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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 18.02.2003
Aktenzeichen: 11 S 535/02
Rechtsgebiete: AuslG, BtMG


Vorschriften:

AuslG § 47 Abs. 1 Nr. 2
AuslG § 47 Abs. 3 Satz 3
BtMG § 35
Die Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 Abs. 1 - 4 BtMG, weil der drogenabhängige Verurteilte sich wegen seiner Abhängigkeit in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung befindet oder zusagt, sich einer solchen zu unterziehen und deren Beginn gewährleistet ist, schließt die Annahme einer ordnungsrechtlichen Wiederholungsgefahr im Anschluss an eine Verurteilung wegen unerlaubten Erwerbs und unerlaubten gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht aus.
11 S 535/02

VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Ausweisung und Abschiebungsandrohung hier: vorläufiger Rechtsschutz

hat der 11. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schaeffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Jakober und den Richter am Verwaltungsgericht Horn

am 18. Februar 2003

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 28. Januar 2002 - 6 K 2236/01 - geändert. Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 12. Dezember 2001 wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000.-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 28.01.2002 ist zulässig (§§ 146 Abs. 1 und Abs. 4, 147 Abs. 1 VwGO) und begründet. Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 12.12.2001 wiederhergestellt, soweit der Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ausgewiesen wurde, bzw. hinsichtlich der Abschiebungsandrohung angeordnet.

Das Verwaltungsgericht hat mit der Ausländerbehörde zugunsten des Antragstellers, eines 1981 in Deutschland geborenen und seither hier lebenden türkischen Staatsangehörigen, mit Blick auf die wegen einer Verurteilung durch das Amtsgericht Rottweil vom 18.10.2001 zu erfolgende Ist-Ausweisung nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG (Jugendstrafe von zwei Jahren und drei Monaten wegen unerlaubten gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln [Tatzeit: August 2000 bis Mai 2001]) das Vorliegen besonderen Ausweisungsschutzes nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG und eine Ausweisung nach Ermessen (§§ 48 Abs. 2 Satz 2, 47 Abs. 3 Satz 3 AuslG i.V.m. § 45 Abs. 2 AuslG) angenommen. Das Verwaltungsgericht beanstandet in der angegriffenen Entscheidung jedoch, dass die Ausländerbehörde "zugunsten des Antragstellers mit größerem und wohl ausschlaggebendem Gewicht die begonnene Drogentherapie in die Abwägung" hätte einstellen müssen. Aus § 35 BtMG ergebe sich ein Vorrang der Rehabilitation vor einer sofortigen Ausweisung, insbesondere wenn, wie im zu entscheidenden Falle, ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG in Betracht komme. Es scheine "der Kammer auf der Hand zu liegen, dass für den betäubungsmittelabhängigen Antragsteller eine erhebliche und konkrete Gesundheitsgefahr besteht, wenn er aus der Rehabilitationseinrichtung herausgeholt und in die Türkei abgeschoben wird".

Dem vermag der Senat - wie in der Beschwerde gerügt - nicht zu folgen. Die Ausweisung des Antragstellers begegnet aller Voraussicht nach keinen rechtlichen Bedenken. Weder besteht aufgrund der Vorschrift des § 35 BtMG ein - gesetzlich normierter - Vorrang einer Therapie vor einer - sofortigen - Ausweisung (dazu 1.), noch hat die Ausländerbehörde im Rahmen ihrer Ermessensausübung die vom Antragsteller zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der Ausweisungsverfügung bereits begonnene Therapie nicht ausreichend berücksichtigt (dazu 2.).

