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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 05.04.2001
Aktenzeichen: A 12 S 198/00
Rechtsgebiete: GG, AuslG


Vorschriften:

GG Art. 16a Abs. 1
AuslG § 51 Abs. 1
Die Gefahr sippenhaftähnlicher Maßnahmen aufgrund von in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten exilpolitischen Aktivitäten von Angehörigen kann nicht schon dann angenommen werden, wenn die exilpolitische Betätigung in der Bundesrepublik als exponiert einzustufen ist. Vielmehr kommt insoweit die Gleichstellung eines exilpolitisch Aktiven mit einem aufgrund einer Betätigung in der Türkei per Haftbefehl gesuchten "PKK-Aktivisten" nur dann in Betracht, wenn die verfolgungsauslösende exilpolitische Betätigung im Bundesgebiet der Sache nach ein vergleichbares politisches Gewicht aufweist wie eine militante staatsfeindliche Betätigung in der Türkei selbst (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.01.2000 - 8 A 1292/96.A -, RdNr. 374).
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

A 12 S 198/00

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Anerkennung als Asylberechtigte, Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungsandrohung

hat der 12. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Brockmann und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Utz und Dr. Roth auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 05. April 2001

am 05. April 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16. März 1998 - A 5 K 12963/95 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten im zweiten Rechtszug.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die am 02.03.1965 in Pazarcik geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit. Sie stammt aus dem Dorf Tilkiler, Kreis Pazarcik, Provinz Kahramanmaras. Ihren Angaben zufolge reiste sie am 17.08.1993 auf dem Luftweg in das Bundesgebiet ein. Dabei war sie im Besitz eines am 01.04.1993 vom Meldeamt in Sahinbey ausgestellten Nüfus. Mit Schriftsatz ihrer damaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 20.08.1993 beantragte sie ihre Anerkennung als Asylberechtigte.

Bei der Anhörung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 25.08.1993 gab die Klägerin in türkischer Sprache an, keine Schule besucht zu haben und Analphabetin zu sein. Am 19.09.1990 habe sie XXXXX XXXX geheiratet, der sich seit ca. einem Jahr als Asylbewerber in der Bundesrepublik aufhalte. Nach der Heirat sei sie bis zu ihrer Ausreise Hausfrau gewesen. Sie sei nicht Mitglied einer Partei oder Organisation. Ihr Mann habe die Türkei verlassen müssen, weil er die PKK unterstützt habe und deshalb gesucht worden sei. Dies sei vor ca. einem Jahr gewesen. Danach seien die Dorfschützer in ihr Haus gekommen und hätten nach ihrem Mann gefragt. Ihr Schwiegervater und sie seien festgenommen, nach Pazarcik gebracht und von dort mit verbundenen Augen nach Kahramanmaras transportiert worden. Sie sei geschlagen und gefoltert worden. Man habe ihr Unterstützung der PKK vorgeworfen. Sie habe auch über ihren Mann Auskunft geben sollen. Insgesamt sei sie fünf Tage in Kahramanmaras festgehalten, verhört und gefoltert worden. Anschließend hätten sie und ihr Schwiegervater nach Hause gehen können. Ca. eine Woche nach ihrer Freilassung seien Dorfschützer und Polizisten in das Dorf gekommen. Sie seien auf dem Dorfplatz zusammengetrieben und geschlagen worden. Ihr Haus sei durchsucht und ihre Wertsachen seien beschlagnahmt worden. Nach diesem Vorfall habe sie sich ca. ein bis zwei Monate bei ihren in Gaziantep wohnhaften Eltern aufgehalten. Danach sei sie wieder in ihr Heimatdorf zurückgekehrt. Ca. eine Woche nach ihrer Rückkehr, etwa vier Monate vor der Ausreise, seien wieder Dorfschützer in ihr Haus gekommen und hätten Geld verlangt. Sie hätten ihr gedroht, sie wieder mitzunehmen. Sie hätten ihr Unterstützung der PKK vorgeworfen und sie gefragt, warum sie nicht die Dorfschützer unterstützen würde. Ca. einen Monat danach seien die Dorfschützer wieder gekommen und hätten ihren Schwiegervater geschlagen und den Bruder ihres Mannes nach Pazarcik mitgenommen. Der Bruder ihres Mannes sei nach Kahramanmaras gebracht, eine Woche festgehalten und gefoltert worden. Danach seien wieder Dorfschützer in ihr Haus gekommen und hätten ihr gedroht, sie in die Berge mitzunehmen und sie dort zu vergewaltigen, wenn sie den Aufenthaltsort ihres Mannes nicht preisgebe. Sie habe zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst, dass dieser sich in Deutschland befinde. Insgesamt seien die Dorfschützer seit der Flucht ihres Mannes viermal in ihr Haus gekommen und hätten sie bedroht und geschlagen. Sie habe diese Bedrohungen nicht mehr länger ertragen können und mit Hilfe von Schleppern ihre Ausreise vorbereitet. Wirtschaftlich sei es ihnen gut gegangen. Sie hätten eine eigene Landwirtschaft gehabt.

Der Asylantrag des Ehemannes der Klägerin war vor dem Bundesamt ohne Erfolg geblieben (Bescheid vom 08.12.1993). Mit - rechtskräftigem - Urteil vom 15.03.1995 hatte das Verwaltungsgericht Karlsruhe die Beklagte verpflichtet festzustellen, dass bei ihm die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen (A 7 K 17279/93). Zur Begründung hatte es im wesentlichen ausgeführt: Das Dorf Tilkiler, aus dem der Kläger stamme, sei ein ausschließlich von Kurden alevitischen Glaubens bewohntes Dorf. Danach sei glaubhaft, dass der Kläger schon in der Türkei eine pro-kurdische Einstellung entwickelt habe, obwohl er sich während des Verfahrens stets der türkischen Sprache bedient und nichts von Schwierigkeiten während seines Militärdienstes berichtet habe. In Fortsetzung dieser pro-kurdischen Einstellung habe der Kläger etwa ein halbes Jahr nach seiner Einreise in das Bundesgebiet Kontakt mit der ERNK bzw. kurdischen Vereinigungen aufgenommen und sich in der Folgezeit mehrfach an Demonstrationen beteiligt, die im Zusammenhang mit dem Kurden-Problem bzw. einzelnen Vorgängen in der Türkei standen. Auch wenn der gegen ihn im Zusammenhang mit der Autobahn-Blockade bei Augsburg ergangene Strafbefehl vom 27.09.1994 ohne Durchführung einer Hauptverhandlung rechtskräftig geworden sein sollte, könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Aktivitäten des Klägers dem türkischen Geheimdienst verborgen geblieben seien. Danach drohe dem Kläger im Falle seiner Rückkehr in die Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung.

Mit Bescheid vom 03.07.1995 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Antrag der Klägerin auf Anerkennung als Asylberechtigte ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Außerdem wurde der Klägerin die Abschiebung in die Türkei angedroht.

