Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 19.05.2008
Aktenzeichen: 11 S 942/08
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 26 Abs. 4
AufenthG § 102 Abs. 2
1. Auf die Frist für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG kann die Zeit des Besitzes einer nach dem 1. Januar 2005 erteilten Duldung nicht angerechnet werden.

2. Duldungszeiten vor dem 1. Januar 2005 können nach § 102 Abs. 2 AufenthG nur angerechnet werden, wenn sich an den Duldungszeitraum nahtlos die Erteilung einer ebenfalls anzurechnenden Aufenthaltsbefugnis nach dem Ausländergesetz 1990 oder einer Aufenthaltserlaubnis nach dem 5. Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes anschließt.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

11 S 942/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Niederlassungserlaubnis;

hier: Prozesskostenhilfe

hat der 11. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 19. Mai 2008

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 18. März 2008 - 6 K 1223/07 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe im Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 18.03.2008 ist statthaft und auch sonst zulässig; insbesondere wurde sie fristgerecht erhoben (§ 147 Abs. 1 VwGO).

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, dem Kläger für die unter dem Aktenzeichen 6 K 1223/07 erhobene Klage Prozesskostenhilfe zu gewähren. Denn diese Klage, mit der der Kläger die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG begehrt, bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO). Der Ausgang des Klageverfahrens erscheint nicht als offen (zum Maßstab der hinreichenden Erfolgsaussicht vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 20.07.2005 - 11 S 1807/04 - und vom 23.11.2004 - 7 S 2219/04 -, VBlBW 2005, 196).

Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das Verwaltungsgericht die Erfolgsaussichten der Klage verneint. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen in vollem Umfang auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss.

Das Beschwerdevorbringen bietet keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung.

Entgegen der Auffassung des Klägers kann die Aufenthaltszeit des Asylfolgeverfahrens nicht nach § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG auf die Siebenjahresfrist des § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG angerechnet werden. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass Zeiten eines Asylfolgeverfahrens nur anrechenbar sind, wenn wegen Vorliegens der Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylVfG ein weiteres Asylverfahren durchgeführt wurde (Senatsbeschluss vom 29.05.2007 - 11 S 2093/06 - EZAR NF 24 Nr. 5). Abweichende Rechts-auffassungen werden auch in der Kommentarliteratur nicht vertreten (vgl. Burr in GK-AufenthG, § 26 AufenthG Rn. 30; Hailbronner, AuslR, § 26 AufenthG Rn. 16; Storr in Storr u.a., ZuwG, 2. Aufl., § 26 AufenthG Rn. 9; Zeitler in HTK-AuslR, § 26 AufenthG, zu Abs. 4 01/2008 Nr. 1). Danach kommt hier, wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, eine Anrechnung nicht in Betracht. Im Übrigen würde eine Anrechnung der Zeit des Asylfolgeverfahrens dazu führen, dass das Asylerstverfahren nicht berücksichtigt werden könnte. Denn die Zeiten mehrerer Asylverfahren werden nicht zusammen gezählt. Es kann stets nur ein Asylverfahren angerechnet werden (Burr, a.a.O. Rn. 29 m.w.N.; Storr, a.a.O. Rn. 9).

