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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 19.08.2003
Aktenzeichen: 14 S 1183/03
Rechtsgebiete: SchfG, VoSch, 1. BImSchV, KÜO Bad.Württ.


Vorschriften:

SchfG § 11 Abs. 2 Nr. 1
SchfG § 11 Abs. 2 Nr. 2
SchfG § 13 Abs. 1
SchfG § 19 Abs. 1
SchfG § 19 Abs. 2
VoSch § 14 Abs. 1
1. BImSchV § 14 Abs. 5
1. BImSchV § 15 Abs. 4
KÜO Bad.Württ. § 3 Abs. 4
Der auf die Verletzung einer Berufspflicht gestützte Widerruf der Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister wegen Unzuverlässigkeit setzt einen besonders schwerwiegenden Verstoß voraus.

Zur Bedeutung der ordnungsgemäßen Führung und Aufbewahrung der Kehrbücher bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit.


14 S 1183/03

VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Widerrufs der Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister

hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hat der 14. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch die Richter am Verwaltungsgerichtshof Noé und Brandt und die Richterin am Verwaltungsgericht Warnemünde

am 19. August 2003

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. Mai 2003 - 10 K 1840/03 - geändert. Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen Ziff. 1 der Verfügung des Landratsamts Main-Tauber-Kreis vom 09. April 2003 wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf jeweils 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den o.g. Beschluss des Verwaltungsgerichts ist zulässig und begründet.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den kraft Gesetzes sofort vollziehbaren (vgl. § 11 Abs. 4 des Schornsteinfegergesetzes in der Änderungsfassung vom 27.04.2002, BGBl. I S. 1467 - SchfG -) Widerruf der Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister eines Kehrbezirks anzuordnen, zu Unrecht stattgegeben. Bei Abwägung der gegensätzlichen privaten und öffentlichen Interessen der Beteiligten kommt dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des angeordneten Widerrufs Vorrang vor dem Interesse des Antragstellers am einstweiligen Aufschub der Vollziehung zu.

Als Rechtsgrundlage für den hier streitigen Widerruf der Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister kommt vorliegend allein § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG in Betracht, auf den die Maßnahme auch gestützt ist. Danach ist die probeweise oder endgültige Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister nach Anhörung des Vorstands der Schornsteinfegerinnung zu widerrufen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Bezirksschornsteinfegermeister nicht die erforderliche persönliche oder fachliche Zuverlässigkeit für die Ausübung seines Berufes besitzt. Ein Rückgriff auf § 11 Abs. 2 Nr. 2 SchfG scheidet hier aus, da gegen den Antragsteller bis dahin keine Aufsichtsmaßnahmen im Sinne des § 27 Abs.1 Satz 2 SchfG ergriffen worden waren. Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass des angefochtenen Widerrufs nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG sind jedoch, jedenfalls nach derzeitigem Sachstand, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfüllt.

Die in § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG geforderte vorherige Anhörung des Vorstands der Schornsteinfegerinnung ist erfolgt. Dieser hat mit Schreiben vom 07.10.2002 und vom 28.01.2003 dem Widerruf der Bestellung ausdrücklich zugestimmt.

Auch materiell-rechtlich spricht mehr für als gegen die Annahme, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf der Bestellung erfüllt sind.