Die Klägerin hat fristgerecht Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben mit dem Antrag, den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 03.07.1995 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat sich nicht geäußert.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist die Klägerin angehört worden. Sie hat angegeben, ihr Heimatdorf Tilkiler bestehe aus ca. 200 Familien. Sie habe zusammen mit ihrem Ehemann zwei Kinder, die hier (in Deutschland) lebten. Ihre Eltern lebten in Antep. Nach der Flucht ihres Mannes seien die Sicherheitskräfte gekommen und hätten sie unter Druck gesetzt. Sie hätten nach dem Ehemann gefragt. Auch ihre Schwiegereltern und ihr Schwager seien unter Druck gesetzt worden. Einmal sei sie eine Woche lang auf die Wache nach Maras gebracht worden. Dies sei drei bis vier Monate vor der Ausreise gewesen. Die Sicherheitskräfte seien auch sonst oft gekommen und hätten sie beschimpft. Sie sei einmal festgenommen worden. Sie sei mit verbundenen Augen geschlagen worden. Sie sei auch gefoltert worden. Sie sei nach Kahramanmaras gebracht worden. Sie sei morgens um 5.00 Uhr mit verbundenen Augen mitgenommen worden. Zwei Stunden nach der Festnahme seien ihre Augen in Maras verbunden worden. (Auf Vorhalt des Einzelrichters, dass die Klägerin beim Bundesamt angegeben habe, zunächst nach Pazarcik gebracht worden zu sein:) Das stimme. Die Augen seien ihr erst in Maras verbunden worden. Die Spezialeinheiten hätten an die Tür geklopft. Der Schwiegervater habe die Tür aufgemacht. Zuerst sei sie geschlagen worden. Sie, ihr Schwiegervater und ihr Schwager seien zusammen festgenommen und ungefähr eine Woche lang festgehalten worden. Ihnen sei vorgeworfen worden, dass sie Kurden seien und die PKK mit Lebensmitteln versorgt hätten. Ihr Dorf sei ein rein kurdisches Dorf gewesen, aber in der Umgebung hätten sehr viele Dorfschützer gelebt. (Auf Vorhalt des Einzelrichters, dass die Klägerin beim Bundesamt nicht angegeben habe, dass auch ihr Schwager zusammen mit ihr und dem Schwiegervater festgenommen worden sei:) Ihr Schwager sei nur eine Nacht lang festgenommen und gleich wieder freigelassen worden, weil er noch minderjährig gewesen sei. Er sei nicht nach Kahramanmaras mitgenommen worden. In Pazarcik seien sie zunächst zwei Stunden in einem Raum festgehalten worden. Nach ihrer Freilassung sei sie zunächst nach Hause gegangen und habe sich dort zwei bis drei Tage aufgehalten. Dann sei sie nach Antep zu ihren Eltern gegangen und habe sich dort ca. einen Monat lang aufgehalten. Danach sei sie wieder ins Dorf zurückgegangen. Sie habe zurückgehen müssen, weil sie dort ein Haus habe und auch dem Schwiegervater habe helfen müssen. Auch danach sei sie unter ständiger Beobachtung gestanden. Die Sicherheitskräfte seien immer wieder gekommen und hätten sie geschlagen und beschimpft. Sie sei jedoch nicht wieder mitgenommen oder gefoltert worden. Sie sei zu Hause behelligt und an den Haaren gezogen worden. Sie habe die tägliche Folter und die Misshandlungen nicht mehr aushalten können. Ihr Schwiegervater habe das Geld für die Ausreise gezahlt und auch einen Pass besorgt. Sie habe auch daran gedacht, nach Antep zu ihren Eltern zu gehen, sie sei jedoch gezwungen gewesen auszureisen. Sie sei wegen ihres Mannes gefoltert, geschlagen und mitgenommen worden. Sie habe sich um das Vieh gekümmert und auf der Pistazienplantage ihres Schwiegervaters gearbeitet. (Auf Vorhalt des Einzelrichters, dass die Klägerin beim Bundesamt angegeben habe, dass ihr Schwager nochmals mitgenommen worden sei:) Das stimme. Man habe ihn beschuldigt, dass er Lebensmittel in die Berge zu den Guerillas gebracht habe. Er sei ein bis zwei Wochen inhaftiert und gefoltert worden. Man habe ihn kaum noch identifizieren können. Auf Nachfrage des Einzelrichters, ob der Klägerin nach ihrer Festnahme noch etwas Konkretes passiert sei, ob sie sich an ein besonders hervorstechendes Ereignis erinnern könne, hat die Klägerin sich nicht geäußert. Auf nochmalige Nachfrage des Einzelrichters hat die Klägerin erklärt, dass sie beschimpft und gefoltert worden sei. (Auf Vorhalt des Einzelrichters, dass sie beim Bundesamt angegeben habe, dass ihr angedroht worden sei, sie in die Berge mitzunehmen und zu vergewaltigen:) Das stimme. Sonst hätten die Sicherheitskräfte nichts gemacht. Sie sei an den Haaren gezogen worden. Vergewaltigt worden sei sie nicht. Dies sei ihr angedroht worden. (Auf Vorhalt ihres Bevollmächtigten, dass sie beim Bundesamt angegeben habe, dass ständig die Dorfschützer zu ihrem Haus gekommen seien:) Dies stimme. Die Dorfschützer seien auch gekommen und hätten sie bedroht. (Auf Nachfrage des Einzelrichters, warum sie nicht bei ihren Eltern in Antep habe bleiben können:) Sie sei eine verheiratete Frau und habe dort nicht leben können. Sie habe in ihrem Haus leben müssen.

Mit Urteil vom 16.03.1998 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 03.07.1995 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG bei ihr vorliegen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht insbesondere ausgeführt, die Klägerin müsse im Falle einer Rückkehr in die Türkei als Ehefrau des XXXXXX XXXXX, hinsichtlich dessen das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 15.03.1995 - A 7 K 17279/93 - entschieden habe, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, Übergriffe, Verhaftungen bis hin zur Folter befürchten. Der selbst geschaffene Nachfluchtgrund des Ehemannes der Klägerin schlage auf diese als dessen Ehefrau in der Weise durch, dass er zum eigenen Verfolgungsgrund für sie werde. Zwar sei nach der türkischen Rechtsordnung Sippenhaft an sich unzulässig. Es entspreche aber der Auskunftslage, dass es bei der Suche nach Separatisten, die wie der Ehemann der Klägerin in diesem Sinn öffentlichkeitswirksam aufgetreten seien, zu Übergriffen, Verhaftungen bis hin zur Folter von Familienangehörigen und nahestehenden Bekannten komme, um dieser Person habhaft zu werden bzw. um Informationen über die Aktivitäten dieser Personen in Erfahrung zu bringen. Ermittlungen in politischen Fällen würden in der Türkei sehr breit angelegt und fänden häufig in der Form von polizeilichen Verhören unter Folter statt. Solchen Verhören seien nicht nur die Verdächtigen selbst, sondern auch ihre Verwandten (hauptsächlich Ehepartner, Geschwister und Eltern) und auch Freunde ausgesetzt. Solches drohe hier auch der Klägerin. Im Falle einer Rückkehr müsse sie befürchten, wegen der exilpolitischen Tätigkeit ihres Ehemannes zwar wohl nicht mit einem strafrechtlichen, jedoch mit einem polizeilichen Ermittlungsverfahren und damit einhergehenden Misshandlungen überzogen zu werden.

Auf Antrag des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten hat der Senat mit Beschluss vom 26.01.2000 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wegen Divergenz zugelassen.

Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16.03.1998 - A 5 K 12963/95 - zu ändern und die Klage im Umfang der Berufungszulassung abzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich auf seine Ausführungen in der Antragsschrift sowie auf den Zulassungsbeschluss.

Die Beklagte schließt sich dem Antrag und der Begründung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten vollinhaltlich an.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.

Dem Senat liegen die die Klägerin betreffenden Behörden- und Gerichtsakten vor. Diese waren ebenso Gegenstand der mündlichen Verhandlung wie die in der mit der Ladung übersandten Liste aufgeführten Erkenntnismittel und Leitsatzurteile. Gegenstand des Verfahrens waren auch die den Ehemann der Klägerin betreffenden Behörden- und Gerichtsakten (BAFL G 1517459-163 sowie VG Karlsruhe - A 7 K 17279/93 -).

