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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 13.03.2003
Aktenzeichen: 2 S 1606/02
Rechtsgebiete: RGebStV


Vorschriften:

RGebStV § 2 Abs. 2
RGebStV § 1 Abs. 2
Gibt eine Justizvollzugsanstalt an Gefangene Hörfunkgeräte aus eigenem Bestand aus, so werden die Gefangenen dem Grunde nach gebührenpflichtige Rundfunkteilnehmer, weil sie - und nicht die Anstalt - diese Geräte im Sinne von § 1 Abs. 2 RGebStV zum Empfang bereithalten.
2 S 1606/02

Verkündet am 13.03.2003

VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Rundfunkgebühren

hat der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Semler und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Vogel und Ridder auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13. März 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24. April 2002 - 2 K 701/01 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags zuzüglich 10 v.H. dieses Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Das klagende Land wendet sich gegen die von der beklagten Rundfunkanstalt erfolgte Heranziehung zu Rundfunkgebühren, die für Hörfunkgeräte anfallen, die in einer Justizvollzugsanstalt (JVA) des Landes von dieser zur Benutzung an Strafgefangene ausgegeben werden.

Die JVA besitzt neben sonstigen Hörfunkgeräten, für die sie unstreitig gebührenpflichtig ist, 27 weitere Hörfunkgeräte, die sie für die Dauer der Haft leihweise auf Wunsch an Strafgefangene ausgibt. Für diese Geräte zog die Beklagte den Kläger durch Bescheid vom 5.3.2001 für die Zeit vom März 1998 bis zum Februar 1999 zu Rundfunkgebühren in Höhe von DM 2.532,05 heran. Den hiergegen vom Kläger erhobenen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 29.3.2001 zurück.

Mit seiner am 26.4.2001 beim Verwaltungsgericht Freiburg erhobenen Klage macht der Kläger - wie im Vorverfahren - im Wesentlichen geltend, die Hörfunkgeräte, die er an die Strafgefangenen ausgebe, seien von diesen - und nicht von ihm - bereitgehalten. Er könne daher nicht für diese Geräte rundfunkgebührenpflichtig sein.

Dem Antrag des Klägers, den Bescheid der Beklagten vom 5.3.2001 und deren Widerspruchsbescheid vom 29.3.2001 aufzuheben, soweit darin über den Bestand von 5 gebührenpflichtigen Hörfunkgeräten hinaus weitere 27 Hörfunkgeräte als gebührenpflichtig ausgewiesen seien, ist diese entgegengetreten und hat die Abweisung der Klage beantragt.

Durch Urteil vom 24.4.2002 hat das Verwaltungsgericht den Gebührenbescheid der Beklagten vom 5.3.2001 (in der Fassung des genannten Widerspruchsbescheids vom 29.3.2001) dem Klageantrag entsprechend aufgehoben und zur Begründung ausgeführt: Der für eine Gebührenpflicht maßgebliche § 2 Abs. 2 RGebStV knüpfe an den Begriff des Rundfunkteilnehmers, der auf der Grundlage der obergerichtlichen Rechtsprechung nach "objektiven Kriterien" zu bestimmen sei, an. Insoweit bestehe Einigkeit, dass es maßgeblich auf die Verfügungsbefugnis und nicht auf das Eigentum am Rundfunkgerät ankomme, wobei entscheidend die rechtlich gesicherte tatsächliche Verfügungsmacht sei. Rundfunkteilnehmer sei demnach, wer die Möglichkeit habe, das Gerät zu nutzen, d.h. insbesondere über seinen Einsatz und über die Programmauswahl tatsächlich und verantwortlich zu bestimmen. Daher sei auch der Gefangene, unabhängig davon, ob er ein eigenes Gerät betreibe oder ein von der Anstalt ausgeliehenes, selbst Rundfunkteilnehmer, zumal die Anstalt durch das Aushändigen des Hörfunkgeräts dafür Sorge zu tragen habe, dass Gefangene von ihrer Informationsfreiheit angemessen Gebrauch machen könnten. Stünden demnach Anschaffung, Ausgabe und auch Rückforderung der Hörfunkgeräte nicht im freien Belieben der JVA, dann sei das verbleibende Bestimmungsrecht der Anstalt nicht mehr maßgeblich. Denn mit der Aushändigung der Hörfunkgeräte habe der Gefangene die rechtlich gesicherte Befugnis zu deren Benutzung, und er sei technisch und persönlich in der Lage, selbstverantwortlich über Gelegenheit, Inhalt und Zeitdauer des Rundfunkempfangs, aber auch über Einsatz und Programmauswahl zu entscheiden. Auch die Anstaltsordnung der JVA enthalte keine Hörfunkgeräte betreffende Einschränkungen der Benutzungsmöglichkeit, die über das hinausgingen, was auch Nutzer eigener Geräte zu beachten hätten. Rundfunkteilnehmer sei daher allein der betroffene Gefangene und nicht die JVA und damit der Kläger.

