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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 14.12.2001
Aktenzeichen: 8 S 375/01
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 3 Abs. 2 Satz 2
BauGB § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BauGB § 215 Abs. 1
1. Eine öffentliche Bekanntmachung des Entwurfs eines Bauleitplans, in der das Plangebiet lediglich durch die Auflistung der Flurstücknummern der ganz oder teilweise betroffenen Grundstücke kenntlich gemacht wird, genügt nicht der ihr zugedachten Funktion, bei interessierten Bürgern einen "Befassungsanstoß" auszulösen.

2. Vor Ablauf der Rügefrist des § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB hat das Gericht die von dieser Vorschrift erfassten Verfahrensfehler von Amts wegen zu berücksichtigen.

3. Die Bekanntmachung eines wiederholten Satzungsbeschlusses setzt die Rügefristen des § 215 Abs. 1 BauGB erneut in Lauf.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF 0BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

8 S 375/01

Verkündet am 14.12.2001

In der Normenkontrollsache

wegen

Gültigkeit des Bebauungsplanes "Westumfahrung Waiblingen",

Planbereich O4.03 vom 27.9.2001

hat der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Prof. Dr. Schmidt, die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schenk, Rieger und Schieber sowie den Richter am Verwaltungsgerichtshof im Nebenamt Prof. Dr. Puhl auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Bebauungsplan "Westumfahrung Waiblingen", Planbereich 04.03, der Stadt Waiblingen vom 27. September 2001 wird bis zur Behebung des in den Entscheidungsgründen aufgeführten Mangels für nicht wirksam erklärt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan "Westumfahrung Waiblingen", Planbereich 04.03 der Antragsgegnerin vom 27.9.2001.

Der Plan sieht eine insgesamt etwa 3,3 km lange, zweispurige Umfahrungsstraße am Westrand der Gemarkung der Antragsgegnerin vor. Die Strecke soll im Süden am Knotenpunkt Zubringer B 14/L 1193 (Alte Bundesstraße) beginnen und in nördlicher Richtung durch das Gewann Häfneräcker führen, um nach etwa 600 m die (fünfgleisige) Bahnlinie Stuttgart/Aalen bzw. Backnang zu überqueren und nach weiteren etwa 1.400 m die von Fellbach-Schmiden nach Waiblingen führende Schmidener Straße (K 1910) zu erreichen. Mit dieser soll die nach Osten abschwenkende Westumfahrung in einem planfreien Knoten verbunden werden, in dessen südwestlichem Bereich die beiden dem Antragsteller gehörenden Grundstücke Flst. Nrn. 7631 und 7632 teilweise durch die südliche Seitenschleife für den aus Westen kommenden Verkehr in Anspruch genommen werden sollen. Die neue Straße soll dann in Richtung Osten auf der Trasse der Kreisstraße verlaufen und nach etwa 800 m nach Norden abknickend in die von Süden als Westtangente ankommende L 1142 (Hegnacher Höhe) einmünden. Das Plangebiet endet in Höhe des nördlichen Randes der Wasserstubensiedlung an der Bahnstrecke Waiblingen - Backnang.

Die Planung hat folgende Vorgeschichte: Im Bedarfsplan für den Ausbau der Bundesfernstraßen ist als "weiterer Bedarf" (gelbe Markierung) eine vierstreifige Nordostumfahrung Stuttgart von der B 29 südwestlich Waiblingen zur B 27 südlich Kornwestheim vorgesehen. In einer Teilraumuntersuchung Strohgäu/Neckartal/Remstal des Verbandes Region Stuttgart aus dem Jahre 1997 wurden für eine Westumfahrung Waiblingen und deren Weiterführung zur K 1854 zwischen Waiblingen-Hegnach und Fellbach-Oeffingen zwei Trassenvarianten (4.1 und 4.3) zur Aufnahme in den Regionalverkehrsplan vorgeschlagen. Eine Einigung der betroffenen Städte über den zu wählenden Trassenverlauf kam aber nicht zustande. Ausgehend von den beiden genannten Trassenvorschlägen entwickelte daraufhin die Ingenieur Gesellschaft Verkehr (IGV) im Auftrag der Antragsgegnerin eine Variante 4.W, die Plantrasse, der die Aufgabe zugedacht ist, im Bereich der Kernstadt von Waiblingen den Verkehr zu beruhigen, den Durchgangsverkehr vor allem von und in Richtung Ludwigsburg und Schorndorf zu verlagern und die Funktion des erweiterten Innenstadtbereichs als Dienstleistungszentrum und Wohnstandort zu verbessern. Die Gutachter errechneten in ihrer Untersuchung vom 15.4.1998 vor allem für die Achse Ameisenbühl - Dammstraße - Devizesstraße - Mayenner Straße im Südwesten des Stadtgebiets der Antragsgegnerin eine Entlastung um rund 15.000 Kfz/Tag.