Entscheidungsgründe:

Nach §§ 125 Abs. 1, 102 Abs. 2 VwGO konnte der Senat auch ohne die in der mündlichen Verhandlung ausgebliebenen Beteiligten über die Berufung verhandeln und entscheiden.

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere wird die Berufungsbegründung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten den Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO gerecht.

Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage der Klägerin zu Unrecht stattgegeben. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a Abs. 1 GG noch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG oder von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG (zum "Anwachsen" des Hilfsantrags hinsichtlich der Voraussetzungen des § 53 AuslG in der Berufungsinstanz vgl. BVerwG, Urteil vom 15.04.1997, BVerwGE 104, 260); die vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge erlassene Abschiebungsandrohung ist rechtlich nicht zu beanstanden (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

I.

Die Klägerin ist nicht politisch Verfolgte im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG. Bei ihr liegen auch nicht die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vor, wonach ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden darf, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Sie war vor der Ausreise nicht von landesweiter politischer Verfolgung betroffen oder bedroht. Der Klägerin droht auch bei einer Rückkehr in das Heimatland nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl (Art. 16a Abs. 1 GG) einerseits und des Abschiebungsverbotes nach § 51 Abs. 1 Satz 1 AuslG andererseits deckungsgleich, soweit es die Verfolgungshandlung, das geschützte Rechtsgut und den politischen Charakter der Verfolgung betrifft.

Eine Verfolgung ist dann eine politische, wenn sie dem einzelnen in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale (politische Überzeugung, religiöse Grundentscheidung oder für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen) gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989, BVerfGE 80, 315, 335; zu den Voraussetzungen im einzelnen siehe die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit der Ladung mitgeteilten Senatsurteile).

2. Die Klägerin unterlag keiner landesweiten Vorverfolgung bis zur Ausreise.

a) Sie war bis zur Ausreise im August 1993 keiner staatlichen gruppengerichteten Verfolgung ausgesetzt. Kurden hatten und haben allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit keine politische Verfolgung zu befürchten. Der Senat hat in seinen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mitgeteilten Urteilen vom 02.04.1998 - A 12 S 1092/96 - und vom 22.07.1999 - A 12 S 1891/97 - festgestellt, dass Kurden in der Türkei in keinem Landesteil bisher, derzeit und auf absehbare Zukunft allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit einer unmittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung ausgesetzt waren bzw. sind. Weder der Tatsachenvortrag der Beteiligten in diesem Verfahren noch die zwischenzeitlich eingegangenen Erkenntnismittel rechtfertigen eine andere Beurteilung für den Zeitpunkt der Ausreise der Klägerin.

b) Die Klägerin war in der Heimat vor der Ausreise aus der Türkei auch nicht von landesweiter individueller politischer Verfolgung betroffen oder bedroht.

aa) Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Asylsuchende sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darlegen muss. Ihm obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen, und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern (BVerwG, Beschluss vom 26.10.1989, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 212; Urteil vom 24.03.1987, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 64). An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheinen, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Lauf des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.11.1990, InfAuslR 1991, 94; BVerwG, Urteil vom 30.10.1990, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 135; Beschluss vom 21.07.1989, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 113).

An diesem Maßstab gemessen hat der Senat schon erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt der Angaben der Klägerin über das behauptete Vorfluchtgeschehen. So sind ihr bei der Anhörung durch das Verwaltungsgericht zahlreiche Widersprüche und Unstimmigkeiten in ihren Angaben beim Bundesamt einerseits und vor dem Verwaltungsgericht andererseits vorgehalten worden, ohne dass diese von ihr aufgelöst worden wären (Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 16.03.1998, S. 3 und 4). Auch vor dem erkennenden Senat hat die Klägerin nicht plausibel zu machen vermocht, weshalb sie beim Bundesamt im Rahmen der Schilderung ihrer Inhaftierung ihren Schwager gar nicht erwähnt hat. Dass sie "hier neu" gewesen sei und "Stress gehabt" habe, erklärt diesen Widerspruch nicht, zumal es nicht um ein Randgeschehen ging, sondern um den Kern ihrer angeblichen Verfolgungsgeschichte. Hervorzuheben ist ferner, dass sich die Klägerin in der Berufungsverhandlung bei der Antwort auf die Frage nach dem von ihr vorgelegten, am 01.04.1993 in Sahinbey ausgestellten Nüfus in erhebliche Widersprüche verstrickt hat. Insbesondere erscheinen ihre diesbezüglichen Angaben nicht vereinbar mit der Tatsache, dass es sich bei dem Ausstellungsort Sahinbey um eine Kreisstadt in der Provinz Gaziantep handelt (vgl. die Auskunft des AA vom 08.07.1998 an das VG Sigmaringen).

bb) Selbst bei Zugrundelegung der klägerischen Angaben fehlt es indes an einer landesweiten individuellen Vorverfolgung der Klägerin, weil für sie eine inländische Fluchtalternative gegeben war.

Nach ihrer Einlassung hat sich die Klägerin nach der behaupteten Inhaftierung "ca. einen Monat" (Verwaltungsgericht) bzw. "ca. 1-2 Monate" (Bundesamt) lang bei ihren Eltern in Gaziantep aufgehalten. Der Senat hat aufgrund der mündlichen Verhandlung die Überzeugung gewonnen, dass sie dort vor politischer Verfolgung und auch vor anderen Nachteilen und Gefahren sicher war, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutsbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen und am Herkunftsort so nicht bestünden. Anhaltspunkte dafür, dass sie in Gaziantep Maßnahmen der türkischen Sicherheitskräfte ausgesetzt war oder ihr solche drohten, sind weder vorgetragen worden noch sonst erkennbar. Im Gegenteil hat die Klägerin als Motiv für das Verlassen Gazianteps auch vor dem Senat lediglich angegeben, ihr Ehemann habe das Land verlassen müssen, so habe sie ihm folgen müssen, bzw., sie habe nach Tilkiler zurückkehren müssen, weil ihr Haus dort gewesen sei und die Schwiegereltern (und ihr Mann) dort eine Pistazienplantage gehabt hätten. Diese Einlassung, die sich mit ihren Angaben vor dem Verwaltungsgericht deckt (Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 16.03.1998, S. 3 und 4), zeigt, dass für das Verlassen Gazianteps verfolgungsfremde Gründe maßgeblich waren, die die Eignung des dortigen Elternhauses als Ort einer inländischen Fluchtalternative ersichtlich nicht in Frage stellen. Dies gilt um so mehr, als sich nicht einmal ansatzweise feststellen lässt, dass gegen die Klägerin ein konkreter Verdacht bestand, der geeignet gewesen wäre, sie nicht nur auf lokaler Ebene in Schwierigkeiten zu bringen, sondern zur Aufnahme in eine landesweite Fahndungsliste geführt hätte. Auch im Hinblick auf das Vorliegen der wirtschaftlichen Voraussetzungen einer inländischen Fluchtalternative bestehen für den Senat keinerlei Zweifel.

c) Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich oder von der Klägerin in substantiierter Weise vorgetragen worden, dass ihr zum Zeitpunkt ihrer Ausreise aus der Türkei Verfolgungsmaßnahmen im Sinne einer Einzelverfolgung wegen Gruppenzugehörigkeit unmittelbar bevorstanden.