Gegen das ihr am 27.5.2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte die vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil zugelassene Berufung erhoben. Zu deren Begründung bringt sie im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht verkenne die Tragweite des Begriffs des Rundfunkteilnehmers, wenn es einen engen Begriff des Bereithaltens eines Rundfunkempfangsgerätes zugrundelege. Für dieses Bereithalten reiche der obergerichtlichen Rechtsprechung entsprechend der Bezug zum Empfangsgerät aus, wie er durch das Einwirken auf die Nutzungsmöglichkeit gekennzeichnet sei. Der Kläger, der - vertreten durch die JVA - Eigentümer der Hörfunkgeräte sei und auch die "Lasten" dieser Geräte zu tragen habe, halte diese Geräte bereits kraft verbindlicher Benutzungsordnung bereit, wie sie in der maßgeblichen Anstaltsordnung der JVA zu sehen sei. Diese und VwV zu § 69 StVollzG enthielten zulässige Einschränkungsmöglichkeiten für den Hörfunkempfang bis hin zu einer Untersagung des Rundfunkempfangs. Es bestehe keine Möglichkeit, das Hörfunkgerät an Dritte weiterzugeben oder den Standort des Geräts zu wählen. Auch seien dort Vorgaben für Zeit, Inhalt und sogar Lautstärke durch die JVA gemacht. Der Umstand, dass die JVA ihrerseits gesetzlichen Verpflichtungen unterliege, mit denen Ansprüche der Strafgefangenen in Beziehung stünden, widerspreche nicht der Annahme, die Anstalt könne eine verbindliche Benutzungsordnung treffen. Das Maß der Einschränkungen, denen der Strafgefangene bei der leihweisen Überlassung eines Rundfunkgeräts unterliege, sei in gewisser Weise mit den Einschränkungen zu vergleichen, denen der Leasingnehmer beim Kfz-Leasing unterliege.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 24.4.2002 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene gerichtliche Entscheidung und hebt darauf ab, dass sämtliche den Rundfunkempfang betreffenden Einschränkungen der Nutzungsmöglichkeit des Rundfunkempfangs in der JVA allein der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in der Anstalt dienten, die - da für alle Gefangenen und damit auch für diejenigen geltend, die ein eigenes Rundfunkgerät besäßen - nicht Anknüpfungspunkt für eine Rundfunkgebührenpflicht sein könnten. Da der tatsächliche Empfang der Rundfunkprogramme allein durch den Strafgefangenen und auch in dessen Interesse erfolge, dieser die Zuteilung des Geräts auch bei der Anstalt beantragt habe und über dessen Nutzung und die Programmauswahl allein entscheide, sei jener Rundfunkteilnehmer und nicht die Anstalt, die kein Eigeninteresse an dem Gerät besitze und dieses auch nicht nutze. Die Frage der Bedürftigkeit eines die Ausleihe des Hörfunkgeräts beanspruchenden Gefangenen sei ebenso wenig von Bedeutung wie der von dem Beklagten herangezogene Fall des Rundfunkteilnehmers bei einem Kfz-Leasing.

Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Verwaltungsgerichts und die der beklagten Rundfunkanstalt vor. Auf diese und auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der beklagten Rundfunkanstalt ist zulässig; sie ist aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der zulässigen Anfechtungsklage des Klägers zu Recht stattgegeben. Dieser wird durch den Gebührenbescheid der Beklagten vom 5.3.2001 (in der Fassung des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 29.3.2001) in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO). Denn die dort festgesetzten Rundfunkgebühren für die weiteren 27 Hörfunkgeräte sind dem Kläger gegenüber nicht entstanden.

