Jakober und die Richterin am Verwaltungsgericht Fabian

am 25. September 2003

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17. Juli 2003 - 2 K 2108/03 - werden zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.7.2003 sind zulässig, jedoch nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die Anträge der Antragsteller - eines am 21.3.1970 geborenen Staatsangehörigen von Serbien und Montenegro [Antragsteller zu 1] und seiner am 5.9.1970 geborenen Ehefrau, die dieselbe Staatsangehörigkeit besitzt [Antragstellerin zu 2] - abgelehnt, ihnen vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO mit dem Ziel zu gewähren, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die - unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügte - Auflage unter Nr. 2 in der Entscheidung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.5.2003 wiederherzustellen, mit der den Antragstellern die ihnen erteilte Duldung dahingehend beschränkt wurde, dass ihnen eine Erwerbstätigkeit nicht gestattet wurde. Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung des angefochtenen Beschlusses im Wesentlichen ausgeführt, die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes seien zulässig, aber unbegründet. Dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung dieser selbständig anfechtbaren Auflage, deren Bestand gemäß § 44 Abs. 6 AuslG nicht von der Duldung abhänge, gebühre Vorrang vor dem Interesse der Antragsteller, vorläufig vom Vollzug der angegriffenen Maßnahme verschont zu werden. Die angefochtene Maßnahme erweise sich bereits nach Lage der Akten mit hoher Wahrscheinlichkeit auf der Rechtsgrundlage von § 56 Abs. 3 Satz 3 AuslG als rechtmäßig, so dass die Klage voraussichtlich keinen Erfolg habe. Die Ermessensentscheidung des Regierungspräsidiums sei rechtlich nicht zu beanstanden; sie sei insbesondere nicht unverhältnismäßig. Das Asylverfahren der Antragsteller sei rechtskräftig negativ abgeschlossen und auch auf Grund anderer Bleiberechtsregelungen könne den Antragstellern kein Aufenthaltsrecht eingeräumt werden. Es erscheine geradezu angezeigt, dass das Regierungspräsidium mit der angefochtenen Maßnahme einer tatsächlichen weiteren Verfestigung des Aufenthalts der Antragsteller entgegenwirken wolle. Der Antragsgegner habe auch zutreffend darauf hingewiesen, dass das Innenministerium Baden-Württemberg in seinem Erlass vom 29.4.2003 zur "Rückführung ausreisepflichtiger serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger in das Kosovo" ausdrücklich angeordnet habe, dass Duldungen dieses Personenkreises mit der Auflage "Erwerbstätigkeit nicht gestattet" zu versehen seien.

Die Antragsteller haben gegen diesen Beschluss rechtzeitig Beschwerde eingelegt (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO eine Begründung der Beschwerden vorgelegt sowie einen bestimmten Antrag gestellt (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO).

Die Beschwerden können jedoch keinen Erfolg haben, da das rechtzeitige Vorbringen der Antragsteller zur Begründung ihrer Beschwerden, das allein zur Grundlage der Überprüfung des angefochtenen Beschlusses gemacht werden kann (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), keine andere Beurteilung ihres Rechtsschutzbegehrens rechtfertigt.

Ohne Erfolg machen die Antragsteller geltend, die angefochtene Maßnahme sei unverhältnismäßig, da die Antragsteller "tatsächlich in deutsche Lebensverhältnisse integriert sind und eine Erwerbstätigkeit seit längerer Zeit wahrnehmen". Der Antragsteller zu 1 sei "überwiegend beschäftigt" gewesen und "eine Integration tatsächlich gegeben". Es sei nicht ersichtlich, "wie die angefochtene Maßnahme unter diesen Verhältnissen noch geeignet sein soll, die Integration der Antragsteller zu verhindern und damit die Abschiebung zu erleichtern". Mit diesem Vorbringen begründen die Antragsteller keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verbots einer weiteren Erwerbstätigkeit. Diese Maßnahme erscheint nicht etwa ungeeignet, den damit verfolgten aufenthaltsrechtlich erheblichen Zweck zu erreichen.