Auch im Übergangsbereich zwischen anlassgeprägter Einzelverfolgung und gruppengerichteter Kollektivverfolgung können asylerhebliche Gefährdungslagen gegeben sein, die nicht in einer den Gewährleistungsinhalt des Grundrechts des Art. 16a Abs. 1 GG verkürzenden Weise unberücksichtigt bleiben dürfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.01.1991, BVerfGE 83, 216; BVerwG, Urteil vom 30.04.1996, BVerwGE 101, 134). Tatsächlichen Gefährdungslagen im Übergangsbereich zwischen anlassgeprägter Einzelverfolgung und gruppengerichteter Kollektivverfolgung ist danach im Rahmen der Prüfung der Frage Rechnung zu tragen, ob ein Asylsuchender begründete Furcht vor politischer Verfolgung hegt, weil es ihm bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände seines Falles nicht zuzumuten ist, in seinem Heimatstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (BVerwG, Urteil vom 23.07.1991, BVerwGE 88, 367). Bei der gebotenen objektiven Beurteilung dieser Frage können grundsätzlich auch Referenzfälle stattgefundener und stattfindender politischer Verfolgung sowie ein Klima allgemeiner moralischer, religiöser oder gesellschaftlicher Verachtung in einem Asylbewerber begründete Verfolgungsfurcht entstehen lassen, sodass es ihm nicht zuzumuten ist, in seinem Heimatstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren. Die für eine Verfolgung sprechenden Umstände müssen jedoch nach ihrer Intensität und Häufigkeit von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Asylbewerber die begründete Furcht ableiten lässt, selbst Opfer solcher Verfolgungsmaßnahmen zu werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.07.1991, BVerwGE 88, 367). Diese im Wege einer Gesamtbetrachtung vorzunehmende Beurteilung setzt daher die Feststellung eines konkreten und individuellen Lebenssachverhaltes voraus (vgl. Urteil des Senats vom 18.05.1992 - A 12 S 1478/90 - und Beschluss vom 05.11.1992 - A 12 S 904/92 -), also eine Konkretisierung der Gefährdung in Bezug auf den einzelnen Asylbewerber (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.11.1991 - 18 A 10259/85 -); einen solchen Lebenssachverhalt konnte der Senat indes gerade nicht feststellen.

3. Politische Verfolgung hat die sonach unverfolgt ausgereiste Klägerin auch bei ihrer Rückkehr nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu fürchten. Es liegen weder objektive noch subjektive - asylrechtlich oder im Rahmen des § 51 Abs. 1 AuslG relevante - Nachfluchtgründe vor.

a) Als objektiver Nachfluchtgrund kann eine unmittelbare oder mittelbare staatliche Verfolgung der Klägerin allein wegen kurdischer Volkszugehörigkeit nicht festgestellt werden. Im Übrigen steht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kurdischen Volkszugehörigen in der westlichen Türkei, insbesondere in den dortigen Großstädten eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung (siehe die vorab mitgeteilten Senatsurteile, insbesondere die Urteile vom 22.07.1999 - A 12 S 1891/97 - und zuletzt vom 13.09.2000 - A 12 S 2112/99 -). Der Senat befindet sich damit in Übereinstimmung mit der aktuellen Beurteilung durch die Oberverwaltungsgerichte und trägt nicht zuletzt dem gebotenen Interesse einer einheitlichen Würdigung desselben Lebenssachverhalts Rechnung (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss[!Duden1] vom 12.08.1997 - 11 BA 96.33496 -; OVG Bremen, Urteil vom 18.03.1998 - OVG 2 BA 30/96 -, S. 55 ff.; Hamburgisches OVG, Urteil vom 03.06.1998 - Bf V 26/92 -, S. 39 ff., offen gelassen nach der Verhaftung von Öcalan im Urteil vom 01.09.1999 - 5 Bf 2/92.A -, S. 43; Hessischer VGH, Urteil vom 27.03.2000 - 12 UE 583/99.A -, S. 48 ff.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 22.04.1999 - 3 L 3/95 -, S. 12 ff.; Niedersächsisches OVG, Urteile vom 18.01.2000 - 11 L 3404/99 -, S. 13 ff., und vom 30.08.2000 - 11 L 1255/00 -, S. 18 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.01.2000 - 8 A 1292/96.A -, RdNrn. 147 ff.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.06.1999 - 10 A 11424/98.OVG -, S. 19 f.; OVG Saarland, Urteil vom 29.03.2000 - 9 R 10/98 -, S. 9 f.; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29.04.1999 - A 1 S 155/97 -, S. 7; Sächsisches OVG, Urteile vom 27.02.1997 - A 4 S 293/96 - sowie - A 4 S 434/96 -; Schleswig-Holsteinisches OVG, Urteil vom 24.11.1998 - 4 L 18/95 -, S. 27 ff.; OVG Thüringen, Urteil vom 25.11.1999 - 3 KO 165/96 -, juris). An diesen Feststellungen hält der Senat in Würdigung des Tatsachenvortrags der Beteiligten sowie der dem Senat bekannten und in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel fest und verweist zur Begründung auf die o.g. Senatsurteile.

Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin im Westen - etwa wegen einer landesweiten Fahndung nach ihr - Maßnahmen der Sicherheitskräfte ausgesetzt wäre, sind nicht ersichtlich (siehe auch unten unter b).

Auch wäre sie dort vor anderen Nachteilen und Gefahren hinreichend sicher, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutsbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen und am Herkunftsort so nicht bestünden (siehe die vorab mitgeteilten Senatsurteile, insbesondere die Urteile vom 22.07.1999 - A 12 S 1891/97 - und vom 13.09.2000 - A 12 S 2112/99 -). Insbesondere droht ihr bei der gebotenen generalisierenden Betrachtung (BVerwG, Urteil vom 08.02.1989, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 104) nicht auf Dauer ein Leben unter dem Existenzminimum, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tod führt. Vielmehr ergibt sich aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln, dass Kurden in der Westtürkei im Allgemeinen eine, wenn auch bescheidene, wirtschaftliche Existenz finden können und zwar selbst dann, wenn sie über keine Schul- oder Berufsausbildung verfügen und - anders als die Klägerin - der türkischen Sprache nicht mächtig sind (vgl. hierzu im Einzelnen das Senatsurteil vom 22.07.1999, a.a.O.).

Umstände, die Anlass geben könnten, die unverfolgt ausgereiste Klägerin aus der generalisierenden Betrachtung auszunehmen, liegen nicht vor (vgl. hierzu das Urteil des BVerwG vom 30.04.1991, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 145).

b) Bei der Rückkehr in die Türkei droht der Klägerin auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit individuelle politische Verfolgung. Zurückkehrende kurdische Asylbewerber sind grundsätzlich, sofern in ihrer Person keine Besonderheiten vorliegen, bei ihrer Einreise in die Türkei sogar hinreichend sicher davor, an der Grenze oder auf dem Flughafen asylrelevanten staatlichen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu sein. Besonderheiten lassen sich im Falle der Klägerin nicht feststellen.

Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass zurückkehrende Asylbewerber kurdischer Volkszugehörigkeit nicht routinemäßig, d.h. ohne Vorliegen von Besonderheiten, allein aufgrund eines längeren Auslandsaufenthalts und einer Asylantragstellung (s. BVerfG, Beschluss vom 12.10.1994, NVwZ-Beilage 3/1995, 18, mit Hinweis auf Rechtsprechung des Senats) bei der Wiedereinreise inhaftiert und asylerheblichen Misshandlungen oder Folter ausgesetzt werden (vgl. insbesondere Urteile vom 02.04.1998 - A 12 S 1092/96 -, 02.07.1998 - A 12 S 1006/97 - und - A 12 S 3031/96 - sowie vom 21.07.1998 - A 12 S 2806/96 -). Die inzwischen bekannt gewordenen und zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismittel geben dem Senat keine Veranlassung, seine Rechtsprechung grundsätzlich in Frage[!Duden2] zu stellen. Übergriffe gegenüber Rückkehrern sind zwar bekannt geworden, beschränken sich indes angesichts der großen Zahl im Wege der Abschiebung und Zurückschiebung zurückkehrender türkischer Staatsangehöriger auf wenige Einzelfälle, die zudem überwiegend "Besonderheiten" im Sinne der Senatsrechtsprechung aufweisen (vgl. hierzu im Einzelnen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mitgeteilte Senatsurteil vom 10.11.1999 - A 12 S 2013/97 -).

Auch der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 07.09.1999 führt zu keiner anderen Beurteilung. Das Auswärtige Amt schränkt dort seine Einschätzung aus dem ad hoc-Lagebericht vom 25.02.1999, dass "angesichts der zur Zeit[!Duden3] hochemotionalisierten Atmosphäre im Zusammenhang mit der Inhaftierung Öcalans" zu bedenken sei, "dass ein erhöhtes Risiko einer besonderen Gefährdung für abzuschiebende Türken kurdischer Volkszugehörigkeit" bestehe, dahingehend ein, dass dieses Risiko (lediglich) für solche abzuschiebenden Personen bestehe, "die sich bisher in der Kurdenfrage engagiert" hätten. Gleichzeitig stellt es - insoweit in Übereinstimmung mit dem ad hoc-Lagebericht - fest, dass derzeit dem Auswärtigen Amt keine gesicherten Erkenntnisse darüber vorlägen, dass seit der Festnahme Öcalans aus Deutschland abgeschobene türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit nach ihrer Rückkehr in die Türkei Repressionen ausgesetzt gewesen seien. Etwas anderes lässt sich auch nicht den vom Auswärtigen Amt dokumentierten vier Abschiebungsfällen entnehmen, die zeitlich nach der Festnahme Öcalans durch türkische Sicherheitskräfte liegen und in denen das Auswärtige Amt Nachforschungen angestellt hat (Lagebericht, S. 26 ff.). Abgesehen davon, dass sich das Vorliegen von im Rahmen des § 51 Abs. 1 AuslG relevanter Misshandlung oder Folter letztlich wohl in keinem dieser Fälle hat verifizieren lassen, fehlt es insbesondere an ausreichend bestimmten Angaben zu den Hintergründen der berichteten Festnahmen bzw. Übergriffe seitens der Sicherheitskräfte, so dass sich nicht mit hinreichender Verlässlichkeit feststellen lässt, ob neben der Asylantragstellung und dem längeren Auslandsaufenthalt nicht besondere Umstände, insbesondere politische Verdachtsmomente vorlagen, die das konkrete Vorgehen der türkischen Sicherheitsbehörden erklären.

Der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 22.06.2000 gibt dem Senat ebenfalls keine Veranlassung, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzurücken oder diese auch nur zu modifizieren. Soweit[!Duden4] darin - über die früheren Feststellungen zum Problemkreis "Rückkehrgefährdung" hinaus - nur ergänzend über zwei weitere "problematische" Abschiebungsfälle berichtet wird, haben die eingeleiteten Nachforschungen des Auswärtigen Amtes offenbar noch zu keinen verlässlichen[!Duden5] Feststellungen über im Rahmen des § 51 Abs. 1 AuslG relevante Misshandlung oder Folter geführt (Lagebericht, S. 31 f.). In beiden Fällen wurden von den Betroffenen Strafanzeigen bei türkischen Staatsanwaltschaften gestellt, über deren Ausgang dem Auswärtigen Amt im Berichtszeitpunkt ebenfalls (noch) nichts bekannt war. Da insoweit eine Verifizierung der von den Betroffenen erhobenen Vorwürfe noch aussteht, lässt[!Duden6] sich nicht feststellen, ob das behauptete Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte möglicherweise durch "Besonderheiten" im Sinne der o.g. Senatsrechtsprechung ausgelöst wurde. Eine Verifizierung enthält auch der vom Auswärtigen Amt in Ergänzung des Lageberichts vom 22.06.2000 erstellte ad hoc-Bericht vom 30.11.2000 zur Abschiebung von zwei Sprechern des Wanderkirchenasyls in Nordrhein-Westfalen Ende Oktober 2000 nach Istanbul nicht. Ein Abgeschobener ist am Tag der Ankunft auf freien Fuß gesetzt worden und hat angegeben, von den türkischen Behörden ordnungsgemäß behandelt worden zu sein. Der andere hat mitgeteilt, unmittelbar nach Verlassen des Flughafengebäudes festgenommen, sechs Tage lang verhört und übel zugerichtet worden zu sein; die Recherchen haben allerdings eine Reihe von Zweifeln am Wahrheitsgehalt ergeben, u.a. dergestalt, dass er eine medizinische Untersuchung abgelehnt hat. Auch im Übrigen geben die Ausführungen des Auswärtigen Amtes im Lagebericht vom 22.06.2000 und im ad hoc-Bericht vom 30.11.2000 sowie die sonstigen dem Senat bekannt gewordenen und zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismittel dem Senat keine Veranlassung, seine bisherige Rechtsprechung zu ändern.

Der Senat hält vielmehr an seiner bisherigen Überzeugung fest, dass - unabhängig von den Problemen einer verlässlichen[!Duden7] Feststellung der berichteten Geschehnisse und des Vorliegens der diese möglicherweise maßgeblich erst auslösenden besonderen Umstände - die Zahl der Fälle, bei denen aus Deutschland in die Türkei zurückkehrende Personen einer über die Routinebefragung hinausgehenden Behandlung durch Sicherheitskräfte unterzogen worden sind, angesichts der hohen Zahl der Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber nicht den Schluss[!Duden8] auf eine beachtliche Rückkehrgefährdung kurdischer Asylbewerber zulassen. So wurden allein im Jahr 1999 insgesamt 5.298 türkische Staatsangehörige (nach 6.640 Personen im Jahr 1998) auf dem Luftweg in die Türkei abgeschoben (Lagebericht vom 22.06.2000, S. 37). Auch andere westliche Länder mit einer größeren Zahl ausreisepflichtiger türkischer Staatsangehöriger haben keine Bedenken gegen eine Abschiebung abgelehnter Asylbewerber geäußert oder besondere Absprachen für erforderlich erklärt; die Niederlande haben einen vorübergehenden Abschiebestopp wieder aufgehoben (Lagebericht, a.a.O.). Hinsichtlich der sich aus alledem ergebenden Folgerungen und der weiteren Bewertung dieser Zahlen kann insoweit auf das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mitgeteilte Senatsurteil vom 10.11.1999 - A 12 S 2013/97 - (UA S. 26 f.) verwiesen werden.

aa) "Besonderheiten" im Sinne der Senatsrechtsprechung ergeben sich nicht mit Blick auf die familiäre Situation der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der "Sippenhaft".