Die persönliche oder fachliche Zuverlässigkeit eines Bezirksschornsteinfegermeisters ist nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 SchfG zu verneinen, wenn dieser nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr für eine künftig ordnungsgemäße Erfüllung seiner beruflichen Pflichten bietet (Beschluss des Senats vom 06.09.1990 - 14 S 1080/90 -,GewArch 1991, 69; Nds. OVG, Beschluss vom 18.12.2002, GewArch 2003, 255; OVG Saarland, Beschluss vom 24.01.1990, GewArch 1990, 285; Musielak/Schira/Manke, SchfG, 5. Aufl., § 11 Randr. 4 und 6). Wie sich jedoch aus einem Vergleich dieser Regelung mit § 11 Abs. 1 Nr. 2 SchfG ergibt, ist aber selbst bei Vorliegen einer schuldhaft gröblichen Verletzung der Berufspflichten die Annahme einer Unzuverlässigkeit im Sinne des § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG nicht ohne weiteres gerechtfertigt. Denn nach § 11 Abs. 2 Nr. 2 SchfG ist der Widerruf der Bestellung auch dann zulässig, wenn innerhalb der letzten 10 Jahre zwei Mal ein Warnungsgeld nach § 27 Abs. 1 Satz 2 SchfG angeordnet worden war und der Betroffene danach abermals seine Berufspflichten schuldhaft gröblich verletzt hat. Das hier geregelte Erfordernis einer mehrfachen, zuletzt noch zumindest "schuldhaft gröblichen" Pflichtverletzung macht deutlich , dass bei erstmaliger Verletzung der beruflichen Verpflichtungen - wie im Fall des Antragstellers- diese die Annahme einer Unzuverlässigkeit im Sinne des § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG nur zu begründen vermag, wenn hiergegen nicht nur "schuldhaft gröblich", sondern ganz besonders schwerwiegend verstoßen wurde (vgl. Beschluss des Senats vom 06.09.1990 - 14 S 1080/90 -, GewArch 1991, 69; Hess. VGH, Urteil vom 08.12.1992, GewArch 1993, 207). Liegen die in § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG genannten Voraussetzungen jedoch vor, ist die Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister zwingend zu widerrufen, ohne dass der Behörde insoweit ein Ermessen zustünde (BVerwG, Beschluss vom 08.03.1991, Buchholz 451.29 Nr. 34). In diesem Falle steht dem Widerruf - entgegen der Ansicht des Antragstellers - auch nicht entgegen, dass der Betroffene nicht zuvor durch Aufsichtsmaßnahmen im Sinne des § 27 SchfG förmlich abgemahnt worden war (Beschluss des Senats vom 06.09.1990, a.a.O.; Nds. OVG, Beschluss vom 18.12.2002, a.a.O., 256) oder seine Aufgaben als Bezirksschornsteinfegermeister sogar jahrelang zur vollen Zufriedenheit der Aufsichtsbehörden ausgeführt hat.

Bei Anwendung dieser Maßstäbe ist der Rechtsbehelf des Antragstellers gegen den Widerruf seines Bestellung als nur wenig erfolgversprechend einzustufen, weil nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand mehr für als gegen das Vorliegen schwerwiegender, die Annahme einer Unzuverlässigkeit im Sinne des § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG rechtfertigender Pflichtverletzungen spricht (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 06.09.1990, a.a.O.).