Rechtsgrundlage für die im genannten Bescheid festgesetzte Rundfunkgebühr ist § 2 Abs. 2 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags - RGebStV - (Art. 4 des Staatsvertrags über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 31.8.1991, GBl. 745, geändert durch den Dritten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 26.8./11.9.1996, GBl. S. 753; dieser zuletzt geändert - aber ohne Auswirkungen auf den RGebStV - durch 6. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 20.12.2001 - dazu Gesetz zum Sechsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung des Gesetzes zu dem Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 20.6.2002, GBl. S. 207) und - die Höhe der Gebühr betreffend - § 8 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags (RFinStV -Art. 5 des o.a. Dritten Staatsvertrags).

Nach der zuerst genannten Bestimmung besteht die Gebührenpflicht für jeden Rundfunkteilnehmer und für jedes von ihm zum Empfang bereitgehaltene Rundfunkgerät. Rundfunkteilnehmer ist nach § 1 Abs. 2 Satz 1 RGebStV, wer ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereithält. Ein Rundfunkempfangsgerät wird nach Satz 2 dieser Bestimmung zum Empfang bereitgehalten, wenn damit ohne besonderen zusätzlichen technischen Aufwand Rundfunkdarbietungen, unabhängig von Art, Umfang und Anzahl der empfangbaren Programme, unverschlüsselt oder verschlüsselt, empfangen werden können. Diese Voraussetzungen sind im Falle der Justizvollzugsanstalt des klagenden Landes - im Folgenden: JVA - nicht gegeben.

Im Ausgangspunkt besteht kein Streit zwischen den Beteiligten über das Verständnis dieser Bestimmungen. Sie sind weit gefasst, sind aber der Auslegung zugänglich und daher ersichtlich nicht unbestimmt (vgl. schon VGH Bad.-Württ., Urteil vom 9.10.1981 - II 2291/79 -; Grupp, Grundfragen des Rundfunkgebührenrechts, 1983, 108). In der Rechtsprechung ist geklärt, dass nach objektiven Kriterien zu bestimmen ist, wer Rundfunkteilnehmer ist, und es mit Blick hierauf maßgeblich ist, wer die rechtlich gesicherte tatsächliche Verfügungsmacht über das Empfangsgerät besitzt, wer also die Möglichkeit hat, das Gerät zu nutzen, d.h. insbesondere über seinen Einsatz und über die Programmwahl tatsächlich und verantwortlich zu bestimmen (allg. M.; vgl. nur VGH Bad.-Württ., Urt. v. 7.8.1992, VBlBW 1993, 11; ferner auch BVerfG, Beschluss v. 6.9.1999, NJW 2000, 649).

Für die streitigen Hörfunkgeräte ist demnach die JVA dann gebührenpflichtig, wenn sie diese Geräte nicht an Gefangene ausgegeben hat, also namentlich in der Zeit, in der die Anstalt die Geräte lediglich vorhält. Denn in dieser Zeit hat sie ausschließlich die tatsächliche Verfügungsmacht über diese Geräte und ist - ungeachtet der Frage, ob die Sachherrschaft über das Empfangsgerät allein maßgeblich sein kann - jedenfalls auch deshalb Rundfunkteilnehmer, weil sie daneben auch ein uneingeschränktes Bestimmungsrecht im dargelegten Sinn besitzt. Ob sie von diesem Recht Gebrauch macht, ist für die Frage des Bereithaltens dieser Geräte regelmäßig nicht von Belang. Geht man von den Feststellungen des Verwaltungsgerichts aus, ist eine entsprechende Gebührenpflicht der in Rede stehenden Anstalt "vernachlässigbar", weil nach ihren tatsächlichen Verhältnissen die Hörfunkgeräte nahezu ständig an Gefangene ausgegeben sind.