Auf der Basis des Trassenvorschlags 4.W beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin am 18.3.1999 die Aufstellung eines Bebauungsplans "Westumfahrung Waiblingen". Der Entwurf des Plans lag nach entsprechender Bekanntmachung im "Staufer Kurier" am 12.5.1999 vom 21.5.1999 bis zum 21.6.1999 öffentlich aus. Am 22.6.1999 fand eine Informationsveranstaltung zur Bürgerbeteiligung statt. Die Antragsgegnerin holte daraufhin ein Baugrundgutachten ein, gab eine Untersuchung zum Lärm- und Erschütterungsschutz für vier an der Schmidener Straße gelegene Wohngebäude in Auftrag und ließ die zu erwartenden Verkehrsbelastungen konkretisieren. Die Gutachter gelangten zu dem Ergebnis, dass die Umfahrungsstraße zu einer Entlastung stadteinwärts gelegener Straßen um bis zu 40 % führen, auf anderen Straßenzügen allerdings auch eine Erhöhung um bis zu 93 % bewirken werde. Die Antragsgegnerin ließ ferner einen Grünordnungsplan ausarbeiten, dessen Entwurf vom 30.9.1999 eine Reihe von Maßnahmen zur Vermeidung/Verminderung bzw. Kompensation der durch den Gesamtflächenbedarf für Fahrbahnen und Nebenflächen von 10,42 ha eintretenden Folgen für Natur und Landschaft vorschlug. U. a. wurde als Ausgleichsmaßnahme vorgeschlagen, den Unterlauf des Schüttelgrabens (zwischen der Schorndorfer Straße, der B 14 und der Rems) auf einer Gesamtfläche von 2,56 ha zu renaturieren. Danach sei der Eingriff vollständig ausgeglichen. Im November 1999 ließ die Antragsgegnerin durch die IGV noch ein "Dossier zur Westumfahrung Waiblingen" erstellen, in dem einerseits Verkehrsentlastungen der stadteinwärts gelegenen Straßen um bis zu 29 % (Talstraße), aber auch Zusatzbelastungen um bis zu 22 % (L 1142 nach Ludwigsburg) errechnet wurden.

Der überarbeitete Planentwurf mit Begründung lag vom 17.11.1999 bis zum 16.12.1999 öffentlich aus. Hierauf war im "Staufer-Kurier" vom 4.11.1999 mit folgendem Text hingewiesen worden:

"Der Gemeinderat der Stadt Waiblingen hat in seiner Sitzung am 30.9.1999 dem Entwurf des Bebauungsplans "Westumfahrung Waiblingen", Planbereich 04.03, Gemarkung Waiblingen zugestimmt.

Der Bebauungsplan betrifft die Grundstücke Flst. Nr... [es folgen 189 Nummern], sowie Teilbereiche der Grundstücke Flst. Nr... [es folgen 185 Nummern]..."

Während des Auslegungszeitraums wurden von 35 Einzeleinwendern (darunter dem Antragsteller) und in umfänglichen Unterschriftenlisten Anregungen vorgetragen. Das Landratsamt Rems-Murr-Kreis machte Bedenken geltend, weil die Kompensationsmaßnahme "Renaturierung Schüttelgraben" rechtlich nicht abgesichert sei. Die Antragsgegnerin holte nachträglich (am 4.1.2000) eine gutachterliche Stellungnahme zu lokalklimatischen Fragen ein, die unter dem 20.1.2000 erstellt wurde und zu dem Schluss gelangte, die lufthygienischen Auswirkungen der geplanten Westumfahrung könnten zwar nicht quantifiziert werden, unter den gegebenen Randbedingungen sei die Straße aber klimatisch und lufthygienisch vertretbar.