Als schwerwiegender Pflichtenverstoß kommt hier namentlich die dem Antragsteller zur Last gelegte völlige Vernachlässigung der gesetzlich vorgeschriebenen Aufzeichnungspflicht in Betracht. Nach § 19 Abs. 1 und 2 SchfG i.V.m. §§ 14 - 16 der Verordnung über das Schornsteinfegerwesen (i.d.F. v. 30.11.2000, BGBl. I S. 1638 - VOSch -) hat der Schornsteinfegermeister Aufzeichnungen über die einzelnen Feuerungsanlagen sowie für jedes Kalenderjahr ein Kehrbuch zu führen, in das u.a. die gebührenpflichtigen Arbeiten und das Datum der Ausführung einzutragen sind. Weitergehende Aufzeichnungspflichten ergeben sich u.a. aus §§ 14 Abs. 5, 15 Abs. 4 der Verordnung über Kleinfeuerungsanlagen - 1. BImSchV -). Nach Ziff. 1.7 der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg vom 24.11.2000 (GABl. 2001, 70) sind diese Aufzeichnungen so zu führen, dass daraus sämtliche Tätigkeiten des Bezirksschornsteinfegermeisters nachvollzogen werden können. Die Aufbewahrungsfristen für die vorgenannten Unterlagen betragen durchweg fünf Jahre (vgl. § 14 Abs. 3 VOSchG, §§ 14 Abs. 5,15 Abs. 4 1. BImSchV). Der vorgenannten Aufzeichnungspflicht kommt für die Tätigkeit des Bezirksschornsteinfegermeisters grundlegende Bedeutung zu. Sie dient der Dokumentierung seiner Tätigkeit und ist damit zugleich auch ein wichtiges Beweismittel für die Ausführung der vorgeschriebenen Arbeiten (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 18.12.2002, a.a.O; BVerwG, Urteil vom 24.03.1964, GewArch 1965, 16; Beschluss des Senats vom 06.09.1990, a.a.O.). Dies gilt namentlich für die Führung des Kehrbuchs. Denn allein anhand der darin enthaltenen Aufzeichnungen wird die Aufsichtsbehörde in die Lage versetzt, die Tätigkeit des Schornsteinfegermeisters zu überprüfen und stichprobenartig festzustellen, ob die vorgeschriebenen Kehrungen erfolgt und die eingetragenen Kehrarbeiten wirklich durchgeführt worden sind. Eine fehlerhafte oder unvollständige Führung des Kehrbuchs stellt deshalb einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Berufspflichten eines Schornsteinfegermeisters dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.03.1964, a.a.O.; OVG Saarland, Beschluss vom 24.01.1990, GewArch 1990, 285; Nds. OVG, Beschluss vom 18.12.2002, a.a.O.; Hess. VGH, Beschluss vom 08.12.1992, a.a.O.; Beschluss des Senats vom 06.09.1990, a.a.O.). Nach Sinn und Zweck der getroffenen Regelung ist neben der inkorrekten Führung der Kehrbücher auch deren vorzeitige Vernichtung bzw. im Falle der Aufzeichnung auf elektronischen Datenträgern deren vorzeitige Löschung vor Ablauf der vorgeschriebenen Aufbewahrungsfristen als schwerwiegender Pflichtenverstoß einzustufen, da hierdurch eine nachträgliche wirksame Kontrolle der Tätigkeit des Bezirksschornsteinfegermeisters durch die Aufsichtsbehörde verhindert oder - sofern die Vorgänge noch in anderer Form nachweisbar sind - zumindest sehr erschwert wird.

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze spricht danach im Fall des Antragstellers viel für die Annahme, dass er gröblich und nachhaltig gegen seine Berufspflicht zur Vornahme und Aufbewahrung derartiger Aufzeichnungen verstoßen hat, wenngleich die näheren Umstände, die das Gewicht der Verfehlung maßgeblich bestimmen, bisher nicht abschließend geklärt sind.