Eine "Sippenhaft" in Form strafrechtlicher Verfolgung findet in der Türkei nicht statt (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 07.09.1999 und vom 22.06.2000; ai, 22.07.1996 an VG Stuttgart; Kaya, 22.05.1995 an VG Mainz). In Betracht zu ziehen ist bei Einreisekontrollen "Sippenhaft" in Form von Repressalien im Allgemeinen allenfalls gegen nahe Angehörige von "PKK-Aktivisten", die per Haftbefehl gesucht werden (Senatsurteile vom 17.01.1995 - A 12 S 64/92 -, vom 02.07.1998 - A 12 S 1006/97 -, vom 07.10.1999 - A 12 S 981/97 -, vom 24.02.2000 - A 12 S 1825/97 -, vom 13.09.2000 - A 12 S 2112/99 - und vom 22.03.2001 - A 12 S 280/00 -; vgl. ai, 03.02.1993 an Bayerischen VGH; Kaya, 03.04.1996 an VG Neustadt/Weinstraße, 16.03.1997 an VG Gießen, 11.03.1998 an VG Berlin; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.01.2000 - 8 A 1292/96.A -, RdNrn. 365 f.; vgl. weiter Hessischer VGH, Urteil vom 13.12.1999 - 12 UE 2984/97.A -: Keine Sippenhaft nur deshalb, weil Verwandte als Asylberechtigte anerkannt sind oder ein Asylverfahren betreiben; einschränkend dagegen Taylan, Aussage vom 15.05.1997 vor dem VG Gießen; Auswärtiges Amt, 06.04.1995 an VG Neustadt/Weinstraße).

Der Kreis der von "Sippenhaft" betroffenen Personen ist dabei grundsätzlich auf Ehegatten, Eltern, Kinder und Geschwister beschränkt. Diese Beschränkung erklärt sich schon daraus, dass sich die Verwandtschaft bezüglich Eltern, Kindern und Geschwistern anhand der Eintragungen im Personalausweis des Betroffenen sofort erkennen lässt, da daraus die Namen von Vater und Mutter hervorgehen. Für Ehegatten gilt im Ergebnis Entsprechendes, weil die Personenstandsregistrierung einer Frau mit der Eheschließung an den Ort verlegt wird, an dem ihr Ehemann gemeldet ist (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.01.2000 - 8 A 1292/96.A -, RdNr. 377; zum Alter von Kindern: RdNrn. 379 ff.).

Bei der Einreise in die Türkei erfolgt eine genaue Kontrolle der Personalien des Einreisenden, insbesondere wird geprüft, ob sein Name auf der Fahndungsliste steht, etwa bei Vorliegen eines Haftbefehls, oder ob Ein- oder Ausreiseverbote oder andere "Besonderheiten" im oben erwähnten Sinne vorliegen. Eine systematische Kontrolle auf "Sippenhaft" ist nicht bekannt und wäre auch aus praktischen Gründen allenfalls eingeschränkt möglich. Wenn die Betroffenen nicht selbst die fraglichen Verwandtschaftsverhältnisse angeben, lässt sich bei der Einreise anhand der Eintragungen im Personalausweis allenfalls eine Verwandtschaft zu den genannten nahen Angehörigen feststellen. Die - weitere - Verwandtschaft etwa zu Onkel, Tante, Cousin und Cousine ist allein durch Kontrolle der Personalien nicht festzustellen. Um solche Verwandtschaftsverhältnisse festzustellen, müssten aufwändige Nachforschungen bis "hinunter" zum Heimatort angestellt werden (vgl. hierzu ausführlich Kaya, 16.03.1997 an VG Gießen; Taylan, Aussage am 15.05.1997 vor dem VG Gießen). Bei der Kontrolle der Personalien einer Person werden jedoch nur die persönlichen Daten dieser Person überprüft (Kaya, 16.03.1997 an VG Gießen). Die Nachforschungen bei der Einreise konzentrieren sich in erster Linie auf Fahndungsmaßnahmen oder Einreiseverbote gegen den Rückkehrer selbst. Die Situation von Verwandten und die Beziehung zu diesen wird bei Gelegenheit der Einreisekontrollen grundsätzlich nicht erforscht. Solche Nachforschungen werden allenfalls aus einem besonderen Anlass angestellt (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 02.04.1998 - A 12 S 1959/96 -). Kaya (16.03.1997 an VG Gießen) sieht bei Verwandten zweiten und dritten Grades nur eine "geringe Wahrscheinlichkeit", dass diese Personen unter Druck gesetzt werden. Eine Festnahme bloß wegen des "Verdachts auf Verwandtschaft" ist nicht anzunehmen (Taylan, Aussage vom 15.05.1997 vor dem VG Gießen). Plausibilität und Richtigkeit dieser Erkenntnis werden auch durch die von Rumpf, amnesty international und Kaya geschilderten Fälle (Rumpf, 15.05.1997 und 20.08.1997 an VG Hamburg, 24.07.1998 an VG Berlin; ai, 19.02.1998 und 15.04.1998 an VG Hamburg; Kaya, 17.02.1995 an VG Neustadt/Weinstraße) nicht durchgreifend in Zweifel gezogen. Soweit diese - meist der Presse entnommenen - Schilderungen überhaupt Einzelheiten enthalten und aussagekräftig sind, betreffen sie vornehmlich Fälle aus dem Südosten der Türkei, bei denen es regelmäßig um dort "gesuchte" Verwandte ging. Es kommt bei der Prüfung der Sicherheit bei Einreise und Aufenthaltsnahme in der Westtürkei aber nicht darauf an, ob und inwieweit in den Heimatgebieten der Kurden in der Südosttürkei Repressalien gegen Familienangehörige von Gesuchten erfolgen (vgl. zur Erkenntnislage insoweit Kaya, 17.02.1995 an VG Neustadt/Weinstraße, 17.04.1995 an VG Hannover; Rumpf, 30.06.1994 an VG Frankfurt, 28.07.1997 an VG Berlin, 15.05.1997 an VG Hamburg; Oberdiek, 12.05.1995 an VG Braunschweig, 17.02.1997 an VG Hamburg; ai, 13.03.1995 an VG München, 22.07.1996 an VG Stuttgart, 19.02.1998 an VG Hamburg).