Im Streit ist indes, wer dann das Hörfunkgerät bereithält und mithin die Frage, wer Rundfunkteilnehmer dann ist, wenn die Hörfunkgeräte an solche Gefangene ausgegeben werden, die nicht über ein eigenes (mitgebrachtes) Empfangsgerät verfügen. Der Senat folgt dabei der Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass infolge der Ausgabe der Hörfunkgeräte an die betreffenden Gefangenen diese auch Rundfunkteilnehmer sind, weil sie nunmehr das ihnen ausgehändigte Empfangsgerät zum Empfang bereithalten.

Ob eine Person die Möglichkeit hat, ein Rundfunkempfangsgerät im oben dargelegten Sinn zu nutzen, ob er also über dessen Einsatz und über die Programmwahl tatsächlich und selbst verantwortlich zu bestimmen vermag, lässt sich allein mit Blick auf die Ausgestaltung der faktischen Nutzungsmöglichkeiten im Einzelfall bestimmen. Dementsprechend besteht Übereinstimmung, dass zum einen der rechtlichen Übertragung der Nutzung (hier durch Verleihung) und zum anderen dem Eigentum an einem Hörfunkgerät (hier weiterhin bei der Anstalt) keine durchgreifende Bedeutung bei der Bestimmung der faktischen Nutzungsmöglichkeit zuzuerkennen sind. Nichts anderes kann für die Erwägung des Verwaltungsgerichts gelten, die Anstalt komme mit der Aushändigung der Hörfunkgeräte an die Strafgefangenen der Pflicht nach, jenen ihr Informationsrecht zu sichern, mithin also dafür Sorge zu tragen, dass Gefangene von ihrer Informationsfreiheit (dazu Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und BVerfGE 79, 29) angemessen Gebrauch machen können. Damit wird nicht zugleich die Aussage zu verbinden sein, mit der Erfüllung dieser Pflicht sei die Möglichkeit der Nutzung im obigen Sinn eingeräumt. Entscheidend kann insoweit nur sein, wie die Pflichtenstellung der Anstalt sich auf die faktische Möglichkeit auswirkt, die Empfangsgeräte zu nutzen.

In der Rechtsprechung sind verschiedene, durch die Gegebenheit des Einzelfalls vorgegebenen Umstände herangezogen worden, um den Begriff des Bereithaltens zu bestimmen (zu ihnen und auch ihrer im Einzelfall bestehenden Ungeeignetheit s. Grupp a.a.O., S. 109, 110 m.w.N.). Übereinstimmend wird dabei angenommen, dass die "Sachherrschaft" über das Empfangsgerät Anknüpfungspunkt für das "Bereithalten" ist, sie sich aber als (rechtlich gesicherte) Möglichkeit des Betroffenen darstellen muss, über den Einsatz des Gerätes und über die Programmwahl tatsächlich und verantwortlich zu bestimmen (so das Urteil des Senats v. 11.3.1996 - 2 S 2693/94 -). Die so umschriebene, die Verfügungs"befugnis" über das Empfangsgerät (als Gegenstand) mit Blick auf eine Nutzungsmöglichkeit erweiternde faktische Verfügungs"macht" liegt etwa schon dann vor, wenn der Betroffene das Gerät nutzen darf - und nicht erst, wenn er etwa den konkreten Standort des Geräts bestimmen darf oder die Rechtsmacht hat, das Gerät zu veräußern, zumal es auf das Eigentum am Empfangsgerät ohnehin nicht ankommen kann. Auch ist ausreichend die Nutzungsmöglichkeit (eine tatsächliche Nutzung also nicht erforderlich), wobei der Umfang der Nutzung unerheblich ist (zu allem Herb in der Anmerkung zum o.a. Urteil des VGH vom 7.8.1992, a.a.O.). Als im Tatsächlichen kennzeichnend für diese (faktische) Verfügungsmacht (dazu Grupp 109, 110) wird mit Blick auf den in Rede stehenden Sachverhalt und damit für die Entscheidung, wer Rundfunkteilnehmer ist, etwa als bedeutsam angesehen, wer für Anschaffung, Verwahrung, Kostentragung des Empfangsgeräts Sorge trägt, und wer eine Befugnis zu Weisungen über Programmwahl, Einschaltzeit, Lautstärke und sachgemäße Behandlung hat.