Nach der hier maßgeblichen gesetzlichen Bestimmung des § 56 Abs. 3 Satz 3 AuslG kann mit einer Duldung das Verbot oder Beschränkungen der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit angeordnet werden. Die Ausländerbehörde trifft dabei eine Ermessensentscheidung, die vom Gericht nur dahingehend überprüft werden kann, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 Satz 1 VwGO). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg ist anerkannt, dass es der Intention des Ausländergesetzes entspricht, wenn die Ausländerbehörden im Rahmen ihres Ermessens aus einwanderungspolitischen Gründen den Aufenthalt eines geduldeten Ausländers so ausgestalten, dass eine - seine spätere Entfernung aus dem Bundesgebiet unter Umständen hindernde - (auch nur faktische) Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse vermieden wird, um nach Wegfall des Abschiebungshindernisses die Ausreisepflicht ohne Verzug durchsetzen zu können. Bei abgelehnten Asylbewerbern - wie hier den Antragstellern - besteht regelmäßig ein öffentliches Interesse daran, dass sie nach dem Abschluss des Asylverfahrens das Bundesgebiet verlassen (vgl. zu diesen Fragen BVerwG, Beschluss vom 28.12.1990 - 1 B 14.90 -, Buchholz 402.24 § 17 AuslG Nr. 8; VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 6.4.2000 - 10 S 2583/99 -, VBlBW 2000, 325 = AuAS 2000, 184, vom 16.5.2001 - 11 S 749/01 - und vom 23.6.2003 - 11 S 1671/02 -). Die dementsprechend gegenüber den Antragstellern verfügte Auflage ist auch unter Berücksichtigung der von ihnen geltend gemachten Umstände rechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen ihrer Ansicht können sich die Antragsteller nicht mit Erfolg gegenüber den aufenthaltsrechtlich erheblichen einwanderungspolitischen Zwecken, die vom Regierungspräsidium mit der angefochtenen Auflage zu Recht mit dem Ziel verfolgt werden, einer weiteren tatsächlichen Verfestigung des Aufenthalts der Antragsteller durch eine fortdauernde Teilnahme am Erwerbsleben entgegenzuwirken, auf eine aufenthaltsrechtlich schutzwürdige Integration in Deutschland berufen. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die Antragsteller bereits seit längerer Zeit vollziehbar ausreisepflichtig sind und bisher ihrer Ausreisepflicht nicht freiwillig nachgekommen sind. Der Antragsteller zu 1 ist - nach rechtskräftigem Abschluss seines erfolglos betriebenen Asylverfahrens - seit Juli 1997, die Antragstellerin zu 2 - nach ebenfalls erfolglosem Asylverfahren - seit Februar 1997 vollziehbar ausreisepflichtig. Allein der Umstand, dass ihre Abschiebung jeweils - u.a. wegen einer (ebenfalls erfolglos gebliebenen) Petition an den Landtag von Baden-Württemberg - zeitweise ausgesetzt wurde und ihnen deshalb Duldungen erteilt wurden (vgl. § 55 Abs. 1 AuslG), begründet keine aufenthaltsrechtlich schutzwürdige Position. Eine aufenthaltsrechtlich erhebliche und insoweit schutzwürdige Eingliederung in die in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Lebensverhältnisse kann während des Aufenthalts eines Ausländers, der sich nicht rechtmäßig in Deutschland aufhält, grundsätzlich nicht erfolgen. Denn für einen ordnungsgemäßen Aufenthalt im Bundesgebiet ist nach dem geltenden deutschen Ausländerrecht der Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung Voraussetzung (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 AuslG); eine Duldung hingegen gewährt keinen legalen, ordnungsgemäßen Aufenthalt, sondern schützt einen Ausländer, der sich illegal hier aufhält, lediglich vorübergehend vor einer - sonst rechtlich zwingend gebotenen (vgl. § 49 Abs. 1 AuslG) - Abschiebung, lässt aber die Ausreisepflicht unberührt (§ 56 Abs. 1 AuslG). Entgegen der Ansicht der Antragsteller ist nichts dafür ersichtlich, dass der Erlass der angefochtenen Auflage "ein reiner Willkürakt" sei, "der dazu geeignet sein soll, die Antragsteller regelrecht 'auszuhungern'".

Das Vorbringen der Antragsteller in dem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 9.9.2003 ist nach dem Ablauf der Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO eingegangen und kann daher für das Beschwerdeverfahren grundsätzlich nicht mehr erheblich berücksichtigt werden (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Im Übrigen ergibt sich auch daraus nicht, dass die angefochtene Auflage rechtswidrig sein könnte. Soweit geltend gemacht wird, der Antragsteller zu 1 sei seit September 2002 arbeitsunfähig krank, stellt sich ohnedies die - im vorliegenden Verfahren nicht zu beantwortende - Frage, ob damit das angefochtene Verbot einer weiteren Erwerbstätigkeit nach seinem unmittelbaren Regelungsinhalt die Antragsteller überhaupt nachteilig betrifft. Die von den Antragstellern vorgebrachte Folge, sie würden "aus der gesetzlichen Krankenversicherung 'ausgestoßen'", "auf eine Ebene weit unterhalb des Sozialhilfeniveaus herabgestuft und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur noch eingeschränkte Leistungen nach § 1a Asylbewerberleistungsgesetz erhalten" und müssten "um jede einzelne Leistung im Rahmen der Krankenhilfe...kämpfen", ist unsubstantiiert und lässt nicht erkennen, dass etwa durch die angefochtene Auflage unverhältnismäßige Folgen zu erwarten wären. Ohne Erfolg machen die Antragsteller insoweit geltend, es sei "zu befürchten, dass sie ihres erworbenen Integrationsstands und der gesicherten bürgerlichen Existenz regelrecht 'beraubt'" würden. Denn die Antragsteller können sich - wie ausgeführt - nicht mit Erfolg auf eine solche aufenthaltsrechtlich erhebliche Rechtsposition berufen. Demzufolge erscheint die Vorgehensweise des Regierungspräsidiums auch nicht - wie die Antragsteller meinen - verfassungswidrig.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 13 Abs. 1, § 25 Abs. 2, § 20 Abs. 3 sowie § 14 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verbindung mit § 5 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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