Von der Einreisesituation ist grundsätzlich zu unterscheiden die Gefährdung von (zurückgekehrten) Verwandten "vor Ort", zumal in der Südosttürkei (vgl. hierzu Rumpf, 15.05.1997 an VG Hamburg). Das Auswärtige Amt (vgl. etwa Lagebericht vom 07.09.1999, 03.08.1999 an VG Stuttgart, 02.07.1999 an VG Kassel, 04.06.1999 an VG Freiburg) bestätigt, dass im Rahmen von Fahndungsmaßnahmen Familienangehörige zu Vernehmungen z.B. über den Aufenthalt von Gesuchten geladen werden. Die Einbeziehung des persönlichen Umfelds eines Gesuchten gehört zu einer routinemäßig durchgeführten Ermittlungsarbeit. Freilich sind angesichts der dabei von den türkischen Sicherheitskräften verwandten Vernehmungsmethoden nach wie vor Übergriffe zu verzeichnen, was auch vom Auswärtigen Amt bestätigt wird (vgl. etwa 03.08.1999 an VG Stuttgart, 02.07.1999 an VG Kassel, 04.06.1999 an VG Freiburg). Der Zugriff auf nahe Angehörige setzt indes regelmäßig gezielte polizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen den betreffenden Angehörigen voraus. Den Erkenntnisquellen ist nämlich nicht zu entnehmen, dass sich die in der Türkei festzustellende Praxis von "Sippenhaft" auch auf Angehörige von bloßen Sympathisanten terroristischer staatsfeindlicher Organisationen erstreckt. Dies bedeutet, dass der Zugriff in Form von Übergriffen auf Angehörige wenig wahrscheinlich ist, wenn eine verwandte Person bei den örtlichen Sicherheitskräften lediglich allgemein - ohne Bezug zu einer konkreten Ermittlung - im vagen Verdacht der PKK-Unterstützung steht, mag diese möglicherweise auch schon deswegen vorübergehend festgenommen und verhört worden sein (vgl. hierzu auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.01.2000 - 8 A 1292/96.A -, RdNrn. 371 ff.). Das kann der Fall sein, wenn die Verdachtsmomente zu einer weiteren Untersuchungshaft bzw. Anklageerhebung nicht ausgereicht haben, der Betreffende aber gleichwohl von den örtlichen Sicherheitsbehörden argwöhnisch als potentieller PKK-Unterstützer beobachtet wird. Ebenso wenig liegt eine "Sippenhaft" in Form von Repressalien nahe, wenn der betreffende "hauptverdächtige" Verwandte nicht mehr lebt oder in Haft ist (ebenso: OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O., RdNr. 375) oder sich dauerhaft im Ausland, zumal mit einem gesicherten Aufenthaltsstatus, aufhält. In diesen Fällen wird es regelmäßig nicht plausibel sein, dass die türkischen Sicherheitsbehörden auf den Rückkehrer - unterstellt, das Verwandtschaftsverhältnis würde offenbar - massiv Druck ausüben, um des eigentlich Gesuchten habhaft zu werden. Schließlich ist auch nicht zu erwarten, dass ein Angehöriger von vornherein und zwangsläufig dem Verdacht ausgesetzt ist, er teile die politische Meinung des gesuchten Verwandten, oder er habe sich an dessen Aktivitäten beteiligt (Kaya, 22.06.1994 an VG Regensburg; Auswärtiges Amt, 16.08.1994 an VG Regensburg; vgl. auch Rumpf, 15.05.1997 an VG Hamburg).

Ausgehend hiervon lässt sich nicht feststellen, dass der Klägerin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung unter dem Gesichtspunkt der "Sippenhaft" insbesondere wegen ihres Ehemannes droht.

Weder dem Vortrag der Klägerin noch den beigezogenen Verwaltungs- und Gerichtsakten lassen sich hinreichende Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass es sich bei dem Ehemann der Klägerin um einen "PKK-Aktivisten" handelt, der als solcher aufgrund seiner Betätigung in der Türkei dort landesweit per Haftbefehl gesucht wird oder gegen den ein Ein- oder Ausreiseverbot verhängt wurde. Nach den Feststellungen in dem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.03.1995 - A 7 K 17279/93 - hat der Ehemann der Klägerin die Türkei vielmehr nicht vorverfolgt verlassen. Abgesehen von Zweifeln an der Glaubhaftigkeit seiner Angaben hat sich insbesondere nicht feststellen lassen, dass die türkischen Sicherheitskräfte in der Zeit seines jedenfalls etwa ein Jahr währenden Istanbul-Aufenthaltes versucht hätten, seiner habhaft zu werden. Der Senat hält die einschlägigen Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Verwaltungsgerichts (S. 12-13 des UA) für überzeugend und macht sie sich zu eigen.

Das Verwaltungsgericht hat allerdings im Falle des Ehemannes der Klägerin die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG angenommen mit der Begründung, diesem drohe aufgrund seiner exilpolitischen Aktivitäten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung. Die diesbezüglichen tatsächlichen Feststellungen sind nach der Überzeugung des Senats indes nicht geeignet, eine Gefährdung der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der "Sippenhaft" zu begründen.

Dies gilt bereits deshalb, weil der Senat nicht festzustellen vermag, dass die exilpolitischen Aktivitäten des Ehemannes die nach der ständigen Senatsrechtsprechung maßgebliche Schwelle der Exponiertheit erreicht haben. Ist aber die exilpolitische Betätigung einer Person bereits nicht geeignet, im Falle der Rückkehr die beachtliche Gefahr eigener politischer Verfolgung auszulösen, muss dies erst recht gelten für das - abgeleitete - Risiko "sippenhaftähnlicher" Maßnahmen gegenüber Angehörigen.

In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass[!Duden9] wegen exilpolitischer Betätigung bei einer Rückkehr in die Türkei dort - wenn überhaupt - nur exponierten Personen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht (vgl. insoweit das den Beteiligten bekannte grundlegende Urteil vom 28.11.1996 - A 12 S 922/94 -; ebenso Bayerischer VGH, Beschluss[!Duden10] vom 12.08.1997 - 11 BA 96.33496 -; OVG Bremen, Urteil vom 17.03.1999 - OVG 2 BA 118/94 -; Hamburgisches OVG, Urteil vom 01.09.1999 - 5 Bf 2/92.A -; Hessischer VGH, Urteil vom 13.12.1999 - 12 UE 2984/97.A -; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 29.07.1998 - 3 L 37/96 -; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 30.08.2000 - 11 L 1255/00 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.01.2000 - 8 A 1292/96.A -, RdNr. 307; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.02.2000 - 10 A 11821/98.OVG -; OVG Saarland, Urteil vom 29.03.2000 - 9 R 10/98 -; Sächsisches OVG, Urteil vom 27.02.1997 - A 4 S 434/96 -; OVG Thüringen, Urteil vom 25.11.1999 - 3 KO 165/96 -, juris). An dieser Rechtsprechung hat der Senat insbesondere mit Blick auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 07.09.1999 festgehalten (vgl. hierzu im Einzelnen das Urteil vom 07.10.1999 - A 12 S 1021/97 -). Bei einer Gesamtwürdigung der vorliegenden Erkenntnismittel besteht demnach eine Verfolgungsgefahr für exilpolitisch aktive kurdische Asylbewerber bei Rückkehr allenfalls dann, wenn der Betreffende öffentlichkeitswirksam und an führender Stelle tätig geworden, die exilpolitische Tätigkeit mithin als exponiert einzustufen ist. Die Betätigung muss sich deutlich von derjenigen der breiten Masse abheben und von einem solchen inhaltlichen Gewicht sein, dass der Betreffende aus der maßgeblichen Sicht des türkischen Staates als ernstzunehmender politischer Gegner oder als wichtiger Informant anzusehen ist. Allgemeine Leitlinien für das Vorliegen einer entsprechenden Verfolgungsgefahr lassen sich dabei - auch im Hinblick auf das Fehlen einer verallgemeinerungsfähigen Anzahl gesicherter Referenzfälle - nicht aufstellen. Die Verfolgungsgefährdung kann vielmehr nur anhand einer sorgfältigen Würdigung und Gewichtung der konkreten Umstände des Einzelfalles bestimmt werden. In der Regel kann jedoch eine Exponiertheit bei massenhaft vorkommenden "Aktivitäten", wie etwa der schlichten Vereinsmitgliedschaft und der damit verbundenen regelmäßigen Zahlung von Mitgliedsbeiträgen und Spenden, der einfachen Teilnahme an Demonstrationen, Hungerstreiks, Autobahnblockaden und ähnlichen Aktivitäten, der Organisation des äußeren Ablaufs solcher Veranstaltungen (z.B. Ordner, Helfer an Informations- und Bücherständen, Verteiler von Flugblättern, Verkäufer von Zeitschriften sowie von Speisen und Getränken), der Teilnahme an Informationsveranstaltungen und Schulungsseminaren sowie der Platzierung von namentlich gezeichneten Artikeln, Anzeigen und Leserbriefen in Zeitungen (vgl. hierzu Auswärtiges Amt, 02.09.1999 an VG Kassel; Oberdiek, 05.11.1998 an VG Sigmaringen; Kaya, 04.06.1998 an VG Freiburg; Taylan, 11.04.1998 an VG Freiburg) - was auch für entsprechende Internet-Aktivitäten gelten dürfte - für sich gesehen nicht angenommen werden (vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.02.2000 - 10 A 11821/98.OVG -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.01.2000 - 8 A 1292/96.A -, RdNrn. 308 ff.). Auch eine Vielzahl von ihrem sachlichen Gehalt nach niedrig profilierten Aktivitäten verleiht der exilpolitischen Tätigkeit als solcher grundsätzlich ebenso wenig ein größeres, die Annahme hinreichender Exponiertheit rechtfertigendes Gewicht, als wenn sie zum Gegenstand der Berichterstattung in den Medien gemacht oder der Betreffende gar wegen seiner Tätigkeit mit einem Strafverfahren überzogen und von einem deutschen Gericht verurteilt worden ist, was den türkischen Behörden auf dem Weg des zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei vereinbarten Strafnachrichtenaustausches bekannt wird. Denn für das Interesse der türkischen Sicherheitskräfte kommt es weder auf die Anzahl der von dem Asylbewerber vorgenommen exilpolitischen Aktivitäten noch auf die Art und Weise an, wie sie bekannt geworden sind, sondern auf deren politisches Gewicht. Der Senat hat ferner mit dem dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin bekannt gegebenen Urteil vom 22.03.2001 - A 12 S 280/00 - entschieden, dass es bei dieser Bewertung auch in Anbetracht des Lageberichts des Auswärtigen Amtes vom 22.06.2000 (S. 21) bleibt, wonach besonders solche Kurden oder andere türkische Staatsangehörige beim Betreten türkischen Bodens Gefahr liefen, dass sich staatliche Stellen mit ihnen befassten, die in herausgehobener oder jedenfalls erkennbarer Stellung vom Ausland aus für eine in der Türkei verbotene Organisation gearbeitet haben. Damit wird die Möglichkeit angesprochen, dass auch nicht exponierte exilpolitische Betätigungen politische Verfolgung oder für den Abschiebungsschutz bedeutsame Beeinträchtigungen auslösen können. Vor dem Hintergrund der seitherigen Erkenntnislage besteht aber kein Anlass für die Annahme eines Gefährdungsrisikos, das über die auch bisher nicht für ausgeschlossen gehaltenen Einzelfälle hinausgeht. Ein derartiges Risiko trifft Rückkehrer daher nach wie vor nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit (ebenso: Niedersächsisches OVG, Urteil vom 30.08.2000 - 11 L 1255/00 -).