Geht man von einer im Vordergrund der Betrachtung stehenden (rechtlich gesicherten) Möglichkeit der (faktischen) Nutzung des Rundfunkgeräts aus, so lässt sich hier feststellen, dass mit der Aushändigung der Hörfunkgeräte an die Strafgefangenen diesen die rechtlich gesicherte Befugnis zu der Benutzung dieser Geräte dem Grunde nach eröffnet ist. Denn - und dies hat das Verwaltungsgericht zu Recht erkannt - mit der Aushändigung der Hörfunkgeräte sind die betroffenen Gefangenen technisch und persönlich in der Lage, selbstverantwortlich über die Nutzung der Geräte, namentlich über deren Betrieb, aber auch den Inhalt und die Zeitdauer des Rundfunkempfangs zu bestimmen, allgemein also über Einsatz des Geräts und Programmauswahl eigenständig zu entscheiden (vgl. dazu auch OVG Berlin, U. v. 16.05.1995 - 8 B 59.92 - <juris>) - dies allerdings nur im Rahmen der durch die Besonderheit des Haftvollzugs gekennzeichneten Gegebenheiten.

Ob diese Besonderheiten die den Gefangenen eröffnete Möglichkeit der Nutzung der Hörfunkgeräte faktisch und/oder rechtlich in einem Maß berührt, dass von einer Verfügungsmacht im genannten Sinn nicht mehr gesprochen werden kann, ist zwischen den Beteiligten im Streit. Die beklagte Rundfunkanstalt beruft sich für ihre Annahme, eine Verfügungsmacht über die ausgehändigten Hörfunkgeräte verbleibe allein der JVA, auf die Bestimmung des § 69 des Gesetzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung -Strafvollzugsgesetz (StVollzG) vom 16.3.1976, BGBl. S. 581(m. nachf. Ändergn.), der zu ihr ergangenen Verwaltungsvorschrift und der Anstalts- und der Hausordnung der JVA. Aus ihnen lässt sich indes eine solche Beschränkung der faktischen Nutzungsmöglichkeit des Rundfunkgeräts eines Gefangenen nicht entnehmen, die es rechtfertigen könnte, seine Eigenschaft als Rundfunkteilnehmer in Frage zu stellen.

Nach § 69 Abs. 1 StVollzG kann der Gefangene am Hörfunkprogramm der Anstalt sowie am gemeinschaftlichen Fernsehprogramm teilnehmen. Die Sendungen sind so auszuwählen, dass Wünsche und Bedürfnisse nach staatsbürgerlicher Information, Bildung und Unterhaltung angemessen berücksichtigt werden. Der Hörfunk- und Fernsehempfang kann vorübergehend ausgesetzt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt unerlässlich ist. Abs. 2 ergänzt, dass eigene Hörfunk- und Fernsehgeräte unter den Voraussetzungen des § 70 zugelassen werden. Nach Nr. 1 VwV zu § 69 StVollzG kann die Anstaltsleitung anordnen, dass ein Hörfunkgerät nur mit Kopfhörer betrieben und während der Ruhezeit aus dem Haftraum entfernt wird. Die für die Anstalt geltende Hausordnung regelt - soweit hier von Bedeutung - etwa in ihrer Nr. 3, dass elektrischer Strom nur in der Zeit von 6 bis 24 Uhr, an Wochenenden und Feiertagen bis 1 Uhr zur Verfügung steht; Empfangsgeräte dürfen nach der Hausordnung nur im eigenen Haftraum und mit Rücksicht auf die anderen nur in Zimmerlautstärke betrieben werden. Nr. 17 der Hausordnung sieht ausdrücklich vor, dass aus disziplinarischen Gründen der Entzug des Hörfunkempfangs von bis zu drei Monaten in Betracht kommt.