Nach derzeitigem Sachstand steht fest - und wird auch vom Antragsteller gar nicht Abrede gestellt (vgl. dessen Schriftsatz an den Senat vom 20.06.2003) -, dass dieser auf entsprechende Aufforderung des Antragsgegners für die Zeit von 1998 bis 2000 keine der in § 19 Abs. 1 und 2 SchfG vorgeschriebenen Unterlagen vorzulegen vermochte. Die Gründe für das Fehlen dieser Unterlagen sind bisher allerdings unklar. Als Grund hierfür gab der Antagsteller - nach längerer Diskussion zwischen den Beteiligten hierüber - zuletzt an, dass er das Kehrbuch und sonstige Aufzeichnungen in diesem Zeitraum auf elektronischen Datenträgern gespeichert habe, nach Erweiterung seines Kehrbezirks um vormals von einem Kollegen betreuter Bezirke diese Aufzeichnungen aber bei dem Versuch, die nach einem abweichenden elektronischen System erstellten Aufzeichnungen seines Kollegen seinem Kehrbuch hinzuzufügen, unfreiwillig in vollem Umfang gelöscht worden seien. Die Wiederholung des gleichartigen Vorgangs in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren hat der Antragsteller dabei damit begründet, dass er die Löschung der Daten zunächst einem eigenen Bedienungsfehler zugeschrieben und erst im Nachhinein erkannt habe, dass die Löschung der Daten systembedingt sei und aus der mangelnden Kompatibilität zweier unterschiedlicher Computersysteme herrühre. Die von Antragsteller vorgelegten schriftlichen Zeugenaussagen mehrerer Kollegen bestätigen indes nur, dass es auch nach deren Erfahrung bei der Zusammenführung der Daten zweier unterschiedlicher Computersysteme zu einem totalen Chaos bzw. zum Absturz der eigenen, bereits bestehenden Daten (so der Zeuge G.), zu einer fehlerhaften Einspeisung (so der Zeuge U.) oder zu allerlei Problemen (so der Zeuge Q.) gekommen sei. Aus diesen Aussagen wird jedoch nicht hinreichend deutlich, dass ein Datenaustausch ohne die notwendige Kompatibilität der Systeme zu einem völligen und endgültigen Verlust eigener Daten führen konnte und es deshalb auch im Fall des Klägers hinreichend wahrscheinlich ist, dass diese Folge bei ihm in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren tatsächlich eingetreten ist. Nur schwer mit den Angaben des Antragstellers über den Grund des Datenverlusts vereinbar ist im Übrigen auch der Umstand, dass, wie unstreitig ist (Schriftsatz des Antragstellers vom 20.06.2003), auch die Kehrbucheintragungen für das Jahr 1998 fehlen, nach der vom Antragsteller nicht bestrittenen Darstellung des Antragsgegners (Schriftsatz vom 09.07.2003, berichtigt mit Schriftsatz vom 14.07.2003) jedoch in der Zeit vom 01.01.1997 bis zum 31.12.1999 keine Veränderung der Kehrbezirke eingetreten und damit auch die den Datenverlust (angeblich) verursachende Einspeisung fremder Datenbestände Ende 1998 / Anfang Jahres 1999 nicht erforderlich war. Eine abschließende Klärung der Gründe für das völlige Fehlen von Aufzeichnungen in den Jahren 1988 bis 2000 muss zwar danach den Feststellungen im Hauptsacheverfahren, gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Sachverständigen für elektronische Datenträger, vorbehalten bleiben. Nach derzeitigem Erkenntnisstand spricht aber mehr für die Annahme, dass die Darstellung des Antragstellers über den Verlust seiner Aufzeichnungen unzutreffend ist und nur dem Versuch dient, einen schwerwiegenden Verstoß gegen seine Berufspflichten zu verschleiern. Denn selbst wenn man zu Gunsten des Antragstellers unterstellt, dass die geforderten Aufzeichnungen zunächst vorhanden waren und erst im Nachhinein vor Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist absichtlich gelöscht wurden, würde dies einen sehr gravierenden Pflichtenverstoß darstellen. Im übrigen entsprechen aber auch die in der Zeit nach 2001 geführten Kehrbücher nicht den gesetzlichen Bestimmungen. Denn die vom Antragsteller eingeräumte (vgl. hierzu Niederschrift über die Kehrbezirksprüfungen vom 24.07. und 31.07.2002) Praxis, die in elektronischer Form geführten Kehrbücher ständig neu auszudrucken und frühere Ausdrucke danach wegzuwerfen, widerspricht der in § 14 Abs. 1 VOSchG ausgesprochenen Verpflichtung, bei einer Führung der Kehrbücher auf elektronischen Datenträgern die ursprüngliche Eintragung vor einer Veränderung zu schützen und die Eintragungen jeweils zu Beginn eines Kalenderjahres durch einen Ausdruck und dessen Aufbewahrung über einen fünfjährigen Zeitraum hinweg gegen einen Datenverlust abzusichern.