In der Vorlage zur Gemeinderatssitzung vom 3.2.2000 schlug die Verwaltung der Antragsgegnerin vor, einen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan "Renaturierung Schüttelgraben" zu fassen sowie die Bau- und Ausgleichsmaßnahmen parallel zu realisieren. Dem folgte der Gemeinderat und beschloss am 3.2.2000 den Bebauungsplan "Westumfahrung Waiblingen" als Satzung sowie die Aufstellung des Bebauungsplans für die Ausgleichsmaßnahme am Schüttelgraben. Beide Beschlüsse wurden im "Staufer Kurier" vom 2.3.2000 öffentlich bekannt gemacht.

Am 12.2.2001 hat der Antragsteller das Normenkontrollverfahren zunächst mit dem Antrag eingeleitet, den Bebauungsplan "Westumfahrung Waiblingen", Planbereich 04.03, der Stadt Waiblingen vom 3.2.2000 für nichtig zu erklären. Er hat geltend gemacht: Der Bebauungsplan sei aus formellen und materiellen Gründen nichtig. Er sei vom Baubürgermeister der Antragsgegnerin bzw. einem Beamten des Stadtbauamtes und damit nicht ordnungsgemäß ausgefertigt worden. Ferner sei die gebotene Beteiligung der Naturschutzverbände unterblieben. Die geplante Straße stelle in Wahrheit keine Ortsumfahrung dar, sondern sei die erste Baustufe des Stuttgarter Nord-Ost-Rings, der eine weit höhere Verkehrsbelastung als eine bloße Umfahrungsstraße erwarten lasse. Deshalb seien die durch den Straßenbau bewirkten Eingriffe nicht richtig erkannt worden. Als Teilstück dieser größeren Straßenplanung hätte das Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden müssen. Die Straßenplanung sei nicht gerechtfertigt, weil die Antragsgegnerin es versäumt habe, sich aufdrängende bzw. von ihm vorgeschlagene Alternativen (u. a. Tunnellösungen) zu untersuchen. Der Bebauungsplan verstoße insbesondere gegen das Abwägungsgebot. Die Auswirkungen der Westumfahrung seien nicht richtig gesehen worden, weil die Effekte des Nord-Ost-Rings ausgeblendet worden seien. Ferner stütze sich die Antragsgegnerin auf ungenügende bzw. fehlerhafte Gutachten und gehe auf die Anregungen der Bürger nicht ein. Schließlich würden die Ausgleichsmaßnahmen für den Eingriff in Natur und Landschaft großenteils nur angedacht, nicht aber verbindlich festgesetzt oder vereinbart.

In Verlauf des Normenkontrollverfahrens wiederholte der Gemeinderat der Antragsgegnerin in seiner Sitzung vom 27.9.2001 den Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan "Westumfahrung Waiblingen" ohne Änderungen gegenüber der am 3.2.2000 beschlossenen Fassung und fasste zugleich den Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan "Renaturierung Schüttelgraben-Unterlauf - Ausgleichsmaßnahme zum Bebauungsplan "Westumfahrung Waiblingen", Planbereich 02.02. Beide Beschlüsse wurden im "Staufer Kurier" vom 11.10.2001 öffentlich bekannt gemacht.