Aus diesen Vorgaben leitet die Beklagte her, dass eine Verfügungsmacht der Strafgefangenen nicht bestehe, da eine Nutzung der Hörfunkgeräte durch sie allein im Rahmen der Anstaltsordnung erfolgen dürfe, die die Annahme eines Bestimmungsrechts der Gefangenen ausschließe. Denn wenn sogar der Hörfunkempfang untersagt werden könne, es auch an einer Möglichkeit fehle, dass Betroffene das Empfangsgerät an Dritte weitergeben oder sie den Standort wählen dürften und schließlich auch Vorgaben für Zeit, Inhalt und sogar Lautstärke des Rundfunkempfangs durch die JVA gemacht würden, könne nur von einer verbindlichen Benutzungsordnung für die ausgegebenen Hörfunkgeräte durch die JVA ausgegangen werden, die die Annahme einer Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Nutzung der Rundfunkgeräte durch die Strafgefangenen ausschließe. Der Verbindlichkeit dieser Benutzungsordnung stünde auch nicht der Umstand entgegen, dass die JVA ihrerseits gesetzlichen Verpflichtungen unterliege, mit denen Ansprüche der Strafgefangenen in Beziehung stünden.

Bezogen auf die für die Rundfunkteilnehmerschaft bezogene Forderung nach einer rechtlich gesicherten faktischen Nutzungsmöglichkeit ist diesen Erwägungen nach Auffassung des Senat jedoch nicht zu folgen. Zwar ist nicht in Abrede zu stellen, dass Haftbedingungen und die sie regelnde Anstaltsordnung zu Einschränkungen mit Blick auf die Nutzung eines Hörfunkgeräts führen. Weder die gesetzlichen Vorgaben für die Freizeit während der Haftunterbringung noch die Anstaltsordnung enthalten jedoch derartige Einschränkungen der Benutzungsmöglichkeit, dass der Schluss gerechtfertigt ist, die JVA verfüge über eine das eigenverantwortliche Bestimmungsrecht der Strafgefangenen über den Rundfunkempfang verdrängende Nutzungsmöglichkeit. So besitzen die Gefangenen nach der Ausgabe eines Hörfunkgeräts der Anstalt an sie - wenn auch nur bezogen auf ihren "Lebensraum" - die (alleinige) Sachherrschaft über das Gerät. Sie sind auch innerhalb ihres Tagesablaufs und dessen Regelung durch die Anstalt in ihrer "Verfügungsmacht" über das Hörfunkgerät regelmäßig Bindungen nicht unterworfen.

Die Anschaffung von Hörfunkgeräten, deren Verwahrung und das Tragen der Kosten für sie sind Gesichtspunkte, die - da es auf die faktische Nutzungsmöglichkeit ankommt - für deren Umfang ebenso ohne Belang sind wie der Umstand, dass die Geräte im Eigentum der Anstalt stehen und von dieser auch im Wege der Leihe vergeben werden. Wenn auf die Vergabe ein Anspruch besteht, und diesen sieht auch die Beklagte wegen der mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 GG gebotenen Auslegung von § 69 StVollzG als gegeben an, dann bestehen (faktische) Einschränkungsmöglichkeiten in Bezug auf die Frage, ob ein Hörfunkgerät ausgegeben wird oder nicht, ersichtlich nicht. Dass es hier auch nicht auf eine Frage der (sozialen) Bedürftigkeit des betroffenen Häftlings ankommt, wird auch von der Beklagten eingeräumt, die selbst betont, dass grundsätzlich allen Strafgefangenen ein Hörfunkgerät zur Verfügung stehen müsse, wenn - wie dies auch hier bei der in Rede stehenden JVA der Fall ist - ein Gemeinschaftsempfang nicht möglich ist.

Auch der Umstand, dass die Insassen der Anstalt einen völlig eigenverantwortlich bestimmbaren Hörfunkempfang nicht erhalten, rechtfertigt nicht die Annahme, sie unterlägen insoweit einer ihre Verfügungsmacht ausschließenden Benutzungsordnung. Der Senat ist wie das Verwaltungsgericht der Ansicht, dass nicht jedwede Benutzungseinschränkung die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit des Rundfunkgerätes in Frage stellt. Maßgeblich ist vielmehr, ob durch die gegebenen Einschränkungen gerade die rechtlich gesicherte Nutzungsmöglichkeit des Rundfunkteilnehmers zum Empfang von Hörfunksendungen berührt wird. Sind diese Einschränkungen - wie hier - gerade nicht auf diese Möglichkeit ausgerichtet sondern sind sie Folge einer auf - wie hier - die Gewährleistung eines des sozialen Miteinanders ausgerichteten Anstaltsordnung, dann scheidet auch aus, sie als bindende Benutzungsordnung für die genannte Nutzung anzusehen. Vordergründig ist der Schluss erlaubt, die beklagte Rundfunkanstalt sehe dies ebenso: denn es steht für sie zweifelsfrei fest, dass Strafgefangene, die ein eigenes Empfangsgerät innerhalb der Anstalt bereithalten dürfen, Rundfunkteilnehmer sind. Sie unterliegen indes derselben Anstaltsordnung und damit denjenigen Einschränkungen, auf Grund derer die Beklagte für solche Gefangene, die ein Gerät von der Anstalt zur Verfügung gestellt bekommen, die Rundfunkteilnehmereigenschaft in Abrede stellt.

