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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 20.08.2002
Aktenzeichen: 5 S 1484/02
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 124a Abs. 4 Satz 5
1. Mit § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO hat der Gesetzgeber eindeutig bestimmt, bei welchem Gericht die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung zum Zweck der Fristwahrung einzureichen ist.

2. Sinn und Zweck der Regelung des § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO ist es, den Beteiligten innerhalb der zweimonatigen Begründungsfrist für den Zulassungsantrag eine Akteneinsicht beim ortsnahen Verwaltungsgericht zu ermöglichen.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

5 S 1484/02

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Beseitigungsanordnung

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Lutz und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Albers und Rieger

am 20. August 2002

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 07. Mai 2002 - 6 K 3070/01 - wird verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 3.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil zuzulassen, ist als unzulässig zu verwerfen; denn der Kläger hat ihn nicht innerhalb der gesetzlichen Frist ordnungsgemäß begründet.

Nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Nach § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO ist die Begründung bei dem Verwaltungsgericht einzureichen. Diesen Anforderungen hat der Kläger nicht entsprochen. Denn er hat die Begründung seines rechtzeitig am 24. Juni 2002 gestellten Antrags auf Zulassung der Berufung gegen das am 22. Mai 2002 zugestellte Urteil beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht. Dort ging sie per Telefax am 22. Juli 2002 um 15.57 Uhr, kurz vor Dienstschluss, ohne besonderen Eilvermerk ein. An diesem Tag lief die Begründungsfrist ab. Über den Rechtsbehelf, insbesondere über das Erfordernis, die Begründung für den Antrag auf Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgericht einzureichen, war er im Urteil ordnungsgemäß belehrt worden.

Der Kläger hält es für unschädlich, dass sein Prozessbevollmächtigter die Antragsbegründung unmittelbar dem Verwaltungsgerichtshof zugesandt hat, da dieser über die Zulassung der Berufung entscheide. Nach seiner Auffassung handelt es sich bei § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO um eine "bloße Formvorschrift ..., die einen gerichtsinternen Vorgang widerspiegelt". Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

Mit § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO hat der Gesetzgeber eindeutig bestimmt, bei welchem Gericht die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung zum Zweck der Fristwahrung einzureichen ist (vgl. zum Antrag auf Zulassung der Beschwerde nach § 146 Abs. 5 Satz 1 VwGO a.F., Hamb. OVG, Beschl. v. 12.03.1997 - Bs IV 9/97 -, NVwZ 1998, 532).

In dieser Auslegung ist § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO weder willkürlich (vgl. Art. 3 Abs. 1 GG), noch erschwert er den Zugang zur Berufungsinstanz unzumutbar oder ohne jeden sachlichen Grund (vgl. Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG). Allerdings geben die Materialien zum Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess unmittelbar keinen Aufschluss über die Motive des Gesetzgebers für die Vorschrift, die ursprünglich in § 124b Abs. 1 Satz 5 des Regierungsentwurfs enthalten war (vgl. BT-Drucks. 14/6393, BT-Drucks. 14/6854, BT-Drucks. 14/7474 und BT-Drucks. 14/7779). Sinn und Zweck der Vorschrift erschließen sich jedoch aus der Stellungnahme des Bundesrats und der Gegenäußerung der Bundesregierung zu § 124a Abs. 3 Satz 2 des Regierungsentwurfs. Nach dieser Gesetz gewordenen Bestimmung ist die Begründung der vom Verwaltungsgericht im Urteil zugelassenen Berufung, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, die Regelung an § 124b Abs. 1 Satz 5 des Regierungsentwurfs anzupassen; es erscheine sinnvoll, mit der Aktenübersendung von der ersten in die zweite Instanz bis zum Ablauf auch der Berufungsbegründungsfrist zu warten; es sei regelmäßig problemloser, den Beteiligten eine etwa zur Vorbereitung der Begründung erforderliche Akteneinsicht bei dem ortsnahen erstinstanzlichen Gericht zu gewähren (vgl. Nr. 13 der Stellungnahme des Bundesrats in BT-Drucks. 14/6854). Diesem Vorschlag hat die Bundesregierung nicht zugestimmt, weil es sinnvoll sei, dass die Akten nach dem Eingang der Berufung an das Oberverwaltungsgericht übersandt werden, damit der Vorsitzende des Senats gegebenenfalls über einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nach § 124a Abs. 3 Satz 3 VwGO entscheiden könne. Insoweit unterscheidet sich die Begründungsfrist für die zugelassene Berufung von der nicht verlängerbaren Begründungsfrist für den Antrag auf Zulassung der Berufung.

Sinn und Zweck der Regelung des § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO ist es danach, den Beteiligten innerhalb der zweimonatigen Begründungsfrist für den Zulassungsantrag eine Akteneinsicht beim ortsnahen Verwaltungsgericht zu ermöglichen. Bleiben die Akten bis zur Vorlage der Begründung des Zulassungsantrags bzw. bis zum Ablauf der Begründungsfrist beim Verwaltungsgericht, wird zudem gewährleistet, dass sie während der gesamten, nicht verlängerbaren Begründungsfrist für eine Akteneinsicht zur Verfügung stehen; bei einer vorzeitigen Versendung an das Oberverwaltungsgericht ist dies nicht der Fall.

Die Regelung des § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO entspricht im Übrigen der Vorschrift des § 133 Abs. 3 Satz 2 VwGO. Nach ihr ist die Begründung einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stets bei dem Gericht einzureichen, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll. Dies gilt auch dann, wenn neue Revisionszulassungsgründe geltend gemacht werden, nachdem das Ausgangsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt hat. Maßgeblicher Grund hierfür ist, dass das Ausgangsgericht in der Lage bleiben soll, über die Abhilfe oder Nichtabhilfe der Beschwerde auch bezüglich neuer Revisionszulassungsgründe in eigenständiger Verantwortung und mit Bindungswirkung für das Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24.07.1997 - 9 B 552.97 -, Buchholz 310 § 133) n.F.) VwGO Nr. 25 = NVwZ 1997, 1209). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen insoweit nicht (vgl., zu § 132 Abs. 3 Satz 2 VwGO a.F., BVerfG, Beschl. v. 03.11.1983 - 2 BvR 735.82 -, BVerfGE 65, 219 = NVwZ 1984, 301).

Dem Kläger ist keine Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist zu gewähren. Einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat er nicht gestellt (vgl. § 60 Abs. 1 VwGO). Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger nicht innerhalb der Antragsfrist die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgericht nachgeholt hat (vgl. § 60 Abs. 2 Satz 3 und 4 VwGO). Selbst wenn man darin eine unnötige Förmelei sehen wollte, weil die Begründung dem Verwaltungsgerichtshof vorliegt (vgl. zu einem anders gelagerten Fall, Hamb. OVG, Beschl. v. 12.03.1997 a.a.O.), wäre jedenfalls nicht ersichtlich, dass der Kläger ohne Verschulden verhindert war, die Begründungsfrist einzuhalten (vgl. § 60 Abs. 1 VwGO). Dem könnte er nicht etwa entgegen halten, das Verwaltungsgericht habe ihn durch die Mitteilung von der vorzeitigen Versendung der Akten an den Verwaltungsgerichtshof vom 25. Juni 2002 in die Irre geführt (vgl. zum Fall einer richtigen, aber einen Irrtum fördernden Rechtsmittelbelehrung, BVerwG, Urt. v. 21.03.2002 - 4 C 2.01 -). Denn diese Verfahrensweise des Verwaltungsgerichts konnte den Kläger nicht veranlassen, die ihm im Urteil erteilte Rechtsmittelbelehrung als nicht mehr gültig anzusehen. Im Übrigen enthält die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers übersandte Eingangsbestätigung des Senats vom 02. Juli 2002 einen ausdrücklichen Hinweis auf § 124a Abs. 4 VwGO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 25 Abs. 2, § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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