Der Antragsteller beantragt nunmehr,

den Bebauungsplan "Westumfahrung Waiblingen", Planbereich 04.03, der Stadt Waiblingen vom 27. September 2001 für nichtig zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie erwidert: Der Bebauungsplan sei durch den Baubürgermeister als Beigeordneten fehlerfrei ausgefertigt worden, der Leiter des städtischen Vermessungsamtes habe lediglich die zutreffende Erhebung der im Plan eingezeichneten Grundstücksgrenzen aus dem Liegenschaftskataster bestätigt. Die Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege sowie der Regionalverband des BUND seien ordnungsgemäß beteiligt worden, weitere Verbände hätten nicht angehört werden müssen. Die Untersuchungen der Ingenieur Gesellschaft Verkehr zeigten, dass zur Entlastung der innerstädtischen Straßen eine Westumfahrung geboten sei. Lediglich eine Entlastung der Neckarstraße in Hegnach sei nicht erreichbar. Die Rüge einer unzulässigen Abschnittsbildung gehe fehl, da die Planung eine Gemeindeverbindungsstraße betreffe, die im Übrigen eine selbständige Verkehrsbedeutung besitze und damit die Voraussetzungen für eine Abschnittsbildung erfülle. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei nicht erforderlich gewesen, weil es sich um eine gemeindliche Straßenplanung handle. Die sich anbietenden Trassenvarianten seien ausreichend untersucht worden. Sie habe sich dabei die bereits vorliegenden Ergebnisse der Teilraumuntersuchung Strohgäu/Neckartal/Remstal zu eigen machen dürfen. Im Rahmen der Optimierung der dort vorgeschlagenen Varianten seien auch Tunnellösungen untersucht worden. Sie hätten aber wegen der hohen Kosten verworfen werden müssen. Die naturschutzrechtlichen Anforderungen seien durch das Maßnahmenkonzept des Grünordnungsplans erfüllt. Auch im Übrigen leide der Bebauungsplan an keinen Abwägungsfehlern. Insbesondere seien die Auswirkungen eines Nord-Ost-Ringes nicht zu prüfen gewesen. Die zugrunde gelegten Gutachten seien fehlerfrei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die dem Senat vorliegenden Bebauungsplanakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist der Antragsteller als Eigentümer von zwei im Plangebiet gelegenen Grundstücken, die für die Straßentrasse teilweise in Anspruch genommen werden sollen, antragsbefugt i.S.d. § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO, weil der Bebauungsplan Inhalt und Schranken seines Eigentums (mit-)bestimmt (BVerwG, Urteil vom 10.3.1998 - 4 CN 6.97 - UPR 1998, 348 = PBauE § 47 Abs. 2 VwGO Nr. 50; Beschluss vom 7.7.1997 - 4 BN 11.97 - BauR 1997, 972 = PBauE § 47 Abs. 2 VwGO Nr. 42).

Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg; der angefochtene Bebauungsplan leidet an einem beachtlichen, zu seiner Unwirksamkeit führenden Verfahrensmangel.

Der Antragsteller beanstandet allerdings zu Unrecht die Planurkunden seien nicht ordnungsgemäß ausgefertigt worden (vgl. dazu Schenk, VBlBW 1999, 161 ff.). Denn sie wurden vom Baubürgermeister der Antragsgegnerin im Rahmen seiner Befugnisse nach § 49 Abs. 3 Satz 1 GemO am 1.3.2000 und damit nach Eintritt der durch den (ersten) Satzungsbeschluss vom 3.2.2000 eingetretenen "Ausfertigungsreife" unterzeichnet. Er hat dadurch in der gebotenen Weise die Verantwortung für die Authentizität des Planinhalts übernommen. Die mit dem Datum 5.5.1998 versehene Unterschrift des Leiters des städtischen Vermessungsamts bezieht sich dagegen auf die Übereinstimmung der Plangrundlage mit dem Liegenschaftskataster und weist keinerlei Zusammenhang mit den Festsetzungen des Bebauungsplans auf.