Ob bereits die vorgenannten, dem Antragsteller nach dem derzeitigen Sachstand voraussichtlich zur Last fallenden Verstöße gegen die Aufzeichnungspflichten den Widerruf einer Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG ungeachtet der Tatsache rechtfertigen, dass bisher gegen den Antragsteller keine Aufsichtsmaßnahme ergangen war (grundsätzlich verneinend Hess. VGH, Beschluss vom 08.12.1992, GewArch 1993, 207), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn es spricht hier viel für die Annahme, dass dem Antragsteller darüber hinaus auch noch weitere, im angefochtenen Bescheid einzeln benannte Pflichtwidrigkeiten zur Last fallen, und sein Fehlverhalten damit insgesamt - im Wege einer Gesamtschau (vgl. hierzu Musielak/Schira/Manke, a.a.O., § 11 Randnr. 6) - ein den Widerruf der Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister rechtfertigendes Gewicht erhält.

In diesem Zusammenhang ist allerdings zweifelhaft, ob alle im angefochtenen Bescheid vom 09.04.2003 erhobenen - und in der Beschwerdebegründung erneuerten - Vorwürfe gegen den Antragsteller wegen ihm zur Last gelegter Pflichtwidrigkeiten begründet oder ihrem Gewicht nach geeignet sind, den hier streitigen Widerruf der Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister zu rechtfertigen.

Allenfalls von geringem Gewicht ist etwa der Vorwurf einer Verletzung der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Zahlungspflichten (zur rechtlichen Erheblichkeit dieser Gesichtspunkte vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 19.09.1989, GewArch 1990, 132; Beschluss des Senats vom 09.06.1990, a.a.O.). Denn wenngleich der Antragsteller die ihm hiernach obliegenden Verpflichtungen in den vergangenen Jahren vielfach nur zögerlich, teils auch erst auf Aufforderung des Antragsgegners erfüllt hat, sind die Rückstände zum derzeitigen Zeitpunkt, auf den im Hinblick auf den noch ausstehenden Widerspruchsbescheid abzustellen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 08.04.1997 - 1 C 7.93 -, GewArch 1997, 484), relativ gering. Sie beliefen sich im März 2003 bei der Landesversicherungsanstalt Bad.-Württ. auf 2.813,-- EUR, bei der Versorgungskammer auf 3.605,-- EUR und bei der Lehrlingsausgleichskasse auf 267,-- EUR. Zudem ist nicht abschließend geklärt, inwieweit sich der Antragsteller zu seiner Entlastung nicht auch darauf berufen kann, dass seine wirtschaftlichen Schwierigkeiten - offenbar der Grund für den Zahlungsverzug - zumindest teilweise durch dienstliche Vorgänge bedingt und insoweit von ihm unverschuldet sind. Hierbei verweist der Antragsteller auf eine mehrfache Erweiterung seines Kehrbezirks um von einem Amtsvorgänger unzureichend betreute Teilbezirke, die zu einer erheblichen Mehrbelastung geführt und ihn gezwungen hätte, zur Abwendung einer akuten Gefahr für die Brandsicherheit auf eigene Kosten Hilfskräfte einzustellen. Auch wenn der Antragsgegner insoweit einen Zusammenhang in Abrede stellt, steht jedenfalls fest, dass der Antragsteller schon seit längerem wegen dieses Vorgangs beim Antragsgegner Beschwerde erhoben und sich diese bei einer Überprüfung durch den Antragsgegner auch durchaus als stichhaltig erwiesen hatte. Zum Beleg seiner zusätzlichen Arbeitsbelastung hatte der Antragsteller nämlich auf 32 Hauskamine aus den übernommenen Bezirken verwiesen, die ein sofortiges, arbeitsintensives Ausbrennen erforderten. Eine stichprobenartige Überprüfung von 9 Kaminen ergab dabei immerhin, dass jedenfalls 7 Kamine zur Herstellung der Brandsicherheit sofort ausgebrannt werden mussten. Nicht geklärt ist indes, inwieweit die insoweit belegte arbeitsmäßige Mehrbelastung des Antragstellers und die Notwendigkeit der Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte (vgl. § 15 SchfG und hierzu Musielak/Schira/Manke, a.a.O., § 15 Randnr. 4) einen finanziellen Verlust zur Folge haben konnten , da - jedenfalls grundsätzlich - zusätzliche Kehrarbeiten nach der Kehr- und Überprüfungsordnung - KÜO - auch einen zusätzlichen, die Lohnkosten für Hilfskräfte ausgleichenden Gebührenanspruch auslösen.