1. Der Vorschrift des § 35 BtMG ist ein - gesetzlich normierter - "Vorrang einer Therapie vor einer - sofortigen - Ausweisung" nicht zu entnehmen. Diese Vorschrift verfolgt spezifisch strafprozessuale Zwecke dahingehend, dass bei Verurteilungen aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit bis zu einer bestimmten Strafhöhe (Freiheitsstrafe von zwei Jahren bzw. von mehr als zwei Jahren, wenn der zu vollstreckende Strafrest zwei Jahre nicht übersteigt) unter bestimmten weiteren Voraussetzungen (u.a. der Bereitschaft des Betroffenen zur Durchführung einer Therapie) der Rehabilitation Vorrang vor einer Strafvollstreckung eingeräumt wird. Insbesondere wird damit versucht, der Ursache der Straffälligkeit zu begegnen, und - unter dem Druck der Verurteilung - den Betroffenen zu einer Therapie zu bewegen ("Therapie statt Strafe"). Eine Ausweisung verfolgt demgegenüber eine andere Zielrichtung. Mit der Ausweisung soll nicht in erster Linie ein straffällig gewordener Ausländer zu einer Therapierung seiner Sucht bewegt und von der Begehung weiterer Straftaten abgehalten werden, sondern es soll - bei gegebener Wiederholungsgefahr, insbesondere in Fällen besonders gefährlicher Täter - die Gesellschaft vor derartigen neuerlichen Straftaten durch diesen oder andere Ausländer geschützt werden (Spezial- bzw. Generalprävention). Die Unterschiedlichkeit der Zielsetzungen zeigt sich insbesondere auch daran, dass in den Fällen des § 35 BtMG die Strafe nicht erlassen, sondern deren Vollstreckung nur "zurückgestellt" wird. Erfüllt ein Betroffener die vielfältigen Voraussetzungen für die Zurückstellung der Strafvollstreckung nicht (mehr), so weist die Vorschrift eine ganze Reihe von - zwingenden - Widerrufsgründen auf. Damit wird deutlich, dass mit einer solchen Zurückstellung - vergleichbar der Aussetzung eines Strafrests zur Bewährung nach § 57 Abs. 1 StGB und ebenfalls vorrangig unter Resozialisierungsgesichtspunkten - unter Inkaufnahme eines letztlich nicht verlässlich abschätzbaren Risikos der Versuch unternommen wird, zu erproben, ob der Betroffene eine Therapie erfolgreich absolvieren und sich sodann straffrei verhalten wird (zu § 57 Abs. 1 StGB vgl. BVerwG, Urt. v. 16.11.2000 - 9 C 6.00 -, BVerwGE 112, 185). Eine Wiederholungsgefahr - zumal in ausländerrechtlicher Hinsicht - wird damit nicht ausgeschlossen.

2. Der Senat vermag sich auch nicht der Einschätzung anzuschließen, die Ausweisung des Antragstellers begegne rechtlichen Bedenken, weil die Ausländerbehörde "zugunsten des Antragstellers mit größerem und wohl ausschlaggebendem Gewicht die begonnene Drogentherapie in die Abwägung" hätte einstellen müssen. Wie der Senat bereits mit Beschluss vom 11.02.1997 - 11 S 3271/96 - ausgeführt hat, ist im Unterschied zu den Fällen der Ermessens-Ausweisung nach § 46 Nr. 4 AuslG eine erforderliche, der Rehabilitation dienende Behandlung bei einer Betäubungsmittelabhängigkeit nach der Gesetzeslage in den Fällen der Ist- oder Regel-Ausweisung wegen besonderer Gefährlichkeit (§ 47 AuslG) nicht maßgeblich zu berücksichtigen. Zwar war auch im Fall des Antragstellers - nach § 47 Abs. 3 Satz 3 AuslG - über die Ausweisung nach Ermessen zu entscheiden. Gleichwohl war der Ausweisungsanlass hier aber ein Ausweisungsgrund wegen besonderer Gefährlichkeit nach § 47 Abs. 1 AuslG. Die Herabstufung zur Ermessensentscheidung erfolgte aus davon unabhängigen Gründen der persönlichen Schutzwürdigkeit des Antragstellers als eines - im Zeitpunkt der Ausweisung - Heranwachsenden. Dies bedeutet, dass Therapiebereitschaft und gegebenenfalls die Tatsache einer bereits begonnenen Therapie - als Ermessensgründe - nicht außer Acht zu lassen, aber in der Regel nicht mit "ausschlaggebendem" Gewicht zu werten waren. Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist daher nicht zu beanstanden, dass das Regierungspräsidium in Anbetracht der abgeurteilten Tat und der sich daraus ergebenden besonderen Gefährlichkeit (vgl. § 47 Abs. 1 AuslG) der Tatsache der begonnenen Drogentherapie im Rahmen des Ausweisungsermessen keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen hat. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung war zunächst nur aufgrund einer Mitteilung der JVA Adelsheim vom 12.11.2001 bekannt, dass eine Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG erfolgt und der Antragsteller in die Fachklinik "Haus W." in S. entlassen worden sei. Aus einem Schreiben des Landeswohlfahrtsverbands Baden vom 26.11.2001 ergab sich, dass der Antragsteller Eingliederungshilfe beantragt hatte. Nähere Einzelheiten zur Therapie (Dauer, Art und Umfang, etwaige Therapieergebnisse) waren weder bekannt noch vom Antragsteller vorgetragen. Danach war nicht von einer Sondersituation beim Antragsteller auszugehen, wonach dieser - etwa schon zu Therapiebeginn wegen besonderer Therapieerfolge oder außergewöhnlicher Stabilisierung - als nicht mehr drogenabhängig anzusehen gewesen wäre mit der Folge, dass gegebenenfalls eine andere Einschätzung der Wiederholungsgefahr hätte erfolgen müssen. Soweit im nachfolgenden Verfahren beim Verwaltungsgericht Freiburg ein Schreiben der Fachklinik "Haus W." vom 19.12.2001 unterbreitet wurde, in welchem u.a. ausgeführt wird, der Antragsteller befinde sich dort seit 13.11.2001 zur Durchführung einer stationären Entwöhnungsbehandlung, nehme motiviert an den therapeutischen Angeboten teil und es sei "aus heutiger Sicht ... von einer positiven Prognose hinsichtlich der Abstinenz von ... Drogen ... auszugehen", hat sich das Regierungspräsidium in der Antragserwiderung damit auseinander gesetzt. Es ist zu der nicht zu beanstandenden Bewertung gekommen, dass auch danach "keine Änderung der Beurteilung und Bewertung des Sachverhalts hinsichtlich der schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, des atypischen Ausnahmefalls und der Verhältnismäßigkeit" herbeigeführt worden sei. Dafür spricht vor allem auch, dass die "positive Prognose" der Fachklinik "Haus W." ausdrücklich auf den damaligen Zeitpunkt (19.12.2001; etwa ein Monat nach Therapiebeginn) beschränkt ist: In Anbe- tracht der weiter geschilderten Gesamttherapiedauer von voraussichtlich 9 bis 10 Monaten ist dieser Prognose lediglich eine erste vorläufigen Bewertung zu entnehmen. Nur vorläufigen Aussagewert hat auch das weitere mit Schriftsatz vom 04.04.2002 vorgelegte - undatierte - Schreiben der Fachklinik "Haus W.". Hierin werden zwar die prognostischen Erwägungen vertieft und wird dargestellt, dass eine Unterbrechung der Therapie den Erfolg der begonnenen Maßnahme gefährden würde. Es wird jedoch keine weitergehende Prognose zu einem dauerhaft gesicherten Therapieerfolg abgegeben. Unabhängig davon hat sich im Übrigen aber auch im Nachhinein die vom Regierungspräsidium getroffene Einschätzung nachhaltig als richtig erwiesen. Denn die Therapie in der Fachklinik "Haus W." in S. ist - wie zuletzt von der Prozessbevollmächtigten des Antragsteller fernmündlich mitgeteilt - vom Antragsteller abgebrochen worden (zur Möglichkeit und Pflicht des bestätigenden Heranziehens nach Erlass der Verfügung eingetretener Umstände und Erkenntnismittel für die Richtigkeit einer im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt angestellten Prognose vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.05.2001 - 1 B 125.00 -, InfAuslR 2001, 312 = DVBl. 2001, 1530, sowie Beschl. v. 27.6.1997 - 1 B 132.97 - Juris -; Beschl. v. 16.11.1992 - 1 B 197.92 - Buchholz 402.26 § 12 AufenthG/EWG Nr. 8).