Die Antragsgegnerin hat aber bei der Bekanntmachung der Auslegung des Bebauungsplanentwurfs und seiner Begründung am 4.11.1999 gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB verstoßen. Danach sind Ort und Dauer der öffentlichen Auslegung mindestens eine Woche vorher ortsüblich bekannt zu machen mit dem Hinweis darauf, dass Anregungen während der Auslegungsfrist vorgebracht werden können. Die Bekanntmachung hat daher in einer Weise zu erfolgen, die geeignet ist, dem an der Planung interessierten Bürger sein Interesse an Information und Beteiligung durch Anregungen und Bedenken bewusst zu machen und dadurch Öffentlichkeit herzustellen. Der Inhalt der Bekanntmachung muss deshalb so konkret gefasst sein, dass der interessierte Bürger erkennen kann, ob er betroffen ist und gegebenenfalls Einsicht in die Entwurfsunterlagen nehmen muss, um die konkrete Beeinträchtigung seiner Belange zu erkunden und notfalls gegen das geplante Vorhaben Einwendungen zu erheben ("Anstoßfunktion", vgl. BVerwG, Urteil vom 6.7.1984 - 4 C 22.80 - BVerwGE 69, 344 = PBauE § 3 BauGB Nr. 3; Normenkontrollurteil des Senats vom 19.1.2001 - 8 S 937/00 -; VGH Bad.-Württ., Normenkontrollurteil vom 11.10.1993 - 5 S 1266/92 - VBlBW 1994, 233 zu § 59 Abs. 2 NatSchG; BayVGH, Urteil vom 11.4.2000 - 22 N 99.2159 - BayVBl. 2000, 531). Gefordert wird zwar nur ein "Befassungsanstoß" im Sinne eines ersten informativen Hinweises darauf, welcher Teil des Gemeindegebiets überplant werden soll, weil - was jedem Interessierten klar sein muss - der exakte Verlauf der Geltungsbereichsgrenze und die einzelnen Festsetzungen sich nicht in den gemeindlichen Bekanntmachungsorganen darstellen lassen, sondern nur durch Einsicht in die ausgelegten Unterlagen, insbesondere die Plankarten, festgestellt werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.5.1978 - 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 = PBauE § 12 BauGB Nr. 1; BGH, Urteil vom 5.3.1981 - III ZR 48/80 - NJW 1981, 2060; Normenkontrollurteil des Senats vom 15.9.2000 - 8 S 1900/99 -). In einem Fall wie dem vorliegenden, der durch eine außergewöhnliche Ausdehnung des Plangebiets gekennzeichnet ist, weshalb die Nennung einer vorhandenen geografischen Bezeichnung (etwa eines einzelnen Gewannnamens) die geforderte Anstoßwirkung nicht entfalten kann, muss die Bekanntmachung aber umschreiben, welches konkrete Gebiet einer städtebaulichen Planung unterzogen werden soll und ihm damit erstmals einen Namen geben (BVerwG, Urteil vom 6.7.1984, a.a.O., S. 347).

Diesen Anforderungen genügt die Auslegungsbekanntmachung vom 4.11.1999 nicht. Sie listet nur in zwei Gruppen die Flurstücknummern der Grundstücke auf, die ganz oder teilweise vom Geltungsbereich des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans betroffen sind, ohne durch eine Karte oder an geläufige geografische Bezeichnungen anknüpfende Beschreibungen den Verlauf der Plantrasse kenntlich zu machen. Das BVerwG hat in dem genannten Urteil vom 6.7.1984 (a.a.O., S. 347) ein solches Vorgehen ausdrücklich missbilligt und dazu ausgeführt:

"Würde das Plangebiet etwa lediglich durch die Angabe sämtlicher Flurnummern bestimmt, so trüge dies - im Sinne der erwünschten Anstoßfunktion - nur zur Verwirrung bei. Obwohl ein hohes Maß an Exaktheit erreicht würde, verlöre diese Gebietsumschreibung für den interessierten Bürger nahezu jeden Sinn. Ihm werden die angeführten Flurnummern regelmäßig unbekannt sein. Er vermag auf der Grundlage der Bekanntmachung nicht zu entscheiden, was Gegenstand des Planungsvorhabens der Gemeinde sein soll."

Diese Ausführungen lassen sich ohne Weiteres auf die vorliegend zu beurteilende Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung des Bebauungsplanentwurfs im "Staufer Kurier" vom 4.11.1999 übertragen. Die bloße - im Übrigen auch nicht ganz vollständige - Anführung der vom Geltungsbereich des aufzustellenden Bebauungsplans ganz oder teilweise erfassten Grundstücke war hier noch weniger geeignet, interessierte Bürger auf ihr mögliches Betroffensein aufmerksam zu machen als in dem vom Bundesverwaltungsgericht gebildeten Beispiel, bei dem es um einen ein reines Wohngebiet ausweisenden Plan ging. Denn die hier in Rede stehende Bekanntmachung betraf eine Straßenplanung, weshalb nicht nur die Eigentümer der vom Plangebiet erfassten Grundstücke zu einer Befassung mit dem Bebauungsplanentwurf "angestoßen" werden mussten, sondern auch die Eigentümer und Mieter von außerhalb des geplanten Geltungsbereichs liegenden, aber möglicherweise immissionsbetroffenen Grundstücken. Deren Interesse an der Planung konnte aber durch die bloße Auflistung fremder Flurstücksnummern nicht geweckt werden.