Von allenfalls geringem Gewicht ist weiterhin der Vorwurf, der Antragsteller habe die Berechnung des Fahrtkostenersatzes auf der Grundlage der in der KÜO alternativ genannten Berechnungsgrundlagen (vgl. Ziff. 6.7 bzw. 1.5 KÜO) willkürlich und nur an seinem Vorteil orientiert vorgenommen. Als willkürlich wäre insoweit sicherlich die Wahl einer unterschiedlichen Abrechnungsart bei mehreren, in räumlicher Nähe gelegenen Wohnhäusern zu bezeichnen. Ob die vom Antragsteller gewählte Verfahrensweise, bei Kunden an seinem Wohnort eine andere Abrechnungsart als bei allen anderen, außerhalb seines Wohnorts wohnhaften Kunden zu wählen, als willkürlich zu qualifizieren ist, ist indessen zweifelhaft. Wenn es in dem vom Antragsgegner als Beleg für seine Rechtsansicht bezeichneten Kommentar (Musielak/Schira/ Manke, SchfG, 5. Aufl. Anl. 1 KÜO, Randnr. 53, S. 200) heißt, dass nichts dagegen spreche, in allen Fällen die Wegepauschale nach Ziff. 1.5 KÜO zu erheben, trifft dies zwar zu. Hieraus ist aber - entgegen der Ansicht des Antragsgegners - nicht ohne weiteres zu folgern, dass eine derart grundsätzliche Festlegung unverzichtbar sei und jede abweichende Handhabung einen Pflichtenverstoß darstelle.

Bei der rechtlichen Würdigung der gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe ist zudem zu berücksichtigen, dass eine den Widerruf der Bestellung rechtfertigende persönliche oder sachliche Unzuverlässigkeit grundsätzlich nur aus einem eigenen Fehlverhalten des Betroffenen hergeleitet werden kann. Nach §§ 13 Abs. 1 Nr. 1, 15 Abs. 1 Satz 2 SchfG hat der Schornsteinfegermeister zwar die Arbeit seiner Gesellen zu überwachen und trägt er auch die Verantwortung für die ordnungsgemäße Ausführung der Kehrarbeiten. Ein Fehlverhalten seines Gesellen begründet danach aber nur dann einen persönlichen Vorwurf gegen den Bezirksschornsteinfegermeister selbst, wenn er davon Kenntnis erlangt hat und gleichwohl nicht dagegen eingeschritten ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 18.12.2000, a.a.O.) oder wenn er seiner allgemeinen Überwachungspflicht nicht nachgekommen war. Soweit die Kehrbezirksüberprüfung im Fall des Antragstellers Mängel in der Ausführung der Kehrarbeiten oder in der Berechnung der Gebühren ergeben hat, an denen nach unbestrittenem Vortrag des Antragstellers nicht er, sondern allein sein Geselle beteiligt war (wie etwa im Fall N., vgl. Schriftsatz des Antragstellers vom 20.06.2003), könnte dies dem Antragsteller nur dann zum Nachteil gereichen, wenn er in irgend einer Form hierfür eine persönliche Verantwortung trüge. Hierfür fehlt es aber bisher an hinreichenden Anhaltspunkten.