Nicht zu folgen ist dem Verwaltungsgericht auch darin, es liege auf der Hand, "dass für den betäubungsmittelabhängigen Antragsteller eine erhebliche und konkrete Gesundheitsgefahr besteht, wenn er aus der Rehabilitationseinrichtung herausgeholt und in die Türkei abgeschoben wird". Vielmehr ist in der Beschwerdebegründung ausreichend und nachvollziehbar dargelegt, dass "gemäß dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 24.07.2001 ... in der Türkei zumindest in den größeren Städten die medizinische Versorgung mit der in Deutschland vergleichbar" sei. Aus den Erkenntnissen des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom Februar 2001 (Asyl..-Dokument Nr.: TUR00040729) ergibt sich darüber hinaus auch, dass es nach Angaben des türkischen Gesundheitsministeriums in Istanbul ein Therapiezentrum für Drogenabhängige und ein Privatkrankenhaus für Drogentherapie gibt. Ein Arzt der psychiatrischen Klinik der Istanbuler Universität habe laut Presseberichten gesagt, dass derzeit zur Drogenbehandlung in Istanbul "Methadon" bzw. "LAAM" eingesetzt würden. Auch in der Stadt Manisa soll es eine weitere Behandlungsmöglichkeit für Drogenabhängige geben. Im Übrigen ist auch insofern entscheidend zu berücksichtigen, dass der Antragsteller in Deutschland nicht etwa am Ende einer erfolgreichen Therapie steht, sondern die hier begonnene Therapie mittlerweile erfolglos abgebrochen hat.

Danach kam es entscheidend auf das (abgeurteilte) Verhalten des Antragstellers und die sich darin zeigende besondere Gefährlichkeit an. Die Ausweisung ist danach aller Voraussicht nach zu Recht erfolgt und das Ermessen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt worden. Insbesondere ist im Hinblick auf die vom Amtsgericht Rottweil am 18.10.2001 abgeurteilte Tat von einer erheblichen Betäubungsmittelstraftat auszugehen, die einen Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht darstellt, der als schwerwiegender Grund i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 AuslG anzusehen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.06.1996 - 1 C 24.94 -, BVerwGE 101, 247 = InfAuslR 1997, 8). Aufgrund der Betäubungsmittelabhängigkeit des Antragstellers war auch davon auszugehen, dass künftig eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft drohte und damit von ihm eine bedeutsame Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausging. Dass dem auch durch die vom Antragsteller begonnene Therapie in Deutschland nicht wirksam begegnet werden konnte, zeigt sich nachdrücklich darin, dass er diese Therapie zwischenzeitlich abgebrochen hat. Diese vom Bundesverwaltungsgericht zu § 48 Abs. 1 Satz 1 AuslG entwickelten Grundsätze entsprechen im Übrigen in vollem Umfang der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 im Urteil vom 20.02.2000 - C 340/97 - <Nazli ./. Stadt Nürnberg> (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.05.2002 - 11 S 255/02 - <JURIS>).

Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung reicht allerdings allein nicht aus, um deren sofortige Vollziehung zu rechtfertigen. Da ein Vollzugsinteresse von vornherein nur für Bescheide in Betracht kommt, die bei summarischer Prüfung rechtmäßig erscheinen, stellt das Ergebnis der - vorläufigen - Prüfung der materiellen Rechtslage zwar ein wesentliches Element der vom Gericht im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung dar; sie ersetzt aber nicht den Nachweis eines besonderen Vollzugsinteresses, das über das Interesse hinausgeht, das den Erlass der Verfügung selbst rechtfertigt, und welches das in § 80 Abs. 1 VwGO in der Regel anerkannte private Gegeninteresse des Betroffenen überwiegt, bis zur Entscheidung über sein Rechtsmittel vom Vollzug der Verfügung verschont zu bleiben (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 18.07.1973 - 1 BvR 23/73 u.a. -, BVerfGE 35, 382, 402; Beschl. v. 21.03.1985 - 2 BvR 1642/83 -, BVerfGE 69, 220, 228; Kammerbeschluss vom 12.09.1995 - 2 BvR 1179/95 -, NVwZ 1996, 58; s. auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13.03.1997 - 13 S 1132/96 -, InfAuslR 1997, 358, 360 ff. m.w.N.).

Im Fall des Antragstellers besteht unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens ein solches besonderes Vollzugsinteresse. Bei der Beurteilung dieses Vollzugsinteresses ist das Gericht nicht darauf beschränkt, die insoweit angestellten Erwägungen der Ausländerbehörden zu überprüfen. Vielmehr hat das Gericht im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene Entscheidung über den Fortbestand des von der Ausländerbehörde formal ordnungsgemäß (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO) angeordneten Sofortvollzugs zu treffen. Dabei ergibt sich nach Ansicht des Senats, dass das besondere öffentliche Vollzugsinteresse jedenfalls im maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt besteht. Denn der Antragsteller hat durch Abbruch der Therapie, die maßgeblich für eine Sondersituation hätte sprechen können, gezeigt, dass er in seiner Sucht weiterhin gefährdet ist und damit die beachtliche Gefahr für die Begehung weiterer - betäubungsmittelrelevanter -Straftaten auch und gerade bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens besteht.

Damit würde die Ausweisung und deren Sofortvollzug auch dann keinen durchgreifenden Bedenken begegnen, wenn sich der Antragsteller auf den Schutz des ARB 1/80 berufen könnte, da - wie oben dargestellt - die Voraussetzungen des Art. 14 ARB 1/80 voraussichtlich vorliegen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.05.2002 - 11 S 255/01 -).

Dem Antragsteller kann auch kein vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Wirkungen der - als Vollstreckungsmaßnahme kraft Gesetzes sofort vollziehbaren - Abschiebungsandrohung in der angefochtenen Verfügung gewährt werden. Denn diese Maßnahme ist rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. §§ 50, 49 AuslG). Insbesondere kann entgegen dem Beschwerdevorbringen - nach den obigen Feststellungen zu etwaigen Therapiemöglichkeiten in der Türkei - kein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG festgestellt werden. Ein solches stünde im Übrigen selbst im Falle seines Vorliegens dem Erlass einer Abschiebungsandrohung nicht entgegen (§ 50 Abs. 3 AuslG), da auch dann nicht davon auszugehen wäre, dass der Antragsteller "sehenden Auges" in die Gefahr des Todes oder schwerster Gesundheitsschäden gebracht würde.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 25 Abs. 2, 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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