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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 18.05.2006
Aktenzeichen: 12 S 664/06
Rechtsgebiete: GVG, SGB XII, BSHG


Vorschriften:

GVG § 17a Abs. 2
GVG § 17a Abs. 4
SGB XII § 74
BSHG § 15
1. Die Beschwerde gegen einen Verweisungsbeschluss, in dem der beschrittene Rechtsweg für unzulässig erklärt wird, kann nur darauf gestützt werden, dass der Rechtsweg vom verweisenden Gericht unrichtig beurteilt worden ist, aber nicht darauf, dass der Rechtsstreit an ein anderes (hier: örtlich zuständiges) Gericht des Rechtswegs hätte verwiesen werden müssen.

2. Das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, ist nicht gehindert, den Rechtsstreit aus Gründen der örtlichen Zuständigkeit innerhalb "seines" Rechtswegs weiter zu verweisen.

3. Beim sozialhilferechtlichen Anspruch auf Übernahme der erforderlichen Bestattungskosten handelt es sich um einen atypischen, eigenständigen Anspruch, der in mehrfacher Hinsicht von der Regelstruktur sozialhilferechtlicher Ansprüche abweicht (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 29.01.2004 - 5 C 2.03 -, BVerwGE 120, 111).


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

12 S 664/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Sozialhilfe

hier: Verweisung an das Sozialgericht Karlsruhe

hat der 12. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 18. Mai 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten gegen den Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 23. Februar 2006 - 3 K 2889/05 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem der Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und der Rechtsstreit an das Sozialgericht Karlsruhe verwiesen worden ist, ist unbegründet.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass es sich vorliegend um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialhilfe handelt, die nach §§ 8, 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesen ist. Es hat das Vorbringen des Klägers im behördlichen und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zutreffend dahin gewürdigt, dass der Kläger gegenüber dem beklagten Sozialhilfeträger der Sache nach einen Anspruch nach § 74 SGB XII (früher: § 15 BSHG) auf Übernahme der Kosten für die Bestattung seines Vaters geltend macht. Bei diesem Anspruch handelt es sich um einen atypischen, eigenständigen sozialhilferechtlichen Anspruch, der in mehrfacher Hinsicht - vor allem in seiner Bedarfsstruktur - von der Regelstruktur sozialhilferechtlicher Ansprüche abweicht. So stellt das Gesetz hinsichtlich der allgemeinen sozialhilferechtlichen Anspruchsvoraussetzungen nicht auf die Bedürftigkeit des zur Bestattung verpflichteten Anspruchsstellers ab, es verwendet vielmehr als eigenständige Leistungsvoraussetzung die Unzumutbarkeit der Kostentragung für den Verpflichteten, die insbesondere von der Nähe und Beziehung zum Verstorbenen abhängt (BVerwG, Urt. v. 29.01.2004 - 5 C 2.03 -, BVerwGE 120, 111, Urt. v. 05.06.1997 - 5 C 13.96 -, BVerwGE 105, 51; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.10.2004 - 1 S 681/04 -). Dieser Anspruch auf Kostenübernahme kann auch eine Kostenerstattung zum Gegenstand haben, wenn - wie vorliegend - die Bestattung bereits vor Unterrichtung des Sozialhilfeträgers durchgeführt worden ist und die Kosten vor dessen Entscheidung vom zur Bestattung Verpflichteten beglichen worden sind (BVerwG, Urt. V. 05.06.1997, a. a. O.).

Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass das Sozialgericht Karlsruhe, an das der Rechtsstreit im angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts verwiesen wird, nach § 57 Abs. 1 SGG nicht zuständig sein dürfte, weil der Kläger seinen Wohnsitz außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Sozialgerichts Karlsruhe hat, dürfte dies zutreffend sein. Dem Senat ist es jedoch im Beschwerdeverfahren verwehrt, den Rechtsstreit unter Änderung des angefochtenen Verweisungsbeschlusses an das örtlich zuständige Sozialgericht zu verweisen, da die Beschwerde nur darauf gestützt werden kann, dass der Rechtsweg unrichtig beurteilt worden ist, nicht aber darauf, dass der Rechtsweg an ein anderes Gericht des Rechtswegs hätte verwiesen werden müssen (Kissel/Mayer, Gerichtsverfassungsgesetz, 4. Aufl., 2005, § 17 Rn. 36; vgl. auch BAG, Beschl. v. 20.09.1995, NJW 1996, 742). Andererseits ist der Beschluss für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG (nur) hinsichtlich des Rechtsweges bindend. Dieses Gericht ist deshalb nicht gehindert, den Rechtsstreit aus Gründen der örtlichen Zuständigkeit innerhalb "seines" Rechtswegs weiter zu verweisen (Kissel/Mayer, a. a. O., § 17 Rn. 38).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden gemäß § 188 S. 2 Halbs. 1 VwGO nicht erhoben.

Die weitere Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (§ 17a Abs. 4 Satz 4 GVG) ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG nicht vorliegen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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