Aber selbst wenn man dies zu Gunsten des Antragstellers berücksichtigt, spricht hier viel für die Annahme, dass sich der Antragsteller über die fehlerhafte Führung der Kehrbücher und sonstiger Aufzeichnungen hinaus eine Reihe von Unregelmäßigkeiten hat zu Schulden kommen lassen, die einen zusätzlichen Pflichtenverstoß darstellen.

So steht etwa fest, dass der Antragsteller in einer Vielzahl von Fällen (Fall H., K. u.ä.) Kehrarbeiten geleistet und hierfür vom Grundstückseigentümer Gebühren nach der KÜO erhoben hat, ohne die Kehrung bzw. die erhobene Gebühren im Kehrbuch/Arbeitsbuch zu vermerken. Die von ihm hierzu gegebene Begründung, ein derartiger Vermerk diene nur der Vorbereitung künftiger Arbeiten, nicht aber dem Nachweis der tatsächlich geleisteten und der hierfür erhobenen Gebühren, widerspricht ersichtlich § 19 Abs. 2 Nr. 2 SchfG und ist insofern unzutreffend. Mangels substantiierter Einwände des Antragstellers ist auch davon auszugehen, dass dieser mehrfach überhöhte Stockwerkszuschläge (zu den einzelnen Fällen vgl. Schriftsatz des Antragsgegners vom 09.07.2003) berechnet, die Länge der gekehrten Rohre bei der Gebührenerhebung teils zu hoch angesetzt (Fall S.) sowie Kehrungen öfter als nach dem eigenen Arbeitsbuch erforderlich vorgenommen hat. Inwieweit es sich bei diesen Verstößen um ein absichtliches Fehlverhalten, etwa aufgrund einer Bereicherungsabsicht, wie der Antragsgegner annimmt, handelt, ist bisher ungeklärt. Im Hinblick auf die zu häufigen Kehrvorgänge könnte gegen eine Bereicherungsabsicht aber bereits der Umstand sprechen, dass der Antragsteller den Antragsgegner ausdrücklich darum gebeten hat, wegen Überlastung zum 01.01.2002 von einer Erweiterung seines Kehrbezirks Abstand zu nehmen (Schriftsatz des Antragsgegners vom 28.05.2003). Denn da der Verzicht auf die Erweiterung des Kehrbezirks zugleich einen Verzicht auf Mehreinnahmen aus Kehrgebühren beinhaltet, ist wenig plausibel, dass die - ebenfalls mit Mehrarbeit verbundene - zu häufige Kehrung innerhalb des bisherigen Zuständigkeitsbereich der Absicht zuzuschreiben war, sich zusätzliche Einnahmen zu verschaffen. Gegen die vom Antragsgegner unterstellte Bereicherungsabsicht bei der Gebührenerhebung spricht im Übrigen auch, dass Vorgänge dieser Art der Aufsichtsbehörde öfters nur dadurch bekannt geworden waren, das der Antragsteller sie - im Falle der Zahlungsverweigerung durch den Betroffenen (Fall S., Fall J.) - ihr als "Kehrverweigerung" zur Überprüfung vorgelegt hatte, anstatt - was bei einer beabsichtigten Gebührenüberhebung nahegelegen hätte - den Vorgang zu vertuschen und nicht weiter zu verfolgen. Fest steht aber jedenfalls nach derzeitigem Erkenntnisstand, dass der Antragsteller - aus welchen Gründen auch immer - vielfach objektiv unberechtigt Gebühren erhoben hat und diese - von Einzelfällen abgesehen - von den Betroffenen im Regelfall auch bezahlt wurden. Zudem kam der Antragsteller seiner Aufgabe als Bezirksschornsteinfegermeister auch sonst vielfach nur unzureichend nach. Zu Recht wird ihm vom Antraggegner etwa vorgeworfen, bei ordnungsgemäßem Zustand der nach §§ 50, 67 Abs. 5 LBO überprüften Anlagen keine sog. Positivbescheinigungen ausgestellt zu haben. Die Behauptung des Antragstellers, die Ausstellung derartiger Bescheinigungen sei gesetzlich nicht vorgeschrieben, trifft nicht zu (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 9 SchfG). Darüber hinaus hat es der Antragsteller voraussichtlich in einer Vielzahl von Fällen versäumt, die in § 3 Abs. 4 KÜO geforderten Bescheinigungen zu erteilen. Denn wenngleich der Einwand des Antragstellers zutrifft, dass sich die Rechtslage geändert habe und eine Verpflichtung, bei ordnungsgemäßem Zustand der Anlage dem Hauseigentümer eine Bescheinigung über das Prüfungsergebnis zu erteilen (vgl. § 3 Abs. 4 KÜO), erst neuerdings begründet wurde (vgl. hierzu Stehmer, Handbuch für das Schornsteinfegerwesen in Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 3 Abs. 4 KÜO Randnr. 1, S. 109), entlastet dies den Antragsteller nicht. Denn die Neuregelung trat bereits zum 1.1.2000 und nicht, wie der Antragsteller annimmt, erst im Jahr 2002 in Kraft (vgl. § 6 KÜO i.d.F.vom 30.09.1999, GBl. S. 439).