An diesem Maßstab gemessen haben die vorgetragenen Aktivitäten des Ehemannes der Klägerin als Teilnehmer an pro-kurdischen Demonstrationen und Kundgebungen und das - nicht hervorgehobene - Engagement als Mitglied in einem kurdischen Kulturverein in Karlsruhe die Gefährdungsschwelle erkennbar nicht erreicht. Gleiches gilt für seine Teilnahme an der Autobahn-Blockade bei Augsburg, für die er mit Strafbefehl vom 27.09.1994 wegen Nötigung (§ 240 StGB) belangt worden ist.

Allerdings gibt es einen Strafnachrichtenaustausch zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei (Bundesministerium der Justiz vom 08.08.1997 an VG Gießen; Der Generalbundesanwalt beim BGH vom 27.06.1997 an VG Gießen). Auf der Grundlage des Art. 22 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20.04.1959 (BGBl. 1964 II S. 1369, 1386; 1976 II S. 1799) teilt die Bundesrepublik Deutschland der Türkei regelmäßig die in das Strafregister eingetragenen rechtskräftigen Verurteilungen türkischer Staatsangehöriger mit Angabe der Straftat und der angewandten Strafvorschrift mit. In das Strafregister eingetragen werden auch Verurteilungen durch Strafbefehle (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 4 BZRG). Aus der im Falle des Ehemannes der Klägerin dem Strafbefehl zugrunde gelegten Straftat der Nötigung nach § 240 StGB ist aber ohne weiteres für die türkischen Stellen keine gegen den türkischen Staat gerichtete exilpolitische Tätigkeit ersichtlich (vgl. bereits das Senatsurteil vom 27.10.1997 - A 12 S 2595/96 -). Erst recht kann der Strafnachricht nichts dafür entnommen werden, dass dieser sich bei der Tat hervorgetan hätte. Dies unterstreichen nicht zuletzt Art und Höhe der verhängten Strafe. Das Amtsgericht hat von einer zulässigen Freiheitsstrafe abgesehen und eine Geldstrafe festgesetzt, die ihrerseits mit 40 Tagessätzen im untersten Bereich des Strafrahmens liegt (§§ 240 Abs. 1, 40 Abs. 1 StGB).

Unabhängig davon kann die Gefahr sippenhaftähnlicher Maßnahmen aufgrund von in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten exilpolitischen Aktivitäten von Angehörigen nicht schon dann angenommen werden, wenn die exilpolitische Betätigung in der Bundesrepublik als exponiert einzustufen ist (s. Senatsbeschluss vom 23.10. 2000 - A 12 S 1959/99 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.01.2000 - 8 A 1292/96.A -, RdNr. 374). Vielmehr kommt insoweit die Gleichstellung eines exilpolitisch Aktiven mit einem aufgrund einer Betätigung in der Türkei per Haftbefehl gesuchten "PKK-Aktivisten" nur dann in Betracht, wenn die verfolgungsauslösende exilpolitische Betätigung im Bundesgebiet der Sache nach ein vergleichbares politisches Gewicht aufweist wie eine militante staatsfeindliche Betätigung in der Türkei selbst (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.01.2000, a.a.O.). Das Vorliegen dieser Voraussetzung kann mit Blick auf die - sowohl bei der Autobahn-Blockade als auch bei seinem exilpolitischem Engagement im Übrigen - ersichtlich nicht über eine Mitläuferfunktion hinausgegangenen Aktivitäten des Ehemannes der Klägerin nicht angenommen werden.

Bei einer wertenden Gesamtschau (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.07.1983, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 10) ist deshalb mit sippenhaftähnlichen Maßnahmen im Falle der Rückkehr der Klägerin nicht zu rechnen. Für eine der Klägerin günstige Risikoprognose spricht dabei auch, dass die dem Strafbefehl zugrunde liegende Tat zeitlich weit zurückliegt (März 1994; vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.02.2000 - 10 A 11821/98 -) und der Ehemann der Klägerin sich mit einem gesicherten Aufenthaltsstatus dauerhaft in Deutschland aufhält.

bb) Besonderheiten liegen bei der Klägerin schließlich auch nicht wegen eigener exilpolitischer Tätigkeiten vor. Es ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass sich die Klägerin selbst in herausgehobener Weise exilpolitisch engagiert hätte.

II.

Es besteht nach den obigen Darlegungen auch keine konkrete Gefahr der Folter (§ 53 Abs. 1 AuslG), der unmenschlichen Behandlung (§ 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK; vgl. BVerwG, Urteil vom 15.04.1997, BVerwGE 104, 260) oder sonst eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit (§ 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG).

III.

Schließlich begegnet die vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gemäß §§ 34 AsylVfG, 50 AuslG erlassene Abschiebungsandrohung im angegriffenen Bescheid keinen rechtlichen Bedenken (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.04.1997, a.a.O.).

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO entsprechend; Gerichtskosten werden nicht erhoben (§§ 83b Abs. 1, 87a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Ende der Entscheidung

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