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht auch die Anrechnung von Duldungszeiten abgelehnt. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Übergangsvorschrift des § 102 Abs. 2 AufenthG sind nur Zeiten des Besitzes einer Duldung vor dem 01.01.2005 anzurechnen. Duldungszeiten nach dem 01.01.2005 können überhaupt nicht (so OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 21.06.2006 - 2 M 167/06 - juris; OVG NRW, Beschl. v. 12.01.2005 - 17 B 62/05 - juris; Marx, Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 3. Aufl., § 6 Rn. 555; Hailbronner, AuslR, § 102 AufenthG Rn. 20; Albrecht in Storr u.a., ZuwG, 2. Aufl., § 102 AufenthG Rn. 6; Fehrenbacher in HTK-AuslR, § 102 AufenthG, zu Abs. 2 08/2004) oder jedenfalls nur insoweit berücksichtigt werden, als es um den in das Jahr 2005 fallenden Zeitraum einer unter Geltung des AuslG 1990 erteilten Altduldung geht (so Funke-Kaiser in GK-AufenthG, § 102 AufenthG Rn. 18). Unter Zugrundelegung der letztgenannten Auffassung könnte die bis zum 25.01.2005 erteilte Duldung hier noch angerechnet werden. Die Auffassung des Klägers, darüber hinaus seien Duldungszeiten nach dem 01.01.2005 uneingeschränkt zu berücksichtigen, findet im Gesetz keine Stütze. Auch nach Sinn und Zweck der Regelung ist eine uneingeschränkte Anrechnung von Duldungszeiten nicht geboten. Die Vorschrift zieht die Konsequenz aus der Tatsache, dass unter der Geltung des AuslG 1990 die Duldung zu einem Titelersatz geworden war und Ausländer auch bei Vorliegen nicht nur kurzfristiger Abschiebungshindernisse oftmals jahrelang lediglich geduldet wurden. Unter Geltung des § 25 Abs. 5 AufenthG hat sich dieser Rechtszustand grundlegend geändert. Diese Vorschrift ermöglicht die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in den Fällen, in denen ein Ausländer zuvor nach § 55 Abs. 4 AuslG nur Duldungen erhielt. Ausländer, deren Aufenthalt seit mindestens 18 Monaten geduldet wird, haben nach § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG einen Regelanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

Der Anrechnung der Duldungszeiten vor dem 01.01.2005 bzw. vor dem 25.01.2005 steht entgegen, dass § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis seit sieben Jahren verlangt, also einen ununterbrochenen Zeitraum des Besitzes voraussetzt (Senatsbeschluss vom 29.05.2007 - 11 S 2093/06 - EZAR NF 24 Nr. 5 m.w.N.; Storr, a.a.O., § 26 AufenthG Rn. 7). § 102 Abs. 2 AufenthG regelt lediglich die Anrechnung von Duldungszeiten auf diesen Siebenjahreszeitraum des Besitzes der Aufenthaltserlaubnis, lässt aber keine Unterbrechung zu. Duldungszeiten vor dem 01.01.2005 können daher nur berücksichtigt werden, wenn sich an den Duldungszeitraum nahtlos die Erteilung einer ebenfalls anzurechnenden Aufenthaltsbefugnis nach dem AuslG 1990 oder einer Aufenthaltserlaubnis nach dem 5. Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes anschließt. Daran fehlt es hier. Dem Kläger wurde erst am 28.06.2006 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt. Rechtsgrund für die Erteilung war die familiäre Lebensgemeinschaft mit seinem Sohn xxxxxxx, der aufgrund der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 AufenthG am 23.05.2006 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erhielt. Auch die allgemeine Regelerteilungsvoraussetzung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG (Passpflicht) war erst mit der Vorlage gültiger Reisepässe im Mai 2006 erfüllt. Bei dieser Sachlage ist eine Anrechnung früherer Duldungszeiten auch nach dem Sinn und Zweck des § 102 Abs. 2 AufenthG nicht geboten. Der Gesetzgeber wollte eine Benachteiligung der Ausländer vermeiden, die zwar nach neuem Recht eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis erteilt bekommen, die nach dem AuslG 1990 jedoch oft nur eine Duldung erhielten (vgl. BT-Drs. 15/420 S. 100). Hingegen beabsichtigt die Übergangsvorschrift des § 102 Abs. 2 AufenthG keine Privilegierung von Ausländern, die nicht mit Inkrafttreten des Gesetzes am 01.01.2005, sondern zu einem späteren Zeitpunkt und aus einem anderen Rechtsgrund einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erworben haben.

Die Summe der danach zu berücksichtigenden oder anzurechnenden Zeiten von drei Jahren und 76 Tagen des Asylerstverfahrens (21.05.1996 bis 04.08.1999) und von einem Jahr und 327 Tagen des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis (28.06.2006 bis heute) beläuft sich auf fünf Jahre und 38 Tage und bleibt damit deutlich unter der erforderlichen Siebenjahresfrist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil bei Erfolglosigkeit der Beschwerde im Verfahren über die Prozesskostenhilfe eine vom Streitwert unabhängige Gerichtsgebühr von 50,00 EUR anzusetzen ist (vgl. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück