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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 10.04.2002
Aktenzeichen: 5 S 16/02
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 167 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 793
ZPO § 890
ZPO § 891
1. Das Vollstreckungsgericht ist beim Erlass der Androhung eines Ordnungsmittels nach § 890 Abs. 2 ZPO nicht verpflichtet, den gesetzlich zulässigen Rahmen auszuschöpfen.

2. Ist für den Fall einer Zuwiderhandlung gegen ein Unterlassungsgebot in einem Prozessvergleich eine Vertragsstrafe in bestimmter Höhe vereinbart, kann auch die erstmalige Androhung eines Ordnungsmittels auf ein Ordnungsgeld in Höhe der Vertragsstrafe beschränkt werden.


5 S 16/02

VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Vollstreckung

hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Lutz und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schefzik und Harms

am 10. April 2002

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerden der Vollstreckungsgläubiger gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30. November 2001 - 5 K 1942/01 - werden zurückgewiesen.

Die Vollstreckungsgläubiger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.250,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Beteiligte des Vollstreckungsverfahrens erster Instanz und demzufolge auch des Beschwerdeverfahrens sind nur die Vollstreckungsgläubiger und die Vollstreckungsschuldner. Die Stadt Calw ist in diesen Verfahren entgegen der Fassung des Rubrums im angefochtenen Beschluss nicht i. S. des § 63 VwGO Beteiligte, da sich der Antrag der Vollstreckungsgläubiger vom 31.07.2001 ausschließlich auf eine vollstreckbare Verpflichtung der Vollstreckungsschuldner bezieht und insoweit nicht gegen die Stadt Calw gerichtet ist und da die Stadt Calw auch nicht i. S. des § 65 VwGO beigeladen worden ist.

Die Beschwerden der Vollstreckungsgläubiger, mit denen die Heraufsetzung des im angefochtenen Beschluss angedrohten Ordnungsgeldes auf 250.000,-- EUR (nach § 890 Abs. 2 ZPO a. F. 500.000,- DM) und zusätzlich die Androhung von Ersatz-Ordnungshaft begehrt wird, haben keinen Erfolg.

Die Beschwerden sind entgegen der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses nach §§ 146 Abs. 1, 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §§ 793, 890 Abs. 2, 891 Satz 1 ZPO ohne Zulassung statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere sind die Vollstreckungsgläubiger durch den angefochtenen Beschluss beschwert. Zwar hat das Verwaltungsgericht ihren Anträgen auf Androhung von Ordnungsmitteln nach § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 890 Abs. 2 ZPO dadurch entsprochen, dass es den Vollstreckungsschuldnern für den Fall der Zuwiderhandlung gegen § 2 des Vergleichs vom 13.07.2000 die Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe der im Prozessvergleich vereinbarten Vertragsstrafe von 255,65 EUR (500,-- DM) angedroht hat. Die Vollstreckungsgläubiger haben jedoch die Androhung eines Ordnungsgeldes bis zur Höhe des gesetzlichen Höchstbetrags von 250.000,-- EUR (500.000,- DM) sowie von Ersatz-Ordnungshaft beantragt. Soweit der angefochtene Beschluss hinter diesem Antragsziel zurückbleibt, beschwert er die Vollstreckungsgläubiger. Denn diese haben grundsätzlich ein legitimes Interesse daran, dass die Ordnungsmittel in dem von ihnen beantragten gesetzlich zulässigen Umfang angedroht werden, weil der angedrohte Ordnungsmittelrahmen in einem nachfolgenden Festsetzungsverfahren nicht mehr überschritten werden kann (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 11.04.1988 - 4 W 29/88 - MDR 1988, 784; Zöller/Stöber, ZPO, 23. Aufl., § 890 Rn. 28 m. w. Nachw.).

Die Beschwerden sind jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat nach § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 890 Abs. 2 ZPO rechtsfehlerfrei die Androhung auf ein Ordnungsgeld bis zur Höhe der in § 2 des Prozessvergleichs vereinbarten Vertragsstrafe von 255,65 EUR (500,-- DM) beschränkt.

Das Prozessgericht erster Instanz hat bei Wahl und Bemessung der Ordnungsmittel nach § 890 Abs. 1 ZPO ein Ermessen (vgl. Baumbach/Lauter-bach/Albers/Hartmann, ZPO, 59. Aufl., § 890 Rn. 17 f.; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 21. Aufl., § 890 Rn. 14; Zöller/Stöber, a. a. O. § 890 Rn. 17). Es ist daher entgegen der Beschwerdebegründung auch bei der Androhung dieser Ordnungsmittel nach § 890 Abs. 2 ZPO nicht verpflichtet, stets den gesetzlichen Rahmen auszuschöpfen. Da die Ordnungsmittel i. S. des § 890 ZPO neben ihrer Funktion als Beugemaßnahme zur Vermeidung künftiger Zuwiderhandlungen auch einen repressiven, strafähnlichen Sanktionscharakter haben, sind ihre Auswahl und Bemessung in erster Linie im Blick auf den Schuldner und dessen Verhalten vorzunehmen; maßgebend ist danach vor allem der Unwertgehalt der Verletzungshandlung, d.h. die Gefährlichkeit ihrer Folgen für den Gläubiger, besonders auch der Grad des Verschuldens des Zuwiderhandelnden; daneben soll die Bemessung bewirken, dass - wiederum aus der Schuldnersicht - die Titelverletzung wirtschaftlich nicht lohnend erscheint, so dass weitere Zuwiderhandlungen auch deshalb unterbleiben (vgl. BGH, Urt. v. 30.09.1993 - I ZR 54/91 - NJW 1994, 45/46 m. w. Nachw.). Eine zwischen den Beteiligten vereinbarte Vertragsstrafe trägt diesen Bemessungskriterien teilweise ebenfalls Rechnung. Sie ist daher jedenfalls bei einer erstmaligen Androhung nach § 890 Abs. 2 ZPO ein sachgerechter Anhaltspunkt für Auswahl und Bemessung des Ordnungsmittels. Denn auch für die Angemessenheit einer Vertragsstrafe kommt es neben ihrer Funktion als pauschalierter (Mindest-) Schadensersatz auf ihren Sanktionscharakter und auf ihre Funktion der Vermeidung weiterer Zuwiderhandlungen an, also - insoweit ähnlich wie bei der Androhung und Festsetzung angemessener Ordnungsmittel i. S. des § 890 ZPO - auf die Beurteilung der Schwere und des Ausmaßes einer Zuwiderhandlung gegen den Vollstreckungstitel, auf deren Gefährlichkeit für den Gläubiger, auf das Verschulden des Verletzers und auf dessen - zu beseitigendes - Interesse an weiteren gleichartigen Begehungshandlungen (vgl. BGH, Urt. v. 30.09.1993, a. a. O.). Deshalb erscheint es, auch wenn Vertragsstrafe und Ordnungsmittel nach § 890 ZPO nicht in jeder Hinsicht miteinander vergleichbar sind (vgl. BGH, Urt. v. 05.02.1998 - III ZR 103/97 - NJW 1998, 1138), grundsätzlich sachgerecht, Auswahl und Bemessung eines Ordnungsmittels jedenfalls bei einer erstmaligen Androhung nach § 890 Abs. 2 ZPO an einer zuvor vereinbarten Vertragsstrafe zu orientieren (vgl. insoweit auch BGH, Urt. v. 05.02.1998, a. a. O. 1139). Anhaltspunkte dafür, dass dies hier im Blick auf die berechtigten Interessen der Vollstreckungsgläubiger unzweckmäßig sein könnte, sind nicht ersichtlich. Aus den gleichen Gründen hat das Verwaltungsgericht schließlich auch, zumal in Anbetracht der geringen Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe, rechtsfehlerfrei von der Androhung von Ersatz-Ordnungshaft abgesehen. Andere Entscheidungen im Vollstreckungsverfahren kommen allerdings in Betracht, wenn sich erweisen sollte, dass die vorliegende erste Androhung nicht geeignet ist, weitere Zuwiderhandlungen gegen das im Prozessvergleich vereinbarte Unterlassungsgebot zu vermeiden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1 Satz 1 GKG (ein Viertel des in der Hauptsache anzusetzenden Streitwerts, vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 20.05.1992 - 10 S 379/92 - sowie Nr. I.8 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit - Fassung 1996 - NVwZ 1996, 563, der in dem hier gegebenen Fall einer baurechtlichen Nachbarklage in der Regel 5.000,- EUR beträgt).

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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