Wenngleich die gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe hinsichtlich ihrer Berechtigung bzw. ihres Gewichts danach bisher nicht in vollem Umfang aufgeklärt sind, ist nach derzeitigem Erkenntnisstand davon auszugehen, dass der Antragsteller allein schon wegen der mangelhaften Führung seiner Aufzeichnungen schwerwiegend gegen seine Berufspflichten verstoßen hat und ihm daneben noch weitere, keineswegs gering einzuschätzende Pflichtwidrigkeiten zur Last fallen. Bei einer zusammenfassenden Würdigung aller von ihm - nach derzeitigem Erkenntnisstand - begangenen Verstöße gegen seine Berufspflichten spricht im Ergebnis mehr für als gegen die Annahme eines schwerwiegenden Fehlverhaltens, das auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit den angeordneten Widerruf der Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister rechtfertigt. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Widerruf dieser Bestellung erheblich in die berufliche Existenz des Antragstellers eingreift, zumal es ihm, wie er vorträgt, schwer fallen dürfte, seinen Beruf künftig in unselbstständiger Tätigkeit unverändert fortzusetzen. Die mit der Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister verbundene Amtsstellung rechtfertigt indessen hohe Anforderungen an eine korrekte Amtsführung. Ist - wie nach derzeitiger Sachlage - davon auszugehen, dass der Antragsteller diesen Anforderungen in wesentlichen Punkten nicht gerecht wurde und er sich durchaus schwerwiegende Verfehlungen gegen seine Berufspflichten zu Schulden kommen ließ, ist - bei der hier allein möglichen summarischen Einschätzung - der Widerruf der Bestellung rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Abwägung der gegensätzlichen Interessen der Beteiligten führt vor diesem Hintergrund zum Ergebnis, dass dem - in § 11 Abs. 4 SchfG noch besonders hervorgehobenen - öffentlichen Interesse am Sofortvollzug des Widerrufs Vorrang einzuräumen ist. Die dem Bezirksschornsteinfegermeister anvertraute Obhut für die Belange der Feuersicherheit erfordert, dass dieses Amt nur von Personen wahrgenommen wird, die insoweit die notwendige Gewähr für eine zukünftig korrekte Amtsführung bieten. Diesen Anforderungen genügt aber der Antragsteller nach derzeitigem Sachstand, wie dargelegt, nicht. Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des Widerrufs hat danach Vorrang gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers, sein Amt als Bezirksschornsteinfegermeister vorerst weiter ausüben zu dürfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 25 Abs. 2 GKG. Der festgesetzte Betrag entspricht der Hälfte des für das Hauptsacheverfahren maßgeblichen Werts. Die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts wurde demgemäß von Amts wegen geändert.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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