Der von der Bekanntmachung vom 4.11.1999 sonach nicht erzeugte "Befassungsanstoß" kann entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin auch nicht im Hinblick auf die öffentliche Bekanntmachung der Auslegung des ersten Planentwurfs im Rahmen der frühzeitigen Bürgerbeteiligung (vgl. § 3 Abs. 1 BauGB) im "Staufer Kurier" vom 12.5.1999 als dennoch ausreichend angesehen werden. Denn zum einen muss der "Befassungsanstoß" allein von der Auslegungsbekanntmachung i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB ausgehen, weil andernfalls etwa in der Zwischenzeit zugezogene Bürger nicht erreicht würden. Zum anderen war auch diese öffentliche Bekanntmachung nicht geeignet, möglicherweise Betroffene über den Gegenstand der Planung zu informieren, weil sie ohne nähere Angaben nur Schattenrisse von Grundstückszuschnitten darstellte, ohne über deren Belegenheit irgendwelche Aussagen zu machen.

Der gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB beachtliche Verfahrensfehler ist auch nicht deshalb unbeachtlich geworden, weil er nicht innerhalb der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB nach der Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses vom 3.2.2000 im "Staufer Kurier" vom 2.3.2000 geltend gemacht wurde. Denn die Rügefrist wurde durch die Bekanntmachung des (neuerlichen) Satzungsbeschlusses vom 27.9.2001 im "Staufer Kurier" vom 11.10.2001 erneut in Lauf gesetzt (OVG NRW, Urteil vom 21.1.1982 - 7 a NE 43/79 - BRS 39 Nr. 29; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 215 RdNr. 39).

Der Senat hat den Verfahrensfehler auch von Amts wegen zu berücksichtigen, obwohl keine entsprechende Rüge erhoben worden ist. Das stellt die Neufassung des § 215 Abs. 1 BauGB durch Art. 1 Nr. 86 des Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998 vom 18.8.1997 (BGBl. I S. 2081) unmissverständlich klar (vgl. BT-Drucks. 13/7589, S. 30 f.; Berliner Schwerpunkte-Kommentar zum BauGB 1998, § 215 RdNr. 2; Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, BauGB, 2. Aufl. 1999, § 215 RdNr. 3; Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 7. Aufl. 1999, § 215 RdNr. 6; zum Meinungsstand vor dem Inkrafttreten des BauROG 1998 vgl. Gaentzsch, in: Baurecht - Aktuell, Festschrift für Felix Weyreuther, S. 264, einerseits und Dolde, BauR 1990, 1.11, andererseits).

Der aufgezeigte Verfahrensfehler führt allerdings nicht zu einem Nichtigkeitsausspruch, sondern zu einer Entscheidung nach § 47 Abs. 5 Satz 4 VwGO i.V.m. § 215 a BauGB, da der Fehler in einem ergänzenden Verfahren behoben werden kann. Da der Antrag in diesem Umfang Erfolg hat, braucht der Senat an dieser Stelle auf die weiteren Einwendungen des Antragstellers, die im Übrigen in der mündlichen Verhandlung eingehend erörtert worden sind, nicht einzugehen; denn er ist nicht verpflichtet, über den erkannten Mangel hinaus den Bebauungsplan umfassend auf Fehlerfreiheit zu untersuchen (BVerwG, Beschluss vom 20.6.2001 - 4 BN 21.01 - DVBl. 2001, 1872 [LS]).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Kostenteilung gemäß § 155 Abs. 1 VwGO kommt nicht in Betracht, obwohl der Senat den angefochtenen Bebauungsplan nicht - wie beantragt - für nichtig, sondern nur für unwirksam bis zur Behebung des Mangels erklärt hat. Denn hierin ist kein teilweises Unterliegen des Antragstellers zu sehen. Die in Anwendung des § 47 Abs. 5 Satz 4 VwGO erfolgende Tenorierung soll vielmehr verdeutlichen, dass eine Heilung der als fehlerhaft erkannten Satzung möglich ist. Bis dahin bleibt der Bebauungsplan aber im gleichen Umfang suspendiert wie bei einer Nichtigerklärung (vgl. § 215 a Abs. 1 Satz 2 BauGB).

Gründe für eine Zulassung der Revision (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht gegeben.

Beschluss

Der Streitwert für das Verfahren wird gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG auf DM 30.000,-- festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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