Dass in der Anstaltsordnung nicht die Zielrichtung liegt, faktisch den Rundfunkempfang zu regeln und einzuschränken, folgt aus ihren Festlegungen: Weder wird dort die Programmwahl vorgegeben, noch wird bestimmt, dass ein Rundfunkempfang lediglich innerhalb eines bestimmten Zeitraums zulässig ist. Stromversorgungs- und Zimmerlautstärkeregelung der Hausordnung dienen dem ordnungsgemäßen Tagesablauf innerhalb des Anstaltslebens und haben - ohne dass sie eine bindende Benutzungsordnung für Rundfunkempfang sein sollen - daher keinen unmittelbaren Bezug zur Möglichkeit der Nutzung der Hörfunkgeräte während der "Freizeit" der Häftlinge. Auch die von der Beklagten angeführte weitest gehende Möglichkeit, den Rundfunkempfang durch die Gefangenen ganz zu unterbinden, stellt sich nicht als "bindende Benutzungsordnung" dar: Diese Maßnahme ist ohnehin nur vorübergehend zulässig und auch nur dann, wenn disziplinarische Gründe sie rechtfertigen. Als auf die Möglichkeit der Nutzung zum Rundfunkempfang ausgerichtete Benutzungsregelung kann sie daher nicht verstanden werden. Vergleichbares gilt für den Hinweis der Beklagten auf das (fehlende) Aufenthaltsbestimmungsrecht eines betroffenen Häftlings. Auch halten sich, worauf das Verwaltungsgericht hingewiesen hat, die genannten Einschränkungen durch die Anstaltsordnung ersichtlich im Rahmen dessen, was auch in sonstigen Rechtsbeziehungen innerhalb einer Gemeinschaft gefordert ist (vgl. dazu auch Grupp, a.a.O., S. 128 "Regelungen zum Programmempfang" und "Lautstärke"). Dass auch der Hinweis auf vermeintlich vergleichbare Anstalten, die - da dem Grunde nach gebührenpflichtig -Gebührenbefreiung genießen (dazu § 6 RGebStV, § 3 BefrVO), hier nicht zu einer vergleichbaren Annahme im Falle von Justizvollzugsanstalten zwingt, hat das Verwaltungsgericht gleichfalls zu Recht unter Hinweis auf die unterschiedlichen Interessenlagen dargelegt. Dies wird auch durch die Entscheidung des Verordnungsgebers nahe gelegt, der in der Verordnung der Landesregierung über die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 19.1.1970 (GBl. S. 22) und deren nachfolgende Änderung vom 28.11.1972 (GBl. S. 627) bis zu der Neuregelung vom 30.9.1975 (GBl. S. 682) in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 für die Einrichtungen des Strafvollzugs sowie der Sicherung und Besserung eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht festgelegt hatte, dies allerdings unter der Voraussetzung, dass die Rundfunkempfangsgeräte von den jeweiligen Rechtsträgern des Betriebes oder der Einrichtungen bereitgehalten werden. Eine Abkehr von dieser Vorgabe kann auch bedeuten, dass nunmehr wegen der Gegebenheiten des Strafvollzugs mit Blick auf das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgeräts (seit dem StVollzG 98 nunmehr uneingeschränkt Hörfunk- und Fernsehgeräte) durch den einzelnen Gefangenen eine besondere Regelung nicht mehr erforderlich schien.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckung aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss

vom 13. März 2003

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.273,31 EUR (früher 2.532,05 DM) festgesetzt (vgl. § 13 Abs. 2 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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